JudikaturJustiz15Os41/23b

15Os41/23b – OGH Entscheidung

Entscheidung
29. Juni 2023

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 29. Juni 2023 durch die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Dr. Michel Kwapinski als Vorsitzende sowie den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Mag. Lendl und die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Mag. Fürnkranz, Dr. Mann und Dr. Sadoghi in Gegenwart der Mag. Eschenbacher als Schriftführerin in der Strafsache gegen * S* wegen des Verbrechens der absichtlichen schweren Körperverletzung nach §§ 15, 87 Abs 1 StGB und einer weiteren strafbaren Handlung über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten sowie die Berufung der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Landesgerichts Feldkirch als Schöffengericht vom 9. Dezember 2022, GZ 21 Hv 127/22b 57, ferner über die Beschwerden des Angeklagten und der Staatsanwaltschaft gegen den unter einem gefassten Beschluss nach § 494a StPO nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufungen und die Beschwerden werden die Akten dem Oberlandesgericht Innsbruck zugeleitet.

Dem Angeklagten fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

[1] Mit dem angefochtenen Urteil wurde * S* je eines Verbrechens der absichtlichen schweren Körperverletzung nach §§ 15, 87 Abs 1 StGB (1./) und der schweren Körperverletzung nach §§ 15, 84 Abs 4 StGB (2./) schuldig erkannt.

[2] Danach hat er in D* * A*

1./ am 20. Juni 2022 eine schwere Körperverletzung (§ 84 Abs 1 StGB) absichtlich zuzufügen versucht, indem er ihm zumindest drei gezielte Messerstiche versetzte, wodurch A* (medizinisch zu versorgende) Stich- und Schnittverletzungen an Oberschenkel, Unterarm und Hand erlitt, nämlich am linken Unterarm eine ca 5 cm tiefe und am linken Oberschenkel eine ca 8 cm tiefe Stichverletzung sowie Schnittverletzungen am rechten Unterarm sowie am linken Handrücken;

2./ zu einem nicht mehr feststellbaren Zeitpunkt im Jahr 2016 eine schwere Körperverletzung zuzufügen versucht, indem er mit einem Schraubenzieher in dessen Brustbereich stach, wobei der Schraubenzieher die Jacke von A* durchdrang und bei diesem eine oberflächlich blutende Verletzung im Brustbereich verursachte.

Rechtliche Beurteilung

[3] Dagegen richtet sich die auf Z 5, 9 lit a, 9 lit b, 10 und 11 des § 281 Abs 1 StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten, die ihr Ziel verfehlt.

[4] Der gegen den Schuldspruch 1./ gerichteten Mängelrüge (Z 5 erster Fall) zuwider sind die Feststellungen zur Absicht des Beschwerdeführers, eine schwere Körperverletzung zuzufügen, keineswegs undeutlich. Denn nach den – insofern eindeutigen – Konstatierungen des Erstgerichts kam es dem Angeklagten beim Versetzen der wuchtigen und gezielten Messerstiche gegen A* darauf an, diesen schwer zu verletzen, „ihm also eine an sich schwere Körperverletzung oder eine mehr als 24 tägige Gesundheitsschädigung bzw Berufsunfähigkeit zuzufügen“ (US 5 f; vgl auch US 12).

[5] Weshalb es diesen Feststellungen am gebotenen Sachverhaltsbezug fehlen sollte (vgl RIS Justiz RS0119090), erklärt die Beschwerde (nominell Z 5 und Z 10, der Sache nach Z 9 lit a) nicht.

[6] Dass es für die rechtsrichtige Subsumtion noch einer näheren Konkretisierung der von der Täterintention umfassten Verletzungsfolgen sowie Feststellungen zur „objektiven Eignung“ des verwendeten Messers zur Herbeiführung einer schweren Körperverletzung bedurft hätte, wird von der Rüge ohne argumentatives Substrat schlicht behauptet (vgl aber RIS Justiz RS0116569).

[7] Auch die zum Schuldspruch 2./ in subjektiver Hinsicht getroffenen Feststellungen (US 6) sind – entgegen dem Vorbringen der Mängelrüge (Z 5 erster Fall) – nicht undeutlich. Inwiefern es diesen Urteilsannahmen am gebotenen Sachverhaltsbezug fehlen sollte, macht die Rüge (Z 9 lit a) nicht klar. Ebenso wenig legt sie aus dem Gesetz abgeleitet dar, weshalb zur rechtsrichtigen Subsumtion des Sachverhalts noch eine nähere Konkretisierung der vom Vorsatz des Angeklagten umfassten Verletzungen erforderlich sein sollte.

[8] Die weitere Rechtsrüge (Z 9 lit b) behauptet Verjährung der vom Schuldspruch 2./ umfassten, „zu einem nicht mehr näher feststellbaren Zeitpunkt im Jahr 2016“ (US 6) begangenen Tat; die mit Blick auf die Strafdrohung des § 84 Abs 4 StGB fünfjährige Verjährungsfrist (§ 57 Abs 3 dritter Fall StGB) sei im Jahr 2021 abgelaufen. Eine Verlängerung der Verjährungsfrist nach § 58 Abs 2 StGB sei nicht eingetreten, weil Gegenstand der Verurteilungen des Angeklagten aus den Jahren 2017 bis 2019 (nur) „Vergehen“ nach dem Suchtmittelgesetz gewesen seien und nur die letzte Verurteilung „ein Delikt nach dem StGB“ betroffen habe (vgl US 3 f), die begangenen Taten demnach nicht auf der gleichen schädlichen Neigung (§ 71 StGB) beruhten.

[9] Den – unter Bezugnahme auf die Strafregisterauskunft – getroffenen Feststellungen zu den fünf – nicht im Verhältnis des § 31 Abs 1 StGB stehenden – Verurteilungen des Angeklagten aus den Jahren 2017 bis 2019 (US 3 f, US 7 iVm ON 55) kann entnommen werden, dass S* mit Urteil des Landesgerichts Feldkirch vom 19. Oktober 2018, AZ 18 Hv 36/18t, wegen im Jahr 2018 begangener strafbarer Handlungen nach (ua) § 28a Abs 1 fünfter Fall, Abs 3 erster Fall SMG sowie § 27 Abs 1 Z 1 siebter Fall SMG verurteilt wurde. Weshalb Suchtmitteldelinquenz in Form von Suchtgifthandel und Weitergabe von Suchtgift an Dritte als gegen die menschliche Gesundheit und körperliche Integrität gerichtet nicht auf der gleichen schädlichen Neigung (iSd § 71 erster Fall StGB) beruhen sollte wie Körperverletzungsdelikte (vgl RIS Justiz RS0091972 [T4, T5]; Jerabek/Ropper in WK² StGB § 71 Rz 8) und nicht allein schon die Begehung der von dieser Verurteilung umfassten Taten den Ablauf der in Rede stehenden Verjährungsfrist nach § 58 Abs 2 StGB gehemmt haben sollte, leitet die Rüge nicht argumentiert aus dem Gesetz ab (RIS Justiz RS0116569).

[10] Soweit die Sanktionsrüge (Z 11 erster Fall) „hinsichtlich Urteilsfaktum 2“ eine Bedachtnahme (§ 31 Abs 1 StGB) auf die im Urteil angeführten Vor-Urteile aus den Jahr 2017 bis 2019 vermisst, übersieht sie, dass ein Vorgehen nach § 31 Abs 1 StGB nur in Betracht kommt, wenn sämtliche im neuen Urteil zur Aburteilung gelangenden Taten vor Fällung des Vor-Urteils begangen wurden (RIS Justiz RS0091039).

[11] Der Beschwerdeauffassung (Z 11 erster Fall) zuwider ging das Schöffengericht zu Recht von einem nach § 39 Abs 1 StGB erweiterten Strafrahmen aus, weil den Feststellungen zur Vorstrafenbelastung des Angeklagten (US 3 f) entnommen werden kann, dass dieser mit Urteil des Landesgerichts Feldkirch vom 19. Oktober 2018, AZ 18 Hv 36/18t, ua wegen des Verbrechens des Suchtgifthandels nach § 28a Abs 1 fünfter Fall, Abs 3 erster Fall SMG und mit Urteil des Landesgerichts Feldkirch vom 5. April 2019, AZ 18 Hv 5/19k, ua wegen Vergehen des unerlaubten Umgangs mit Suchtgift nach § 27 Abs 1 Z 1 achter und neunter Fall, Abs 4 Z 1 SMG jeweils zu Freiheitsstrafen verurteilt wurde und diese auch (zum Teil) verbüßt hat. Suchtmitteldelinquenz in Form der Weitergabe und des Handels mit Suchtgiften aber beruht – wie bereits ausgeführt – auf der gleichen schädlichen Neigung wie Körperverletzungsdelikte.

[12] Die Rügebehauptung (Z 11 erster Fall), das Erstgericht habe zu Unrecht § 39a StGB angewendet, weil die Taten nicht gegen eine unmündige Person begangen worden seien, übersieht, dass das Schöffengericht die Anhebung der Mindeststrafdrohung auf zwei Jahre (§ 39a Abs 2 Z 4 StGB) – mit Blick auf den konstatierten Einsatz einer Waffe (vgl US 5, 6; RIS Justiz RS0134002) – auf § 39a Abs 1 Z 4 StGB gestützt hat.

[13] Soweit die Sanktionsrüge schließlich die Anzahl der als erschwerend i Sd § 33 Abs 1 Z 2 StGB gewerteten Vorstrafen kritisiert, erstattet sie bloß ein Berufungsvorbringen (RIS Justiz RS0116878).

[14] Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher bereits bei nichtöffentlicher Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 StPO). Daraus folgt die Zuständigkeit des Oberlandesgerichts zur Entscheidung über die Berufungen und die Beschwerden (§§ 285i, 498 Abs 3 StPO).

[15] Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 390a Abs 1 StPO.