JudikaturDsk2022-0.858.901

2022-0.858.901 – Datenschutzbehörde Entscheidung

Entscheidung
06. September 2023

Text

GZ: 2022-0.858.901 vom 6. September 2023 (Verfahrenszahl: DSB-D213.1508)

[Anmerkung Bearbeiter/in: Namen und Firmen, Rechtsformen und Produktbezeichnungen, Adressen (inkl. URLs, IP- und E-Mail-Adressen), Aktenzahlen (und dergleichen), etc., sowie deren Initialen und Abkürzungen können aus Pseudonymisierungsgründen abgekürzt und/oder verändert sein. Offenkundige Rechtschreib-, Grammatik- und Satzzeichenfehler wurden korrigiert.

BESCHEID

SPRUCH

Die Datenschutzbehörde entscheidet im Rahmen der Datenschutzüberprüfung gemäß Art. 58 Abs. 1 lit. b DSGVO gegen die Mittelschule NMS N***dorf, E***platz *3, **** N***dorf wie folgt:

- Die Verantwortliche verstößt dadurch gegen die DSGVO , indem sie in der Mittelschule N***dorf eine Bildverarbeitung in den Schulräumlichkeiten per Adresse E***platz *3, **** N***dorf betreibt, wobei die Verarbeitung von Bildaufnahmen der Kamera 1 „Erdgeschoß - Gang vor EDV Räumen“ , Kamera 2 „ 2. Stock - Gang von Lehrerzimmer und Direktion“ ´, Kamera 3 „ 3. Stock - Gang Richtung Fluchttreppe “ und Kamera 4 „Eingangsbereich“ während des Schulbetriebes entgegen den Bestimmungen des Art. 6 Abs. 1 DSGVO (Rechtmäßigkeit) erfolgt. Der Verantwortlichen wird aufgetragen , binnen einer Frist von zwei Wochen die Bildverarbeitungen von Kamera 1, 2, 3 und 4 zeitlich derart einzuschränken , dass während des Schulbetriebes keine Aufnahmen angefertigt werden bzw. die Kameras während des Schulbetriebes außer Betrieb gesetzt sind.

Rechtsgrundlagen : Art. 4, Art. 5, Art. 6, Art. 51 Abs. 1, Art. 57 Abs. 1 lit. a und lit. h, Art. 58 Abs. 1 lit. b und Abs. 2 lit. d, lit. f, sowie Art. 77 Abs. 1 der Verordnung (EU) 2016/679 (Datenschutz-Grundverordnung, im Folgenden: DSGVO), ABl. Nr. L 119 vom 4.5.2016 S. 1, §§ 1 Abs. 1 und 2 des Datenschutzgesetzes (DSG), BGBl. I Nr. 165/1999 idgF.

BEGRÜNDUNG

A. Vorbringen der Parteien und Verfahrensgang

1. Die Datenschutzbehörde leitete mit Erledigung vom 8. November 2022 eine Datenschutzüberprüfung gemäß Art. 57 Abs. 1 lit. h DSGVO („amtswegiges Prüfverfahren“) gegen die Verantwortliche betreffend die Kameras in den Schulgängen ein.

2. Die Verantwortliche brachte in ihrer Stellungnahme von 25. November 2022 im Wesentlichen vor, dass sie vier Kameras betreibe. Zwei Kameras seien im Erdgeschoss (Gang vor den EDV-Räumlichkeiten und Schuleingang), eine im zweiten Stockwerk (Gang vor dem Lehrerzimmer und der Direktion) und eine im dritten Stockwerk (Gang Richtung Fluchttreppe). Die Aufzeichnungen würden 48 Stunden aufbewahrt und bezwecken den Schutz von Personen, Schutz vor Diebstählen oder Überfällen. Der Wunsch der Aufstellung der Kameras sei gekommen, da es in der Vergangenheit zu Einbrüchen und Diebstahl von Wertsachen des Lehrpersonals gekommen sei. Die Kameras seien Videogeräte des Herstellers ***CAM.

Der Stellungnahme beigefügt waren Fotos der Kameras, sowie Screenshots der Aufnahmebereiche.

B. Verfahrensgegenstand

Aufgrund des Vorbringens der Verantwortlichen ergibt sich, dass Verfahrensgegenstand die Frage ist, ob die Bildverarbeitung in Form von vier Videokameras in den Schulräumlichkeiten der Mittelschule N***dorf, E***platz *3, **** N***dorf, rechtmäßig erfolgt.

C. Sachverhaltsfeststellungen

1. Die Verantwortliche der Bildverarbeitung, die Mittelschule N***dorf ist eine öffentliche Pflichtschule mit der Schulkennzahl *4*2*9*, per Adresse E***platz *3, **** N***dorf.

2. Die Verantwortliche betreibt derzeit in den Schulräumlichkeiten insgesamt vier Kameras, davon jeweils zwei Kameras im Erdgeschoss (Kamera 1 „ Erdgeschoß - Gang vor EDV Räumen, Kamera 4 „Eingangsbereich“), eine Kamera im 2. Stock (Kamera 2 2. Stock - Gang von Lehrerzimmer und Direktion“) und eine Kamera im 3. Stock ( ´Kamera 3 „ 3. Stock - Gang Richtung Fluchttreppe “). Der Zweck der Verarbeitung der Videoaufnahmen ist Personen- und Eigentumsschutz.

Der Aufnahmebereich Kameras gestaltet sich folgendermaßen:

[Anmerkung Bearbeiter/in: Das an dieser Stelle als grafische Datei wiedergegebene Bild mit einer Darstellung der vier oben beschriebenen Aufnahmebereiche wurde entfernt.]

3. Die Verantwortliche bewahrt die Aufnahmen für 48 Stunden auf. Die Videoüberwachung ist im Schuleingangsbereich gekennzeichnet.

Beweiswürdigung : Die Feststellungen beruhen auf den Ausführungen der Verantwortlichen sowie insbesondere den Lichtbildern der Kameras sowie den Screenshots der Aufnahmebereiche der Kameras.

D. In rechtlicher Hinsicht folgt daraus:

Gemäß § 1 Abs. 1 DSG hat jedermann, insbesondere auch im Hinblick auf die Achtung seines Privat- und Familienlebens, Anspruch auf Geheimhaltung der ihn betreffenden personenbezogenen Daten, soweit ein schutzwürdiges Interesse daran besteht. Ein solches Interesse ist dann ausgeschlossen, wenn Daten infolge ihrer allgemeinen Verfügbarkeit oder wegen ihrer mangelnden Rückführbarkeit auf den Betroffenen einem Geheimhaltungsanspruch nicht zugänglich sind.

Nach § 1 Abs. 2 DSG sind Beschränkungen des Geheimhaltungsanspruchs grundsätzlich zulässig, wenn die Verwendung personenbezogener Daten im lebenswichtigen Interesse des Betroffenen oder mit seiner Zustimmung erfolgt, bei überwiegenden berechtigten Interessen eines anderen oder bei Vorhandensein einer qualifizierten gesetzlichen Grundlage.

Eine Beschränkung des Geheimhaltungsanspruchs nach § 1 Abs. 2 DSG durch einen Verantwortlichen des öffentlichen Bereichs im Rahmen der Hoheitsverwaltung ist allerdings nur auf gesetzlicher Grundlage iSv Art. 6 Abs. 1 lit. e DSGVO möglich, wobei sich dies auch aus dem Legalitätsprinzip des Art. 18 Abs. 1 B-VG ergibt.

Verfahrensgegenständlich handelt es sich um Kameras einer öffentlichen Stelle, namentlich einer Pflichtschule. Die Datenverarbeitung ist ( an)dauernd angelegt. Als Zweck wurde der Schutz von Personen, Schutz vor Diebstählen oder Überfällen angegeben. Insbesondere war es in der Vergangenheit zu Einbrüchen und Diebstahl von Wertsachen des Lehrpersonals gekommen.

Der Sachverhalt gleicht jenem, mit dem sich die Datenschutzkommission im Bescheid vom 20. Juni 2008, K600.054-001/0002-DVR/2008 im Rahmen der Meldung einer Videoüberwachung in einer öffentlichen Schule auseinanderzusetzen hatte. Die Videoüberwachung sollte auf Schulgängen und in der Eingangshalle zum Zwecke des Eigentums- und Personenschutzes betrieben werden.

Die auszugsweise Begründung für die Ablehnung der Meldung kann auch für gegenständliches Verfahren herangezogen werden:

„Die Datenschutzkommission geht in ständiger Entscheidungspraxis davon aus, dass Videoüberwachung für hoheitliche Zwecke ausschließlich aufgrund einer ausdrücklichen, hinreichend determinierten gesetzlichen Ermächtigung zulässig ist. Videoüberwachung öffentlicher Stellen im Rahmen privatwirtschaftlicher Tätigkeiten für Zwecke des Eigenschutzes oder Verantwortungsschutzes ist hingegen u.U. auch ohne ausdrückliche gesetzliche Ermächtigung zulässig, wenn sie als Antwort auf spezielle Gefährdungssituationen vom Hausrechtsberechtigten unter Beachtung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes vorgenommen wird. Die Hintanhaltung von Gefährdung der Schüler durch andere Schüler innerhalb der Schule ist Teil der Aufsichtspflicht, die den Lehrkräften durch § 51 Abs. 3 Schulunterrichtsgesetz (SchUG) übertragen und Teil der von Schulen zu leistenden Erziehungsarbeit ist. Der Einsatz von technischen Überwachungsmaßnahmen im Rahmen der schulischen Unterrichts- und Erziehungsarbeit wäre als Überwachungsmaßnahme zur gesetzlichen Aufgabenbesorgung vom strengen Gesetzesvorbehalt des § 1 Abs. 2 DSG 2000 für „Eingriffe staatlicher Behörden“ mitumfasst. (…) Anders wäre freilich Videoüberwachung in Schulen außerhalb der Unterrichtszeit zu beurteilen. Videoüberwachung zum Schutz vor Vandalismus oder Eigentumsdelikten innerhalb des Schulgebäudes etwa während der Nachtstunden wäre als Ausübung des Hausrechts und somit als privatwirtschaftliche Tätigkeit zu werten, die dann keine besonderen datenschutzrechtlichen Probleme aufwirft, wenn im Überwachungszeitraum der Zutritt zum Schulgebäude überhaupt untersagt ist, sodass keine berechtigten Datenschutzinteressen durch die Videoüberwachung verletzt werden können (…)“

Im Wesentlichen stützt sich die Verantwortliche verfahrensgegenständlich für die Verarbeitung personenbezogener Daten zwar auf berechtigte Interessen iSd Art. 6 Abs. 1 lit. f DSGVO (insbesondere Eigentumsschutz der Arbeitsmittel, als auch den Eigentumsschutz der Betroffenen und Personenschutz), jedoch kann sich eine öffentliche Stelle, im Rahmen der Hoheitsverwaltung – diesfalls dem Schulbetrieb - nicht auf berechtigte Interessen stützen , sondern bedarf es einer ausdrücklichen, hinreichend determinierten gesetzlichen Ermächtigung (vgl. § 1 Abs. 2 DSG).

Eine derartige gesetzliche Ermächtigung zur Videoüberwachung auf Schulgängen oder Schulräumlichkeiten besteht weiterhin nicht. Vielmehr legt § 51 Abs. 3 des SchUG fest, dass die Pausenaufsicht vom Lehrpersonal wahrzunehmen ist.

Darüber hinaus wäre eine durchgehende Überwachung der Minderjährigen auf den Gängen einer Pflichtschule (in der Regel handelt es sich um 10 – bis 14-jährige) auch nicht das gelindeste Mittel iS des § 1 Abs. 2 DSG, letzter Satz, zumal Kinder einen besonderen Schutz ihrer personenbezogenen Daten genießen (vgl. Art. 8 DSGVO für den Bereich der Einwilligung und Erwägungsgrund 38).

Videoüberwachungen öffentlicher Stellen im Rahmen privatwirtschaftlicher Tätigkeiten für Zwecke des Eigentumsschutzes können bei Vorliegen der Voraussetzungen des Art. 6 Abs. 1 lit f DSGVO im Rahmen des Hausrechtes jedoch zulässig sein (vgl. Guidelines 3/2019 des EDPB zur Verarbeitung personenbezogener Daten durch Videogeräte, S. 10ff.), weswegen sich die aufgetragene Beschränkung der Verarbeitung ausdrücklich auf den Zeitraum des Schulbetriebes bezieht .

Zur Beschränkung der Verarbeitung für Kamera 1, 2, 3 und 4:

Die Datenschutzbehörde kann nach Art. 58 Abs. 2 lit. f DSGVO gegen den Verantwortlichen „[...] eine vorübergehende oder endgültige Beschränkung der Verarbeitung, einschließlich eines Verbots“ verhängen.

Die Datenschutzbehörde hat eine zeitliche Beschränkung dahingehend ausgesprochen, dass während des Schulbetriebes keine Aufnahmen durch Kamera 1, Kamera 2, Kamera 3 und Kamera 4 angefertigt werden bzw. die Kameras außer Betrieb gesetzt werden. Außerhalb des Schulbetriebes – und somit außerhalb hoheitlicher Tätigkeiten – obliegt es der Schulleitung im Rahmen der Privatwirtschaftsverwaltung, allenfalls im Rahmen des Hausrechts, präventive Maßnahmen zum Objektschutz zu treffen.

Die Verantwortliche wird ersucht, binnen einer Frist von sechs Wochen, entsprechende Nachweise (etwa eine Bestätigung) über die Einschränkung der Verarbeitung zu für Kamera 1, 2, 3 und 4 übermitteln.

Es war daher insgesamt spruchgemäß zu entscheiden.

Rechtssätze
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