JudikaturJustiz12Os76/20y

12Os76/20y – OGH Entscheidung

Entscheidung
15. Oktober 2020

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 15. Oktober 2020 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Solé als Vorsitzenden, durch den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Hon. Prof. Dr. Oshidari, die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Michel Kwapinski und Dr. Brenner und den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Haslwanter in Gegenwart des Schriftführers Mag. Nikolic in der Strafsache gegen Milan N***** wegen des Vergehens des betrügerischen Datenverarbeitungsmissbrauchs nach § 148a Abs 1 StGB über die von der Generalprokuratur gegen das Urteil des Bezirksgerichts Floridsdorf vom 22. November 2019, GZ 53 U 106/18p 24, erhobene Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetzes nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters der Generalprokuratur, Generalanwalt Mag. Schneider, zu Recht erkannt:

Spruch

Das Urteil des Bezirksgerichts Floridsdorf vom 22. November 2019, GZ 53 U 106/18p 24, verletzt § 270 Abs 4 Z 2 iVm § 447 StPO.

Dieses Urteil und demzufolge auch der Beschluss auf Absehen vom Widerruf einer bedingten Strafnachsicht sowie auf Verlängerung einer Probezeit werden aufgehoben und die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Bezirksgericht Floridsdorf verwiesen.

Text

Gründe:

Mit gekürzt ausgefertigtem Urteil des Bezirksgerichts Floridsdorf vom 22. November 2019, GZ 53 U 106/18p 24 (vgl auch ON 22 und ON 23 S 1, S 4), wurde Milan N***** des Vergehens des betrügerischen Datenverarbeitungsmissbrauchs nach § 148a Abs 1 StGB schuldig erkannt und in Anwendung des § 5 Z 5 JGG zu einer Geldstrafe verurteilt. Mit zugleich gefasstem Beschluss wurde vom Widerruf der dem Genannten mit Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Wien vom 29. September 2016, GZ 142 Hv 55/16 16, gewährten bedingten Strafnachsicht abgesehen (§ 494a Abs 1 Z 2 StPO) und die dazu bestimmte Probezeit auf fünf Jahre verlängert (§ 494a Abs 6 StPO).

Dem Schuldspruch zufolge hat Milan N***** im Zeitraum vom 21. November 2012 bis zum 1. März 2016 in W***** mit auf unrechtmäßige Bereicherung gerichtetem Vorsatz Randy M***** dadurch in einem Betrag von insgesamt 530,96 Euro am Vermögen geschädigt, dass er das Ergebnis einer automationsunterstützten Datenverarbeitung durch Gestaltung eines Programms, durch Eingabe, Veränderung, Löschung oder Unterdrückung von Daten oder sonst durch Einwirkung auf den Ablauf des Verarbeitungsvorgangs beeinflusste, indem er auf den Namen des Randy M***** und unter Angabe von dessen Bankdaten zumindest drei Mitgliedschaften auf pornografischen (Internet )Seiten abschloss (US 2).

Nach Ansicht der Generalprokuratur steht dieses Urteil mit dem Gesetz nicht im Einklang. Sie führt dazu aus:

1./ Eine gekürzte Urteilsausfertigung gemäß § 270 Abs 4 StPO (hier: iVm § 458 StPO) hat im Fall einer Verurteilung den Ausspruch über die Schuld des Angeklagten mit allen in § 260 StPO genannten Punkten (§ 270 Abs 4 Z 1 iVm Abs 2 StPO) sowie die vom Gericht als erwiesen angenommenen Tatsachen in gedrängter Darstellung (§ 270 Abs 4 Z 2 StPO) zu enthalten, sodass insgesamt die rechtliche Beurteilung des Sachverhalts nachvollziehbar und überprüfbar ist (RIS Justiz RS0125764; Danek , WK StPO § 270 Rz 60). Im Urteilstenor, der bei gekürzter Urteilsausfertigung die fehlenden Entscheidungsgründe als Bezugspunkt für die materiell rechtliche Beurteilung ersetzt, ist auszusprechen, welcher Tat der Angeklagte schuldig befunden worden ist, und zwar unter ausdrücklicher Bezeichnung der einen bestimmten Strafsatz bedingenden Tatumstände, worunter nichts anderes zu verstehen ist als die für die Subsumtion entscheidenden Tatsachen (§ 260 Abs 1 Z 1 StPO; RIS Justiz RS0125032, RS0125764 [T4]; Ratz , WK StPO § 292 Rz 6). Dazu zählen auch Feststellungen zur Beseitigung eines in tatsächlicher Hinsicht konstatierten Ausnahmesatzes (RIS Justiz RS0125764 [T5]).

2./ Die Strafbarkeit von Taten erlischt nach § 57 Abs 2 StGB – außer in den in Abs 1 leg cit genannten Fällen – durch Verjährung. Die Verjährungsfrist beginnt, sobald die mit Strafe bedrohte Tätigkeit abgeschlossen ist oder das mit Strafe bedrohte Verhalten aufhört.

Bei Tatmehrheit verjähren die einzelnen Taten – abgesehen vom Fall des § 58 Abs 2 StGB – grundsätzlich jeweils für sich, woran auch deren Zusammenfassung zu einer Subsumtionseinheit nach § 29 StGB nichts ändert ( Marek in WK² StGB § 57 Rz 12; Ratz in WK² StGB § 29 Rz 7; RIS Justiz RS0090586 [T9 und T10]). Es ist daher jede einzelne Tat (historisches Geschehen) anhand der im Urteil getroffenen Feststellungen einer (oder mehreren) strafbaren Handlung(en) zu unterstellen und auf dieser Basis der Eintritt der Verjährung zu beurteilen ( Marek in WK² StGB § 57 Rz 12; RIS Justiz RS0128998).

Ob eine Tat verjährt ist, richtet sich grundsätzlich nach dem im Entscheidungszeitpunkt geltenden Recht, nach früherem Recht nur dann, wenn Verjährung bereits unter dessen Geltung eingetreten war, der Täter also bereits nach früherem Recht straflos wurde ( Marek in WK² StGB § 57 Rz 23; RIS Justiz RS0072368, RS0116876).

3./ Nach den Urteilsannahmen hat der am 20. Jänner 1997 geborene Milan N***** im Zeitraum vom 21. November 2012 bis 1. März 2016 auf den Namen des Randy M***** sowie unter Angabe dessen Bankdaten „zumindest“ drei Mitgliedschaften auf pornografischen (Internet )Seiten abgeschlossen und den Genannten dadurch in einem Betrag von insgesamt 530,96 Euro am Vermögen geschädigt.

Diese in den Jahren 2012 bis 2016 wiederholt („zumindest“ drei Mal) gesetzten, rechtlich selbständigen Tathandlungen sind – mit Blick auf § 61 zweiter Satz StGB – jeweils der Bestimmung des § 148a Abs 1 StGB idgF zu unterstellen, die eine Freiheitsstrafe bis zu sechs Monaten oder eine Geldstrafe bis zu 360 Tagessätzen vorsieht.

Die Verjährungsfrist für diese teils als Jugendlicher, teils als junger Erwachsener begangenen Taten beträgt angesichts der diesbezüglichen – für die als Jugendlicher begangenen Taten zudem gemäß § 5 Z 4 und 5 JGG reduzierten ( Schroll in  WK2 JGG § 5 Rz 29) – Strafdrohung jeweils ein Jahr (§ 57 Abs 3 letzter Fall StGB), wobei die Frist jeweils mit der Eingabe der Daten auf den Internetseiten zu laufen begann.

Der konkrete Zeitpunkt der einzelnen Tathandlungen ist der gekürzten Urteilsausfertigung allerdings ebenso wenig zu entnehmen wie, ob innerhalb deren einjähriger Verjährungsfrist zumindest eine weitere Tat begangen wurde (§ 58 Abs 2 StGB). Mit Blick auf das mit 1. März 2016 konstatierte Ende des Tatzeitraums wäre aber jedenfalls spätestens mit Ablauf des 1. März 2017 die Strafbarkeit sämtlicher vom Schuldspruch erfasster Taten (vgl § 58 Abs 2 StGB) durch Verjährung erloschen (§ 57 Abs 2 StGB).

Konstatierungen zu verjährungshemmenden Umständen iSd § 58 Abs 1 bis 3 StGB können der gekürzten Urteilsausfertigung nicht entnommen werden. Insbesondere enthält sie weder Feststellungen zu einem allenfalls späteren, erst nach Beendigung des deliktischen Verhaltens erfolgten – und solcherart die Verjährungsfrist verlängernden (§ 58 Abs 1 StGB) – Eintritt des Vermögensschadens (vgl lediglich das konstatierte Wissen des Angeklagten um die monatliche Abbuchung der Mitgliedsbeiträge bis zur Kündigung der jeweiligen Mitgliedschaft [US 3]) noch finden sich – mit Blick auf § 58 Abs 2 und Abs 3 Z 2 StGB – Ausführungen zu den dem Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Wien zu AZ 142 Hv 55/16y zugrundeliegenden Taten und zum Beginn der Ermittlungen hinsichtlich der urteilsgegenständlichen Taten.

Die (implizite rechtliche) Nichtannahme von Verjährung der dem Schuldspruch zugrundeliegenden Taten ist demnach unschlüssig und das Urteil insofern mit einem Rechtsfehler mangels Feststellungen behaftet (RIS Justiz RS0122332 [insbesondere T11]).

Da eine für den Verurteilten nachteilige Wirkung dieses Rechtsfehlers nicht ausgeschlossen werden kann, wäre die Feststellung der Gesetzesverletzung mit konkreter Wirkung zu verknüpfen (§ 292 letzter Satz StPO) und der Schuldspruch sowie demzufolge auch der Strafausspruch (und der Beschluss auf Absehen vom Widerruf bedingter Strafnachsicht und Verlängerung der Probezeit [vgl RIS Justiz RS0100194; Fabrizy , StPO13 § 494a Rz 5a]) aufzuheben.

Rechtliche Beurteilung

Der Oberste Gerichtshof hat erwogen:

Wie die Generalprokuratur zutreffend aufzeigt, muss eine gekürzte Urteilsausfertigung Feststellungen zur Beseitigung eines in tatsächlicher Hinsicht konstatierten Ausnahmesatzes enthalten (RIS Justiz RS0125764 [T5]). Dies ist schon deshalb erforderlich, weil das Gesetz – im Gegensatz zu früherem Recht – dem gekürzten Urteil im Fall einer Verurteilung nicht nur die Abfassung eines Urteilstenors (§ 270 Abs 4 Z 1 iVm § 270 Abs 1 Z 4 StPO) abverlangt. Vielmehr muss ein solches Urteil zusätzlich jene Tatsachenfeststellungen enthalten, die für die rechtliche Beurteilung erforderlich sind (§ 260 Abs 1 Z 1 iVm § 270 Abs 4 Z 2 StPO; vgl Danek , WK StPO § 270 Rz 60).

Indem das Bezirksgericht Floridsdorf keine Aussage dazu getroffen hat, aus welchem Grund die nach dem Urteilsinhalt vorliegende Verjährung nicht eingetreten sein soll, hat es das Gesetz in § 270 Abs 4 Z 2 iVm § 447 StPO verletzt. Da ein aus dem vorliegenden Rechtsfehler mangels Feststellungen resultierender Nachteil für den Verurteilten nicht auszuschließen ist, sah sich der Oberste Gerichtshof veranlasst, die Feststellung dieser Gesetzesverletzung mit der im Spruch ersichtlichen konkreten Wirkung zu verknüpfen (§ 292 letzter Satz StPO).

Ob das Bezirksgericht Floridsdorf zusätzlich gegen die materiellen Verjährungsbestimmungen (§§ 57 f StGB) verstoßen hat, lässt sich allerdings auf Basis der hierfür allein maßgeblichen Sachverhaltsannahmen des Erstgerichts (vgl Ratz , WK StPO § 292 Rz 6) nicht festmachen, weil diese mit dem aufgezeigten Rechtsmangel behaftet sind.