JudikaturJustiz11Os137/12z

11Os137/12z – OGH Entscheidung

Entscheidung
13. November 2012

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 13. November 2012 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Zehetner als Vorsitzenden sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Schwab, Mag. Lendl, Mag. Michel und Dr. Oshidari als weitere Richter, in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Meier als Schriftführerin, in der Strafsache gegen Rebekka W***** wegen des Vergehens der üblen Nachrede nach § 111 Abs 1 StGB, AZ 4 U 188/08d des Bezirksgerichts Vöcklabruck, über die von der Generalprokuratur gegen das Urteil des Landesgerichts Wels als Berufungsgericht vom 4. Juni 2012, AZ 24 Bl 55/12g, erhobene Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetzes nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters der Generalprokuratur, Generalanwalt Mag. Höpler, der Angeklagten und des Verteidigers Dr. Aigner zu Recht erkannt:

Spruch

Das Urteil des Landesgerichts Wels als Berufungsgericht vom 4. Juni 2012, AZ 24 Bl 55/12g (GZ 4 U 188/08d 36 des Bezirksgerichts Vöcklabruck), verletzt aufgrund der zum Nachteil der Angeklagten erfolgten amtswegigen Wahrnehmung des Nichtigkeitsgrundes des § 468 Abs 1 Z 4 StPO iVm § 281 Abs 1 Z 9 lit b StPO das Gesetz in § 290 Abs 1 zweiter Satz erster Fall StPO.

Dieses Urteil, das im Ausspruch über die Zurückweisung der Berufung des Privatanklägers wegen Nichtigkeit und Schuld unberührt bleibt, wird in seinen übrigen Aussprüchen ersatzlos aufgehoben.

Text

Gründe:

Mit im zweiten Rechtsgang ergangenem (vgl ON 15, 20) Urteil des Bezirksgerichts Vöcklabruck vom 27. Oktober 2011, GZ 4 U 188/08d 30, wurde die Angeklagte Rebekka W***** von der gegen sie erhobenen Privatanklage, sie habe am 8. Mai 2008 in V***** einen anderen, nämlich den Privatankläger Rudolf S*****, in einer für einen Dritten wahrnehmbaren Weise einer verächtlichen Eigenschaft oder Gesinnung geziehen oder eines unehrenhaften Verhaltens oder eines gegen die guten Sitten verstoßenden Verhaltens beschuldigt, das geeignet war, diesen in der öffentlichen Meinung verächtlich zu machen oder herabzusetzen, indem sie gegenüber dem Versicherungskunden Thomas M***** erklärte, er (M*****) möge mit ihm (S*****) vorsichtig sein, es handle sich bei seiner Person um einen vorbestraften Versicherungsbetrüger und Urkundenfälscher, „und habe hiedurch das Vergehen der üblen Nachrede nach § 111 Abs 1 StGB begangen“, (vgl zum verfehlten Freispruch von der rechtlichen Kategorie Lendl , WK StPO § 259 Rz 1) gemäß § 259 Z 3 StPO freigesprochen (ON 30), weil der Wahrheitsbeweis gelungen sei, sodass eine Strafbarkeit nach (richtig:) § 111 Abs 1 StGB ausscheide.

Rechtliche Beurteilung

Die dagegen vom Privatankläger Rudolf S***** eingebrachte Berufung wegen Nichtigkeit und Schuld (ON 31 der U Akten) wies das Landesgericht Wels als Berufungsgericht mit Urteil vom 4. Juni 2012, AZ 24 Bl 55/12g (ON 36), zurück. Aus Anlass dieses Rechtsmittels hob es in amtswegiger Wahrnehmung des Nichtigkeitsgrundes des (zu ergänzen: § 468 Abs 1 Z 4 StPO iVm) § 281 Abs 1 Z 9 lit b StPO das angefochtene Urteil auf und sprach die Angeklagte Rebekka W***** des Vergehens der üblen Nachrede nach § 111 Abs 1 StGB schuldig. Zur Begründung führte es aus, dass W***** die ihr angelastete Tat im gesamten Verfahren bestritten und sich nicht auf den Wahrheitsbeweis oder den Beweis des guten Glaubens berufen habe.

Durch diese Entscheidung im Verfahren AZ 4 U 188/08d des Bezirksgerichts Vöcklabruck wurde wie die Generalprokuratur in ihrer gemäß § 23 Abs 1 StPO erhobenen Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetzes zutreffend ausführt das Gesetz verletzt:

Gemäß dem auch für das Rechtsmittelgericht im bezirksgerichtlichen Verfahren (§ 471 StPO) geltenden § 290 Abs 1 zweiter Satz erster Fall StPO hat das Gericht, das sich aus Anlass einer von wem immer ergriffenen Nichtigkeitsbeschwerde (bzw Berufung) überzeugt, dass zum Nachteil des Angeklagten das Strafgesetz unrichtig angewendet worden ist (§ 281 Abs 1 Z 9 bis 11 StPO), von Amts wegen so vorzugehen, als wäre der in Frage kommende Nichtigkeitsgrund geltend gemacht worden.

Bei der vom Erstgericht freigesprochenen Angeklagten kam daher eine Maßnahme nach § 290 Abs 1 zweiter Satz StPO von vornherein nicht in Betracht.

Das Urteil des Landesgerichts Wels als Berufungsgericht vom 4. Juni 2012, AZ 24 Bl 55/12g, gereicht Rebekka W***** zum Nachteil, soweit damit deren Freispruch von der Privatanklage in amtswegiger Wahrnehmung des Nichtigkeitsgrundes des § 468 Abs 1 Z 4 StPO iVm § 281 Abs 1 Z 9 lit b StPO aufgehoben, die Genannte des Vergehens der üblen Nachrede nach § 111 Abs 1 StGB schuldig erkannt und zu einer Strafe sowie zum Kostenersatz verurteilt wurde.

Der Oberste Gerichtshof sah sich daher in Ausübung des ihm nach § 292 letzter Satz StPO zustehenden Ermessens veranlasst, wie aus dem Spruch ersichtlich vorzugehen.

Den auf dem verfehlten Schuldspruch fußenden Entscheidungen und Verfügungen (vor allem dem Kostenbestimmungsbeschluss ON 43) ist damit die Basis entzogen (RIS Justiz RS0100444; Ratz , WK StPO § 292 Rz 28).

Die Kostenfrage wird nunmehr auf der Grundlage der Kostenentscheidung im wiederhergestellten Urteil des Bezirksgerichts Vöcklabruck vom 27. Oktober 2011, GZ 4 U 188/08d 30, zu lösen sein.