JudikaturJustiz12Os168/96

12Os168/96 – OGH Entscheidung

Entscheidung
16. Januar 1997

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 16.Jänner 1997 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Lachner als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Rzeszut, Dr.Schindler, Dr.E.Adamovic und Dr.Holzweber als weitere Richter, in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag.Pösinger als Schriftführerin, in den gegen Ismet Ö***** und andere Verurteilte wegen des Vergehens der Tierquälerei nach § 222 Abs 1 StGB zum AZ 3 U 252/95, beziehungsweise gegen Ernst T***** und einen anderen Verurteilten wegen desselben Vergehens zum AZ 3 U 328/95 des Bezirksgerichtes Hall in Tirol geführten Strafverfahren über die von der Generalprokuratur zur Wahrung des Gesetzes gegen die Strafverfügungen vom 18.Juli 1995, GZ 3 U 252/95-9,10,11 und 12, sowie vom 16.August 1995, GZ 3 U 328/95-7, ferner gegen das Urteil vom 23.Oktober 1995, GZ 3 U 328/95-10, erhobene Nichtigkeitsbeschwerde nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters des Generalprokurators, Erster Generalanwalt Dr.Hauptmann, jedoch in Abwesenheit der Verurteilten Ernst T*****, Hubert T*****, Ismet Ö*****, Ercan K*****, Erdogan C***** und Hayati Ü***** zu Recht erkannt:

Spruch

Die Strafverfügungen des Bezirksgerichtes Hall in Tirol vom 18.Juli 1995, GZ 3 U 252/95-9,10,11 und 12 und vom 16.August 1995, GZ 3 U 328/95-7, sowie das Urteil dieses Gerichtes vom 23.Oktober 1995, GZ 3 U 328/95-10, verletzen das Gesetz in der Bestimmung des § 222 Abs 1 StGB.

Gemäß § 292 letzter Satz StPO werden die bezeichneten Entscheidungen aufgehoben, und es wird dem Bezirksgericht Hall

1. zum AZ 3 U 252/95 die Einleitung des ordentlichen Verfahrens gegen Ismet Ö*****, Ercan K***** (geboren am 1.September 1962), Erdogan C***** und Hayati Ü***** sowie

2. zum AZ 3 U 328/95 die Einleitung des ordentlichen Verfahrens gegen Ernst T***** und die neuerliche Verhandlung und Entscheidung hinsichtlich Hubert T***** aufgetragen.

Text

Gründe:

Mit rechtskräftigen Strafverfügungen des Bezirksgerichtes Hall in Tirol vom 18.Juli 1995, GZ 3 U 252/95-9,10,11 und 12, wurden die türkischen Staatsangehörigen Ismet Ö*****, Ercan K***** (geboren am 1. September 1962), Erdogan C***** und Hayati Ü***** des Vergehens der Tierquälerei nach § 222 Abs 1 StGB schuldig erkannt. Über sie wurden - gemäß § 43 Abs 1 StPO jeweils für eine Probezeit von drei Jahren bedingt nachgesehene - Geldstrafen verhängt. Ihnen liegt zur Last, am 10. Mai 1995 in Volders einem oder mehreren Schafen durch Fesseln der Beine mit einem Holzblock, Niederwerfen und anschließendes Durchtrennen der Halsschlagadern sowie der Luft- und Speiseröhre mit einem Messer ohne vorangegangene Betäubung - sohin durch Schächtung - unnötige Qualen zugefügt zu haben.

Im ausgeschiedenen Verfahren AZ 3 U 328/95 desselben Gerichtes wurden gleichartige Strafen wegen des als "Mittäter" (richtig: Beteiligte) nach dem zweiten Fall des § 12 StGB begangenen Vergehens der Tierquälerei auch über die österreichischen Staatsbürger Ernst T***** (Strafverfügung vom 16.August 1995, ON 7 des letztbezeichneten Aktes) und Hubert T***** (Urteil vom 23.Oktober 1995, ON 10) rechtskräftig verhängt. Ihnen wurde zur Last gelegt, den genannten türkischen Staatsangehörigen einen Stall zur gegenständlichen Schächtung (von insgesamt etwa 11 Schafen) zur Verfügung gestellt zu haben.

Rechtliche Beurteilung

Diese - insgesamt sechs - Verurteilungen verletzen - wie die Generalprokuratur in ihrer zur Wahrung des Gesetzes erhobenen Nichtigkeitsbeschwerde zutreffend geltend macht - das Gesetz in der Bestimmung des § 222 Abs 1 StGB. Dieser zufolge ist wegen Tierquälerei mit Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder Geldstrafe bis zu 360 Tagessätzen zu bestrafen, wer ein Tier roh mißhandelt oder ihm unnötige Qualen zufügt. Das Schächten von Tieren, ein nach dem Koran beim Opferfest einzuhaltender religiöser Ritus, ist angesichts der Sozialadäquanz einer anerkannten Religionsausübung schon in objektiver Hinsicht nicht im Sinne des § 222 Abs 1 StGB tatbestandsmäßig, weil es weder als rohe Mißhandlung (im Sinne einer Tätlichkeit, die aufgrund ihrer Intensität und ihres Ausmaßes sowie der dem Tier zugefügten Schmerzen in Verbindung mit dem Fehlen eines vernünftigen und berechtigten Zwecks eine gefühllose Gesinnung des Täters erschließen läßt) noch als Zufügung unnötiger Qualen (Herbeiführung eines für das Tier unangenehmen Zustandes von nicht ganz kurzer Dauer unter Überschreitung der Grenzen des Vertretbaren und unter Anwendung von sozialinadäquaten Mitteln) beurteilt werden kann (15 Os 27,28/96). Ein Beitrag zu einer aus diesem Grunde nicht tatbestandsmäßigen Handlung ist gleichfalls nicht strafbar.

Ohne Prüfung jener Verfahrensergebnisse, laut welchen sich die Beschuldigten türkischer Staatsangehörigkeit (und - aller Wahrscheinlichkeit nach - islamischen Bekenntnisses) auf einen moslemischen "Brauch" oder Ritus beriefen (S 59 bis 67 und 71 im Akt AZ 3 U 252/95), hätten daher die gegenständlichen Schuldsprüche - ungeachtet des tierärztlichen Gutachtens (ON 5 im letztangeführten Akt) - nicht gefällt werden dürfen.

Sämtlichen Strafverfügungen wie auch dem Urteil vom 23.Oktober 1995 lag jedoch ersichtlich allein der verfehlte Rechtsstandpunkt zugrunde, daß die Schächtung von Schafen jedenfalls - auch bei Übung eines religiösen Brauches - als Zufügung unnötiger Qualen zu beurteilen sei.

In Stattgebung der von der Generalprokuratur zur Wahrung des Gesetzes erhobenen Nichtigkeitsbeschwerde war daher spruchgemäß zu erkennen.