JudikaturJustiz17Bs253/23i

17Bs253/23i – OLG Wien Entscheidung

Entscheidung
18. Dezember 2023

Kopf

Das Oberlandesgericht Wien hat durch den Senatspräsidenten Dr. Röggla als Vorsitzenden sowie die Richterin Mag. Schneider Reich und den Richter Ing.Mag. Kaml als weitere Senatsmitglieder in der Privatanklagesache des Privatanklägers und Antragstellers (idF Privatankläger) A* gegen den Angeklagten und Antragsgegner (idF Angeklagten) B* wegen §§ 111 Abs 1 und 2 StGB; 6ff MedienG über die Beschwerde des Privatanklägers gegen den Beschluss des Landesgerichts Wiener Neustadt vom 17. Oktober 2023, GZ 39 Hv 56/23s 4, nichtöffentlich den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Der Beschwerde wird teilweise Folge gegeben, der angefochtene Beschluss, der im Übrigen (in Ansehung der medienrechtlichen Anträge) unberührt bleibt, in Ansehung der Zurückweisung der Privatanklage und im dementsprechenden Kostenausspruch aufgehoben und dem Erstgericht die Einleitung und Durchführung des Privatanklageverfahrens aufgetragen.

Text

Begründung:

Zur Vorgeschichte ist auszuführen, dass der Privatankläger A* am 22. Juni 2023 eine Sachverhaltsdarstellung wegen §§ 111 ff StGB samt Privatbeteiligtenanschluss, verbunden mit medienrechtlichen Anträgen nach § 6ff MedienG, bei der Staatsanwaltschaft Wiener Neustadt gegen B* wegen folgenden am 22. Februar 2021 in C* auf seinem Facebook-Profil (mit 334 Freunden) veröffentlichten Postings einbrachte:

Dazu erteilte er bzw die vorgesetzte Stelle die Ermächtigung zur Strafverfolgung (ON 6ff in 5 St 189/23x). Die Staatsanwaltschaft Wiener Neustadt erhob sodann Strafantrag (ON 14 im Akt 39 Hv 49/23m des Landesgerichts Wiener Neustadt). Mit Schriftsatz vom 27. September 2023 (dg ON 18) zog A* die Ermächtigung, die Privatbeteiligung und sämtliche medienrechtlichen Ansprüche zurück, worauf die Staatsanwaltschaft am 28. September 2023 (dg ON 1.15) den Strafantrag zurückzog und das Landesgericht Wiener Neustadt mit Beschluss vom 29. September 2023 das Strafverfahren und auch das medienrechtliche Entschädigungsverfahren einstellte (dg ON 20).

Mit Eingabe hier vom 29. September 2023 (ON 2) erhob A* sodann Privatanklage und verband diese mit gleichlautenden medienrechtlichen Ansprüchen wie bereits im dargestellten Verfahren.

Mit dem angefochtenen Beschluss wies das Erstgericht die Privatanklage und die medienrechtlichen Anträge gemäß § 485 Abs 1 Z 3, 212 Z 1 StPO iVm § 41 Abs 5 MedienG zurück und stellte das Strafverfahren unter Ausspruch der Kostenersatzpflicht des Privatanklägers (unter Berücksichtigung des HINBG) ein. Begründend führte es zusammengefasst aus, dass das Anklagerecht verbraucht sei („ne bis in idem“), weil bereits eine rechtswirksame Beendigung eines gegen denselben Angeklagten wegen derselben Tat geführten Strafverfahrens im Sinne des § 17 StPO vorliege. Dies gelte auch für die medienrechtlichen Anträge. Auch wenn die Entschädigung gemäß §§ 6 – 7c MedienG keine Strafe darstelle, und demnach eine prozessbeendende Gerichtsentscheidung keine Sperrwirkung iSv § 8a Abs 1, 41 Abs 1 MedienG iVm § 17 StPO zu Lasten anderer Betroffener auslöse, so könne dies nicht für die Geltendmachung der identischen Ersatzansprüche gegenüber denselben Antragsgegner gelten. Außerdem wäre selbst bei Verneinung einer Sperrwirkung die sechsmonatige Frist des § 8a Abs 2 erster Fall MedienG abgelaufen.

Rechtliche Beurteilung

Dagegen richtet sich die rechtzeitige Beschwerde des Privatanklägers (ON 5), der spruchgemäß Berechtigung zukommt.

Gemäß § 485 Abs 1 StPO iVm §§ 8a Abs 1, 41 Abs 1 und 5 MedienG hat das Gericht vor Anordnung der Hauptverhandlung die Anträge zu prüfen und gegebenenfalls fallkonkret iVm § 212 Z 1 StPO so die Tat nicht mit gerichtlicher Strafe bedroht ist oder ein Grund vorliegt, der die Verurteilung des Angeklagten aus rechtlichen Gründen ausschließt mit Zurückweisung derselben und Einstellung des Verfahrens vorzugehen.

Zu Unrecht hat das Erstgericht eine Sperrwirkung für ein Privatanklageverfahren durch die Rücknahme der Ermächtigung und die daraus folgende Zurückziehung des Strafantrags durch die Staatsanwaltschaft und Einstellung des (offiziösen) Strafverfahrens durch das Gericht angenommen.

Bei einem - wie hier (vgl § 117 Abs 2 StPO) - Ermächtigungsdelikt entsteht der staatliche Verfolgungsanspruch mit der Begehung einer Straftat, die Ausübung dieses Rechts durch die Staatsanwaltschaft ist jedoch von der Zustimmung des Berechtigten abhängig. Solcherart liegt eine Einschränkung des Grundsatzes der Amtswegigkeit vor ( Vogl , WK StPO § 92 Rz 2).

Eine Zurückziehung dieser Ermächtigung zur Strafverfolgung kann gemäß § 92 Abs 2 zweiter Satz StPO bis zum Schluss des Beweisverfahrens erster Instanz erfolgen. Die Zurückziehung der Ermächtigung, die nichts anderes als die (nachträgliche) Verweigerung der Ermächtigung iSd § 92 Abs 1 StGB ist, verpflichtet die Staatsanwaltschaft, für die die Nichterteilung der Ermächtigung (ebenso wie deren Rückziehung) ein Verfolgungshindernis darstellt (RIS Justiz RS0125455), das Verfahren infolge Erlöschens des staatsanwaltschaftlichen Strafanklagerechts einzustellen (RIS Justiz RS0094925; Vogl , WK StPO § 92 Rz 13; Fabrizy/Kirchbacher , StPO 14 § 92 Rz 4).

Im vorliegenden Fall hat der Privatankläger somit durch die am 27. September 2023 vorgenommene Rücknahme seiner Ermächtigung ein Verfolgungshindernis für die Staatsanwaltschaft geschaffen, die in der Folge den Strafantrag zu Recht zurückzog und das Gericht das Verfahren einstellte.

Dies entfaltete aber – anders als in den vom Beschwerdeführer zitierten Entscheidungen zugrundeliegenden Fällen endgültigen Rücktritts nach Diversion, sohin einer materiellen Entscheidung und Beendigung – hier keine Sperrwirkung für ein Privatanklageverfahren.

Gemäß § 71 Abs 4 erster Satz StPO ist das Opfer in den Fällen des § 117 Abs 2 und 3 StGB dann zur Privatanklage berechtigt, wenn es oder seine vorgesetzte Stelle die Ermächtigung zur Strafverfolgung nicht erteilt oder zurückzieht (§ 92 StPO) (siehe dazu auch Korn/Zöchbauer , WK StPO § 71 Rz 28; Rami , WK² StGB § 117 Rz 29).

Im Lichte dieser Grundsätze war das Opfer A* infolge Rückziehung der Ermächtigung zur Einbringung der Privatanklage legitimiert (so auch bereits eingehend OLG Wien zu 18 Bs 190/22f).

Vor dem Hintergrund dieser Ausführungen ist sohin die Führung des Privatanklageverfahrens statthaft, im Zuge dessen grundsätzlich auch über medienrechtliche Ansprüche abzusprechen ist (§ 8 Abs 2 StGB), die – wenn es zu keinem Strafverfahren kommt – in einem selbständigen Verfahren innert der Frist des § 8a Abs 2 MedienG geltend zu machen sind.

Fallkonkret hat aber der Privatankläger seine medienrechtlichen Ansprüche gegen den selben Antragsgegner bereits zurückgezogen. Diese leben mit der Einbringung der Privatanklage, die wie dargetan nach (rechtzeitiger) Rückziehung der Ermächtigung zulässig ist, nicht wieder auf. Zutreffend hat das Erstgericht somit erkannt, dass einer neuerlichen Geltendmachung medienrechtlicher Entschädigungsansprüche deren Zurücknahme entgegensteht, die solcherart Sperrwirkung entfaltet.

Der Beschwerde - die im Übrigen gerade noch den minimalen Formvorschriften des § 88 StPO entspricht, indem sie erkennbar die angefochtene Entscheidung zitiert und eine Verletzung des Rechts auf Durchführung des Hauptverfahrens moniert, nicht jedoch auch nur irgendeinen Antrag an das Beschwerdegericht stellt - war daher nur insoweit Folge zu geben, dass der Beschluss in Ansehung der Zurückweisung der Privatanklage aufzuheben und dem Erstgericht die Einleitung und Durchführung des Privatanklageverfahrens, nicht jedoch des medienrechtlichen Verfahrens aufzutragen war.

Gegen diesen Beschluss steht ein weiterer Rechtszug nicht zu.

Rechtssätze
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