JudikaturJustiz10Bs425/10s

10Bs425/10s – OLG Graz Entscheidung

Entscheidung
25. November 2010

Kopf

Das Oberlandesgericht Graz hat durch die Richterinnen Mag.List (Vorsitz) und Dr.Rabl sowie den Richter Dr.Haidacher in der Strafsache gegen Dr.Georg L***** und Horst ***** E***** wegen §§ 2, 181 (180 Abs 1 Z 1) u.a. StGB über die Beschwerde der Staatsanwaltschaft Graz gegen den Beschluss des Landesgerichtes für Strafsachen Graz vom 14.Oktober 2010, 16 Hv 110/10i-16, in nichtöffentlicher Sitzung den

B e s c h l u s s

gefasst:

Spruch

Der Beschwerde wird Folge gegeben, der angefochtene Beschluss aufgehoben und dem Landesgericht für Strafsachen Graz die Anordnung der Hauptverhandlung aufgetragen.

Gegen diesen Beschluss steht ein weiterer Rechtszug nicht zu (§ 89 Abs 6 StPO).

Text

B e g r ü n d u n g :

Mit Strafantrag vom 27.Juli 2010 (ON 6) legt die Staatsanwaltschaft Graz dem am ***** geborenen Pensionisten Dr.Georg L***** und dem am ***** geborenen beschäftigungslosen Horst ********** E***** zur Last, es haben in G***** fahrlässig

I. im Zeitraum Mitte 2005 bis 9.Dezember 2009 entgegen Rechtsvorschriften, nämlich den §§ 30ff Wasserrechtsgesetz

1. Dr.Georg L***** als Liegenschaftseigentümer - ab 3.November 2009 unter Missachtung seiner ihm vom Amt der ***** Landesregierung, Lebensmittelaufsicht, auferlegten Verpflichtung, den Wasserabnehmern Mitteilung davon zu machen, dass das Quellwasser nicht den Anforderungen der Trinkwasserverordnung entspricht - und Horst ***** E***** als Wartungsperson ein Gewässer, nämlich die Hausquelle der Liegenschaft EZ *****der KG ***** in der Quellfassung über das Leitungssystem bis zum Speicherbehälter so verunreinigt, dass dadurch eine Gefahr für das Leben oder eine schwere Körperverletzung (§ 84 Abs 1) eines anderen entstehen kann, indem sie es trotz Kenntnis des Zustandes der Wasserversorgungsanlage aus eigener Wahrnehmung bzw mehrfach diesbezüglich erhaltener Hinweise durch den Wasserbezieher Bernd ***** S***** unterließen, entsprechende Sanierungsmaßnahmen bzw Vorkehrungen zur Verhinderung des Eindringens von Verschmutzungen (insbesondere Escherichia coli, coliforme Bakterien und Enterokokken) in die Trinkwasserversorgungsanlage zu ergreifen bzw in die Wege zu leiten,

2. Horst ***** E***** durch Deponieren von Müll im unmittelbaren Nahebereich der Trinkwasserversorgungsanlage der Liegenschaft EZ ***** der KG ***** Abfälle so abgelagert, dass dadurch eine Gefahr für das Leben oder eine schwere Körperverletzung (§ 84 Abs 1) eines anderen entstehen kann,

II. Dr.Georg L***** durch die zu Punkt I.1. dargestellten Unterlassungen und Horst ***** E***** durch die zu I.1. und 2. dargestellten Unterlassungen bzw Handlungen im Zeitraum zumindest Mai 2009 bis 22.Juni 2009 Bernd ***** S***** an der Gesundheit geschädigt, wobei die Gesundheitsschädigung an sich schwer ist (über längeren Zeitraum anhaltende massive Magen-Darm-Beschwerden mit Fieberschüben und Schwindelanfällen).

Dem Strafantrag zufolge haben hiedurch Dr.Georg L***** und Horst ***** E***** zu I.1. das Vergehen der fahrlässigen Beeinträchtigung der Umwelt durch Unterlassung gemäß §§ 2, 181 (180 Abs 1 Z 1) StGB, Horst ***** E***** zu Punkt I.2. das Vergehen des fahrlässigen umweltgefährdenden Behandelns und Verbringens von Abfällen gemäß §§ 181c Abs 1 (181b Abs 1 Z 1) StGB und beide Angeklagte zu Punkt II. das Vergehen der fahrlässigen Körperverletzung, Dr.Georg L***** durch Unterlassung gemäß §§ 2, 88 Abs 1 und 4 erster Deliktsfall StGB begangen.

Der Einzelrichter ordnete am 31.August 2010 die Hauptverhandlung für 12.November 2010 an.

Nach Einlangen von Beweisanträgen des Erstangeklagten am 6.Oktober und 13.Oktober 2010 beraumte der Einzelrichter am 14.Oktober 2010 die Hauptverhandlung ab und wies mit dem angefochtenen Beschluss den Strafantrag gemäß § 485 Abs 1 Z 2 iVm § 212 Z 3 StPO zurück. Er begründet diese Entscheidung damit, dass nicht geklärt sei, wann, wodurch und in welchem Ausmaß das Wasser verunreinigt wurde. Mangels Vorliegens weiterer Prüfberichte bzw eines Befundes eines für Umwelt- und Hygienefragen zuständigen Sachverständigen sei die Herkunft der Bakterien unklar. Weder aus dem Strafantrag noch aus dem Akteninhalt gehe hervor, welche Art von Abfällen Horst ***** E***** auf welche Weise im Nahebereich der Trinkwasserversorgungsanlage deponiert habe. Ein objektiver Beweis für das Vorliegen einer durch verunreinigtes Wasser verursachten schweren Körperverletzung des Bernd ***** S***** liege nicht vor.

Gegen diesen Beschluss richtet sich die Beschwerde der Staatsanwaltschaft Graz mit dem Vorbringen, dass die Zurückweisung des Strafantrages entgegen § 485 Abs 1 Z 2 StGB unzulässig sei, weil sie erst nach Anordnung der Hauptverhandlung erfolgt sei.

Der Beschwerde kommt Berechtigung zu.

Rechtliche Beurteilung

Nach dem eindeutigen Wortlaut des § 485 Abs 1 StPO hat das Gericht den Strafantrag vor Anordnung der Hauptverhandlung zu prüfen und ... in den Fällen des § 212 Z 3 und 4 den Strafantrag mit Beschluss zurückzuweisen.

Diese mit dem Strafprozessreformbegleitgesetz I, BGBl I Nr.93/2007, eingeführte Bestimmung verfolgt den Zweck, das Verfahren vor dem Landesgericht als Einzelrichter an die Struktur des Ermittlungsverfahrens anzupassen. In Entsprechung der im Ermittlungsverfahren im § 108 StPO geregelten Möglichkeit des Antrags auf Einstellung des Verfahrens soll mit Beginn des Hauptverfahrens das Landesgericht als Einzelrichter vor Anordnung der Hauptverhandlung den Strafantrag von Amts wegen prüfen und bei Vorliegen von Mängeln iSd § 485 Abs 1 Z 1 bis 3 StPO seine Unzuständigkeit mit Beschluss aussprechen (Z 1) bzw den Strafantrag zurückweisen (Z 3), in eventu das Verfahren auch einstellen (Z 3).

Die amtswegige Überprüfung des Strafantrages dient der Wahrung der Interessen des Angeklagten, da das Einzelrichterverfahren keinen Einspruch gegen den Strafantrag kennt (Philipp in WK-StPO § 485 Rz 1).

Entgegen der vom Angeklagten vertretenen Auffassung bezieht sich die Wortfolge "vor Anordnung der Hauptverhandlung" nicht nur auf die Pflicht des Einzelrichters zur Prüfung des Strafantrages, sondern auch auf die in Konsequenz der Prüfung allenfalls erforderliche Beschlussfassung. Ebenso wie der Einspruch gegen die Anklageschrift nur innerhalb der im Gesetz statuierten 14-tägigen Frist zulässig ist (§ 213 Abs 2 StPO) bzw nach Rechtswirksamkeit der Anklageschrift auch die bis zur Beschlussfassung gemäß § 213 Abs 4 StPO von Amts wegen wahrzunehmende - Unzuständigkeit des Gerichtes nicht mehr geltend gemacht werden kann, sieht das Gesetz nach Anberaumung der Hauptverhandlung keine Möglichkeit für das Gericht mehr vor, seine Unzuständigkeit wahrzunehmen, den Strafantrag zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen.

Kommen im Verlaufe des Hauptverfahrens nach Anordnung der Hauptverhandlung weitere Ermittlungsergebnisse zu Tage, sind sie einer Klärung im Hauptverfahren zuzuführen (vgl OLG Graz 10 Bs 364/10w nv).

Der Beschwerde war daher Folge zu geben und dem Erstgericht die Fortsetzung des Verfahrens aufzutragen.

Oberlandesgericht Graz, Abteilung 10

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