JudikaturJustiz13Os160/99

13Os160/99 – OGH Entscheidung

Entscheidung
12. Januar 2000

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 12. Jänner 2000 durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofes Hon. Prof. Dr. Brustbauer als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Rouschal, Dr. Schmucker, Dr. Habl und Dr. Ratz als weitere Richter, in Gegenwart des Richteramtsanwärters Mag. Handler als Schriftführer, in der Strafsache gegen Christof P***** wegen des Verbrechens nach § 28 SMG und weiterer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung der gesetzlichen Vertreter des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichtes Feldkirch als Jugendschöffengericht vom 8. Oktober 1999, GZ 20 Vr 760/99-23, nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters des Generalprokurators, Generalanwalt Dr. Schroll und des Verteidigers Mag. Fröschl, jedoch in Abwesenheit des Angeklagten sowie seiner gesetzlichen Vertreter zu Recht erkannt:

Spruch

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird verworfen.

Aus deren Anlass (§ 290 Abs 1 StPO) wird das angefochtene Urteil, das im übrigen unberührt bleibt, im Strafausspruch (jedoch unter Aufrechterhaltung der Entscheidungen bezüglich der Privatbeteiligtenaussprüche sowie der Anrechnung der Vorhaft) aufgehoben und gemäß § 288 Abs 2 Z 3 StPO in der Sache selbst erkannt:

Christof P***** wird nach § 129 StGB unter Anwendung der §§ 28 Abs 1, 43a Abs 2 StGB; 5 Abs 4 JGG, zu einer Freiheitsstrafe von

5 (fünf) Monaten

sowie zu einer Geldstrafe von 240 Tagessätzen (im Fall der Uneinbringlichkeit 120 Tage Ersatzfreiheitsstrafe), wobei die Höhe des Tagessatzes mit 40 S bestimmt wird, verurteilt.

Die verhängte Freiheitsstrafe wird gemäß § 43a Abs 2 StGB unter Bestimmung einer dreijährigen Probezeit bedingt nachgesehen.

Mit ihrer Berufung werden die gesetzlichen Vertreter des Angeklagten auf die Strafneubemessung verwiesen.

Gemäß § 390a StPO fallen dem Angeklagten auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Christof P***** wurde der Verbrechen (I) nach § 28 Abs 2 SMG und (III) des Diebstahls durch Einbruch nach §§ 127, 129 Abs 1 StGB sowie des Vergehens (II) nach § 27 Abs 1 SMG schuldig erkannt.

Danach hat er

(I) den bestehenden Vorschriften zuwider ein Suchtgift in einer großen Menge (§ 28 Abs 6 SMG) aus- und eingeführt sowie in Verkehr gesetzt, und zwar

(1) vom Frühjahr bis Sommer 1998 im Zuge regelmäßiger Fahrten insgesamt 150 Gramm Marihuana durch Schmuggel von der Schweiz nach Vorarlberg;

(2) vom Sommer 1998 bis Februar 1999 im Zuge regelmäßiger Fahrten insgesamt 4,5 kg bis 6 kg Marihuana durch Schmuggel von der Schweiz nach Vorarlberg;

(3) vom Frühjahr 1998 bis Frühjahr 1999 in Vorarlberg durch Verkauf und Übergabe von insgesamt ca 3 kg bis 4,5 kg Marihuana an verschiedene Drogenkonsumenten;

(II) den bestehenden Vorschriften zuwider ein Suchtgift erworben und besessen sowie anderen überlassen, und zwar

(1) im November/Dezember 1998 in Feldkirch ca 5 Gramm Ampehtamin und 5 Stück Ecstasy-Tabletten durch Übergabe an Markus M***** sowie durch Konsumation einer geringen Menge Psylocybin-Pilze;

(2) vom Sommer 1996 bis Februar 1999 in Vorarlberg durch Konsumation Haschisch und Marihuana (aus Inlandsbezug) sowie durch fallweises Einladen von Kollegen zum Mitkonsum;

(III) am 12. Juni 1998 gemeinsam mit dem gesondert verfolgten Christof H***** in bewussten und gewolltem Zusammenwirken als Mittäter fremde bewegliche Sachen in einem 25.000 S nicht übersteigenden Wert durch Einbruch nachgenannten Personen mit dem Vorsatz wegnahm, sich deren Zueignung unrechtmäßig zu bereichern, und zwar

(1) in Röthis der Rosa K***** Süßigkeiten im Wert von 200 S durch Aufzwängen eines gekippten Fensters des Clubheimes des TC R***** und Einsteigen durch dieses Fenster;

(2) in Rankweil dem Reinhold F***** Bargeld in der Höhe von ca 300 S (teilweise in Fremdwährung) nach Aufbrechen einer Kellertüre.

Gegen dieses Urteil richtet sich die auf die Z 5, 9 lit a und 9 lit b des § 281 Abs 1 StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde der gesetzlichen Vertreter des jugendlichen Angeklagten, der jedoch keine Berechtigung zukommt:

Rechtliche Beurteilung

In der Mängelrüge (Z 5) behaupten die Beschwerdeführer zunächst eine aktenwidrige (gemeint offenbar unzureichende) Begründung für die Annahme zum Schuldspruchfaktum II/1, dass der Angeklagte Psilocybin beinhaltende Pilze konsumierte.

Wenn auch der Angeklagte den im Anhang V.1. der Suchtgiftverordnung genannten Stoff Psilocybin namentlich in seinem Geständnis nicht erwähnte, konnten die Tatrichter den gemäß § 1 Abs 2 der Suchtgiftverordnung den Suchtgiften gleichgestellten Stoff (§ 2 Abs 2 SMG; vgl Anhang I der Psychotropenkonvention) ihren Konstatierungen zum Urteilsspruch II 1 deswegen zu Grunde legen, weil der durch langjährige Einbindung in die Suchtgiftszene mit Suchtgiften, insbesondere durch die Einnahme verschiedenster Suchtmittel vertraute Angeklagte den als Drogen erkannten und in Suchtgiftkreisen als solche gehandelten Pilzen ausdrücklich eine psychotrope Wirkung beimaß (vgl S 341 und 409). Dieses Beweisergebnis wird auch durch die in der Hauptverhandlung einvernehmlich dargestellten (S 411) Angaben des Oliver M***** untermauert, wonach die vom Angeklagten stammenden Pilze eine berauschende Wirkung entfaltet hatten (S 326). Im Hinblick auf diese vom Jugendschöffensenat gewürdigten Beweisergebnisse (US 8) liegt somit eine hinreichende Urteilsbegründung vor.

Darüberhinaus konnte das Jugendschöffengericht auf Grund der Einlassung des geständigen Angeklagten, wonach das von ihm in der Schweiz beschaffte Suchtgift von "guter Qualität" (S 343), "durchwegs in Ordnung" (S 345), "manchmal schlecht, manchmal mittel und manchmal gut" (S 409) war, auf Grund der in der Hauptverhandlung einvernehmlich dargestellten (S 411) Angaben des Zeugen Michael H*****, der die "durchwegs gute Qualität" des vom Dealer des Angeklagten bezogenen Marihuanas bestätigte (S 319), sowie auf Grund der von den Tatrichtern hervorgehobenen Gerichtserfahrung betreffend die Qualitäten von aus der Schweiz geschmuggelten Cannabisprodukten eine Mindestkonzentration von 5 % THC bei dem vom Schuldspruch I erfassten Marihuana - der weiteren Beschwerde zuwider - mängelfrei begründen (US 8).

In der Rechtsrüge (Z 9 lit a) monieren die Beschwerdeführer Feststellungsmängel zur Suchtgiftqualität der laut Schuldspruch II 1 an Markus M***** übergebenen fünf Stück Ecstasy-Tabletten.

Den Beschwerdeführern ist zunächst beizupflichten, dass die Verwendung von Szenennamen, wie zB Ecstasy, den gesetzlichen Konkretisierungserfordernissen für die Bezeichnung von dem Suchtmittelgesetz unterliegenden Substanzen mitunter nicht genügen kann, weil unter dem Namen Ecstasy auch Stoffe verkauft werden, die keine als Suchtmittel verpönte Amphetaminderivate aufweisen. Fallbezogen bedurfte es allerdings entgegen dem Rechtsmittelvorbringen keiner näheren Konkretisierung der Suchtgiftqualität der vom Schuldspruch II 1 umfassten Ecstasy-Tabletten, zeigen doch die übereinstimmenden und von den Tatrichtern umfassend gewürdigten (US 8) Verfahrensergebnisse, dass keiner der mit diesen Ecstasy-Tabletten in Berührung gekommenen suchtgifterfahrenen Personen deren psychotrope Wirkung bezweifelte (vgl die geständige Einlassung des Angeklagten in S 45, 341 und 409, die Darlegungen des diese Ecstasy-Tabletten in Verkehr setzenden Enrico Emanuel Ha***** in S 361, 365 und 369 und des diese Ecstasy-Tabletten gleichfalls konsumierenden Rodrigo Mauritio L***** in S 101 und 103). Angesichts dieser Verfahrensergebnisse wären daher ergänzende Feststellungen nur dann geboten gewesen, wenn etwa Analyseergebnisse der in der Schweiz bei Enrico Emanuel Ha***** sichergestellten und zumindest aus denselben Bezugsquellen stammenden (vgl S 45 iVm S 351 und S 101) 30 Ecstasy-Tabletten der Marke XTC "Mitsubishi" eine nicht den in der Suchtgiftverordnung angeführten Ampehtaminderivaten entsprechende Zusammensetzung aufgewiesen hätten oder die psychotrope Wirkung dieser Pillen in Frage gestanden wäre.

In der weiteren Rechtsrüge (Z 9 lit b) erblicken die Eltern des Angeklagten in Anbetracht der vom Schuldspruch II umfassten Suchtgiftvergehen Feststellungsmängel betreffend das Vorliegen der Voraussetzungen für eine zumindest teilweise (und die anfänglichen Suchtmittelvergehen betreffenden) Anwendung von § 42 StGB, § 4 Abs 2 Z 2 JGG und § 9 JGG.

Der Beschwerdeansicht zuwider bieten die Verfahrensergebnisse keine ausreichenden Anhaltspunkte für das Vorliegen dieser Strafbefreiungsgründe. Schon der Umstand, dass der Angeklagte bereits Ende 1997 bis Anfang 1999 nahezu täglich Cannabisprodukte konsumierte und pro Woche für sich allein rund 30 Gramm Marihuana verbrauchte (vgl S 341), verdeutlicht die von Christof P***** eingestandene (S 31, S 341), schon seit Sommer 1996, somit von Anfang an bestehende und immer massiver werdende Einbringung des Angeklagten in das Suchtgiftmilieu, der mit den von den Beschwerdeführern reklamierten diversionellen Maßnahmen auch bei den in der Anfangsphase des inkriminierten Konsums und der Weitergabe von Drogen zu verantwortenden Suchtmittelvergehen nicht ausreichend präventiv begegnet werden kann. Diese kommen insgesamt deswegen nicht in Betracht, weil angesichts der auch im Vergehensbereich wiederholten, teils nahezu täglichen Delinquenz spezialpräventive Gründe eine die begehrte Verfahrenseinstellung jeweils hindernde Durchführung des Strafverfahrens und die Festsetzung einer Strafe geboten erscheint, um der weiteren Begehung derartiger Drogendelikte durch den jugendlichen Angeklagten entgegenzuwirken.

Die Nichtigkeitsbeschwerde der gesetzlichen Vertreter des Angeklagten war sohin in Übereinstimmung mit der Stellungnahme der Generalprokuratur, jedoch entgegen dem lediglich die Argumente der Nichtigkeitsbeschwerde wiederholenden Antrag gemäß § 35 Abs 2 StPO zu verwerfen.

Aus deren Anlass (§ 290 Abs 1 StPO) überzeugte sich jedoch der Oberste Gerichtshof, dass zum Nachteil des Angeklagten das Gesetz unrichtig angewendet wurde (§ 281 Abs 1 Z 11 StPO).

Das Jugendschöffengericht verurteilte Christof P***** nach § 129 StGB in Anwendung der §§ 28, 43a Abs 2 StGB, § 5 JGG unter Einbeziehung des Schuldspruches des Urteils des Landesgerichtes Feldkirch vom 4. Juni 1999 (richtig: 28. Juni 1999), AZ 20 Vr 415/99, gemäß § 15 Abs 1 JGG zu einer Freiheitsstrafe in der Dauer von fünf Monaten sowie zu einer Geldstrafe von 300 Tagessätzen.

Die Einbeziehung des Schuldspruches des Urteils des Landesgerichtes Feldkirch vom 28. Juni 1999 gemäß § 494a Abs 1 Z 3 StPO hätte gemäß § 16 Abs 1 JGG eines darauf abzielenden Antrags des öffentlichen Anklägers bedurft, der aber weder in der Anklageschrift (ON 10), noch im Zwischenverfahren (vgl S 3 f und ON 11 bis ON 21) noch in der Hauptverhandlung (ON 22) gestellt wurde (vgl insbesondere S 411 und S 413). Mangels eines solchen aktenmäßig nicht dokumentierten Antrages der Staatsanwaltschaft Feldkirch überschritt das Jugendschöffengericht durch den auf § 15 Abs 1 JGG gestützten nachträglichen Strafausspruch seine Strafbefugnis.

Demgemäß war das angefochtene Urteil, das im Übrigen unberührt bleibt, in seinem Strafausspruch aufzuheben und gemäß § 288 Abs 2 Z 3 StPO vorzugehen.

Bei der dadurch notwendig gewordenen Strafneubemessung wertete der Oberste Gerichtshof als erschwerend die Begehung mehrerer strafbarer Handlungen derselben und verschiedener Art, sowie den Umstand, dass der Angeklagte die rund das Zwölffache der "großen Menge" THC geschmuggelt hat, als mildernd den bisherigen ordentlichen Wandel, das volle und reumütige Geständnis, die teilweise Schadensgutmachung und dass er zum Teil zum Zeitpunkt der Tatbegehung erst fünfzehn Jahre alt war.

Ausgehend von diesen Strafzumessungsgründen entspricht die verhängte Freiheitsstrafe dem Schuld- und Unrechtsgehalt der vom Angeklagten zu vertretenden Taten.

Berücksichtigt man den Umfang des Suchtgiftschmuggels, ebenso die Menge des geschmuggelten Suchtgiftes, so ist der Vollzug der verhängten Geldstrafe erforderlich, um den Erfordernissen der Spezialprävention Genüge zu tun und dem Rechtsschutzbedürfnis der Bevölkerung Rechnung zu tragen. Die Höhe des (reduzierten) Tagessatzes gründet sich auf die (angespannten) Einkommens- und Vermögensverhältnisse des Angeklagten im Zusammenhalt mit den (nicht existenten) Sorgepflichten.

Mit ihrer Berufung waren die gesetzlichen Vertreter des Angeklagten auf diese Entscheidung zu verweisen.