50R179/24s – Handelsgericht Wien Entscheidung
Kopf
Das Handelsgericht Wien hat als Berufungsgericht durch die Richter Mag. a Michlmayr (Vorsitzende), Mag. a Kulka und KR Mag. Dr. Simon in der Rechtssache der klagenden Partei A*, geb. **, **gasse **, **, vertreten durch Mag. Sylvia Weiländer, Rechtsanwältin in 1010 Wien, wider die beklagte Partei B* GmbH, FN ** , C*, Straße **, **, ** Wiener Neudorf, vertreten durch Dr. Eike Lindinger, Rechtsanwalt in 1080 Wien, wegen € 525,50 s.A. über die Berufung der klagenden Partei (Berufungsinteresse € 217,-) gegen das Urteil des Bezirksgerichts für Handelssachen Wien vom 11.09.2024, 12 C 331/24z-20 in nicht öffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:
Spruch
Der Berufung wird Folge gegeben und die angefochtene Entscheidung abgeändert, sodass sie einschließlich des bereits in Rechtskraft erwachsenen Teils richtig zu lauten hat:
„Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei € 474,- samt 4 % Zinsen p.a. seit 08.09.2023 binnen 14 Tagen zu zahlen.
2. Das Mehrbegehren, die beklagte Partei sei schuldig weitere € 51,50 samt 4 % Zinsen p.a. seit 08.09.2023 zu zahlen, wird abgewiesen.
Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit € 884,57 (darin enthalten € 135,29 USt und € 72,80 Barauslagen) bestimmten Kosten binnen 14 Tagen zu ersetzen.“
Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit € 286,36 (darin enthalten € 35,27 Ust und € 75,- Barauslagen) bestimmten Kosten des Berufungsverfahrens zu ersetzen.
Die Revision ist jedenfalls unzulässig.
Text
Entscheidungsgründe:
Die Klägerin buchte bei der Beklagten eine von dieser veranstaltete Pauschalreise nach Ägypten mit Flug und Aufenthalt im Hotel „D*“ (Hurghada) für den Zeitraum von 21.07.2023 bis 26.07.2023 samt Transferleistungen zum Pauschalpreis von € 871,-. Die Klägerin nahm die Reise in Anspruch. Vom Gesamtreisepreis von € 871,- entfielen € 495,- auf den Flug und € 376,- auf den übrigen Teil der Reiseleistungen. Im Pauschalpreis war ein „Transfer HRG Inbound“ mit dem „In Bus Hurghada“ enthalten.
Die Klägerin begehrt von der Beklagten eine Preisminderung in Höhe von € 435,50 und € 90,- aus dem Titel des Schadenersatzes aufgrund entgangener Urlaubsfreude. Die von der Beklagten veranstaltete Pauschalreise sei grob mangelhaft gewesen.
Die Beklagte wandte im Wesentlichen ein, dass ausgehend vom Umstand, dass die Klägerin die ohne Verzug erbrachten Transferleistung tatsächlich in Anspruch genommen habe, ein reiserechtlich relevanter Mangel nicht zu erblicken sei. Die vorgebrachten Mängel seien nicht vorgelegen, die Beklagte treffe kein Verschulden.
Mit dem angefochtenen Urteilerkannte das Erstgericht die Beklagte schuldig, € 257,- sA zu zahlen und wies das Mehrbegehren in Höhe von € 268,50 ab. Die auf den Seiten 4-7 getroffenen Feststellungen beurteilte das Erstgericht rechtlich, soweit für das Berufungsverfahren relevant, dahin, dass die gegenständliche Reise als Pauschalreise nach dem PRG zu qualifizieren und ausgehend von den festgestellten Mängeln bei der Bemessung der Preisminderung auch im Anwendungsbereich des PRG vom Gesamtreisepreis auszugehen sei. Bei einer Reise, die aus klar abgrenzbaren Teilen mit jeweils zuordenbarem Preis bestehe (zB Rundreise mit anschließendem Badeaufenthalt), sei nur der Preis des von der Vertragswidrigkeit betroffenen Teiles zugrunde zu legen. Die genaue Ausmessung der Minderung erfolge – soweit im Einzelfall nicht ausnahmsweise eine Berechnung durch einen Sachverständigen möglich und tunlich sei – nach richterlichem Ermessen (§ 273 ZPO). Diverse Preisminderungstabellen (Frankfurter Tabelle, Wiener Liste, Kemptener Reisemängeltabelle, Mainzer Minderungsspiegel uam.) könnten dabei zwar grobe Anhaltspunkte liefern, seien aber keine Rechtsquellen und daher unverbindlich. Allein der Umstand, dass von einem Wert in einer solchen Tabelle erheblich abgewichen werde, vermag daher keine unrichtige rechtliche Beurteilung zu begründen ( Scherhaufer/Wukoschitz in Bammer,PRG § 12 Rz 6 f (Stand 1.10.2019, rdb.at) mwN). Die vorliegenden Mängel seien zum Teil über den gesamten Reisezeitraum und teils über einen begrenzten Zeitraum aufgetreten. Zu berücksichtigen sei gewesen, dass sich der Gesamtpreis aus den Ticketkosten in Höhe von € 495,- sowie den Kosten für die übrigen Leistungen in Höhe von € 376,-, und daher aus zwei klar abgrenzbaren Teilen zusammensetze. Wenn Mängel nur einen Teil einer Reise betreffen, stehe der Preisminderungsanspruch nur für den mängelbehafteten Zeitraum zu. Auf die Gesamtdauer bezogene Prozentsätze seien daher lediglich auf den betroffenen Reisezeitraum anzuwenden (3 Ob 271/03d). Dies entspreche nunmehr auch dem Wortlaut der Bestimmung des § 12 Abs 1 PRG, wonach der Anspruch auf Preisminderung für den von einer Vertragswidrigkeit betroffenen Zeitraum bestehe.
Ausgehend davon und unter Zugrundelegung der Frankfurter Liste als grobe Richtschnur zur Bewertung von Reisemängeln scheine gemäß § 273 ZPO unter Berücksichtigung der Umstände des hier zu beurteilenden Einzelfalles ein Abzug von dem auf die Unterbringung (inklusive Transfer) entfallenden Reisepreis (€ 376,-) von insgesamt € 167,-- angemessen. Zudem erachtete das Erstgericht den geltend gemachten Schadenersatzanspruch in Höhe von insgesamt € 90,-- angemessen.
Gegen die Abweisung eines Kapitalbetrages von € 217,-- richtet sich die Berufung der Klägerin aus den Berufungsgründen der unrichtigen rechtlichen Beurteilung mit dem Antrag auf Abänderung der Entscheidung im Sinne einer gänzlichen Klagestattgebung.
Rechtliche Beurteilung
Die Beklagte beantragt, der Berufung nicht Folge zu geben.
Die Berufung ist berechtigt.
Die Berufungswerberin wendet sich gegen die Rechtsansicht des Erstgerichts, wonach bei der Preisminderung die Flugticketkosten nicht der Berechnung zu Grunde zu legen seien. Schon auf Grund der unstrittigen Feststellung, dass die Klägerin für den Zeitraum von 21.7.-26.7.2023 Flug und Aufenthalt in nur ein (Strand-)Hotel in Hurghada zum Pauschalpreis von € 871,00 gebucht und in Anspruch genommen habe, hätte der Preisminderungsanspruch daher auf Basis dieses Pauschalpreises berechnet werden müssen.
Bei richtiger rechtlicher Beurteilung hätte das Erstgericht als Bemessungsgrundlage für den Preisminderungsanspruch daher den Reisepreis von € 871,- zu Grunde legen müssen.
Aus dem festgestellten Sachverhalt ergibt sich zunächst, dass eine Pauschalreise nach dem PRG gegeben ist, weil gemäß § 2 Abs 1 PRG zwei Reiseleistungen (Beförderung und Unterbringung einer Person) vorliegen, und es sich gemäß § 2 Abs 2 PRG um eine Kombination dieser beiden Reiseleistungen handelt, die von einem Unternehmer in einem Vertrag zusammengestellt und zu einem Pauschalpreis angeboten und in Rechnung gestellt wurden.
Gemäß § 12 Abs 1 PRG hat der Reisende einen Anspruch auf angemessene Preisminderung für jeden von einer Vertragswidrigkeit betroffenen Zeitraum einer Pauschalreise. Ob eine Reise mangelhaft ist, richtet sich nach dem konkreten Vertrag, das heißt, die Reise muss die bedungenen sowie die gewöhnlich vorausgesetzten Eigenschaften aufweisen. Der konkrete Leistungsinhalt bestimmt sich demnach neben der Leistungsbeschreibung des Reiseveranstalters nach der Verkehrsauffassung sowie der vor Ort üblichen, nationalen Landeskategorie. Die Festsetzung des konkreten Minderungsbetrags erfolgt nach ständiger Rechtsprechung gemäß § 273 ZPO. Mit dieser Bestimmung wird dem Gericht kein freies Entscheidungsermessen eingeräumt, sondern die Betragsfestsetzungen sind nach bestem Wissen und Gewissen aufgrund der Lebenserfahrung und der Ergebnisse der Verhandlung vorzunehmen. Die Beweisbefreiung des § 273 ZPO setzt damit an die Stelle der Ermittlungspflicht das (gebundene) Ermessen des Gerichts. Im Rahmen der Geltendmachung des Berufungsgrundes der unrichtigen rechtlichen Beurteilung ist in einem solchen Fall lediglich die Überschreitung der Grenzen des Ermessensbereichs (Ermessensüberschreitung), die bewusste Herbeiführung eines vom Gesetz nicht gewollten Erfolgs durch Ermessensentscheidung (Ermessensmissbrauch) und die Nichtbeachtung der ausdrücklich oder immanent der Ermessensnorm zugrunde liegenden gesetzlichen Beurteilungsgesichtspunkte (bei gebundenem Ermessen) überprüfbar (HG Wien 1 R 113/15m uva).
In der Entscheidung des Obersten Gerichtshofs zu 3 Ob 271/03d war die Preisminderung für eine Pauschalreise, die einen einwöchigen Badeaufenthalt in ** und eine einwöchige Kreuzfahrt umfasste, ausschließlich wegen Mängeln an der Kreuzfahrt zu beurteilen. Der Oberste Gerichtshof billigte im Rahmen einer Zurückweisung einer außerordentlichen Revision die Rechtsansicht der zweiten Instanz, Bemessungsgrundlage für die Preisminderung sei nur der halbe Reisepreis, weil es unzulässig sei, die auf die Gesamtdauer gemünzten Prozentsätze (der „Frankfurter Tabelle zur Reisepreisminderung“ als brauchbare Orientierungsgrundlage) ungeschmälert anzuwenden, wenn Mängel nur einen Teil der Reise beträfen. In der jüngeren Entscheidung 3 Ob 118/14w erklärte der OGH die Entscheidung 3 Ob 271/03d für nicht einschlägig, da in dem Fall eine solche Zweiteilung der Pauschalreise in völlig unterschiedliche Reiseleistungen im zu beurteilenden Sachverhalt nicht vorliege. Vielmehr sei von der durchgehenden Mangelhaftigkeit der Unterbringung über die gesamte Reisedauer auszugehen und daher der gesamte - die Flugkosten einschließende - Pauschalpreis zu Grunde zu legen.
Auch wenn der Reisende nach dem Wortlaut des § 12 Abs 1 PRG einen Anspruch auf angemessene Preisminderung für jeden von einer Vertragswidrigkeit betroffenen Zeitraum einer Pauschalreise hat, ändert dies nichts daran, dass es sich um eine Pauschalreise mit einem Pauschalpreis handelt. Im Rahmen der Gewährleistungsbehelfe ist grundsätzlich der Gesamtpreis der Reise einschließlich der Anreise- bzw. Flugkosten maßgeblich (Praxiskommentar, Schwimann/Kodekzu § 12 PRG (Komalsch) Rz 11; Scherhaufer/Wukoschitz in Bammer, Pauchalreisegesetz 2019, § 12 PRG, Rz6), weil sich der Leistungsgegenstand einer Pauschalreise nicht in Einzelleistungen zerlegen lässt (vgl 5 Ob 242/04f). Bei der Berechnung der Preisminderung ist daher vom Gesamtpreis der Reise auszugehen. Die Transportkosten sind in die Bemessungsgrundlage miteinzubeziehen. Nach herrschender Ansicht kommt den Transportkosten kein eigenständiger Wert zu, obwohl die Flugkosten gerade bei Fernreisen einen beträchtlichen Teil des Gesamtpreises ausmachen. Der Reisende zahlt die auf den Flug entfallenden Kosten deswegen, um seine Urlaubstage an einem weit entfernten Ort verbringen zu können. Wird der Aufenthalt dort durch Mängel beeinträchtigt, strahlt dies auf die Gesamtreise aus ( Bläumauer , Reiserecht, S 105).
Es ist der Berufungswerberin daher zuzustimmen, dass für die Berechnung der Preisminderung der gesamte Pauschalreisepreis heranzuziehen ist, auch wenn die Preisminderung nur für jene Tage, an denen Mängel vorlagen, zu berechnen ist.
Die angefochtene Entscheidung ist daher in diesem Sinne abzuändern.
Die Kostenentscheidung des erstinstanzlichen Verfahrens beruht auf § 43 Abs 2 ZPO. Die Klägerin hat mit rund 90% obsiegt, ist daher nur geringfügig unterlegen und erhält daher ihre gesamten Kosten ersetzt.
Die Einwendungen der Beklagten zur Kostennote sind tlw. berechtigt. Für den Zustellantrag vom 16.10.2023 stehen keine Kosten zu, weil die Klägerin bereits in der Mahnklage die richtige Adresse angeben hätte können. Auch für das höfliche Ersuchen vom 23.2.2024 stehen keine Kosten zu, da auf Grund der Abberaumung der letzten Verhandlung bekannt war, dass die Gerichtsabteilung unbesetzt war. Für den Fristsetzungsantrag vom 24.5.2024 stehen Kosten zu, da er der zweckentsprechenden Rechtsverfolgung diente. Firmenbuchabfragen sind typische vom Einheitssatz abgedeckte Nebenleistungen ( Obermaier , Kostenhandbuch 4 Rz 3.11, FN 2710 mwN).
Die Kostenentscheidung des Berufungsverfahrens beruht auf §§ 40, 50 ZPO und § 23 Abs 10 RATG, wonach bei diesem Streitwert nur der einfache Einheitssatz gebührt.
Die Revision ist gemäß § 502 Abs 2 ZPO jedenfalls unzulässig.