JudikaturJustiz14Os25/19m

14Os25/19m – OGH Entscheidung

Entscheidung
03. September 2019

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 3. September 2019 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Prof. Dr. Danek als Vorsitzenden, die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Mag. Hetlinger, den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Nordmeyer sowie die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Michel Kwapinski und Dr. Setz Hummel in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Leitner als Schriftführerin in der Strafsache gegen Andreas G***** wegen des Verbrechens des sexuellen Missbrauchs einer wehrlosen oder psychisch beeinträchtigten Person nach § 205 Abs 1 StGB über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Wien als Schöffengericht vom 12. Dezember 2018, GZ 95 Hv 80/18g 19, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufung werden die Akten dem Oberlandesgericht Wien zugeleitet.

Dem Angeklagten fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde Andreas G***** des Verbrechens des sexuellen Missbrauchs einer wehrlosen oder psychisch beeinträchtigten Person nach § 205 Abs 1 StGB schuldig erkannt.

Danach hat er zu einem nicht mehr festzustellenden Zeitpunkt nach dem 11. Juli 2015 in W***** ***** I*****, die sich im Tiefschlaf befand, sohin eine wehrlose Person, unter Ausnützung dieses Zustands dadurch missbraucht, dass er sie mit zumindest einem Finger vaginal penetrierte.

Rechtliche Beurteilung

Die dagegen aus § 281 Abs 1 Z 5, 9 lit a und 10 StPO ergriffene Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten ist nicht im Recht.

Die Mängelrüge (Z 5 dritter Fall) behauptet einen inneren Widerspruch zwischen den Feststellungen zum auf die Wehrlosigkeit des Opfers bezogenen Vorsatz des Angeklagten (US 3) einerseits, andererseits jenen Konstatierungen, denen zufolge I***** den Kopf hob und den Angeklagten ansah, ihre Beine über seine Beine legte und sich auf den Rücken drehte, worauf der Angeklagte ihr die Hose auszog (US 3). Damit werden aber – abgesehen davon, dass letztere Umstände nach den Annahmen der Tatrichter der pönalisierten Handlung zeitlich vorangingen – keine Aussagen dargetan, die nach den Kriterien logischen Denkens nicht nebeneinander bestehen können (RIS Justiz RS0099709). Vielmehr wird der im kollegialgerichtlichen Verfahren unzulässige Versuch unternommen, die Beweiswürdigung zur subjektiven Tatseite durch Aufzählung vermeintlich entgegenstehender Gegebenheiten nach Art einer Schuldberufung zu bekämpfen.

Letzteres gilt auch für die Anführung der abstrakten beweiswürdigenden Erwägung, dass „ein schlafender Körper auf sexuelle Berührungen reagiert“ (US 5). Dass der Angeklagte dem Opfer nicht ins Gesicht gesehen hat, haben die Tatrichter der Rüge zuwider nicht festgestellt, sondern die Verantwortung des Angeklagten in diesem Punkt als widerlegt erachtet (US 4 f).

Entgegen dem Einwand von Unvollständigkeit (Z 5 zweiter Fall) blieben die Angaben des Angeklagten zu Bewegungen des Opfers nicht unerörtert (US 5).

Der Vorwurf offenbar unzureichender Begründung (Z 5 vierter Fall) der Urteilsannahmen zu den Beweggründen des Opfers für die erst rund drei Jahre nach der Tat erfolgte Anzeigeerstattung (US 4) sowie zur (für die hier angenommene erste Fallvariante des § 205 Abs 1 StGB nicht maßgebenden) Begehung der Tat zur Befriedigung eines sexuellen Gelüstes (US 6) betrifft keine entscheidende Tatsache (RIS Justiz RS0099497).

Die Rechtsrüge (Z 9 lit a) behauptet das Fehlen von Feststellungen sowohl zur Wehrlosigkeit des Opfers, als auch zur darauf bezogenen Wollenskomponente der subjektiven Tatseite. Sie vernachlässigt jedoch die Konstatierungen, wonach sich I***** im Tatzeitpunkt im Tiefschlaf befand und dem Angeklagten dies und die Folgerung, dass sie dadurch nicht in der Lage war, die Bedeutung seiner Handlung zu erfassen, nicht nur bewusst waren, sondern er sich auch „mit all dem“ billigend abfand und „diesen Umstand“ bei der Vornahme der Penetration „willentlich und wissentlich“ ausnutzte (US 3; RIS Justiz RS0099810).

Die Subsumtionsrüge (Z 10) reklamiert eine Unterstellung der Tat bloß nach § 205 Abs 2 StGB, weil nicht festgestellt sei, dass die „Berührungen im Vaginalbereich insgesamt dem sozialen Bedeutungsgehalt des Beischlafs entsprochen“ hätten. Sie legt jedoch nicht methodengerecht (RIS Justiz RS0116565) dar, warum die konstatierte Vaginalpenetration mit dem Finger zum Nachteil einer 14 Jährigen (US 2 f) unabhängig von Dauer und Tiefe des Eindringens dem nicht entsprechen soll (vgl Philipp in WK 2 StGB § 201 Rz 25 mwN). Im Übrigen erfüllt nach gefestigter jüngerer Rechtsprechung jede digitale Penetration das Tatbild (RIS Justiz RS0132647).

Soweit die Beschwerde auch Feststellungen zur darauf bezogenen subjektiven Tatseite vermisst, vernachlässigt sie die das Bewusstsein und Abfinden des Angeklagten mit der Vornahme der Vaginalpenetration als einer dem Beischlaf gleichzusetzenden Handlung implizierenden (vgl Ratz , WK StPO § 281 Rz 19) Konstatierungen (US 3).

Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher bei der nichtöffentlichen Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 StPO), woraus die Zuständigkeit des Oberlandesgerichts zur Entscheidung über die Berufung folgt (§ 285i StPO).

Der Kostenausspruch beruht auf § 390a Abs 1 StPO.