JudikaturJustiz17Bs277/23v

17Bs277/23v – OLG Wien Entscheidung

Entscheidung
22. Dezember 2023

Kopf

Das Oberlandesgericht Wien hat durch den Senatspräsidenten Dr. Röggla als Vorsitzenden sowie die Richterin Mag. Schneider Reich und den Richter Ing.Mag. Kaml als weitere Senatsmitglieder in der Strafsache gegen A* wegen §§ 28a Abs 1 fünfter Fall, Abs 4 Z 3 SMG uaD über dessen Einspruch gegen die Anklageschrift der Staatsanwaltschaft Wien vom 20. Oktober 2023, AZ 55 St 341/23a, GZ 71 Hv 114/23p 60 des Landesgerichts für Strafsachen Wien, nichtöffentlich entschieden:

Spruch

Der Einspruch wird abgewiesen .

Die Anklageschrift ist rechtswirksam.

Die über A* verhängte Untersuchungshaft wird aus den Haftgründen der Flucht und Tatbegehungsgefahr nach § 173 Abs 1 und 2 Z 1 und 3 lit b StPO fortgesetzt.

Text

Begründung:

Mit obgenannter Anklageschrift legt die Staatsanwaltschaft Wien dem am ** geborenen serbischen Staatsangehörigen A* zur Last, er habe im Zeitraum von 24.11.2019 bis 16.05.2023 in B* und andernorts

I./ im bewussten und gewollten Zusammenwirken mit dem abgesondert verfolgten C* D* vorschriftswidrig Suchtgift in einer das Fünfundzwanzigfache der Grenzmenge (§ 28b SMG) übersteigenden Menge, nämlich Kokain (beinhaltend 92,8% Cocain), Cannabisharz (beinhaltend zumindest 2,2% Delta-9-THC und 28,89% THCA), Cannabiskraut (beinhaltend zumindest 0,98% Delta-9-THC und 12,72% THCA) sowie Amphetamine (beinhaltend 10,30% Amphetamin) nachgenannten (sofern nicht namentlich bezeichnet: bislang unbekannten) Personen zum Zweck des Weiterverkaufs gewinnbringend gegen Entgelt überlassen, und zwar

1./ zu einem nicht mehr feststellbaren Zeitpunkt zwischen 24.11.2019 und 09.09.2020 von dem Nutzer „**“ (ausgeforscht als E*) zu einem nicht mehr feststellbaren Preis bezogene 1.000 Gramm Kokain;

2./ am 25.11.2019 1.000 Gramm Cannabiskraut für EUR 4.800,-;

3./ am 11.12.2019 von einer nicht mehr ausforschbaren Kurierin zu einem nicht mehr feststellbaren Preis bezogene 1.000 Gramm Kokain;

4./ von dem Nutzer „**“

a./ am 20.12.2019 zu einem nicht mehr feststellbaren Preis bezogene 2.000 Gramm Cannabiskraut;

b./ am 04.01.2020 zu einem nicht mehr feststellbaren Preis bezogene 5.000 Gramm Cannabisharz;

c./ am 22.01.2020 zu einem nicht mehr feststellbaren Preis bezogene 4.000 Gramm Cannabiskraut;

d./ am 24.01.2020 zu einem nicht mehr feststellbaren Preis bezogene 2.000 Gramm Cannabiskraut;

e./ am 29.01.2020 für EUR 8.200,- bezogene 2.000 Gramm Cannabiskraut;

f./ am 13.06.2020 für EUR 34.500,- bezogene 1.000 Gramm Kokain;

g./ am 17.07.2020 für EUR 36.000,- bezogene 1.000 Gramm Kokain;

h./ am 17.08.2020 für EUR 38.500,- bezogene 1.000 Gramm Kokain;

i./ am 23.11.2020 für EUR 42.000,- bezogene 10.000 Gramm Cannabiskraut;

j./ am 11.12.2020 für EUR 38.000,- bezogene 1.000 Gramm Kokain;

k./ am 19.12.2020 für EUR 42.000,- bezogene 10.000 Gramm Cannabiskraut;

l./ am 21.01.2021 für EUR 35.500,- bezogene 1.000 Gramm Kokain;

m./ am 04.02.2021 für EUR 35.000,- bezogene 1.000 Gramm Kokain;

n./ am 09.02.2021 für EUR 3.000,- bezogene 2.000 Gramm Amphetamine;

o./ am 12.02.2021 für EUR 44.900,- bezogene 10.700 Gramm Cannabiskraut;

5./ am 30.12.2019 zumindest 1.000 Gramm Cannabiskraut an die Subhändlerin G* H* zu einem nicht mehr feststellbaren Preis;

6./ an den Subhändler „I*“ jeweils 1.000 Gramm Cannabiskraut, und zwar

a./ am 04.01.2020 für EUR 4.600,-;

b./ am 12.01.2020 zu einem nicht mehr feststellbaren Preis;

7./ am 26.02.2020 von dem Nutzer „**“ für EUR 33.500,- pro Kilogramm bezogene 2.000 Gramm Kokain;

8./ am 27.03.2020 von dem Nutzer „**“ (ausgeforscht als L*) zu einem nicht mehr feststellbaren Preis bezogene 1.000 Gramm Kokain;

9./ am 05.05.2020 von dem Nutzer „**“ für EUR 4.400,- pro Kilogramm bezogene 4.000 Gramm Cannabiskraut;

10./ am 08.06.2020 von dem Nutzer „**“ zu einem nicht mehr feststellbaren Preis bezogene 108 Gramm Kokain;

11./ von dem Nutzer „**“ (ausgeforscht als P*)

a./ zu einem nicht mehr feststellbaren Zeitpunkt zwischen 21.06.2020 und 26.06.2020 für EUR 4.200,- pro Kilogramm bezogene 2.000 Gramm Cannabiskraut;

b./ zu einem nicht mehr feststellbaren Zeitpunkt zwischen 26.06.2020 und 02.07.2020 für EUR 34.000,- bezogene 1.000 Gramm Kokain;

c./ am 06.08.2020 für EUR 38.000,- bezogene 1.000 Gramm Kokain;

d./ zu einem nicht mehr feststellbaren Zeitpunkt zwischen 08.08.2020 und 11.08.2020 für EUR 4.000,- pro Kilogramm bezogene 5.000 Gramm Cannabiskraut;

e./ am 21.08.2020 für zumindest EUR 39.000,- bezogene 5.000 Gramm Cannabiskraut sowie zu einem nicht mehr feststellbaren Preis bezogene 1.000 Gramm Kokain;

12./ zu einem nicht mehr feststellbaren Zeitpunkt zwischen 31.07.2020 und 05.08.2020 von einem nicht mehr feststellbaren Lieferanten für EUR 39.000,- bezogene 1.000 Gramm Kokain;

13./ am 11.08.2020 von dem nicht mehr ausforschbaren Lieferanten „Q*“ für EUR 20.500,- bezogene 5.000 Gramm Cannabiskraut;

14./ am 20.09.2020 von einem nicht mehr ausforschbaren Lieferanten für EUR 20.500,- bezogene 5.000 Gramm Cannabiskraut;

15./ am 09.10.2020 von einem nicht mehr ausforschbaren Lieferanten bezogene 1.000 Gramm Cannabisharz für 2.400,- an den Subhändler „F*“;

16./ am 26.10.2020 von einem nicht mehr ausforschbaren Lieferanten für EUR 38.500,- bezogene 1.000 Gramm Cannabiskraut;

17./ am 04.11.2020 von dem nicht mehr ausforschbaren Lieferanten „Q*“ für EUR 4.300,- pro Kilogramm bezogene 10.000 Gramm Cannabiskraut;

18./ am 18.11.2020 von einem nicht mehr ausforschbaren Lieferanten für EUR 38.000,- bezogene 1.000 Gramm Kokain;

19./ am 22.11.2020 von einem nicht mehr ausforschbaren Lieferanten 10.000 Gramm Cannabiskraut für EUR 42.000,- an die Subhändlerin G* H*;

20./ am 10.12.2020 von einem nicht mehr ausforschbaren Lieferanten „S*“ für EUR 38.000,- bezogene 1.000 Gramm Kokain;

21./ am 21.12.2020 5.000 Gramm Cannabiskraut an die Subhändlerin G* H* für EUR 25.000,-;

22./ am 29.12.2020 von einem nicht mehr ausforschbaren Lieferanten für EUR 37.000,- bezogene 1.000 Gramm Kokain;

23./ am 12.02.2021 von einem nicht mehr feststellbaren Lieferanten zu einem nicht mehr feststellbaren Preis bezogene 1.884 Gramm Amphetamine;

24./ am 22.02.2021 von einem nicht mehr feststellbaren Lieferanten für EUR 32.500,- pro Kilogramm bezogene 1.000 Gramm Kokain;

25./ am 04.03.2021 von dem Nutzer „**“ für EUR 34.000,- pro Kilogramm bezogene 2.000 Gramm Kokain;

26./ am 07.03.2021 von dem Nutzer „**“ für EUR 34.000,- bezogene 1.000 Gramm Kokain;

27./ am 30.04.2023 von einem nicht mehr feststellbaren Lieferanten zu einem nicht mehr feststellbaren Preis bezogene 1.000 Gramm Kokain;

II./ dadurch, dass er nachgenannten abgesondert verfolgten Personen in Kenntnis und Billigung des jeweiligen Tatplans die jeweilige Immobilie zur Verfügung stellte, zur Ausführung von deren strafbaren Handlungen beigetragen, und zwar jener Personen, die

1./ seit einem nicht mehr feststellbaren Zeitpunkt bis 16.05.2023 vorschriftswidrig Suchtgift in einer insgesamt das Fünfundzwanzigfache der Grenzmenge (§ 28b SMG) übersteigenden Menge erzeugten, indem sie Cannabisplantagen betrieben, nämlich

a./ U* an der Adresse V*, W*straße **, zumindest 10.145,8 Gramm Cannabiskraut, beinhaltend zumindest 0,98% Delta-9-THC und 12,72% THCA;

b./ Y* an der Adresse V*, X*gasse **, 3.345 Gramm Cannabiskraut (beinhaltend zumindest 1,05% Delta-9-THC und 13,7% THCA);

2./ am 16.05.2023 in einer insgesamt das Fünfzehnfache der Grenzmenge (§ 28b SMG) übersteigenden Menge mit dem Vorsatz, dass es in Verkehr gesetzt werde, besaßen, indem sie es für den späteren Weiterverkauf aufbewahrten, nämlich

a./ U* an der Adresse V*, W*straße **, zumindest 10.145,8 Gramm Cannabiskraut, beinhaltend zumindest 0,98% Delta-9-THC und 12,72% THCA;

b./ Y* an der Adresse V*, X*gasse **, 3.345 Gramm Cannabiskraut (beinhaltend zumindest 1,05% Delta-9-THC und 13,7% THCA);

c./ J* an der Adresse in ** B*, **, 6,2 Gramm Cannabiskraut (beinhaltend Delta-9-THC und THCA) und 33,6 Gramm Kokain (beinhaltend zumindest 92,8% Cocain);

3./ seit einem nicht mehr feststellbaren Zeitpunkt bis 16.05.2023 Cannabispflanzen zum Zweck der Gewinnung einer das Fünfzehnfache der Grenzmenge (§ 28b SMG) übersteigenden Menge Suchtgift mit dem Vorsatz anbauten, dass es in Verkehr gesetzt werde, nämlich

a./ U* 368 Stück an der Adresse V*, W*straße **;

b./ Y* 835 Stück an der Adresse V*, X*gasse **.

Er habe hiedurch begangen

zu I./ das Verbrechen des Suchtgifthandels nach § 28a Abs 1 fünfter Fall, Abs 4 Z 3 SMG;

zu II./1./ das Verbrechen des Suchtgifthandels als Beteiligter nach § 12 dritter Fall StGB, § 28a Abs 1 erster Fall, Abs 4 Z 3 SMG;

zu II./2./ das Verbrechen der Vorbereitung von Suchtgifthandel als Beteiligter nach § 12 dritter Fall StGB, § 28 Abs 1 erster Satz zweiter Fall, Abs 2 SMG;

zu II./3./ das Verbrechen der Vorbereitung von Suchtgifthandel als Beteiligter nach § 12 dritter Fall StGB, § 28 Abs 1 zweiter Satz, Abs 2 SMG.

Rechtliche Beurteilung

Gegen diese Anklageschrift richtet sich der rechtzeitig (siehe ON 1.67 und ON 1.68) eingebrachte, inhaltlich auf die Einspruchsgründe des § 212 Z 3 und 4 StPO gestützte Einspruch des Angeklagten (ON 62), dem Berechtigung nicht zukommt.

Gemäß § 212 StPO hat das Oberlandesgericht im Einspruchsverfahren zu prüfen, ob 1. die dem Angeklagten zur Last gelegte Tat mit gerichtlicher Strafe bedroht ist oder sonst ein Grund vorliegt, der die Verurteilung des Angeklagten aus rechtlichen Gründen ausschließt, 2. Dringlichkeit und Gewicht des Tatverdachts trotz hinreichend geklärten Sachverhalts nicht ausreichen, um eine Verurteilung des Angeklagten auch nur für möglich zu halten und ob von weiteren Ermittlungen eine Intensivierung des Verdachts zu erwarten ist, 3. der Sachverhalt soweit geklärt ist, dass eine Verurteilung des Angeklagten nahe liegt, 4. die Anklageschrift sonst an wesentlichen formellen Mängeln leidet (§ 211), 5. die Anklageschrift ein für die angeklagte Straftat sachlich nicht zuständiges Gericht anruft, 6. die Anklageschrift ein örtlich nicht zuständiges Gericht anruft, 7. der nach dem Gesetz erforderliche Antrag eines hiezu Berechtigten fehlt oder 8. die Staatsanwaltschaft das Verfahren zu Unrecht nachträglich fortgesetzt hat. Demnach ist darauf abzustellen, ob die Anklageschrift den formellen Erfordernissen entspricht, den im Verfahren entscheidungswesentlichen Sachverhalt in Übereinstimmung mit den Erhebungsergebnissen aufzeigt, ob der Sachverhalt so weit geklärt ist, dass eine Verurteilung des Angeklagten nahe liegt, ob die aus den Unterlagen gezogenen Schlüsse der Anklagebehörde und die daran geknüpften rechtlichen Darlegungen zur objektiven und subjektiven Tatseite richtig sowie möglich sind und ob der Einspruchswerber Umstände aufzeigt, die zu einem logisch nicht lösbaren Widerspruch führen. Ein ausreichend geklärter Sachverhalt iSd § 210 Abs 1 StPO setzt voraus, dass die Strafverfolgungsorgane – entsprechend dem Grundsatz der materiellen Wahrheit (§ 3 StPO) – alle be- und entlastenden Tatsachen, die für die Beurteilung der Tat und des Angeklagten von Bedeutung sind, sorgfältig ermittelt haben, sodass sie sich ein objektives Bild darüber machen können, wie sich die verfahrensgegenständliche Tat zugetragen hat ( Birklbauer in WK-StPO § 210 Rz 4). Weiters muss aufgrund des ausermittelten Sachverhalts eine Verurteilung nahe liegen. Dazu muss ein einfacher Tatverdacht bestehen, was bedeutet, dass bei einer gewichtenden Gegenüberstellung aller belastenden und entlastenden Indizien zumindest mit einfacher Wahrscheinlichkeit ein Schuldspruch zu erwarten sein muss ( Birklbauer aaO § 210 Rz 5; § 212 Rz 15). Die Staatsanwaltschaft ist nach § 211 Abs 2 StPO (anders als das Urteilsgericht – §§ 258 Abs 2, 270 Abs 2 Z 5 StPO) nicht verpflichtet, sich im Rahmen der Anklagebegründung mit jedem der eigenen Würdigung der Ermittlungsergebnisse entgegenstehenden Umstand auseinanderzusetzen. Eine Zurückweisung der Anklageschrift (§ 215 Abs 3 StPO) setzt voraus, dass dies entweder zur besseren Aufklärung des Sachverhalts notwendig (§ 212 Z 3 StPO), demnach der Sachverhalt auf Basis der Aktenlage (noch) nicht anklagereif ist, oder aber, dass die Anklageschrift selbst an wesentlichen formellen Mängeln leidet (§ 212 Z 4 StPO). Unter solch wesentlichen Mängeln sind nur gravierende Formgebrechen zu verstehen, die den Zweck der Anklageschrift hindern, etwa weil die Individualisierung des Prozessgegenstands (mangels Bezeichnung des Beschuldigten oder der ihm angelasteten Tat) verabsäumt wird, Angaben zum angerufenen Gericht fehlen oder wenn die Anklagebegründung überhaupt fehlt, inhaltsleer bleibt oder anhand des Akteninhalts nicht überprüfbar ist (11 Os 124/19y).

In Übereinstimmung mit den Ausführungen der Oberstaatsanwaltschaft Wien liegen die Voraussetzungen für eine Anklageerhebung fallbezogen vor, konnte sich die Staatsanwaltschaft doch auf die kriminalpolizeilichen Ermittlungsergebnisse des Landeskriminalamtes Wien, konkret den Anlassbericht vom 11. Februar 2023 über die Ausforschung und Identifizierung des Angeklagten als Nutzer des K* PIN „* * “ (ON 2.2), den Anlassbericht vom 14. Mai 2023 mit den Observationsergebnissen (ON 17.1), die Anlassberichte jeweils vom 17. Mai 2023 über das Ergebnis der Durchsuchungen betreffend J* (ON 22), U* (ON 23) und Y* (ON 24), den Abschlussbericht vom 26. September 2023 betreffend die Anmietung der Bunkerwohnung in B* (ON 58.6) und insbesondere die Faktenberichte vom 17. März 2023, 20. Juni 2023 und 13. September 2023 (ON 52, 53.1 bis 53.3) in Zusammenhalt mit den K*-Chatverläufen (ON 41 und 42), stützen. Den in der Anklageschrift angenommenen Reinsubstanzen der Suchtgifte konnten die Untersuchungsberichte (ON 39, 44 und 45) bedenkenlos zugrunde gelegt werden. Demnach hat der als Nutzer des Krypto-Messengerdienst „K* M*“ mit dem PIN „* * “ zweifelsfrei ausgeforschte Angeklagte aufgrund entschlüsselter Chats eine Vielzahl von Nachrichten und Lichtbilder an den abgesondert verfolgten C* D* mit dem PIN „ ** “ versendet und von diesem empfangen (ON 53). Bei den Unterhaltungen wurde ohne Verklausulierungen im Klartext geschrieben, sodass Suchtgiftbestellungen, -übernahmen und -weiterverkäufe daraus leicht nachvollzogen werden können. Überdies finden sich weitere ausgewertete und der Anklageschrift (jedoch ohne Angaben entsprechender Fundstellen) zugrunde gelegte Chats mit den Suchtgiftlieferanten mit den PINs „ ** “, „* * “, „* * “, „ ** “ (ausgeforscht als E*), „* * “, „* * “, „* * “, „* * “ (ausgeforscht als P*) und „* * “ (vgl ON 41.1 S 3f, 23f, 27f und 39, ON 41.2 S 2, ON 41.3 S 2ff, ON 52.1 S 4, ON 52.2 S 2ff), die den Tatverdacht ebenso nachvollziehbar begründen vermögen. Die Verdachtsmomente zur subjektiven Tatseite ergeben sich bedenkenlos aus den objektiven Handlungen des Angeklagten (RIS-Justiz RS0116882). In Ansehung der Fakten II./1./ bis II./3., in denen dem Angeklagten jeweils eine Beitragstäterschaft (§ 12 dritter Fall StGB) zur Last gelegt wird, liegt aufgrund der bereits erfolgten rechtskräftigen Verurteilungen der unmittelbaren Täter J*, U* und Y* ebenso ein ausreichender Tatverdacht vor. In Abwägung der vorliegenden Ermittlungsergebnisse ist daher von einer hinreichenden Verurteilungswahrscheinlichkeit auszugehen, sodass die dargestellten Beweisergebnisse eine ausreichende Grundlage für die Durchführung einer Hauptverhandlung bilden.

Das Einspruchsvorbringen erschöpft sich demgegenüber in der Behauptung, dass der in der Anklageschrift angenommene Sachverhalt nicht ausreichend geklärt sei und eine Verurteilung daher nicht nahe liege, weil sich die Staatsanwaltschaft auf Beweisergebnisse und Aktenteile stütze, die in der dem Einspruchswerber vorliegenden Aktenabschrift bzw dem Gerichtsakt nicht vorhanden wären. Dem ist schon dadurch zu entgegnen, dass die Staatsanwaltschaft Wien eine zu AZ 55 St 65/23p getrennte Verfahrensführung angeordnet hat (siehe Vfg am AB-Bogen ON 1.66). Schon aufgrund der darin ersichtlichen Neubildung eines Teil aktes ergibt sich logisch nachvollziehbar eine sich vom Ermittlungsakt unterscheidende neue Reihenfolge und Nummerierung der Aktenteile im Gerichtsakt. Der Einspruchswerber ist darauf hinzuweisen, dass die von ihm als fehlend oder nicht vorhanden reklamierten Aktenteile ON 69, 99, 102.1, 102.2 sowie ON 102.4 nunmehr mit den Ordnungsnummern 42, 52, 53.1, 53.2 und 53.4 ident sind. Seine Darstellung, die Anklageschrift leide an wesentlichen formellen Mängeln ist sohin nicht nachvollziehbar und werden dadurch weder der Tatverdacht in der von § 212 Z 2 StPO angesprochenen Weise ausgeräumt noch ein weiterer Ermittlungsbedarf im Sinne des § 212 Z 3 und Z 4 StPO aufgezeigt.

Wenn der Einspruchswerber zudem moniert, dass das ihn belastende Datenmaterial in Bezug auf den Krypto-Messengerdienst „K* M*“, das der vorliegenden Anklageschrift zugrunde gelegt wurde, von ausländischen Behörden stamme und mit Veranlassung österreichischer Strafverfolgungsbehörden aus unzulässigen – weil noch ohne jeglichen Tatverdacht erfolgten - Ermittlungshandlungen gewonnen worden sei und sohin, mit Verweis auf eine Entscheidung des Verfassungsgerichtshofs (GZ 72/2019), einem Beweisverwertungsverbot unterliege, ist darauf hinzuweisen, dass das Oberlandesgericht Wien mit Entscheidung vom 7. Juli 2023, AZ 32 Bs 95/23i, in einem gleichgelagerten Fall bereits ausgesprochen hat, dass die ohne Zutun und ohne Veranlassung österreichischer Strafverfolgungsbehörden erfolgten Ermittlungen keine nach dem 5. Abschnitt des 8. Hauptstücks der StPO angeordneten Ermittlungsmaßnahmen darstellen. Entgegen dem Einspruchsvorbringen unterliegen daher die – fallkonkret von amerikanischen und französischen Behörden ermittelten und über eine Europäische Ermittlungsanordnung angeforderten (vgl ON 3 und 7) – Ergebnisse ebenso keinem Beweisverwendungsverbot nach § 140 Abs 1 StPO. In diesem Sinne hat der Oberste Gerichtshof in seinem Erkenntnis 13 Os 19/23b vom 19. Juli 2023 entschieden, dass es sich bei den Gesprächsauswertungen nicht um Ergebnisse einer nach dem fünften Abschnitt des 8. Hauptstücks der StPO angeordneten Ermittlungsmaßnahme handelt. Eine innerstaatlich als Überwachung von Nachrichten nach § 134 Z 3 StPO zu beurteilende Vorgangsweise ausländischer Behörden unterliegt keinem Beweisverwendungsverbot nach § 140 Abs 1 StPO, weil sich die inländischen Verfahrensgesetze nicht auf ohne Veranlassung durch österreichische Strafverfolgungsbehörden entfaltete Tätigkeiten ausländischer Behörden beziehen (vgl RIS Justiz RS0119110, jüngst 14 Os 106/22b und 15 Os 88/22p).

Andere eine Anklage hindernde Gründe gemäß § 212 StPO liegen nicht vor.

Ob letztlich die Beweismittel ausreichen werden, den Einspruchswerber der ihm angelasteten strafbaren Handlungen zu überführen, muss der Entscheidung des nach den Grundsätzen der Unmittelbarkeit, Mündlichkeit und freien Beweiswürdigung erkennenden Schöffengerichts vorbehalten bleiben, der vorzugreifen im Einspruchsverfahren nicht zulässig ist.

Gemäß § 214 Abs 3 StPO hat das Oberlandesgericht, wenn ein Einspruch von einem Angeklagten erhoben wird, der sich wie im vorliegenden Fall in Untersuchungshaft befindet, von Amts wegen über die Haft zu entscheiden. Über den am 16. Mai 2023 um 15.30 Uhr festgenommenen und am 18. Mai 2023 um 8.30 Uhr in die Justizanstalt Wien Josefstadt eingelieferten A* wurde am 19. Mai 2023 nach dessen Vernehmung (ON 28) antragsgemäß (siehe ON 1.22 sowie Einlieferungsbericht ON 25) die Untersuchungshaft aus den Haftgründen der Flucht , Verdunkelungs und Tatbegehungsgefahr nach § 173 Abs 1 und 2 Z 1, 2 und 3 lit b StPO verhängt (ON 31). Mit Beschlüssen vom 1. Juni 2023 (ON 34), vom 30. Juli 2023 (ON 43) und vom 29. August 2023 (ON 50) wurde die Untersuchungshaft jeweils aus den bisherigen Haftgründen, zuletzt allerdings ohne Annahme der Verdunkelungsgefahr, fortgesetzt.

Die aus Anlass der gegenständlichen Entscheidung notwendig gewordene Prüfung der Haftfrage führt zu dem Ergebnis, dass dem vorstehend angesprochenen Tatverdacht sowohl in objektiver als auch in subjektiver Hinsicht das Prädikat der Dringlichkeit aus den angeführten Ermittlungsergebnissen zukommt.

Die Haftgründe der Flucht und Tatbegehungsgefahr nach § 173 Abs 1 und 2 Z 1 und 3 lit b StPO liegen weiterhin vor. Der Angeklagte ist serbischer Staatsangehöriger, der noch tief in Serbien verwurzelt ist, sich dort regelmäßig aufhält und in Österreich über keine soziale Integration verfügt. Mit Blick auf diese Umstände und die im Fall einer Verurteilung bei einem zur Verfügung stehenden Strafrahmen von einem bis zu 15 Jahren Freiheitsstrafe zu erwartende hohe der Vorstrafenbelastung geschuldete Freiheitsstrafe, welche einen Fluchtanreiz darstellt, besteht die konkrete Gefahr, der Angeklagte werde auf freiem Fuß belassen flüchten oder sich sonst verborgen halten und sich dem Strafverfahren entziehen.

Tatbegehungsgefahr liegt vor, weil dem einschlägig vorbestraften Angeklagten, der zuletzt am 26. Februar 2019 vom Landegericht für Strafsachen Wien zu AZ 64 Hv 9/19i wegen des Verbrechens des Suchtgifthandels unter Vorbereitung von Suchtgifthandel zu einer Freiheitsstrafe von 18 Monaten verurteilt wurde, wiederholte Tatbegehung zur Last gelegt wird und aufgrund seiner Beschäftigungs und Vermögenslosigkeit zu befürchten ist, er werde zur Finanzierung bzw Aufstockung seines Lebensunterhalts weitere derartige strafbare Handlungen mit zumindest nicht bloß leichten Folgen begehen, die gegen dasselbe Rechtsgut, nämlich die körperliche Integrität und das fremde Vermögen gerichtet ist, wie die ihm angelasteten strafbaren Handlungen.

Die Haftgründe sind unter Bedachtnahme auf obige Ausführungen so gewichtig, dass sie durch gelindere Mittel des § 173 Abs 5 StPO nicht zweckentsprechend substituiert werden können (Mayerhofer/Salzmann StPO 6 § 173 E 192).

Die Fortsetzung der ca sieben Monate dauernden Untersuchungshaft ist angesichts der Schwere der im Verdacht stehenden Taten und der für den Fall verdachtskonformer Verurteilung bei einem zur Verfügung stehenden Strafrahmen von einem bis zu 15 Jahren Freiheitsstrafe zu erwartenden Unrechtsfolge verhältnismäßig.

Der Entfall der Haftfrist ergibt sich aus § 175 Abs 5 StPO.

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