JudikaturJustiz14Os10/21h

14Os10/21h – OGH Entscheidung

Entscheidung
23. März 2021

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 23. März 2021 durch die Senatspräsidentin des Obersten Gerichtshofs Mag. Hetlinger als Vorsitzende, den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Nordmeyer, die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Mann und Dr. Setz Hummel LL.M. sowie den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Haslwanter LL.M. in Gegenwart der Schriftführerin Mag. Nieschlag in der Strafsache gegen ***** W***** wegen des Verbrechens des sexuellen Missbrauchs einer wehrlosen oder psychisch beeinträchtigten Person nach § 205 Abs 1 StGB und weiterer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichts St. Pölten als Schöffengericht vom 20. Oktober 2020, GZ 13 Hv 17/20t 21, sowie seine Beschwerde gegen den zugleich gefassten Beschluss auf Erteilung von Weisungen nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung wegen des Ausspruchs über die Schuld werden zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufung wegen des Ausspruchs über die Strafe und die Beschwerde werden die Akten dem Oberlandesgericht Wien zugeleitet.

Dem Angeklagten fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

[1] Mit dem angefochtenen Urteil wurde ***** W***** – soweit hier relevant – des Verbrechens des sexuellen Missbrauchs einer wehrlosen oder psychisch beeinträchtigten Person nach § 205 Abs 1 StGB (I./) schuldig erkannt.

[2] Danach hat er am 10. Februar 2020 in S***** ***** U*****, die aufgrund „ihres Tiefschlafes infolge“ starker Alkoholisierung wehrlos und zudem unfähig war, die Bedeutung des Vorgangs einzusehen oder nach dieser Einsicht zu handeln (US 5), unter Ausnützung dieses Zustands dadurch missbraucht, dass er mit ihr dem Beischlaf gleichzusetzende Handlungen vornahm, indem er die Genannte, die in der Nacht zum 10. Februar 2020 etwa zwei 0,75-Liter-Flaschen „Hugo“ und zehn Jägermeister getrunken hatte, weshalb sie nicht mehr ohne Hilfe gehen oder sitzen konnte, mit den Fingern vaginal penetrierte und mit der Zunge im Scheidenbereich intensiv berührte, wobei es U***** aufgrund ihres Zustands nicht gelang, sich zu artikulieren oder zu bewegen, um ihren gegenteiligen Willen auszudrücken.

Rechtliche Beurteilung

[3] Dagegen richtet sich die auf § 281 Abs 1 Z 5a StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten, der keine Berechtigung zukommt.

[4] Indem die Tatsachenrüge die erstgerichtlichen Annahmen von der Glaubwürdigkeit der Zeugin U***** und der Unglaubwürdigkeit des Beschwerdeführers in Frage stellt und aus deren im Urteil – unter Berücksichtigung von Erinnerungslücken – ausführlich erörterten (US 10 ff) Angaben auf Basis eigener Beweiswerterwägungen für den Beschwerdestandpunkt günstigere Schlüsse (auf das Nichtvorliegen von Wehrlosigkeit, sexueller Selbstbestimmungsunfähigkeit und der Ausnützung eines solchen Zustands des Opfers [zufolge Vornahme der geschlechtlichen Handlungen auf Initiative und mit Einverständnis der U*****] sowie – darauf aufbauend – auf das Fehlen der subjektiven Tatseite) zieht, verlässt sie den Anfechtungsrahmen des in Anspruch genommenen Nichtigkeitsgrundes (vgl RIS Justiz RS0100555, RS0099649).

[5] Der in diesem Zusammenhang ins Treffen geführte Grundsatz „in dubio pro reo“ ist nicht Gegenstand der Tatsachenrüge (RIS Justiz RS0102162).

[6] Mit der Kritik an den Feststellungen zur (alkoholbedingten) Unfähigkeit von U*****, (längere Zeit vor den inkriminierten Tathandlungen) ein Telefongespräch mit ihrem Freund zu führen, sowie zu den konkreten Vereinbarungen zwischen der Zeugin D***** und dem Angeklagten in Bezug auf dessen Schlafplatz in der Tatnacht (US 4) bezieht sich die Beschwerde nicht auf entscheidende Tatsachen (vgl aber RIS Justiz RS0117499). Ebenso wenig werden solche mit dem – im Übrigen weder an den Anfechtungskategorien der Z 5a (RIS Justiz RS0117446) noch an jenen der Z 5 (RIS Justiz RS0119370) orientierten und zudem unberechtigten (vgl US 10 f iVm ON 2 S 9, ON 3 S 35, 47, ON 20 S 15, 24 f) – Vorwurf des Fehlens konkreter Verfahrensergebnisse für den Konstatierungen zur Trinkmenge der U***** (US 4) angesprochen. Denn Zurechnungsunfähigkeit (hier:) zufolge voller Berauschung des Tatopfers ist keine Voraussetzung für die Subsumtion nach § 205 Abs 1 StGB (vgl dazu Hinterhofer SbgK § 205 Rz 26 ff; 15 Os 94/08z, 12 Os 189/09z). Dass U***** aber aufgrund ihres – im Übrigen auch nach Ansicht der Tatrichter mengenmäßig gar nicht exakt („ungefähr“, „etwa“, „ca“; US 1 und 4) feststellbaren – übermäßigen Alkoholkonsums im Tatzeitraum wehrlos sowie sexuell dispositions und diskretionsunfähig war und der Vorsatz des Beschwerdeführers diesen Zustand umfasste (US 5 f, 11 f), hat das Erstgericht auf eine Reihe von Verfahrensergebnissen gestützt. Die genaue Menge konsumierten Alkohols war hiefür erkennbar keine notwendige Bedingung (US 10 f, 12; RIS Justiz RS0116737; Ratz , WK StPO § 281 Rz 410).

[7] Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher ebenso wie die (bloß angemeldete) im schöffengerichtlichen Verfahren nicht vorgesehene (§ 283 Abs 1 StPO) Berufung wegen des Ausspruchs über die Schuld bereits bei der nichtöffentlichen Beratung gemäß § 285d Abs 1 StPO sofort zurückzuweisen, woraus die Zuständigkeit des Oberlandesgerichts zur Entscheidung über die Berufung wegen des Ausspruchs über die Strafe und die (implizierte) Beschwerde folgt (§§ 285i, 498 Abs 3 StPO).

[8] Die Kostenersatzpflicht gründet sich auf § 390a Abs 1 StPO.