JudikaturJustiz15Os68/03

15Os68/03 – OGH Entscheidung

Entscheidung
12. Juni 2003

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 12. Juni 2003 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Markel als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Schmucker, Dr. Zehetner, Dr. Danek und Dr. Kirchbacher als weitere Richter, in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Burtscher als Schriftführerin, in der Strafsache gegen Johann F***** und Stefan G***** wegen des Vergehens der fahrlässigen Tötung nach § 80 StGB über die vom Generalprokurator erhobene Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetzes gegen das Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Graz vom 27. Juni 2002, AZ 1 Bl 57/02, nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters des Generalprokurators, Generalanwalt Dr. Weiss, in Abwesenheit des Verurteilten Stefan G*****, jedoch in Anwesenheit dessen gesetzlicher Vertreterin Anna Roßmann sowie des Verteidigers Dr. Ternulz zu Recht erkannt:

Spruch

Das in der Strafsache AZ 1 U 79/01m des Bezirksgerichtes Feldbach gefällte Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Graz als Berufungsgericht vom 27. Juni 2002, AZ 1 Bl 57/02 (ON 33), mit welchem neben anderen Entscheidungen der Angeklagte Stefan G***** des Vergehens der fahrlässigen Körperverletzung nach § 80 StGB schuldig erkannt wurde, verletzt in dem Stefan G***** betreffenden Schuldspruch § 4 Abs 2 Z 2 JGG.

Das Urteil wird in den Stefan G***** betreffenden Aussprüchen (einschließlich der Verweisung des Privatbeteiligten auf den Zivilrechtsweg gemäß § 366 Abs 2 StPO) aufgehoben und gemäß § 292 StPO in der Sache selbst erkannt:

Der Berufung der Staatsanwaltschaft wird nicht Folge gegeben.

Text

Gründe :

Mit Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Graz vom 27. Juni 2002, AZ 1 Bl 57/02 (GZ 1 U 79/01m 33 des Bezirksgerichtes Feldbach) wurde (unter anderem) der am 4. August 1986 geborene Stefan G***** in Stattgebung der von der Staatsanwaltschaft Graz gegen seinen Freispruch durch das Bezirksgericht Feldbach erhobenen Berufung des Vergehens der fahrlässigen Tötung nach § 80 StGB unter Vorbehalt der Strafe gemäß § 13 JGG für eine Probezeit von drei Jahren schuldig erkannt (dies unter nicht nachvollziehbarer "Anwendung des § 5 Z 4 JGG"). Ihm wurde zur Last gelegt, am 6. März 2001 in Hirschegg im Schigebiet Salzstiegl dadurch, dass er anstatt der Rodelbahn trotz des Verbotes die Schipiste befuhr, "aufgrund der Fahrweise sowie der örtlichen Gegebenheiten" die Herrschaft über die Rodel verlor und gegen eine in einer Rechtskurve befindliche Absperrung stieß, wodurch Jasmin S*****, die als Beifahrerin auf der Rodel saß, tödliche Kopfverletzungen erlitt, fahrlässig den Tod der Jasmin S***** herbeigeführt zu haben.

Gemäß § 389 StPO wurde Stefan G***** der Ersatz der Kosten des Strafverfahrens erster und zweiter Instanz aufgetragen; der Privatbeteiligte Karl S***** wurde mit seinen Ansprüchen gegen diesen Angeklagten gemäß § 366 Abs 2 StPO auf den Zivilrechtsweg verwiesen.

Unter einem erging in Stattgebung der vom Mitangeklagten Johann F***** gegen dessen Schuldspruch wegen § 80 StGB erhobenen Berufung dessen Freispruch gemäß § 259 Z 3 StPO vom Anklagevorwurf, zur selben Zeit und am nämlichen Ort als für die Beaufsichtigung der Schüler verantwortlicher Lehrer des Wintersporttages der Hauptschule Bad Gleichenberg die erforderlichen Sicherheitsmaßnahmen außer Acht gelassen zu haben, wodurch es zu dem bereits geschilderten Unfall mit Todesfolgen kommen konnte.

Der Generalprokurator erblickt im Schuldspruch eine Verletzung des § 80 StGB und führt in der deswegen erhobenen Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetzes aus:

Der Berufungsentscheidung lagen im Wesentlichen folgende nach Wiederholung und Ergänzung des Beweisverfahrens in der Berufungsverhandlung getroffene - Feststellungen zu Grunde:

Am 6. März 2001 veranstaltete die Hauptschule Bad Gleichenberg für Schüler der 4. Klassen einen Wintersporttag in Hirschegg im Wintersportgebiet Salzstiegl, woran 39 Schüler teilnahmen. Dieser Wintersporttag stand unter Leitung des Johann F*****, der von drei weiteren Lehrpersonen begleitet war.

Auf der Schipiste sowie auf der Rodelbahn in diesem Wintersportgebiet herrschten sehr harte und eisige Verhältnisse; die Sicht war auf Grund des herrschenden Nebels beeinträchtigt.

Nach der Mittagspause wurden die Schüler in zwei Gruppen eingeteilt, und zwar zwölf Schifahrer unter Leitung einer Begleitlehrerin und 27 Rodler, die von den restlichen Lehrern betreut wurden. Die Schüler wurden über das Verhalten auf der Rodelbahn belehrt und darauf hingewiesen, dass sie Abstände einhalten müssen, nicht zu schnell fahren dürfen und die ausgeschilderte Rodelbahn nicht zu verlassen haben.

Stefan G***** und die - dem Akteninhalt (AS 5 und 7) zufolge am 25. Juni 1986 geborene Mitschülerin Jasmin S***** hatten die Rodelbahn bereits mindestens einmal gemeinsam befahren, bevor es zum Unfall gekommen war. Sie machten mit einem weiteren Rodlerpaar von der Möglichkeit Gebrauch, mit einem Shuttle Bus zum Start der Rodelbahn zurückzukehren und diese erneut zu benutzen.

Die Rodelbahn kreuzt bei der Talstation eines Schilifts die Schipiste. Diese Kreuzung ist durch ein Stoppschild für die Rodelbahn gekennzeichnet, welche sich danach jenseits der Schipiste vom Stoppschild ausgehend rechts fortsetzt, während die Schipiste in linker Richtung verläuft. Die Piste ist im Bereich der Kreuzung flach, wird allerdings nach rund 100 Metern extrem steil und geht dann in den sogenannten Zielhang über. Die vier erwähnten Schulkameraden waren von einem weiteren Schüler darauf hingewiesen worden, dass es eine über die Schipiste zum Ziel der Rodelbahn führende Abkürzung gäbe. Jener Schüler war diese Abkürzung schon einmal gefahren, weil er sich verfahren hatte. Er erklärte sinngemäß, die Fahrt über die Schipiste sei "toll" und brächte eine Zeitersparnis mit sich. Bereits am Start beschlossen die zwei erwähnten Rodlerpaare, von der Kreuzung an über die Schipiste zu fahren.

Zuerst fuhren die beiden anderen Schüler auf der gemeinsamen Rodel in die Schipiste ein, kurz darauf folgten ihnen Stefan G***** und Jasmin S***** auf einer weiteren Rodel und "überholten sie, da Stefan G***** sogar noch antauchte" (US 18; vgl allerdings US 21 unten iVm AS 306 Mitte, 307 oben). Stefan G***** wusste weder über den Verlauf der Piste noch über deren Steilheit Bescheid und hatte auf Grund der Witterungsverhältnisse auch keine ausreichende Sicht auf die Pistenbegrenzung am Ende des Steilhanges. Bevor die Piste steil wurde, konnte das andere Rodlerpaar auf Grund seiner langsameren Geschwindigkeit anhalten, was allerdings auf Grund des eisigen Hanges dennoch erhebliche Schwierigkeiten bereitete. Ein Steuern und Anhalten der Rodel ist nur durch das Zusammenwirken beider darauf befindlicher Personen möglich. Stefan G***** und Jasmin S***** war es auf Grund des Eises nicht mehr möglich, die Rodel unter Kontrolle zu bringen oder anzuhalten. Sie prallte gegen eine am Ende des Zielhanges befindliche Pistenabgrenzung aus Holz. Stefan G***** stieß mit den Füßen voran gegen diese Abgrenzung und erlitt leichte Verletzungen. Jasmin S***** wurde mit dem Kopf gegen die Abgrenzung geschleudert und erlitt dadurch tödliche Kopfverletzungen.

In rechtlicher Hinsicht führte das Berufungsgericht aus, dem die Aufsicht leitenden Lehrer Johann F***** könne ein Schuldvorwurf nicht gemacht werden, weil er eine ausreichende Belehrung der Schüler vorgenommen, das Befahren einer markierten Rodelpiste ermöglicht habe und nicht dazu verhalten gewesen sei, die Schüler, die an jeder Stelle zum Verlassen der Rodelpiste in der Lage gewesen wären, durchgehend zu kontrollieren; er habe sich vielmehr auf die Vernunft der Schüler auf Grund ihres Alters und ihrer geistigen Fähigkeiten verlassen dürfen. Von Schülern im Alter von 14 Jahren, die beispielsweise als Radfahrer am Straßenverkehr teilnehmen könnten, sei in Verbindung mit dem Ausbildungsstand eines 14 jährigen ein Mindestmaß an Erfassung physikalischer Grundgesetze zu erwarten. Gerade auf Grund von Erfahrungen im Straßenverkehr sei auch bei einem Jugendlichen im Alter des Stefan G***** das Bewusstsein vorauszusetzen, dass man sich ohne ausreichende Sicht und ohne Beherrschung eines Fahrzeuges nicht in eine auch andere Personen gefährdende Situation begeben dürfe. Wenn das Erstgericht ihm die Unkenntnis der Gefährlichkeit der Abfahrt zugute halte, sei gerade diese Unkenntnis der fahrlässigkeitsbegründende Vorwurf gegen Stefan G*****. Er habe sich und seine Beifahrerin bei nicht ausreichender Sicht und überhöhter Geschwindigkeit auf einer für den Rodelsport nicht vorgesehenen Piste in eine Situation gebracht, in der die Fahrt letztlich nicht mehr beherrschbar und der Anstoß an die Pistenabsperrung nicht zu verhindern gewesen sei. Trotz des "sicherlich auch gegebenen Mitverschuldens der Getöteten, die in gleicher Weise dieses Risikokalkül auf sich genommen hat", seien Risikozusammenhang und Kausalität für Stefan G***** in eindeutiger Weise zu bejahen. Der gefällte Schuldspruch unter Vorbehalt der Strafe entspreche in ausreichender Weise dem Erfordernis der Prävention, da Stefan G***** in Verbindung mit dem stattgefundenen Strafverfahren vor allem angesichts der eingetretenen Folgen seiner Tat ausreichend in die Lage versetzt sein werde, künftig mit höherer Sorgfalt Gefahrensituationen zu begegnen.

Das Berufungsgericht ist (in US 21) zu Recht davon ausgegangen, dass das Unfallsopfer das Risiko in gleicher Weise wie der Verurteilte auf sich genommen hat. Im Lichte dieser Ausführungen ist auch in der Feststellung, dass Stefan G***** bei Einfahrt in die Schipiste "sogar noch antauchte" (US 18), keineswegs eine zwischen den fahrlässigen Verhaltensweisen der beiden Rodelpartner Stefan G***** und Jasmin S***** graduell unterscheidende Konstatierung im Sinne eines Ausschlusses gleichartiger Mitwirkung der Letzteren am Erreichen der Schipiste zu verstehen; in diesem Sinne könnten auch nicht die vom Berufungsgericht verwerteten Angaben des Stefan G***** in der Berufungsverhandlung aufgefasst werden (AS 306 Mitte: "Bei der Kreuzung sind wir gleich weitergefahren. Wir tauchten nur mit den Beinen an. Um auf die Rodelbahn zu gelangen, hätten wir die Rodel ziehen müssen ..."; AS 307 oben: " Wir mussten nicht absteigen, wir tauchten mit den Beinen an ...").

Die gegenständliche Verwirklichung eines von der Personenzweizahl gemeinsam eingegangenen - beide Partner in gleicher Weise treffenden Risikos vereint in sich Elemente sowohl der Mitwirkung an freiwilliger Selbstgefährdung als auch der "einverständlichen Fremdgefährdung" (im Sinne der Gefährdung eines anderen mit dessen Einverständnis). Für die ersterwähnte Fallkonstellation hat der Grundsatz der Eigenverantwortlichkeit (Autonomieprinzip) in Lehre und Praxis weitgehend Anerkennung gefunden (vgl Burgstaller im WK StGB2 § 6 Rz 73, § 80 Rz 83, Kienapfel AT10 Z 27 RN 8, BT I4 § 80 RN 64 f; Leukauf/Steininger Komm StGB3 § 6 RN 13b, Foregger/Fabrizy MKK StGB8 § 6 Rz 7 Ende; EvBl 1998/89; JUS 1998/6/2453). Diesem zufolge vermag eigenverantwortliches selbstgefährdendes oder selbstschädigendes Verhalten des Opfers die Strafbarkeit jenes Mitwirkenden, der die Selbstgefährdung bloß veranlasst, gefördert oder ermöglicht hat, grundsätzlich auszuschließen. Unter jenem Gesichtspunkt könnte selbst dann, wenn - wie vorliegend im Hinblick auf die Gefährdung anderer Pistenbenützer durch eine unkontrollierte Rodelfahrt - die objektive Sorgfaltswidrigkeit des Verhaltens zu bejahen ist, die objektive Zurechenbarkeit des Erfolges zu verneinen sein; dies nicht nur in Fällen bloßer Mitwirkung an freiwilliger Selbstgefährdung, sondern auch dann, wenn die "einverständliche Fremdgefährdung" unter allen relevanten Aspekten einer Selbstgefährdung gleichsteht. Dies ist dann der Fall, wenn der Gefährdete das Risiko im selben Maße übersieht wie der Gefährdende, wenn der Schaden die Folge des eingegangenen Risikos und nicht hinzukommender anderer Fehler ist und wenn der Gefährdete für das gemeinsame Tun dieselbe Verantwortung trägt wie der Gefährdende (Roxin in Gallas FS, 252; zustimmend Gidl in ZVR 1978, 291 sowie - grundsätzlich, allerdings unter Ablehnung der Fallbeispiele Roxins - Burgstaller, Fahrlässigkeitsdelikt 170; ähnlich - wenn auch unter Beschränkung auf "exzeptionelle Fälle" - Herbert Steininger in ZVR 1985, 102; vgl auch Pichler/Holzer, Handbuch des Österreichischen Schirechts, 239 unten und f). Schon aus der obigen Aufzählung der Erfordernisse für die Anwendung des Autonomieprinzips auf den erwähnten Sonderfall einer "einverständlichen Fremdgefährdung" ergibt sich die von Burgstaller in WK2 § 6 Rz 73 besonders betonte (negative) Voraussetzung des Fehlens einer spezifischen Schutzpflicht; ebenso, dass dem Mitwirkenden, der das Risiko noch vergrößert hat oder den Erfolgseintritt wesentlich leichter zu vermeiden vermocht hätte (etwa wegen größeren Sachverstands, geringerer Beeinträchtigung des Beurteilungsvermögens oder anderer seine Führungsfunktion begründender Umstände) für den Erfolgseintritt einzustehen hat (Kienapfel AT10 Z 27 RN 8; BT I4 § 80 RN 65 ff).

Keiner dieser die objektive Zurechnung begründenden Umstände wurde bei Stefan G***** festgestellt oder ist auch nur durch Verfahrensergebnisse indiziert: Insbesondere ergibt sich kein Anhaltspunkt dafür, dass er auf Grund seiner geistigen oder physischen Entwicklung wesentlich mehr als die damals Getötete (vgl zu deren körperlicher Entwicklung AS 83) zur Vermeidung des Risikos beizutragen vermocht hätte oder bei Ausführung des gemeinsam gefassten riskanten Entschlusses zusätzliche für die Schädigung mitursächliche Fehler begangen haben könnte. Dass ihm - ungeachtet seiner eigenen Tätigkeitsbeschreibung als "Lenken" der Rodel (AS 305 unten) keine andere Funktion zukam als der Jasmin S*****, geht aus den insoweit unbedenklichen Urteilsfeststellungen des Berufungsgerichtes (siehe insbesondere US 19) eindeutig hervor. Bei Prüfung der objektiven Erfolgszurechnung kann es auch nicht entscheidend sein, dass Jasmin S***** sich zur Fahrt auf der riskanten Strecke aus jugendlichem Leichtsinn oder altersbedingter Unreife entschlossen haben könnte. Gleiches gilt nämlich auch für Stefan G*****; es bedeutete aber einen Wertungswiderspruch, wollte man einem reifen und sachlichen Menschen im Falle eines Eingehens des in seiner vollen Tragweite erfassten Risikos auch durch den gleich qualifizierten Partner den diesen Partner in Verwirklichung des Risikos treffenden Erfolg objektiv nicht zurechnen, hingegen die strafrechtliche Haftung eines jugendlich unreifen Teilnehmers am Wagnis nur deshalb bejahen, weil (auch) in der Teilnahme seines dem Risiko zum Opfer fallenden Partners eine gleichgradige Unreife sich manifestiert haben könnte.

Da aus diesen Gründen die Strafbarkeit des Stefan G***** mangels objektiver Zurechenbarkeit des Todes der Jasmin S***** zu verneinen ist, hätte das Berufungsgericht bei richtiger Gesetzesanwendung der Berufung der Staatsanwaltschaft gegen den Freispruch den Erfolg versagen müssen. Nur aus Gründen der Vollständigkeit bleibt anzuführen, dass es zu diesem Ergebnis auch auf Grund der Bestimmung des § 4 Abs 2 Z 2 JGG mit Rücksicht auf das Alter des zur Tatzeit 14 ½ jährigen Schülers, den durch das gleichteilige Mitverschulden der Getöteten herabgesetzten Verschuldensgrad und das Fehlen besonderer die Anwendung des Jugendstrafrechts gebietender Gründe hätte gelangen müssen.

Rechtliche Beurteilung

Der Oberste Gerichtshof hat erwogen:

Ausgehend von einem Begriffsverständnis, wonach als "Mitwirkung an fremder Selbstgefährdung" oder "Mitwirkung an freiwilliger Selbstgefährdung anderer" Fälle erfasst werden, in denen zwar das Opfer selbst bewusst eine riskante Handlung vornimmt, die seine Gefährdung, Verletzung oder Tötung zur Folge hat, aber ein Dritter für die riskante Handlung mitursächlich wurde, indem er diese veranlasst, ermöglicht oder gefördert hat, sodass gesagt werden kann, die dominierende Rolle habe das Opfer, und als "einverständliche Fremdgefährdung" solche Fälle, in denen die zur Gefährdung, Verletzung oder Tötung führende Handlung von einem Dritten gesetzt wird, wobei sich aber das Opfer bewusst der von diesem drohenden Gefährdung ausgesetzt hat, sodass die dominierende Rolle dem Dritten zukommt (vgl Burgstaller , Fahrlässigkeitsdelikt 167 f und in WK2 § 6 Rz 73; Steininger , "Freiwillige Selbstgefährdung" als Haftungsbegrenzung im Strafrecht - Zur Bedeutung der Eigenverantwortlichkeit für die strafrechtliche Beurteilung von Schi- und Bergunfällen, ZVR 1985, 97; Roxin , Gallas FS, 249; Kienapfel , AT II10 Z 27 Rz 8), ist der Beschwerde darin beizupflichten, dass angesichts der im Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Graz getroffenen Feststellungen auf die von Lehre und Rechtsprechung entwickelten Strafbarkeitskriterien sowohl der einen als auch der anderen Fallgruppe Bedacht zu nehmen ist.

Straflosigkeit wegen Mitwirkung an fremder Selbstgefährdung setzt das Fehlen einer spezifischen Schutzpflicht des Angeklagten gegenüber dem Opfer voraus. Eine solche Pflicht kann sich insbesondere auf Grund von Unterschieden der Verstandesreife, der körperlichen Kräfte oder der Einsichtsfähigkeit hinsichtlich des riskanten Unternehmens ergeben (vgl Steininger aaO 101 f). Zur Verneinung einer derartigen hier nicht ohne weiteres auszuschließenden Schutzpflicht (im Sinn der Beschwerde) reichen die getroffenen Konstatierungen nicht aus. Nähere Feststellungen dazu waren aber im gegebenen Fall aus folgenden Gründen auch nicht erforderlich:

Bei einverständlicher Fremdgefährdung liegt der eingetretene Erfolg in der Regel innerhalb des Schutzbereiches der strafbaren Handlungen gegen Leib und Leben, weil deren Zweck auch darin besteht, solche Personen zu schützen, die sich bewusst einer von einem anderen drohenden Gefahr aussetzen, auf deren Realisierung sie aber während des Geschehens keinen Einfluss mehr haben ( Burgstaller , Fahrlässigkeitsdelikt 170 f; Steininger aaO 102). Das Vorliegen einer Konstellation, in welcher der Risikozusammenhang auf Grund des Einverständnisses des Opfers mit seiner Gefährdung durch einen anderen unter speziellen Gegebenheiten ausnahmsweise fehlt, ist angesichts der Urteilsannahmen auch nach den in der Beschwerde angeführten Kriterien nicht zu bejahen. Die erste der (im Anschluss an Roxin , Gallas FS 252, und Burgstaller , Fahrlässigkeitsdelikt 170) kumulativ genannten Voraussetzungen, unter denen eine einverständliche Fremdgefährdung straflos sein soll, nämlich dass der Gefährdete das Risiko im selben Ausmaß übersieht (überblickt) wie der Gefährdende, kann im Hinblick auf das grundlegende Erfordernis vollen Bewusstseins des Risikos beim späteren Opfer ( Burgstaller aaO 171 f mit Judikaturhinweisen, Steininger aaO 102, Roxin aaO 250) nur so verstanden werden, dass auch dieses das Risiko voll erkannt hat. Fehlt es - wie den Feststellungen des Urteils zufolge im vorliegenden Fall - an dieser Voraussetzung, liegt eine einverständliche Fremdgefährdung in der für die Frage nach Straflosigkeit relevanten Bedeutung nicht vor.

Demgemäß vermag auch der in der Beschwerde angestellte Vergleich zwischen "einem reifen und sachkundigen Menschen im Fall eines Eingehens des in seiner vollen Tragweite erfassten Risikos auch durch den gleich qualifizierten Partner " mit dem Fall "eines jugendlich unreifen Teilnehmers am Wagnis", bei dem "in der Teilnahme seines dem Risiko zum Opfer fallenden Partners eine gleichgradige Unreife sich manifestiert haben könnte", einen Wertungswiderspruch mit der Konsequenz der Verneinung des Risikozusammenhanges nicht aufzuzeigen.

Ein Schuldspruch des zur Tatzeit 14 ½ Jahre alten Angeklagten war jedoch zufolge § 4 Abs 2 Z 2 JGG ausgeschlossen. Bei Berücksichtigung des ebenfalls gefährdungsrelevanten Verhaltens der schließlich Getöteten liegt ein schweres Verschulden des Angeklagten nicht vor. Besondere spezialpräventive Erfordernisse für die Anwendung des Jugendstrafrechts sind hier nicht gegeben. Daher war der Angeklagte auf Grund des § 4 Abs 2 Z 2 JGG freizusprechen.

Da die aufgezeigte Gesetzesverletzung dem Verurteilten zum Nachteil gereicht, war die eingangs zitierte Berufungsentscheidung in dem Stefan G***** betreffenden Teil aufzuheben und spruchgemäß zu entscheiden.