JudikaturJustiz13Os63/23y

13Os63/23y – OGH Entscheidung

Entscheidung
20. September 2023

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 20. September 2023 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Prof. Dr. Lässig als Vorsitzenden sowie die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Mag. Michel, den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Oberressl und die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Brenner und Dr. Setz Hummel LL.M. in Gegenwart der Schriftführerin FI Trsek in der Strafsache gegen R* A* wegen des Verbrechens der Vergewaltigung nach § 201 Abs 1 und 2 vierter Fall StGB sowie einer weiteren strafbaren Handlung über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichts Klagenfurt als Schöffengericht vom 5. Mai 2023, GZ 79 Hv 32/23x 59, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufung werden die Akten dem Oberlandesgericht Graz zugeleitet.

Dem Angeklagten fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

[1] Mit dem angefochtenen Urteil wurde R* A* je eines Verbrechens der Vergewaltigung nach § 201 Abs 1 StGB (I) und nach § 201 Abs 1 und 2 vierter Fall StGB (II) schuldig erkannt.

[2] Danach hat er

* Al* mit Gewalt zur Duldung des Beischlafs genötigt, und zwar

I) im März 2022 in S*, indem er sie an den Schultern packte, gewaltsam in Rückenlage auf ein Bett drückte, ihr die Hose herunterriss und sie mit dem Penis vaginal penetrierte, sowie

II) am 4. Mai 2023 in Sp*, indem er sie an den Schultern packte, in Rückenlage am Boden mit seinen Händen fixierte, gewaltsam entkleidete und mit dem Penis vaginal penetrierte, wobei er die Genannte durch die Tat in besonderer Weise erniedrigte, indem er in ihr Gesicht ejakulierte.

Rechtliche Beurteilung

[3] Dagegen wendet sich die auf § 281 Abs 1 Z 5, 5a und 9 lit a StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten.

[4] Der Erledigung der Mängelrüge (Z 5) und der Tatsachenrüge (Z 5a) ist voranzustellen:

[5] Die tatrichterliche Beurteilung der Überzeugungskraft von Personalbeweisen (also die Glaubwürdigkeit der Angaben von Zeugen und Angeklagten) ist – soweit sie nicht undeutlich (Z 5 erster Fall) oder in sich widersprüchlich (Z 5 dritter Fall) ist – einer Anfechtung mit Nichtigkeitsbeschwerde entzogen (RIS Justiz RS0106588 [T13]). Unter dem Aspekt der Unvollständigkeit (Z 5 zweiter Fall) kann sie nur dann mangelhaft erscheinen, wenn sich das Gericht mit gegen die Glaubwürdigkeit sprechenden Beweisergebnissen nicht auseinandergesetzt hat. Der Bezugspunkt besteht dabei jedoch nicht in der Sachverhaltsannahme der Glaubhaftigkeit oder Unglaubhaftigkeit (die ihrerseits eine erhebliche Tatsache darstellt), sondern ausschließlich in den Feststellungen über entscheidende Tatsachen (RIS Justiz RS0119422 [T2 und T4]; zu den Begriffen entscheidende und erhebliche Tatsachen siehe Ratz , WK StPO § 281 Rz 398 und 409). Erheblich, somit für den Fall ihres Vorkommens in der Hauptverhandlung (§ 258 Abs 1 StPO) erörterungsbedürftig, sind insoweit demnach Tatumstände, welche die – von den Tatrichtern als notwendige Bedingung für die Feststellung einer entscheidenden Tatsache bejahte (vgl Ratz , WK StPO § 281 Rz 410) – Überzeugungskraft der Aussage eines Zeugen oder Angeklagten in Bezug auf diese entscheidende Tatsache ernsthaft in Frage stellen (vgl RIS Justiz RS0120109 [T3]; sowie Ratz , WK StPO § 281 Rz 29).

[6] Entsprechend dem Gebot zu gedrängter Darstellung in den Entscheidungsgründen (§ 270 Abs 2 Z 5 StPO) ist das Gericht aber weder verpflichtet, den vollständigen Inhalt sämtlicher Aussagen von Zeugen im Urteil zu erörtern und daraufhin zu untersuchen, inwieweit jede einzelne Angabe für oder gegen diese oder jene Darstellung spricht, noch ist es dazu verhalten, sich mit jedem gegen seine Beweiswürdigung möglichen, im Rahmen der Nichtigkeitsbeschwerde konkret erhobenen Einwand im Voraus auseinanderzusetzen (RIS Justiz RS0098778 [insbesondere T6]).

[7] Entgegen der (in diesem Zusammenhang als „mangelhafte Schlussfolgerung“, nominell auch „Unvollständigkeit“ [Z 5 zweiter Fall] relevierenden) Beschwerdekritik ist die Bejahung der Glaubwürdigkeit der Zeugin * Al* (US 6 ff) im Hinblick auf den vom Erstgericht ausdrücklich berücksichtigten Umstand, dass ihre Belastung des Angeklagten, für ISIS gekämpft zu haben, nicht zur Anklageerhebung durch die Staatsanwaltschaft führte (US 9), keineswegs in sich widersprüchlich im Sinn der Z 5 dritter Fall.

[8] Mit der Behauptung offenbar unzureichender Begründung (Z 5 vierter Fall) beschränkt sich die Rüge unter Verfehlung der eingangs dargestellten Anforderungen darauf, mit eigenen weitwendigen Beweiswerterwägungen die vom Erstgericht bejahte Glaubwürdigkeit der Zeugin * Al* (US 6 ff) zu bekämpfen.

[9] Gleiches gilt, soweit die Beschwerde unter Hinweis auf die – von den Tatrichtern jeweils mit eingehender Begründung als nicht glaubwürdig erachteten (siehe US 10 bis 11) – Aussagen der Zeugen A* A*, M* A* und Ay* A* kritisiert, das Erstgericht hätte der nicht geständigen Verantwortung des Angeklagten (siehe dazu US 5) folgen müssen.

[10] Der mehrfach erhobene Einwand der Beschwerde, die Begründung des Erstgerichts bestehe „nicht aus logischen Folgerungen“, verkennt, dass eine logisch zwingende Urteilsb egründung nicht möglich und daher nicht gefordert ist (RIS Justiz RS0098471).

[11] Der Sache nach erschöpft sich die Rüge in einem Angriff auf die den Tatrichtern vorbehaltene Beweiswürdigung (§ 258 Abs 2 StPO) nach Art einer im kollegialgerichtlichen Verfahren nicht vorgesehenen (§ 283 Abs 1 StPO) Berufung wegen des Ausspruchs über die Schuld.

[12] Die Tatsachenrüge (Z 5a) wiederholt mit der Behauptung, die Beweiswürdigung der Tatrichter sei „nicht einsichtig“, „nicht stichhältig“ und „nicht überzeugend“, im Wesentlichen das Vorbringen der Mängelrüge und weist darüber hinaus auf (weitere) Aussagedetails des Beschwerdeführers, der Zeugin * Al* sowie des vom Schöffensenat als nicht glaubwürdig beurteilten Zeugen * I* (vgl US 11) und den Umstand hin, dass das Opfer erst Anfang August 2022 Anzeige erstattet habe. Damit bekämpft sie ein weiteres Mal bloß die tatrichterliche Annahme der Glaubwürdigkeit des Opfers sowie der Unglaubwürdigkeit des Beschwerdeführers ohne einen Bezug zu entscheidenden Tatsachen herzustellen (siehe aber RIS Justiz RS0099419 [T2 und T3]).

[13] Die Rechtsrüge (Z 9 lit a) geht nicht von den tatrichterlichen Feststellungen aus, sondern argumentiert auf der Grundlage eigener beweiswürdigender Erwägungen. Solcherart verfehlt sie den Bezugspunkt materieller Nichtigkeit (RIS Justiz RS0099810 [insbesondere T25]).

[14] Mit der unsubstantiierten Behauptung, wonach es „das Erstgericht verabsäumt hat, in seinem Urteil alle Tatbestandsmerkmale festzustellen und auszusprechen, was vom Erstgericht in objektiver und subjektiver Hinsicht als erwiesen angenommen worden ist“, erklärt die Beschwerde nicht, welcher weiteren Konstatierungen es für die rechtsrichtige Subsumtion nach § 201 Abs 1 StGB und nach § 201 Abs 1 und 2 vierter Fall StGB bedurft hätte (vgl aber RIS Justiz RS0095939).

[15] Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher gemäß § 285d Abs 1 StPO schon bei der nichtöffentlichen Beratung sofort zurückzuweisen.

[16] Die Entscheidung über die Berufung kommt dem Oberlandesgericht zu (§ 285i StPO).

[17] Der Kostenausspruch beruht auf § 390a Abs 1 StPO.