JudikaturJustiz14Os95/22k

14Os95/22k – OGH Entscheidung

Entscheidung
25. Oktober 2022

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 25. Oktober 2022 durch die Senatspräsidentin des Obersten Gerichtshofs Mag. Hetlinger als Vorsitzende, den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Hon. Prof. Dr. Nordmeyer, die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Mann und Dr. Setz Hummel LL.M. sowie den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Haslwanter LL.M. in Gegenwart des Schriftführers Mag. Kornauth in der Strafsache gegen * J* wegen des Verbrechens des Raubes nach § 142 Abs 1 StGB und weiterer strafbarer Handlungen, über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten sowie die Berufung der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Wien als Schöffengericht vom 7. Juni 2022, GZ 17 Hv 10/22w 72, weiters über die Beschwerde des Angeklagten gegen den unter einem gefassten Beschluss auf Widerruf einer bedingten Strafnachsicht nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufungen und die Beschwerde werden die Akten dem Oberlandesgericht Wien zugeleitet.

Dem Angeklagten fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

[1] Mit dem angefochtenen Urteil wurde * J* (ersichtlich gemeint:) zweier Verbrechen des Raubes nach § 142 Abs 1 StGB, in einem Fall auch nach § 15 StGB (I./), des Verbrechens der schweren Körperverletzung nach §§ 15, 84 Abs 4 StGB (II./), des Vergehens des Diebstahls nach §§ 127, 128 Abs 1 Z 1 letzter Fall StGB (III./) sowie des Vergehens des Betrugs nach § 146 StGB (IV./) schuldig erkannt.

[2] Danach hat er in W*

I./ am 24. Dezember 2021 mit Gewalt gegen eine Person fremde bewegliche Sachen mit auf unrechtmäßige Bereicherung gerichtetem Vorsatz

A./ * A* weggenommen, nämlich dessen Mobiltelefon, indem er ihm mit den Füßen gegen dessen Oberkörper (US 7) und jene Hand des Genannten trat, mit der dieser d as Telefon hielt, wodurch es zu Boden fiel und er es an sich nahm;

B./ * S* wegzunehmen versucht, nämlich dessen Rucksack samt Inhalt und Mobiltelefon (US 8), indem er fest am Rucksack riss und dem Genannten einen Faustschlag zu versetzen versuchte (US 7), wobei das Opfer den Rucksack festhielt;

II./ am 26. November 2021 * N* schwer am Körper zu verletzen versucht, indem er ihn gegen einen Fahrscheinautomaten drückte, ihn würgte, ihm zumindest zwei Faustschläge gegen das Gesicht und einen Fußtritt gegen die Kniekehle versetzte, wodurch dieser zu Boden ging und durch den Aufprall sein Bewusstsein verlor, er sich in weiterer Folge auf den Bauch des Genannten setzte, ihm weitere Faustschläge ins Gesicht versetzte, ihn würgte und danach Fußtritte auf den Kopf und in das Gesicht des reglos am Boden liegenden Opfers versetzte (US 5), wobei dieses eine Rissquetschwunde im Stirnbereich, Schürfverletzungen im Gesicht sowie Prellungen des Schädels, des Gesichts und des Halses erlitt;

III./ fremde bewegliche Sachen mit dem Vorsatz weggenommen, sich durch deren Zueignung unrechtmäßig zu bereichern, und zwar

A./ am 1. August 2021 * Ö* ein Mobiltelefon im Wert von 300 Euro, indem er es ihm aus der Hand nahm;

B./ am 26. November 2021 im Anschluss an die z u II ./ geschilderte Tat N* unter Ausnützung eines diesen hilflos machenden Zustands eine Jacke samt Inhalt;

IV./ am 3. Dezember 2021 mit dem Vorsatz, sich durch das Verhalten des Getäuschten unrechtmäßig zu bereichern, den Taxilenker * E* durch Täuschung über seine Zahlungsfähigkeit und willigkeit, zur Erbringung einer Fahrleistung im Wert von 17 Euro verleitet, wodurch das Taxiunternehmen E* KG mit diesem Betrag am Vermögen geschädigt wurde.

Rechtliche Beurteilung

[3] Dagegen richtet sich die auf § 281 Abs 1 Z 5 und Z 9 lit a StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten, die ihr Ziel verfehlt.

[4] Undeutlichkeit iSd § 281 Abs 1 Z 5 erster Fall StPO liegt vor, wenn nach der Beurteilung durch den Obersten Gerichtshof unter Berücksichtigung der Gesamtheit der Entscheidungsgründe nicht für sämtliche unter dem Gesichtspunkt der Nichtigkeitsgründe relevanten Urteilsadressaten unzweifelhaft erkennbar ist, ob eine entscheidende Tatsache in den Entscheidungsgründen festgestellt wurde oder aus welchen Gründen eine solche Feststellung erfolgte (RIS Justiz RS0117995; Ratz , WK StPO § 281 Rz 419).

[5] Dem zu I./A./ erhobenen Einwand der Mängelrüge (Z 5 erster Fall) zuwider sind die Konstatierungen zum Tathergang (US 7) nicht undeutlich. Das Erstgericht stellte vielmehr unzweifelhaft erkennbar fest, dass der Angeklagte A* dessen Mobiltelefon „entriss“ (im Sinn von mit gegen dessen Person gerichteter Gewalt wegnahm), indem er ihm mehrmals mit den Füßen gegen den Oberkörper und jene Hand trat, mit welcher der Genannte das Telefon hielt, wobei es dabei zu Boden fiel und der Angeklagte es an sich nahm. Ob jedoch der Angeklagte A* dessen Telefon unmittelbar aus der Hand riss, es zu Boden fiel und er es danach an sich nahm, oder ob das Telefon nach den Fußtritten gegen das Opfer auf den Boden fiel und der Angeklagte es aufhob und sich entfernte, betrifft – entgegen der Beschwerde – keine entscheidende Tatsache (vgl aber RIS Justiz RS0117499).

[6] Aus dem zuletzt genannten Grund geht auch der zugleich erhobene Einwand, diese Feststellungen seien widersprüchlich, von vornherein ins Leere.

[7] Was der Angeklagte mit der an S* gerichteten Frage „Wo ist Dein Handy?“ und dem gleichzeitigen festen Reißen an dessen Rucksack (US 7) beabsichtigte, haben die Tatrichter – der zu I./B./ erhobenen Mängelrüge (Z 5 erster Fall) zuwider – zweifelsfrei auf US 7 f festgestellt. Demnach wollte der Angeklagte S* den Rucksack vom Rücken reißen und dessen Mobiltelefon sowie den Inhalt von dessen Rucksack unter Zuhilfenahme von gegen ihn gerichteter Gewalt wegnehmen und sich durch die Zueignung unrechtmäßig bereichern.

[8] Unvollständigkeit iSd § 281 Abs 1 Z 5 zweiter Fall StPO liegt vor, wenn das erkennende Gericht bei der für die Feststellung entscheidender Tatsachen angestellten Beweiswürdigung erhebliche, in der Hauptverhandlung vorgekommene (§ 258 Abs 1 StPO) Verfahrensergebnisse unberücksichtigt gelassen hat (RIS Justiz RS0098646 [T4]; zur prozessordnungsgemäßen Darstellung vgl RIS Justiz RS0118316 [T5]). Offenbar unzureichend iSd Z 5 vierter Fall wiederum ist eine Begründung, die den Kriterien der Logik oder Empirie widerspricht (RIS Justiz RS0116732; Ratz , WK StPO § 281 Rz 444).

[9] Der bloße Einwand zum Schuldspruch I./, die Feststellungen zur subjektiven Tatseite seien unvollständig und offenbar unzureichend begründet, entspricht nicht den Anforderungen zur Geltendmachung eines Begründungsmangels.

[10] Die zu II./ behauptete Undeutlichkeit (Z 5 erster Fall) liegt nicht vor, hat doch das Erstgericht die (hier allein maßgeblichen) Tätlichkeiten des Angeklagten gegenüber N* unzweifelhaft erkennbar festgestellt (US 5).

[11] Soweit der Beschwerdeführer (unter Berufung auf Z 5 erster, zweiter und vierter Fall) kritisiert, die Abweichungen in den Zeugenaussagen seien zu seinem Nachteil interpretiert worden, bekämpft er in unzulässiger Form die Beweiswürdigung der Tatrichter.

[12] Warum die zu III./A./ getroffenen Feststellungen, wonach Ö* sein Handy in der Hand hielt, der neben ihm sitzende Angeklagte plötzlich aufstand, dem Opfer das Telefon aus der Hand nahm und davonlief (US 5), undeutlich iSd Z 5 erster Fall sein sollten, macht die Rüge nicht klar.

[13] Dass das Erstgericht diese Feststellungen auf die für glaubwürdig und schlüssig erachteten Aussagen des Zeugen Ö* gestützt und die Verantwortung des Angeklagten als unglaubwürdige Schutzbehauptung gewertet hat (US 8 f), widerspricht nicht den Kriterien der Logik oder Empirie, weshalb – dem Beschwerdeeinwand zuwider – eine offenbar unzureichende Begründung (Z 5 vierter Fall) nicht vorliegt.

[14] Keine Unvollständigkeit sondern lediglich Kritik an der Beweiswürdigung nach Art einer im kollegialgerichtlichen Verfahren nicht zulässigen (§ 283 Abs 1 StPO) Berufung wegen Schuld bringt der Beschwerdeführer zu IV./ zur Darstellung, indem er auf seine Verantwortung verweist und einen Täuschungsvorsatz in Abrede stellt.

[15] Letzteren haben die Tatrichter aus dem Verhalten des Angeklagten nach Erreichen des Fahrziels, seiner tristen finanziellen Lage und der Begehung auch anderer Vermögensdelikte zur Aufbesserung seiner Einkommensverhältnisse (US 10) geschlossen, was – entgegen dem Beschwerdevorbringen (Z 5 vierter Fall) – unter dem Aspekt der Begründungstauglichkeit nicht zu beanstanden ist (RIS Justiz RS0116882).

[16] Die Rechtsrüge (Z 9 lit a) entbehrt mit der bloßen Behauptung, das Erstgericht habe hinsichtlich aller Urteilsfakten die Feststellungen zur subjektiven Tatseite unterlassen (vgl aber US 5 ff), einer prozessordnungsgemäßen Darstellung (RIS Justiz RS0095939).

[17] Die Feststellungen zum in der Beschwerde (nominell Z 5) ausdrücklich angesprochenen Bereicherungsvorsatz zu III./A./ befinden sich – von der Rüge übergangen (vgl aber RIS Justiz RS0099810) – auf US 5.

[18] Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher bereits bei der nichtöffentlichen Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 StPO), woraus die Zuständigkeit des Oberlandesgerichts zur Entscheidung über die Berufungen und die Beschwerde folgt (§§ 285i, 498 Abs 3 StPO).

[19] Dieses wird zu beachten haben, dass dem Schuldspruch zu III./B./ nicht geltend gemachte Nichtigkeit (§ 281 Abs 1 Z 10 StPO) anhaftet:

[20] Die Qualifikation nach § 128 Abs 1 Z 1 letzter Fall StGB setzt neben der Tatbegehung unter Ausnützung eines den Bestohlenen hilflos machenden Zustands einen diese (qualifizierenden) Umstände erfassenden (zumindest bedingten) Vorsatz des Täters voraus (vgl RIS Justiz RS0093377 [T2]; Stricker in WK 2 StGB § 128 Rz 113 und 115).

[21] Gegenständlich sind den Entscheidungsgründen Feststellungen, wonach der Angeklagte es zumindest ernstlich für möglich hielt und sich damit abfand, dass einerseits das Opfer zur Tatzeit physisch oder psychisch außerstande oder schwer behindert gewesen ist, sich gegen diebische Angriffe zur Wehr zu setzen, und andererseits er diesen Zustand zur Begehung des Diebstahls ausgenützt hat, nicht zu entnehmen.

[22] Zu einer amtswegigen Wahrnehmung dieses Subsumtionsfehlers besteht mangels konkreten Nachteils iSd § 290 Abs 1 zweiter Satz erster Fall StPO (vgl Ratz , WK StPO § 290 Rz 22 f) kein Anlass. Angesichts der vom Obersten Gerichtshof vorgenommenen Klarstellung ist das Oberlandesgericht bei seiner Entscheidung nicht an die fehlerhafte Subsumtion gebunden (RIS Justiz RS0118870).

[23] Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 390a Abs 1 StPO.