JudikaturJustiz13Os141/21s

13Os141/21s – OGH Entscheidung

Entscheidung
16. Februar 2022

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 16. Februar 2022 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Prof. Dr. Lässig als Vorsitzenden sowie die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Mag. Michel, den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Oberressl und die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Brenner und Dr. Setz Hummel LL.M. in Gegenwart des Schriftführers Rechtspraktikant Mag. Jäger, BA, in der Strafsache gegen C* wegen Verbrechen des schweren sexuellen Missbrauchs von Unmündigen nach § 206 Abs 1 StGB sowie weiterer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichts Korneuburg als Schöffengericht vom 22. September 2021, GZ 632 Hv 6/21t 40, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung wegen des Ausspruchs über die Schuld werden zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufung gegen den Ausspruch über die Strafe werden die Akten dem Oberlandesgericht Wien zugeleitet.

Dem Angeklagten fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

[1] Mit dem angefochtenen Urteil wurde C* jeweils mehrerer Verbrechen des schweren sexuellen Missbrauchs von Unmündigen nach § 206 Abs 1 StGB (A I), des sexuellen Missbrauchs von Unmündigen nach § 207 Abs 1 StGB (A II) und der geschlechtlichen Nötigung nach § 202 Abs 1 StGB (C), des Vergehens der Verletzung der sexuellen Selbstbestimmung nach § 205a Abs 1 StGB (B) sowie mehrerer Vergehen des Missbrauchs eines Autoritätsverhältnisses nach § 212 Abs 1 Z 1 StGB (D) schuldig erkannt.

[2] Danach hat er

(A) vom Sommer 2012 bis zum 18. März 2019 in R*

(I) mit seiner am 19. März 2005 geborenen Stieftochter S*, somit einer unmündigen Person, dem Beischlaf gleichzusetzende geschlechtliche Handlungen unternommen, indem er zweimal Oralverkehr von ihr an sich vornehmen ließ, weiters

(II) außer dem Fall des § 206 StGB geschlechtliche Handlungen an der genannten, somit unmündigen Person teils vorgenommen, teils von ihr an sich vornehmen lassen, indem er in einer Vielzahl von Angriffen teils ihre bekleidete, teils ihre unbekleidete Vagina betastete, mehrmals Handverkehr von ihr an sich vornehmen ließ und zumindest fünfmal seinen Penis an ihrer Vagina rieb, ferner

(B) im Sommer 2019 in P* mit S* gegen deren Willen eine dem Beischlaf gleichzusetzende geschlechtliche Handlung vorgenommen, indem er ihre Klitoris stimulierte und einen „Dildo“ in ihre Vagina einführte, obwohl sie „nein“ gesagt und ihn weggestoßen hatte, sowie

(C) vom 19. März 2019 bis Anfang Juli 2021 in R* S* außer den Fällen des § 201 StGB mit Gewalt zur Duldung geschlechtlicher Handlungen genötigt, indem er sie jeweils festhielt, die Bekleidung ihres Oberkörpers hochschob und ihre Brüste betastete und ableckte, und

(D) durch die zu A, B und C beschriebenen Taten mit seinem minderjährigen Stiefkind geschlechtliche Handlungen teils vorgenommen, teils von diesem an sich vornehmen lassen.

Rechtliche Beurteilung

[3] Dagegen wendet sich die auf § 281 Abs 1 Z 4 und 5 StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten.

[4] Der Verfahrensrüge (Z 4) zuwider verfielen in der Hauptverhandlung gestellte Anträge des Angeklagten auf Vernehmung mehrerer Personen als Zeugen (ON 39 S 83) zu Recht der Abweisung (ON 39 S 84 f).

[5] Soweit einer dieser Anträge – nämlich jener auf „Einvernahme des Herrn M*“ – zum Beweis dafür gestellt wurde, dass „S* keine Wesensänderung“ gegenüber dem Genannten zeigte und „auch dieser“ „als Freund“ des Opfers „keine Anhaltspunkte hatte“, „dass derartige Vorfälle stattgefunden hätten“, ließ dies keinen Konnex zur Schuld- oder zur Subsumtionsfrage erkennen (siehe aber RIS Justiz RS0118444).

[6] Die weiteren Anträge wiederum nannten – entgegen § 55 Abs 1 zweiter Satz StPO – schon kein Beweisthema.

[7] Das die Anträge ergänzende Beschwerdevorbringen hat mit Blick auf das aus dem Wesen des herangezogenen Nichtigkeitsgrundes resultierende Neuerungsverbot auf sich zu beruhen (RIS Justiz RS0099618).

[8] Entgegen dem Vorwurf der Mängelrüge (Z 5), die Tatrichter hätten „Scheingründe“ genannt (Z 5 vierter Fall), hat das Schöffengericht die den Schuldspruch tragenden Feststellungen (US 6 f) – willkürfrei – auf die vom Gericht als glaubhaft erachteten Zeugenaussagen der S*, teils auch deren Freundes T*, gestützt (US 10 bis 14).

[9] Das Tatmotiv ist für die Schuld- oder die Subsumtionsfrage – hier wie auch in der Regel – ebenso wenig von Bedeutung (RIS Justiz RS0088761) wie der Zeitpunkt, zu dem sich das Opfer einer Straftat Dritten anvertraut.

[10] Der Einwand, das Gericht habe „keine triftigen Gründe“ anzugeben vermocht, „wieso der Angeklagte diese Handlungen setzen hätte sollen“ und „wieso“ S* „über einen Zeitraum von rund 10 Jahren keinem etwas sagte“ (siehe dementgegen US 10 f und 13), versäumt demnach bereits die – zur prozessförmigen Ausführung einer Mängelrüge gebotene (RIS Justiz RS0117499) – Bezugnahme auf entscheidende Tatsachen.

[11] Gleiches gilt für den Vorwurf, die Aussage der Zeugin Co*, wonach bei dem Campingurlaub, auf dem der Beschwerdeführer die vom Schuldspruch B umfasste Tat begangen habe, nicht der (nach den Feststellungen als Tatwerkzeug verwendete) „lila gefärbte Dildo der Marke Durex“ (US 6), sondern ein „Partnerspielzeug“ mitgeführt worden wäre (ON 39 S 72), sei unberücksichtigt (Z 5 zweiter Fall) geblieben. Unter dem Blickwinkel der Überzeugungskraft der belastenden Aussage des Opfers (dazu RIS Justiz RS0106588 [T15]) missachtet der Einwand – abermals prozessordnungswidrig (RIS Justiz RS0119370) – die tatrichterliche Würdigung dessen Angaben zum „verwendeten Vibrator“ (US 12).

[12] Das übrige Vorbringen der Mängelrüge erschöpft sich – ohne die Gesamtheit der Entscheidungsgründe in den Blick zu nehmen (erneut RIS Justiz RS0119370) und ohne konkrete, angeblich „unberücksichtigt“ gebliebene Verfahrensergebnisse deutlich und bestimmt zu bezeichnen (siehe aber RIS Justiz RS0118316 [T4] und RS0124172 [T5]) – in eigenständig entwickelten Plausibilitätserwägungen (insbesondere zur Glaubwürdigkeit der Zeugin S*), anhand derer sie von jenen des Erstgerichts abweichende Schlussfolgerungen gezogen wissen will. Damit verlässt sie den Anfechtungsrahmen des herangezogenen Nichtigkeitsgrundes.

[13] Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher gemäß § 285d Abs 1 StPO – ebenso wie die (nicht nur angemeldete, sondern auch) ausgeführte, im kollegialgerichtlichen Verfahren nicht vorgesehene (§ 283 Abs 1 StPO) Berufung wegen des Ausspruchs über die Schuld (§§ 294 Abs 4, 296 Abs 2 StPO) – bereits bei der nichtöffentlichen Beratung sofort zurückzuweisen.

[14] Die Entscheidung über die Berufung gegen den Ausspruch über die Strafe kommt dem Oberlandesgericht zu (§ 285i StPO).

[15] An die (infolge ausdrücklicher Subsidiarität des § 205a Abs 1 StGB gegenüber dem nach den Urteilsfeststellungen tateinheitlich verwirklichten § 212 Abs 1 Z 1 StGB) verfehlte, dem Angeklagten jedoch in concreto nicht zum Nachteil gereichende (vgl Ratz , WK StPO § 290 Rz 22 ff) Subsumtion der vom Schuldspruch B umfassten Tat (auch) nach § 205a Abs 1 StGB ist es dabei nicht gebunden (RIS Justiz RS0118870).

[16] Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 390a Abs 1 StPO.

Rechtssätze
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