JudikaturJustiz14Os137/21k

14Os137/21k – OGH Entscheidung

Entscheidung
18. Januar 2022

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 18. Jänner 2022 durch die Senatspräsidentin des Obersten Gerichtshofs Mag. Hetlinger als Vorsitzende, den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Hon. Prof. Dr. Nordmeyer, die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Mann und Dr. Setz Hummel LL.M. sowie den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Haslwanter LL.M. in Gegenwart der Schriftführerin Mag. Frank in der Strafsache gegen * S* und einen weiteren Angeklagten wegen des Verbrechens der schweren Körperverletzung nach §§ 15, 84 Abs 4 StGB und weiterer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten S* sowie über die Berufung der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Landesgerichts Leoben als Schöffengericht vom 24. Juni 2021, GZ 12 Hv 9/20i 176b, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufungen werden die Akten dem Oberlandesgericht Graz zugeleitet.

Dem Angeklagten S* fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

[1] Soweit im Verfahren über die Nichtigkeitsbeschwerde relevant wurde mit dem angefochtenen Urteil * S* des Verbrechens der schweren Körperverletzung nach §§ 15, 84 Abs 4 StGB (A./I./1./), der Vergehen der Körperverletzung nach § 83 Abs 1 StGB ([unter anderem] A./I./2./ und A./VI./2./), sowie des Vergehens der Nötigung nach § 105 Abs 1 StGB ([unter anderem] A./VI./1.) schuldig erkannt.

[2] Danach hat er in L*

A./I./ am 9. Mai 2019

1./ * F* durch mehrere Faustschläge ins Gesicht am Körper verletzt und dadurch eine an sich schwere Körperverletzung oder Gesundheitsschädigung iSd § 84 Abs 1 StGB herbeizuführen versucht, wobei der Genannte vier kleine Platzwunden im Gesicht und ein blaues Auge erlitt;

2./ * P* durch zwei Faustschläge ins Gesicht am Körper verletzt, wobei der Genannte eine gerade Fraktur der Nase und eine Rissquetschwunde über dem linken Auge erlitt;

A./VI./ am 7. Dezember 2019 Mag.* G*

1./ mit Gewalt zum Verlassen des Lokals „B*“ genötigt, indem er ihn fest an den Oberarmen packte und vor das Lokal drückte;

2./ durch die zu A./VI./1./ geschilderte Tat sowie durch Versetzen eines Stoßes am Körper verletzt, wobei der Genannte Hämatome an den Oberarmen sowie Schürfwunden an der Stirn und am linken Ellenbogen erlitt.

Rechtliche Beurteilung

[3] Ausschließlich gegen die Schuldsprüche A./I./ und A./VI./ richtet sich die auf § 281 Abs 1 Z 5 StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten S*, die ihr Ziel verfehlt.

[4] Entgegen dem zu A./I./ erhobenen Einwand (Z 5 vierter Fall) blieben die Feststellungen zum Verhalten des Opfers F* vor der Tat, einschließlich der Negativfeststellungen zur Behauptung, der Genannte habe den Angeklagten zu Beginn des tätlichen Konflikts so heftig am Bart gezogen, dass dieser mit dem Kopf auf der Brüstung zur Bar aufgeschlagen sei, und habe ihn nachfolgend in gebeugter Position festgehalten oder ihm einen Schlag auf den Hinterkopf versetzt (US 11), nicht unbegründet. Sie wurden – ohne Verstoß gegen die Kriterien der Logik und Empirie – auf die Erwägung gestützt, F* hätte sich nicht auf eine ernsthafte körperliche Auseinandersetzung mit dem Angeklagten eingelassen, weil er diesem körperlich massiv unterlegen und gerade von einem Rehabilitationsaufenthalt nach einer schweren Rückenverletzung zurückgekehrt war, weiters auf die Aussagen der Zeugen P* und Sp*, weiters die Angaben des Zeugen * K* vor der Polizei sowie auf den Umstand, dass sich die Verletzungsbilder der Opfer F* und P* mit der Verantwortung des Angeklagten nicht in Einklang bringen ließen (US 25 f).

[5] Mit dem Vorbringen, die eingangs genannten Feststellungen wären im Wesentlichen auf die Angaben der Zeugen F*, P*, * Sp* und * K* gestützt, obwohl diese teilweise zum Beginn der Auseinandersetzung keine Wahrnehmungen, der Zeuge F* zum Entstehen seiner Verletzungen keine Erinnerungen gehabt hätten, wird ein Begründungsmangel iSd Z 5 des § 281 Abs 1 StPO ebenso wenig aufgezeigt wie mit der Behauptung, der an den Handgreiflichkeiten nicht unbeteiligte Zeuge P* habe den Beginn der Auseinandersetzung nicht beobachtet.

[6] Im Übrigen vernachlässigt die Beschwerde (RIS Justiz RS0119370), dass sich das Erstgericht nur eingangs der Beweiswürdigung bezüglich der „in objektiver Hinsicht getroffenen Feststellungen“ allgemein auf diese Zeugen berufen (US 24), in weiterer Folge aber mit den Wahrnehmungen der Genannten und ihren Aussagen (insbesondere vor der Polizei) einzeln auseinandergesetzt hat.

[7] Der weiteren Rüge (Z 5 zweiter Fall) zuwider hat das Schöffengericht zu A./I./ die Angaben der Zeugin * D* (US 26) sowie des Angeklagten (US 24 ff) gewürdigt, sie aber für nicht glaubwürdig erachtet. Dass aus den Aussagen der Genannten für den Angeklagten günstigere Schlüsse hätten gezogen werden können, stellt Nichtigkeit aus § 281 Abs 1 Z 5 StPO nicht her (RIS-Justiz RS0098400).

[8] Ebenso wenig unberücksichtigt geblieben sind die Aussagen der Zeugen * Sc* und * Z*, sondern sind die Tatrichter diesen nur mangels genauer Beobachtungen der Genannten nicht gefolgt (US 26).

[9] Die nicht auf den Feststellungen basierende (vgl US 11), sondern auf die Verantwortung des Angeklagten und die Angaben der Zeugin D* gestützte Behauptung, das Erstgericht hätte sich bei vollständiger Würdigung der Beweisergebnisse zu A./I./ mit der Frage des Vorliegens einer Notwehrsituation auseinandersetzen müssen, bringt einen Nichtigkeitsgrund nicht zur Darstellung.

[10] Dass das Schöffengericht zu A./VI./ die Feststellungen zur objektiven Tatseite auch auf die Aussage des Zeugen Mag. G* gestützt hat, obwohl dieser aus Sicht der Tatrichter sein (zeitlich vor den Taten gelegenes) Fehlverhalten gegenüber * St* tatsachenwidrig in Abrede gestellt hat, begründet – der Mängelrüge (Z 5 vierter Fall) zuwider – keine Nichtigkeit (RIS-Justiz RS0098372). Im Übrigen hat es das Aussageverhalten des genannten Zeugen gewürdigt und dargelegt, warum es von der Glaubwürdigkeit seiner Angaben in Betreff des Tathergangs ausging (vgl US 37 f).

[11] Indem bloß unsubstantiiert behauptet wird, das Erstgericht habe „insbesondere die widersprüchlichen Angaben“ der als Zeugen vernommenen Freunde des Opfers in der Hauptverhandlung und vor der Polizei außer Acht gelassen, wird ein Begründungsmangel nicht aufgezeigt.

[12] Mit eigenständigen Überlegungen zur Gemütsverfassung des Opfers und mit der Behauptung, es erscheine „geradezu lebensfremd“, dass Mag. G* einer bloß mündlich erteilten Aufforderung des Angeklagten, das Lokal zu verlassen, widerstandslos Folge geleistet hätte, bekämpft die Beschwerde die Beweiswürdigung nach Art einer – im Kollegialverfahren nicht zulässigen – Schuldberufung.

[13] Das Schöffengericht hat die Feststellung, dass der Angeklagte das Opfer ohne vorherige Aufforderung, das Lokal zu verlassen, zu dessen Ausgang zerrte (US 17), auf die Angaben des Zeugen Mag. G* sowie auf die Verletzungen des Opfers dokumentierende Lichtbilder gestützt und die Einlassung des Angeklagten als nicht plausibel und mit dessen Verhalten bei den weiteren Urteilsfakten nicht entsprechend erachtet (US 38). Der Einwand des Fehlens einer Begründung (Z 5 vierter Fall) ist daher nicht berechtigt.

[14] Welche Widersprüche in den Aussagen der Zeugen W* T* und Mag. * H* bei sonstiger Nichtigkeit zu erörtern gewesen wären, legt die Beschwerde (Z 5 zweiter Fall) nicht dar.

[15] Soweit Widersprüche in den Angaben der Zeugin Mag. C* T* zur Verbringung des Opfers in den Ausgangsbereich des Lokals behauptet werden, werden diese mangels Benennung konkreter Fundstellen in den umfangreichen Akten nicht belegt (RIS-Justiz RS0124172 [T8]). Anzumerken bleibt aber, dass das Schöffengericht – mit Blick auf das Gebot gedrängter Darstellung der Entscheidungsgründe (§ 270 Abs 2 Z 5 StPO) – zu einer Wiedergabe und Würdigung aller Beweisergebnisse bis ins Detail nicht verpflichtet ist (RIS-Justiz RS0106295).

[16] Dass die Zeugin in der Hauptverhandlung am 11. Mai 2021 über Nachfrage zugestanden habe, zur Situation im Lokal nur „entsprechende Überlegungen angestellt bzw. Annahmen geäußert zu haben“, ist dem Hauptverhandlungsprotokoll so nicht zu entnehmen (vgl hingegen ON 163 S 20 f).

[17] Mit Überlegungen, wonach die Zeugen unterschiedliche Positionen für ihre Beobachtungen angegeben und sich während der Tat teilweise unterhalten hätten, Mag. * H* nicht bestätigen habe können, dass das Opfer keinerlei Tätlichkeit gegenüber dem Erstangeklagten gesetzt hat, die Angaben der zuletzt genannten Zeugin nicht mit jenen der Zeugen W* T* und Mag. C* T* in Übereinstimmung gebracht werden könnten und diese Zeugen in einem Naheverhältnis zum Opfer stünden, übt die Beschwerde erneut bloß in unzulässiger Form Beweiswürdigungskritik.

[18] Da auch Wahrscheinlichkeitsschlüsse das Gericht zu Feststellungen berechtigen, sofern sie mit den Kriterien der Logik und Empirie im Einklang stehen (vgl RIS Justiz RS0098362), geht die Kritik an der Beweiswürdigung, wonach es zwar theoretisch möglich wäre, dass die Zeugen einen Schlag des Mag. G* nicht wahrgenommen haben, ein gleichzeitiges Vorliegen derartiger, die Wahrnehmung beeinträchtigender Umstände bei sämtlichen Zeugen aber auszuschließen sei (US 40), ins Leere.

[19] Dass den Beschwerdeführer die Begründung der Tatrichter, warum sie die Angaben des Zeugen * U* für nicht verwertbar hielten, nicht überzeugt, begründet keine Nichtigkeit (RIS-Justiz RS0118317 [T9]). Die Ausführungen zu sprachlichen Barrieren bei der Vernehmung des Zeugen greifen die Beweiswürdigung ebenso nur nach Art einer Schuldberufung an wie die Hinweise auf einzelne Aussagedetails desselben.

[20] Aus den Akten abzuleitende erhebliche Bedenken gegen die Richtigkeit des Ausspruchs über entscheidende Tatsachen (Z 5a) behauptet das Rechtsmittel bloß pauschal im Schlusssatz (vgl aber RIS-Justiz RS0117446).

[21] Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher bereits bei der nichtöffentlichen Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 StPO), woraus die Zuständigkeit des Oberlandesgerichts zur Entscheidung über die Berufungen folgt (§ 285i StPO).

[22] Die Kostenentscheidung beruht auf § 390a Abs 1 StPO.