JudikaturJustiz15Os170/97

15Os170/97 – OGH Entscheidung

Entscheidung
18. Dezember 1997

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 18.Dezember 1997 durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Reisenleitner als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Mag.Strieder, Dr.Rouschal, Dr.Zehetner und Dr.Philipp als weitere Richter, in Gegenwart des Richteramtsanwärters Mag.Kubiczek als Schriftführer, in der Strafsache gegen Ing.Hans-Jörg St***** wegen des Verbrechens des schweren Betruges nach §§ 146, 147 Abs 3 StGB und anderer Delikte über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien als Schöffengericht vom 16.Mai 1997, GZ 12 d Vr 10998/94-44, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Aus deren Anlaß wird gemäß §§ 290 Abs 1, 285 e StPO das angefochtene Urteil, das im übrigen unberührt bleibt, im Schuldspruch wegen des Vergehens der Verletzung der Unterhaltspflicht nach § 198 Abs 1 StGB (III) sowie demgemäß auch im Strafausspruch aufgehoben und die Sache im Umfang dieser Aufhebung zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht zurückverwiesen.

Mit seiner Berufung wegen des Strafausspruches wird der Angeklagte auf die kassatorische Entscheidung verwiesen.

Zur Entscheidung über die Berufung wegen des Ausspruches über die privatrechtlichen Ansprüche werden die Akten gemäß § 285 i StPO dem Oberlandesgericht Wien zugeleitet.

Gemäß § 390 a StPO fallen dem Angeklagten die durch seine erfolglos gebliebene Nichtigkeitsbeschwerde verursachten Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen, auch einen Vorbehalt selbständiger Verfolgung nach § 263 Abs 2 StPO enthaltenden Urteil wurde Ing.Hans Jörg St***** des Verbrechens des schweren Betruges nach §§ 146, 147 Abs 3 StGB (I 1 a-d) der Vergehen der fahrlässigen Krida nach § 159 Abs 1 Z 1 und Z 2 StGB (I 2 a, b und II a und b - hier iVm § 161 Abs 1 StGB), sowie der Vergehen nach § 114 Abs 1 und Abs 2 ASVG (I 3) und der Verletzung der Unterhaltspflicht nach § 198 Abs 1 StGB schuldig erkannt.

Danach hat er - zusammengefaßt und hier insoweit wiedergegeben, als im Nichtigkeitsverfahren von Relevanz - in Wien

zu I 1/ mit dem Vorsatz, sich durch das Verhalten der Getäuschten unrechtmäßig zu bereichern, Nachgenannte durch Täuschung über Tatsachen, nämlich durch die Vorgabe, ein rückzahlungsfähiger und rückzahlungswilliger Darlehensnehmer zu sein, zu Darlehenszuzählungen verleitet, die diese an ihrem Vermögens in einem 500.000 S übersteigenden Wert schädigten, und zwar

a) zwischen dem 10.Dezember 1987 und dem 29.Juli 1988 in vier Angriffen Rosemarie T***** zur Übergabe von insgesamt 630.000 S

b) am 15.September 1993 Friedl Sm***** zur Übergabe von insgesamt 700.000 S

......

d) in der Zeit von 1985 bis April 1989 Beatrix Sl***** in wiederholten Angriffen zur Übergabe von insgesamt 892.000 S

.....

III/ "in der Zeit von Mitte 1993 bis dato (di 16.Mai 1997 - Tag der Urteilsfällung) seine im Familienrecht begründete Unterhaltspflicht gegenüber seiner am 2.2.1993 geborenen Tochter Chantal P***** keine Unterhaltsbeiträge leistete und dadurch bewirkt, daß der Unterhalt des Unterhaltsberechtigten ohne Hilfe anderer Seite gefährdet gewesen wäre" (wörtliche Wiedergabe).

Der Angeklagte bekämpft die zu I 1 a, b und d ergangenen Schuldsprüche wegen Betruges mit einer auf die Z 4, 9 lit a, c und 10 des § 281 Abs 1 StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerde, die jedoch zur Gänze nicht berechtigt ist.

Rechtliche Beurteilung

Die Verfahrensrüge (Z 4) bemängelt die unterbliebene Vernehmung des Zeugen Pr*****, die zum Beweise dafür beantragt worden war, daß von der Zeugin Sm***** (Faktum I 1 b) "der Betrag von 700.000 S niemals behoben wurde, zumindest nicht im Zeitpunkt der angeblichen Darlehensgewährung".

Diese Beweisaufnahme ist zu Recht unterblieben. Abgesehen davon, daß dieser Zeuge (leitender Angestellter der Bankzweigstelle, deren Kundin die Zeugin Sm***** war) gar nicht Augenzeuge der vom Angeklagten bestrittenen Darlehenszuzählung war (was die Beschwerde auch nicht behauptet), hätte es im Hinblick auf die den Angeklagten belasteten Aussagen der Zeuginnen Sm***** und Sl***** (der Tochter der Zeugin Sm*****) und unter Berücksichtigung des Umstandes, daß nach Angaben der Zeugen Sm***** das Sparbuch schon aufgelöst wurde (S 475/II), der Anführung besonderer Umstände bedurft, auf Grund derer ein Beweisergebnis im Sinne der leugnenden Verantwortung des Angeklagten zu erwarten war. Dies umsomehr, als die Zeugin Sm***** nicht behauptet hat, der Zeuge Pr***** hätte persönlich das Geld ausbezahlt oder die Auszahlung angeordnet (der Relativ-Anschluß S 475/II Mitte bezieht sich grammatisch eindeutig auf das Sparbuch und nicht auf den Zeugen). Wie das Erstgericht zutreffend erkannt hat, läuft der Beweisantrag im Ergebnis auf die Durchführung eines unzulässigen Erkundungsbeweises hinaus, sodaß durch seine Abweisung jedenfalls Verteidigungsrechte nicht verletzt wurden.

Die Rechtsrüge (Z 9 lit a) zu den Fakten I 1 a, b und d behauptet, die Feststellung der Schädigungs-, Täuschungs- und Bereicherungs"absicht" sei "rechtlich verfehlt", bestreitet damit in Wahrheit die Urteilskon- statierungen zur subjektiven Tatseite und ist somit nicht prozeßordnungsgemäß ausgeführt, weil die Geltendmachung eines materiellrechtlichen Nichtigkeitsgrundes das unbedingte Festhalten am gesamten festgestellten Urteilssachverhalt (und dessen Vergleich mit dem Gesetz) erfordert.

Die in diesem Rahmen erfolgten Beschwerdeausführungen zu den Geschäftsfällen "B***** Inc", "Mario C*****" sowie H***** AG, stellen sich insgesamt daher nicht als Darlegung einer unrichtigen rechtlichen Beurteilung, sondern als im Nichtigkeitsverfahren unzulässige Bekämpfung der Beweiswürdigung dar. Soweit auch noch eine Aktenwidrigkeit und ein Begründungsmangel nach Z 5 über das Zustandekommen von Verträgen (und als deren Folge eine die vertragskonforme Darlehensrückzahlung erlaubende zu erwartete Zahlungsfähigkeit des Angeklagten) behauptet wird, ist damit für den Beschwerdeführer nichts gewonnen. Er übersieht nämlich die von den Tatrichtern jedenfalls auch festgestellte Rückzahlungsunwilligkeit (US 10 unten, 11 unten), welche für sich schon - sogar bei (hier nicht festgestellter) Zahlungsfähigkeit - die Annahme des Täuschungs- und fallbezogen in weiterer Konsequenz auch des Schädigungs- und Bereicherungsvorsatzes ausreichend begründet (Mayerhofer StPO4 § 281 Z 5 E 33 uvam).

Die Rechtsrüge (Z 9 lit c) behauptet zum Faktum I 1 d weiters einen Feststellungsmangel, weil sich das Erstgericht nicht damit auseinandergesetzt hätte, daß der Angeklagte im Tatzeitraum mit der Zeugin Beatrix Sl***** eine Lebensgemeinschaft geführt habe, was im Hinblick auf die Aussage dieser Zeugin "Ja, das war von 1945 bis Mitte 1988" laut ON 43 S 15 indiziert gewesen sei. Dieses Vorbringen ist aktenwidrig, weil die zitierte Aussage nicht von der genannten Zeugin, sondern vom Angeklagten stammt, wogegen die Zeugin eine Lebensgemeinschaft mit diesem ausdrücklich verneint hat (S 477/II). Die Rüge wird somit auch hier nicht prozeßordnungsgemäß ausgeführt. Im übrigen ist - am Rande - darauf hinzuweisen, daß sogar ein bestehendes Gemeinschaftsverhältnis (welches hier aber nicht angenommen wurde) dann nicht den Voraussetzungen des § 72 Abs 2 StGB entspricht, wenn es von einem der Partner nur zur Erreichung krimineller Ziele (vgl US 22) begründet wurde (Leukauf/Steininger Komm3 RN 15, Mayerhofer/Rieder StGB3 E 7 je zu § 72), wozu kommt, daß der Angeklagte nach den insoweit unbekämpften - und von ihm übergangenen - Urteilsfeststellungen zur Tatzeit verheiratet war (US 13 - so auch seine Aussage S 25 vs/I) und nur eine dem Grundsatz der Monogamie entsprechende Gemeinschaft rechtlich anerkannt werden kann (9 Os 55/79); außerdem kann selbst die Nichtigkeitsbeschwerde eine für die Privilegierung des § 166 StGB erforderliche Hausgemeinschaft nicht behaupten.

Zur nominell geltend gemachten Z 10 enthält die Nichtigkeitsbeschwerde keine Ausführungen. Sie entspricht somit ebenfalls nicht der Strafprozeßordnung.

Die Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten war sohin zur Gänze bereits bei der nichtöffentlichen Beratung zurückzuweisen (§ 285 d StPO), sodaß der Angeklagte auch kostenpflichtig ist.

Anläßlich ihrer Behandlung war jedoch dahin zu erkennen, daß das Urteil in Ansehung des Schuldspruches wegen Vergehens der Verletzung der Unterhaltspflicht nach § 198 Abs 1 StPO (III) an einem Nichtigkeit nach § 281 Abs 1 Z 9 lit a StPO begründenden Feststellungsmangel leidet. Zur Deliktsverwirklichung ist nämlich eine gröbliche Verletzung der Unterhaltspflicht erforderlich, welcher Ausspruch jedoch sowohl in dem - mangelhaft abgefaßten - Urteilstenor als auch in den Gründen fehlt. Das Erstgericht verweist zwar auf das diesbezüglich abgelegte Geständnis des Angeklagten und stellt das Unterbleiben von Unterhaltszahlungen fest, was jedoch den rechtlichen Schluß auf die Gröblichkeit der Unterhaltsverletzung und somit den Schuldspruch vorliegen- denfalls nicht zu tragen vermag: Entgegen der seine persönliche Zahlungsfähigkeit behauptenden Verantwortung des Angeklagten wurde nämlich für den Zeitraum von Mitte 1988 bis zum Urteilstag, dem 16.Mai 1997, seine Zahlungsunfähigkeit festgestellt (sh Faktum I 2 a und b). In diesen Zeitraum fällt zur Gänze jener der vorgeworfenen Verletzung der Unterhaltspflicht. Zur verläßlichen Klärung der Rechtsfrage der Gröblichkeit der Unterhaltsverletzung hätte es sohin noch weiterer Feststellungen bedurft, mit welchen gesetzeskonform erlangten bzw zu erlangenden Mitteln (siehe dagegen Fakten I 1 a, b und d) der Angeklagte imstande gewesen wäre, seinen Unterhaltsverpflichtungen (ohne Delinquenzfolgen) nachzukommen.

Da diese Konstatierungen durch den Obersten Gerichtshof nicht nachgeholt werden können, ist die Durchführung einer neuen Hauptverhandlung unvermeidlich. Aus Anlaß der Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten war sohin im aufgezeigten Umfang das angefochtene Urteil, das im übrigen unberührt zu bleiben hatte, bei der nichtöffentlichen Beratung aufzuheben (§§ 290, 285 e StPO), insoweit dem Erstgericht die Verfahrenserneuerung aufzutragen und der Angeklagte mit seiner Berufung wegen des Strafausspruchs hierauf zu verweisen.

Im erneuerten Verfahren wird das Erstgericht beim Strafausspruch allenfalls auch § 260 Abs 2 StPO zu beachten haben.

Zur Entscheidung über die gleichfalls erhobene Berufung wegen des Ausspruchs über die privatrechtlichen Ansprüche waren die Akten dem Oberlandesgericht Wien zuzuleiten (§ 285 i StPO), das allerdings vorerst das Erstgericht zu veranlassen haben wird, die bisher unterbliebene Zustellung der entsprechenden Berufungs- ausführung an die Berufungsgegnerinnen Sm***** und Sl***** (vgl S 3y/I) zur allfälligen Gegenausführung nachzuholen.