JudikaturJustiz12Os81/97

12Os81/97 – OGH Entscheidung

Entscheidung
11. September 1997

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 11.September 1997 durch den Hofrat des Obersten Gerichtshofes Dr.Schindler als Vorsitzenden sowie durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Rzeszut und die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.E.Adamovic, Dr.Holzweber und Dr.Philipp als weitere Richter, in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag.Rohan als Schriftführerin, in der Strafsache gegen Hannes Peter B***** wegen des Verbrechens der Unzucht mit Unmündigen nach § 207 Abs 1 StGB und einer weiteren strafbaren Handlung über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien als Schöffengericht vom 16.Oktober 1996, GZ 3 b Vr 13.380/95-39, nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters des Generalprokurators, Generalanwalt Dr.Jerabek und der Verteidigerin Dr.Tulipan jedoch in Abwesenheit des Angeklagten zu Recht erkannt:

Spruch

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird verworfen.

Der Berufung wird nicht Folge gegeben.

Gemäß § 390 a StPO fallen dem Angeklagten die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Hannes Peter B***** wurde (A) des Verbrechens der Unzucht mit Unmündigen nach § 207 Abs 1 StGB und (B) des Vergehens des Mißbrauchs eines Autoritätsverhältnisses nach § 212 Abs 1 StGB schuldig erkannt. Demnach hat er in der Zeit von September 1995 bis 6.Dezember 1995 in Wien in wiederholten Angriffen die seiner Erziehung und Aufsicht unterstandene, am 28.Juni 1987 geborene, sohin unmündige Yvonne H***** unter Ausnützung dieser Stellung auf andere Weise als durch Beischlaf zur Unzucht mißbraucht, indem er sie durch Aufforderung veranlaßte, seinen Penis in die Hand zu nehmen, ihr diesen in den Mund einführte, in ihren Mund ejakulierte und an ihrer Scheide leckte.

Der dagegen aus § 281 Abs 1 Z 4, 5 a, 10 und 11 StPO erhobenen Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten kommt keine Berechtigung zu.

Rechtliche Beurteilung

Der Verfahrensrüge (Z 4) zuwider bedeutete die Abweisung in der Hauptverhandlung gestellter Beweisanträge in keinem Punkt eine Beeinträchtigung wesentlicher Verteidigungsinteressen. Weder der Antrag auf neuerliche Vernehmung der Zeugin Yvonne H***** zum Beweis dafür, daß der Angeklagte "keine sexuellen Handlungen vorgenommen, so insbesondere nicht mit seinem Glied in deren Mund gespritzt habe, weil er dazu - im Hinblick auf das zwischenzeitig eingeholte Gutachten des Sachverständigen Univ.Prof.Dr.Maier - nicht fähig war" (235), noch die weiters angestrebte Durchführung einer Erektionsmessung durch drei Nächte hindurch (ersichtlich zum Nachweis des dazu behaupteten körperlichen Defekts - 239) eröffneten im Sinne der Begründung des gerügten Zwischenerkenntnisses bei der hier gegebenen Fallkonstellation eine faßbare Aussicht auf eine sachdienliche Erweiterung der Erkenntnisgrundlagen. Ergibt sich doch aus dem zitierten Gutachten, daß die angeblichen erektionshindernden organischen Mängel der (vom Tatopfer zuletzt im Zuge der kontradiktorischen Vernehmung vor der Untersuchungsrichterin bekundeten - ON 11) Ejakulation grundsätzlich nicht entgegenstehen, weil diese auch im Falle lediglich schwacher Erektion durch Masturbation "immer möglich" ist. Der Sachverständige hat weiters ebenso unmißverständlich klargestellt, daß selbst bei Ausbleiben einer Erektion während eines Beobachtungszeitraumes von drei Nächten schon wegen des Fehlens jedweder sexueller Stimulation im Krankenhaus eine zuverlässige Beurteilung der Geschlechtsbefähigung des Angeklagten ausgeschlossen wäre (ON 31, 38; 237 f). Besondere (hier von selbst nicht einsichtige) Gründe, aus denen die Zeugin H***** im Zuge einer weiteren Vernehmung von ihren bisherigen Angaben abweichen sollte, wurden in der Begründung des darauf abstellenden Beweisantrages nicht dargetan.

Was im Rahmen der Tatsachenrüge (Z 5 a) vorgebracht wird, erweist sich als nicht geeignet, Bedenken gegen die Richtigkeit der den bekämpften Schuldsprüchen zugrundeliegenden Tatsachenaussprüche zu erwecken. Dies gilt für den Hinweis auf die - wie bereits dargelegt nicht zielführende - Verfahrensrüge nicht anders als für die Beschwerdespekulationen über ein allfälliges Motiv für eine Falschbezichtigung, die mit der Bestätigung der den Angeklagten belastenden Opferangaben durch ein sowohl kinderpsychologisches als auch kinderpsychiatrisches Sachverständigengutachten nicht in Einklang zu bringen sind.

Die Subsumtionsrüge (Z 10) hinwieder setzt sich mit der Reklamation scheinkonkurrierender Verdrängung des Verbrechens nach § 207 Abs 1 StGB durch das Vergehen nach § 212 Abs 1 StGB zu der davon abweichenden gefestigten Rechtsprechung in Widerspruch, wonach nur durch die Unterstellung unter beide Strafnormen sämtliche Komponenten des verwirklichten Tatunrechts erfaßt werden (Mayerhofer-Rieder4 ENr 22 zu § 207 StGB), ganz abgesehen davon, daß der behaupteten Verdrängung eines strenger strafbedrohten Verbrechenstatbestandes durch ein Vergehen grundlegende Prinzipien der Konkurrenzdogmatik entgegenstehen.

Ebensowenig verfängt letztlich der - im Rahmen der Berufungsausführung vorgebrachte, der Sache nach auf § 281 Abs 1 Z 11 zweiter Fall StPO gestützte - Vorwurf, durch die Mitberücksichtigung der "Angehörigeneigenschaft im Hinblick auf den Vetrauensmißbrauch nach § 212 StGB" habe das Erstgericht gegen das Verbot der Doppelverwertung verstoßen, weil die Angehörigeneigenschaft bereits "deliktspezifisches" Merkmal dieser Strafnorm wäre. Da die Angehörigeneigenschaft des Tatopfers - anders als bei der ersten in § 212 Abs 1 StGB genannten Tätergruppe - nicht zu den normativen Voraussetzungen der Tatbegehung zum Nachteil einer der Erziehung, Ausbildung oder Aufsicht unterstehenden minderjährigen Person zählt, war der im Mißbrauch des anvertrauten Enkelkindes gelegene besondere Vertrauensbruch durchaus rechtsrichtig als Erschwerungsgrund faßbar.

Die sohin insgesamt nicht berechtigte Nichtigkeitsbeschwerde war daher zu verwerfen.

Das Schöffengericht verhängte über den Angeklagten gemäß §§ 28 Abs 1, 207 Abs 1 StGB zwei Jahre Freiheitsstrafe. Dabei wertete es die Wiederholung der für das Opfer besonders erniedrigenden Sexualpraktiken, das Angehörigenverhältnis und das Zusammentreffen eines Verbrechens mit einem Vergehen als erschwerend, als mildernd hingegen den bisher ordentlichen Lebenswandel.

Mit seiner dagegen erhobenen Berufung strebt der Angeklagte eine Herabsetzung und die bedingte Nachsicht der über ihn verhängten Freiheitsstrafe - neben dem bereits erörterten Einwand eines vermeintlichen Verstoßes gegen das Doppelverwertungsverbot - im wesentlichen mit der Begründung an, die hier abgeurteilten Tathandlungen seien der erstgerichtlichen Auffassung zuwider nicht als besonders erniedrigend zu werten, während (insbesondere mit Rücksicht auf die erlittene Untersuchungshaft von nahezu sechs Wochen) auch eine bedingt nachgesehene Freiheitsstrafe sämtlichen vorliegend aktuellen präventiven Erfordernissen ausreichend Rechnung trage.

Da demgegenüber bei der Beurteilung der Straffrage im Sinne der Urteilserwägungen dem Umstand dominierende Bedeutung zukommt, daß der vorliegend mehrmonatige intensive sexuelle Mißbrauch des tatbetroffenen (damals) achtjährigen Mädchens einen außergewöhnlichen Handlungsunwert aufweist und die Gewichtung der im konkreten Fall ausschlaggebenden präventiven Belange nicht nur an der Intensität des vom schulduneinsichtigen Angeklagten fortgesetzt bekundeten deliktischen Willens, sondern auch an der alarmierenden Entwicklung der in Rede stehenden Deliktssparte zu orientieren ist, erwies sich der bekämpfte Strafausspruch als keiner der angestrebten Korrekturen zugänglich. Damit war aber auch der Berufung ein Erfolg zu versagen.

Die Kostenentscheidung beruht auf der bezogenen Gesetzesstelle.