JudikaturJustiz15Os143/07d

15Os143/07d – OGH Entscheidung

Entscheidung
21. Januar 2008

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 21. Jänner 2008 durch die Senatspräsidentin des Obersten Gerichtshofs Dr. Schmucker als Vorsitzende sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Danek, Hon.-Prof. Dr. Kirchbacher, Dr. T. Solé und Mag. Lendl als weitere Richter in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Pulker als Schriftführerin in der Strafsache gegen Soso S***** wegen des Verbrechens des teils vollendeten, teils versuchten gewerbsmäßigen Diebstahls nach §§ 127, 130 erster Fall, 15 StGB und einer anderen strafbaren Handlung über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichts St. Pölten als Schöffengericht vom 17. August 2007, GZ 20 Hv 92/07d-56, sowie über die Beschwerde des Angeklagten gegen den Beschluss gemäß § 494a Abs 2 letzter Satz StPO nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den Beschluss

gefasst:

Spruch

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufung und die Beschwerde werden die Akten dem Oberlandesgericht Wien zugeleitet.

Dem Angeklagten fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde Soso S***** des Verbrechens des teils vollendeten, teils versuchten gewerbsmäßigen Diebstahls nach §§ 127, 130 erster Fall, 15 StGB (I./) und des Vergehens der Urkundenfälschung nach § 223 Abs 2 StGB (II./) schuldig erkannt. Danach hat er

I. fremde bewegliche Sachen Nachgenannten mit auf unrechtmäßige Bereicherung gerichtetem Vorsatz und in der Absicht, sich durch die wiederkehrende Begehung von Ladendiebstählen eine fortlaufende Einnahme zu verschaffen, weggenommen bzw wegzunehmen versucht, und zwar,

1. am 2. Jänner 2007 in Graz Verfügungsberechtigten der Firma S***** einen MP3-Player im Wert von 149 Euro, wobei es beim Versuch blieb, weil er vom Kaufhausdetektiv beobachtet und angehalten wurde;

2. am 12. März 2007 in Graz Verfügungsberechtigten der Firma V***** ein Paar Schuhe im Wert von 49,90 Euro;

3. am 12. März 2007 in Graz Verfügungsberechtigten der Firma D***** vier Packungen Rasierklingen und ein Haarshampoo in nicht mehr feststellbarem Wert;

4. Mitte März in Graz unbekannt gebliebenen Geschädigten zwei Jeans der Marke Levi Strauss im Gesamtwert von 174,90 Euro;

5. im bewussten und gewollten Zusammenwirken mit dem bereits Verurteilten Gela G***** am 14. März 2007 in P***** Verfügungsberechtigten der Firma H***** eine Quarz-Armbanduhr der Marke Ascot im Wert von 9,99 Euro;

II. am 2. Jänner 2007 in Graz eine gefälschte Urkunde im Rechtsverkehr zum Beweis einer Tatsache, nämlich zum Nachweis seiner Identität gebraucht, indem er sich im Zuge der Personaldatenaufnahme einem Polizeibeamten gegenüber mit einem gefälschten georgischen Führerschein, lautend auf Gocha K*****, auswies.

Rechtliche Beurteilung

Gegen die Schuldspruchpunkte I/2 bis 5 und II richtet sich die auf § 281 Abs 1 Z 5, 5 a und 9 lit a StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten; sie verfehlt ihr Ziel.

Die eine Undeutlichkeit (Z 5 erster Fall) der Feststellungen zur Kenntnis des Angeklagten, einen gefälschten Führerschein vorzuweisen (Schuldspruchpunkt II), behauptende Mängelrüge lässt den Gesamtzusammenhang der Urteilsbegründung außer Acht, indem sie die Konstatierung ignoriert, ihm sei klar gewesen, dass es sich bei dem auf Gocha K***** ausgestellten Führerschein um eine Fälschung handelte (US 17).

Dem lediglich auf einen einzelnen Teilaspekt der Urteilsgründe, wonach die Manipulationen beim Lichtbild auch dem Angeklagten erkennbar sein mussten (US 12), gestützten Einwand unvollständiger (gemeint wohl: offenbar unzureichender, Z 5 vierter Fall) Begründung zuwider leiteten die Tatrichter die subjektive Tatseite zum Vorwurf der (entgegen US 16 oben richtig:) Urkundenfälschung aus dem objektiven Geschehensablauf, nämlich aus der Verwendung eines nicht auf seinen, aus der Asylkarte ersichtlichen, sondern auf den Namen des Gocha K***** lautenden, mit einem nicht den Beschwerdeführer, sondern eine ähnlich aussehende Person (S 5 f in ON 26) darstellenden Lichtbild versehenen, total gefälschten, in der Formulargestaltung und in Sicherheitselementen von der Serie abweichenden (US 12 iVm S 19 in ON 26) Führerschein ab (US 16). Die Feststellung des auf Verwendung einer gefälschten Urkunde ausgerichteten Wollens gründeten die Tatrichter weiters darauf, dass die Fälschung dieses Führerscheins „für ihn (den Beschwerdeführer) so (zu ergänzen: wie) für jedermann sehr leicht erkennbar war" (US 17) und auch jener Polizeibeamte, dem der Führerschein vorgewiesen wurde, eindeutige Fälschungsspuren im Bereich des aufgeklebten Lichtbilds bemerkte (US 8); dies anhand auffallender Klebekanten, die eine Manipulation am Lichtbild deutlich erkennen ließen.

Die zum Schuldspruchfaktum II vermissten Feststellungen (Z 9 lit a) zum - zumindest - bedingten Vorsatz des Beschwerdeführers, dass der von ihm vorgewiesene auf Gocha K***** lautende Führerschein gefälscht war, finden sich auf US 17.

Die Mängelrüge zu den Schuldspruchpunkten I/2 bis 4 strebt mit eigenständigen Beweiswerterwägungen zu isoliert betrachteten Passagen der Verantwortung des Beschwerdeführers, der teilweise nicht möglichen Feststellung von - insoweit auch nicht entscheidungswesentlichen - exakten, jedenfalls in Graz gelegenen Tatorten sowie namentlich nicht feststellbaren Geschädigten im Faktum I/4 für den Beschwerdeführer günstigere Urteilsannahmen an, bekämpft damit jedoch - im kollegialgerichtlichen Verfahren unzulässig - die der geständigen Verantwortung des Beschwerdeführers vor der Polizei folgende (US 14 f) und dessen spätere Verantwortung für widerlegt erachtende (US 12) Beweiswürdigung der Tatrichter.

Zum Schuldspruchfaktum I/5 wendet sich die Mängelrüge gegen das Motiv des Beschwerdeführers für die Reise nach St. Pölten, das jedoch weder für die Subsumtion noch die Auswahl des Strafsatzes wesentlich ist. Soweit der Beschwerdeführer (der Sache nach aus Z 9 lit a) vermeint, hinsichtlich des Diebstahls zum Nachteil Verfügungsberechtigter der Firma H***** in P***** würde lediglich der Gesetzestext, jedoch kein Lebenssachverhalt wiedergegeben, verkennt er, dass der Gebrauch der verba legalia im vorliegenden Fall keineswegs unsubstantiiert erfolgte (US 9 f, 14 bis 16).

Entgegen dem weiteren Beschwerdevorbringen leiteten die Tatrichter das bewusste und gewollte Zusammenwirken des Angeklagten und des abgesondert verurteilten Gela G***** aus dem von der Zeugin Waltraud Ga***** geschilderten objektiven Tatgeschehen (US 16), nämlich aus dem gemeinsamen Betreten des Geschäftslokales, aus dem der Zeugin von Anfang an verdächtig erscheinenden Benehmen der beiden Männer und aus deren gemeinsamem Verweilen bei nebeneinander stehenden Wühlschütten, wo die Angestellte letztlich eine leere Uhrenverpackung fand, die nur von den beiden verdächtigen Kunden zurückgelassen worden sein konnte, ab (US 9 f iVm US 14). Soweit der Beschwerdeführer (übrigens unter Vernachlässigung des Gesamtzusammenhangs der Aussage dieser Zeugin) die alleinige Täterschaft des Gela G***** aus einzelnen, isoliert betrachteten Aussagepassagen abzuleiten trachtet, bekämpft er einmal mehr unzulässig die tatrichterliche Beweiswürdigung. Die auf das Vorbringen der Mängelrüge verweisende, dieses teilweise wiederholende Tatsachenrüge (Z 5 a) zu den Schuldspruchpunkten I/2 bis 5 vermag in Anbetracht der Verantwortung des Angeklagten vor der Sicherheitsbehörde, der Sicherstellung eines Großteils der Beute und der belastenden Angaben der Zeugin Waltraud Ga***** keine sich aus den Akten ergebenden erheblichen Bedenken an der Richtigkeit der dem Schuldspruch zu Grunde liegenden Feststellungen zu erwecken. Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher bereits bei nichtöffentlicher Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 StPO), woraus die Zuständigkeit des Gerichtshofs zweiter Instanz zur Entscheidung über die Berufung und die (implizierte) Beschwerde folgt (§§ 285i, 498 Abs 3 StPO).

Das Schöffengericht vermeinte, den Widerruf der zu AZ 13 Hv 204/05h des Landesgerichts für Strafsachen Graz ausgesprochenen bedingten Nachsicht eines Strafteils von zwölf Monaten diesem Gericht vorbehalten zu müssen, weil ein solcher von der Staatsanwaltschaft nicht beantragt und der Angeklagte dazu in der Hauptverhandlung versehentlich nicht gehört worden sei (US 18).

Einen an sich möglichen, von einer entsprechenden Antragstellung der Staatsanwaltschaft unabhängigen Widerruf hat das Erstgericht somit unterlassen, sodass die Präklusionswirkung des § 494b StPO zum Tragen kommt (Jerabek, WK-StPO § 494b Rz 1 mN). Der - entgegen § 494a Abs 4 erster Satz StPO nicht in Beschlussform ergangene - Ausspruch, dem Landesgericht für Strafsachen Graz die Entscheidung über den Widerruf vorzubehalten (US 5), konnte daran nichts ändern. Dies wird vom Oberlandesgericht Wien bei der Entscheidung über die implizierte Beschwerde gegen den Vorbehaltsbeschluss zu berücksichtigen sein. Die Kostenentscheidung stützt sich auf § 390a Abs 1 StPO.