JudikaturJustiz14Os10/17b

14Os10/17b – OGH Entscheidung

Entscheidung
04. April 2017

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 4. April 2017 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Philipp als Vorsitzenden, die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Mag. Hetlinger, die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Nordmeyer und Dr. Oshidari sowie die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Dr. Mann in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Melounek als Schriftführerin in der Strafsache gegen Almir M***** wegen des Verbrechens des im Rahmen einer kriminellen Vereinigung gewerbsmäßig schweren und durch Einbruch begangenen Diebstahls nach §§ 127, 128 Abs 1 Z 5, 129 Abs 1 Z 1 und 2, Abs 2 Z 1, 130 Abs 1 erster und zweiter Fall, Abs 2 erster und zweiter Fall, Abs 3, 15 StGB und weiterer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten sowie die Berufung der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Landesgerichts Innsbruck als Schöffengericht vom 3. Oktober 2016, GZ 37 Hv 70/16b 104, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufungen werden die Akten dem Oberlandesgericht Innsbruck zugeleitet.

Almir M***** fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde Almir M***** des Verbrechens des im Rahmen einer kriminellen Vereinigung gewerbsmäßig schweren und durch Einbruch begangenen Diebstahls nach §§ 127, 128 Abs 1 Z 5, 129 Abs 1 Z 1 und 2, Abs 2 Z 1, 130 Abs 1 erster und zweiter Fall, Abs 2 erster und zweiter Fall, Abs 3, 15 StGB (A./), des Vergehens des unbefugten Gebrauchs von Fahrzeugen nach § 136 Abs 1 und 2 StGB (B./), des Vergehens der dauernden Sachentziehung nach § 135 Abs 1 und 2 (erster Fall) StGB (C./), der Vergehen der Urkundenunterdrückung nach § 229 Abs 1 StGB (D./), des Vergehens der Sachbeschädigung nach § 125 StGB (E./) und der Vergehen der Entfremdung unbarer Zahlungsmittel nach § 241e Abs 3 StGB (F./) schuldig erkannt.

Danach hat er – soweit vorliegend von Relevanz – „im bewussten und gewollten Zusammenwirken als Mittäter (§ 12 StGB)“ mit den gesondert verfolgten Halim C*****, Aleks Ma*****, Eni H*****, Lorenc K*****, Gledis Ha***** und weiteren unbekannten Tätern durch Leisten von Fahrerdiensten von Italien zu den einzelnen Tatorten in Österreich und zurück, durch Aussuchen der Diebstahlsobjekte sowie durch Zurverfügungstellung von Einbruchswerkzeug

A./ von 5. Februar bis 24. August 2015 in S***** und an anderen Orten in den im Urteil im Einzelnen dargestellten Fällen (A./I./ bis X./) mit auf unrechtmäßige Bereicherung gerichtetem Vorsatz anderen fremde bewegliche Sachen in einem 5.000 Euro übersteigenden Wert (Gesamtwert 293.853,32 Euro) durch teilweise in Wohnstätten verübten Einbruch weggenommen und wegzunehmen versucht, wobei er die Diebstähle gewerbsmäßig und als Mitglied einer kriminellen Vereinigung bestehend aus den eingangs genannten Personen und weiteren unbekannten Mittätern unter Mitwirkung (§ 12 StGB) zumindest eines anderen Mitglieds dieser Vereinigung beging;

B./ „die nachgenannten, zum Antrieb mit Maschinenkraft eingerichteten Fahrzeuge ohne Einwilligung der Berechtigten in Gebrauch genommen, indem sich die jeweiligen unmittelbaren Täter die Gewalt über die Fahrzeuge durch eine der in § 129 StGB geschilderten Handlungen“, nämlich durch anlässlich zweier (im Urteil zu A./ genannter) Diebstähle widerrechtlich erlangter Schlüssel, verschafften, und zwar

I./ mit Halim C*****, Aleks Ma***** und einem bislang unbekannten Mittäter nachts zum 4. April 2015 den Pkw VW Caddy der Ingrid W*****;

II./ mit Halim C*****, Aleks Ma*****, Lorenz K***** und Eni H***** nachts zum 13. April 2015 den Pkw Mercedes Benz Vivano der N***** GmbH;

Rechtliche Beurteilung

Die dagegen aus Z 3, 5, 5a und 9 lit a des § 281 Abs 1 StPO ergriffene Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten schlägt fehl.

Der Einwand der Verfahrensrüge (Z 3), wonach die im Ermittlungsverfahren getätigten Angaben der Zeugin Assunta P***** aufgrund (in der Hauptverhandlung am 31. August 2016 [ON 97 S 11]) verweigerter Zustimmung des Beschwerdeführers zu deren Verlesung in die Hauptverhandlung keinen Eingang hätten finden dürfen, ist ebensowenig stichhältig wie die an der Verwertung dieser Aussage im Urteil geübte Kritik der Mängelrüge (Z 5 vierter Fall). Denn die erwähnte Zeugin wurde vom erkennenden Gericht in der Hauptverhandlung am 3. Oktober 2016 vernommen, wobei sie sich auf ihre früheren Depositionen berief (ON 103 S 2). Demnach kamen diese in der Hauptverhandlung (zulässigerweise) vor (RIS Justiz RS0107792) und durften daher im Urteil auch verwertet werden (§ 258 Abs 1 StPO).

Den weiteren Beschwerdeausführungen ist voranzustellen, dass sich die Anfechtungskategorie des § 281 Abs 1 Z 5 vierter Fall StPO auf einen – unter dem Aspekt (überhaupt vorhandener oder) tauglicher Begründung anzustellenden – Vergleich der Feststellungsebene mit der Begründungsebene des Urteils bezieht. Die tatrichterlichen Beweiserwägungen allein können (ohne jegliche Bezugnahme auf die Feststellungsbasis) nicht als „unbegründet oder offenbar unzureichend begründet“ bekämpft werden.

Daran geht die Beschwerde vorbei, soweit sie – ohne den Inlandsaufenthalt des Angeklagten zu den jeweiligen Tatzeitpunkten überhaupt in Frage zu stellen – eine „weitere Begründung“ für die Annahme des Schöffengerichts (US 29) vermisst, wonach die im Akt befindlichen „Ein- und Ausreisestempel ON XI“ (ON 97 Blg./XI) nicht gegen die Tathandlungen des Angeklagten sprechen würden.

Entsprechendes gilt für die Beschwerdekritik am Fehlen einer „substantiellen“ und „konkreten“ Urteilsbegründung dazu, aus welchem Grund die Tatrichter den Angaben des Angeklagten und der Zeugen Halim C***** und Aleks Ma***** gefolgt oder nicht gefolgt sind. Die Beschwerde übersieht nämlich, dass die zur Überzeugung der Tatrichter von der Glaubhaftigkeit einer Zeugenaussage aufgrund des in der Hauptverhandlung gewonnenen persönlichen Eindrucks ein kritisch-psychologischer Vorgang ist, der als solcher der Anfechtung mit Mängelrüge entzogen ist (RIS Justiz RS0106588).

Mit dem Einwand, das Erstgericht habe unzulässig Teile der Aussagen des Angeklagten und von Zeugen einmal als glaubhaft, andererseits wiederum als unglaubhaft gewertet, wird ebenfalls kein Begründungsdefizit aufgezeigt (RIS Justiz RS0098372).

Der behauptete Widerspruch (Z 5 dritter Fall) zwischen den Urteilsannahmen, dass der Angeklagte einerseits die Mittäter wieder von den Tatorten abgeholt habe und andererseits gewusst habe, dass seine Komplizen zum Abtransport der Diebsbeute unbefugt fremde Fahrzeuge gebrauchen würden (US 23), liegt schon deshalb nicht vor, weil dieser Fahrzeuggebrauch nach den weiteren Erwägungen der Tatrichter (vgl RIS Justiz RS0117402 [T17]) nur vorerst dazu diente, erbeutete Tresore abzutransportieren und aufzubrechen (US 27). Demgegenüber legte der Schöffensenat dem Angeklagten Transportdienste von und nach Italien zur Last (US 2, 23).

Ob der Angeklagte in Bezug auf den erwähnten unbefugten Gebrauch von Fahrzeugen wissentlich oder bedingt vorsätzlich handelte, ist nicht entscheidend, sodass der darauf bezogene Einwand widersprüchlicher Konstatierungen auf sich beruhen kann (vgl RIS Justiz RS0099548).

Soweit die Beschwerde die aus der finanziellen Situation des Angeklagten und der Höhe der Schadenssumme abgeleitete Annahme gewerbsmäßiger Tatbegehung (US 26) als offenbar unzureichend begründet kritisiert, bekämpft sie bloß die Beweiswürdigung des Schöffengerichts nach Art einer im kollegialgerichtlichen Verfahren unzulässigen Schuldberufung. Im Übrigen orientiert sich das Rechtsmittel prozessordnungswidrig nicht an der Gesamtheit der Entscheidungsgründe (RIS Justiz RS0119370), weil es die von den Tatrichtern zusätzlich ins Kalkül gezogene hohe Frequenz der Einbruchsdiebstähle (erneut US 26) ignoriert.

Die Tatsachenrüge (Z 5a) weckt mit der Kritik an der den Zeugen Halim C***** und Aleks Ma***** (teilweise) attestierten Glaubwürdigkeit keine sich aus den Akten ergebenden erheblichen Bedenken des Obersten Gerichtshofs gegen den Ausspruch über entscheidende Tatsachen. Vielmehr erschöpft sich die Beschwerde in einer im schöffengerichtlichen Verfahren unzulässigen Beweiswürdigungskritik.

Die Rechtsrüge (Z 9 lit a) verfehlt mit der Bestreitung des in Bezug auf den unbefugten Gebrauch von Fahrzeugen konstatierten Vorsatzes des Angeklagten den im konstatierten Sachverhalt gelegenen Bezugspunkt materieller Nichtigkeit (vgl RIS Justiz RS0099810).

Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher bereits bei der nichtöffentlichen Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 StPO), woraus die Zuständigkeit des Oberlandesgerichts zur Entscheidung über die Berufungen folgt (§ 285i StPO).

Die Kostenentscheidung gründet auf § 390a Abs 1 StPO.