JudikaturJustiz11Os40/12k

11Os40/12k – OGH Entscheidung

Entscheidung
24. Mai 2012

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 24. Mai 2012 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Zehetner als Vorsitzenden sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Schwab, Mag. Lendl, Mag. Michel und Dr. Oshidari als weitere Richter, in Gegenwart des Richteramtsanwärters Mag. Brandstetter als Schriftführer, in der Strafsache gegen Dalibor R***** wegen des Verbrechens des schweren Raubes nach §§ 142, 143 zweiter Fall StGB über die Nichtigkeitsbeschwerden und die Berufungen des Angeklagten und der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Landesgerichts Innsbruck als Schöffengericht vom 6. Februar 2012, GZ 70 Hv 9/12v 25, nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters der Generalprokuratur, Generalanwältin Dr. Geymayer, des Angeklagten und seines Verteidigers Dr. Jappel zu Recht erkannt:

Spruch

Die Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten wird verworfen.

In Stattgebung der Nichtigkeitsbeschwerde der Staatsanwaltschaft wird das angefochtene Urteil, das im Übrigen unberührt bleibt, in der Nichtannahme der Waffenqualifikation nach § 143 zweiter Fall StGB und demzufolge auch im Strafausspruch (einschließlich der Vorhaftanrechnung) aufgehoben und in der Sache selbst erkannt:

Dalibor R***** hat durch die im Ersturteil näher beschriebenen Tathandlungen die Verbrechen des Raubes nach §§ 15, 142 Abs 1, 143 zweiter Fall StGB (1./) sowie nach §§ 142, 143 zweiter Fall StGB (2./) begangen und wird hiefür unter Bedachtnahme auf § 28 StGB nach dem ersten Strafsatz des § 143 StGB zu einer Freiheitsstrafe von fünfeinhalb Jahren verurteilt.

Die Vorhaftanrechnung wird dem Erstgericht überlassen.

Mit ihren Berufungen werden die Staatsanwaltschaft und der Angeklagte auf diese Entscheidung verwiesen.

Dem Angeklagten fallen die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde Dalibor R***** der Verbrechen des Raubes nach §§ 15, 142 Abs 1 StGB (1./) sowie nach § 142 Abs 1 StGB (2./) schuldig erkannt.

Danach hat er am 23. Dezember 2011 in I***** Gewahrsamsträgern nachgenannter Tankstellen durch Drohung mit gegenwärtiger Gefahr für Leib oder Leben (§ 89 StGB) Bargeld, somit fremde bewegliche Sachen, mit dem Vorsatz weggenommen und wegzunehmen versucht, sich durch deren Zueignung unrechtmäßig zu bereichern, und zwar:

1./ durch Betreten des hinteren Kassenbereichs der B***** in der A*****Straße *****, verbunden mit der gegenüber dem dort beschäftigten Helmut H***** wiederholt getätigten Äußerung „Geld her, alles Geld her, schnell!“ und zunächst gleichzeitigem Richten seiner Hand, die sich noch versteckt in seiner Jackentasche befand, gegen den Genannten in Verbindung mit dem nachfolgenden Vorhalten eines schraubenzieherähnlichen Gegenstands mit einem ca 5 bis 7 cm langen Metallteil auf Brusthöhe (wobei er zufolge Gegenwehr des Opfers ohne Beute flüchtete US 3);

2./ kurz nach der unter Punkt 1./ angeführten Tat durch Betreten des hinteren Kassenbereichs der G***** Tankstelle in der A***** Straße ***** und die gegenüber dem dort beschäftigten Fikret O***** getätigte Äußerung „Mach die Kassa auf! Schnell!“ verbunden mit gleichzeitigem Vorhalten des unter Punkt 1./ genannten schraubenzieherähnlichen Gegenstands, wobei er nach Öffnen der Kassenlade durch O***** aus dieser heraus eine unbekannte Menge an Bargeld, zumindest aber 5.015 Euro an sich nahm.

Gegen dieses Urteil richtet sich eine vom Angeklagten angemeldete (ON 24 S 7), aber nicht ausgeführte Nichtigkeitsbeschwerde (vgl ON 34 S 2) sowie die auf Z 10 des § 281 Abs 1 StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde der Staatsanwaltschaft (ON 32).

Rechtliche Beurteilung

1./ Zur Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten:

Die (bewusst nicht ausgeführte) Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten war - im Hinblick darauf, dass auch bei ihrer Anmeldung keinerlei Tatumstände, die einen Nichtigkeitsgrund bilden sollen, deutlich und bestimmt bezeichnet wurden (§§ 285 Abs 1 zweiter Satz, 285a Z 2 StPO) - zu verwerfen (§ 288 Abs 1 StPO).

2./ Zur Nichtigkeitsbeschwerde der Staatsanwaltschaft:

Mit Subsumtionsrüge (Z 10) strebt die Anklagebehörde eine Verurteilung des Angeklagten nach §§ 142, 143 zweiter Fall StGB an und macht dazu einen Feststellungsmangel zur subjektiven Tatseite geltend.

Den Entscheidungsgründen (US 2 ff) zufolge setzte der Angeklagte als Mittel der qualifizierten Drohung jeweils einen „spitzen, schraubenzieherähnlichen Gegenstand“ ein, welcher „inklusive Griff eine Größe von ca 15 cm aufwies und aus einem Griff sowie einen Metallteil in der Größe von ca 5 bis 7 cm bestand“ (US 3). Die durch Drohung mit gegenwärtiger Gefahr für Leib und Leben geforderte Geldherausgabe war von der

Absicht des Angeklagten getragen, seinen Opfern Geld wegzunehmen, sich dadurch unrechtmäßig zu

bereichern und den Raub unter Verwendung des schraubenzieherähnlichen Gegenstands zu begehen (US 4). Das Schöffengericht lehnte die rechtliche Unterstellung des inkriminierten Verhaltens unter die Bestimmung des § 143 zweiter Fall StGB mit der Begründung ab, Werkzeuge - insbesondere Schraubenzieher - würden von der Rechtsprechung erst ab einer Größe von zumindest 20 cm, kleinere Gegenstände indes nur bei Vorliegen von scharfen Kanten wie bei Messern als Waffe angesehen (US 6). Dies treffe auf den vom Angeklagten verwendeten schraubenzieherähnlichen Gegenstand (gerade noch) nicht zu (US 7).

Wie die Anklagebehörde richtig darstellt, umfasst der Waffenbegriff des § 143 StGB nicht nur Waffen im technischen Sinn (§ 1 WaffG), sondern - nach funktionalen Kriterien erweitert - auch alle Gegenstände, die sonst nach der konkreten Art ihres Einsatzes zur Gewaltanwendung gegen eine Person oder zur Raubdrohung geeignet erscheinen, weil sie bezüglich Form, Wirkungsweise und Anwendbarkeit in einem Kampf den ersteren gleichwertig sind, sich demnach dazu eignen, die Abwehrfähigkeit des Opfers durch unmittelbare Einwirkung herabzusetzen und solcherart den Gewahrsamsbruch zu erleichtern (vgl Eder/Rieder in WK 2 § 143 Rz 15 ff; RIS-Justiz RS0093928). Dass der eingangs beschriebene „schraubenzieherähnliche Gegenstand“ (US 3) diesen Kriterien entspricht, stellt die Beschwerde anhand höchstgerichtlicher Judikatur (vgl RIS-Justiz RS0093928) zutreffend dar: Diese ordnet dem Waffenbegriff des § 143 StGB - gemessen an der Eignung zur Gewaltausübung - etwa einen mit einem Tuch umwickelten Hammer (10 Os 112/77), ein - sogar geschlossenes - Taschenmesser (10 Os 150/79), eine Rohrzange (13 Os 124/80; 13 Os 4/83), einen Gehstock (15 Os 18/88), einen „spitzen metallischen Gegenstand“ (12 Os 110/92), eine Flasche (14 Os 55/01) oder gar einen sogenannten „Knirps“, also einen zusammenlegbaren Regenschirm (13 Os 158/82) zu. Gleichermaßen richtig wendet die Staatsanwaltschaft ein, dass das vom Erstgericht für seine Argumentation herangezogene konkrete Verhalten des - hier ersten - Opfers (US 3 und 7) für die Beurteilung der Frage, ob dem vom Täter verwendeten Gegenstand Waffeneigenschaft zukommt, irrelevant ist, zumal es nicht notwendiges Merkmal einer Waffe ist, schwerste Körperverletzungen oder gar den Tod herbeizuführen (vgl Mayerhofer , StGB 6 § 143 E 5 ff) und solcherart dem Opfer jede Gegenwehr von vorneherein aussichtslos erscheinen zu lassen. Dass kleinere Metallgegenstände (messerähnliche) scharfe Kanten aufweisen oder sonst geeignet sein müssen, erhebliche oder gar lebensgefährliche Verletzungen zu verursachen, verlangt die Rechtsprechung ebenfalls nicht (vgl zB 11 Os 3/04).

Demnach war wie bereits die Generalprokuratur zutreffend ausführte in Stattgebung der Nichtigkeitsbeschwerde der Staatsanwaltschaft das angefochtene Urteil, das im Übrigen unberührt zu bleiben hatte, in der Nichtannahme der Waffenqualifikation nach § 143 zweiter Fall StGB und demzufolge auch im Strafausspruch (einschließlich der Vorhaftanrechnung) aufzuheben.

Weiters moniert die Anklagebehörde, dass das Erstgericht zufolge seiner unrichtigen Rechtsansicht keine ausreichenden - die Tatbeurteilung in Richtung der §§ 142, 143 zweiter Fall StGB ermöglichenden - Feststellungen zur subjektiven Tatseite (nämlich zum Vorsatz auf Einsatz eines Gegenstands, der seiner Anwendbarkeit und Wirkung nach einer Waffe im technischen Sinn gleichkommt) getroffen hat, obwohl die Verantwortung des Angeklagten in der Hauptverhandlung (ON 24 S 3), wonach ihm „klar“ sei, „dass man auch mit einem kleinen Schraubenzieher jemanden verletzen kann“, dies indizierte. Auf Basis dieses Beweisergebnisses wären darauf gerichtete Feststellungen geeignet, die von der Staatsanwaltschaft angestrebte, aber vom Erstgericht nicht gezogene rechtliche Konsequenz in objektiver und

subjektiver Hinsicht zu begründen.

Dazu hat der Oberste Gerichtshof erwogen:

Der Vorsatz muss alle Tatbildelemente in ihrem sozialen Bedeutungsgehalt umfassen. Dazu wird (bei deskriptiven wie bei normativen Tatbestandsmerkmalen) eine „Parallelwertung in der Laiensphäre“ verlangt ( Fabrizy , StGB 10 § 5 Rz 3; Fuchs , AT I 7 Rz 14/21 ff, 29/7; Kienapel/Höpfel AT 13 Z 15 Rz 8; Reindl in WK² § 5 Rz 12 je mit Judikaturnachweisen).

Die referierten einwandfrei zustandegekommenen (Z 5) und keinen erheblichen Bedenken begegnenden (Z 5a) erstgerichtlichen Feststellungen die vom Angeklagten in seiner Gegenausführung zur Nichtigkeitsbeschwerde der Staatsanwaltschaft in keiner Weise in Zweifel gezogen werden genügen den dargelegten Anforderungen und konnte somit spruchgemäß in der Sache selbst erkannt werden (§ 288 Abs 2 Z 3 erster Satz StPO).

Bei der Strafzumessung waren drei einschlägige Vorstrafen sowie das Zusammentreffen von zwei Verbrechen erschwerend, mildernd das umfassende Geständnis, die Sicherstellung der Beute sowie die Tatsache, dass eine Tathandlung beim Versuch blieb, zu berücksichtigen.

Die an der Untergrenze des Strafrahmens angesiedelte Freiheitsstrafe entspricht dem Unrechts und Schuldgehalt der gegenständlichen Delinquenz.

Mit ihren Berufungen waren die Staatsanwaltschaft und der Angeklagte auf diese Entscheidung zu verweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 390a Abs 1 StPO.