K121.397/0015-DSK/2008 – Datenschutzkommission Entscheidung
Text
[Anmerkung Bearbeiter: Namen (Firmen), (Internet )Adressen, Aktenzahlen (und dergleichen), Rechtsformen und Produktbezeichnungen etc. sowie deren Initialen und Abkürzungen können aus Anonymisierungsgründen abgekürzt und/oder verändert sein. Offenkundige Rechtschreib-, Grammatik- und Satzzeichenfehler wurden korrigiert.]
B E S C H E I D
Die Datenschutzkommission hat unter dem Vorsitz von Dr. SPENLING und in Anwesenheit der Mitglieder Dr. KOTSCHY, Mag. ZIMMER, Mag. MAITZ-STRASSNIG. Mag. HUTTERER und Dr. STAUDIGL sowie des Schriftführers Mag. SUDA in ihrer Sitzung vom 14. November 2008 folgenden Beschluss gefasst:
S p r u c h
Über die Beschwerde des Richard H*** (Beschwerdeführer) aus J***, vertreten durch die U*** O*** Rechtsanwaltspartnerschaft in **** E***, vom 3. Juni 2008 (Posteingang: 6. Juni 2008) gegen die Bezirkshauptmannschaft Feldkirch (Beschwerdegegnerin) wegen Verletzung im Recht auf Geheimhaltung in Folge erkennungsdienstlicher Behandlung am 16. Mai 2008 wird gemäß den §§ 1 Abs. 1 und 2 sowie 31 Abs. 2 des Datenschutzgesetzes 2000 (DSG 2000), BGBl I Nr. 165/1999 idgF, iVm §§ 16 Abs. 2, 65 Abs. 1, 67 Abs. 1 und 90 des Sicherheitspolizeigesetzes (SPG), BGBl. Nr. 566/1991 idgF, entschieden:
- Der Beschwerde wird stattgegeben und festgestellt, dass die Beschwerdegegnerin den Beschwerdeführer durch die Verarbeitung (Ermittlung und Speicherung) seiner Lichtbilder, Handflächen- und Fingerabdrücke sowie seines DNA-Profils seit dem 16. Mai 2008 bis dato in seinem Recht auf Geheimhaltung personenbezogener Daten verletzt hat.
B e g r ü n d u n g:
A. Vorbringen der Parteien
Der Beschwerdeführer brachte in seiner am 6. Juni 2008 bei der Datenschutzkommission eingelangten und als „Beschwerde gem § 90 DSG“ (gemeint wohl: § 90 SPG) bezeichneten Beschwerde vor, er sei im Auftrag der Beschwerdegegnerin durch Polizeibeamte am 16. Mai 2008 erkennungsdienstlich behandelt worden, nachdem ein Schweißtest auf THC positiv verlaufen und in der Wohnung seines Bruders Peter H*** (Beschwerdeführer in der Sache DSK-Zl. K121.396) eine gewisse Menge Suchtgift (insbesondere Cannabis-Stecklinge) gefunden worden sei. Er habe die erkennungsdienstliche Behandlung geduldet, die Ermittlung der Daten sei aber, da die Voraussetzungen nach § 65 Abs. 1 SPG nicht vorgelegen seien, rechtswidrig erfolgt. Der Beschwerdeführer beantragte, die Rechtswidrigkeit der Datenverarbeitung (Nichtlöschung) wegen unzulässigen Eingriffs in sein Geheimhaltungsrecht festzustellen. Die Löschung der erkennungsdienstlichen Daten sei parallel bei der Sicherheitsdirektion für Vorarlberg beantragt worden.
Die Beschwerdegegnerin brachte in einer Stellungnahme vom 3. Juli 2008, Zl.: BHFK-III-32**.**-2008/00**, vor, gegen den Beschwerdeführer werde durch die Polizeiinspektion G*** (kurz: PI G***) voraussichtlich eine Anzeige wegen Besitzes und Konsums an die Staatsanwaltschaft Feldkirch erstattet werden (Ergebnis der kriminaltechnischen Untersuchung noch ausständig). Im Zeitpunkt der erkennungsdienstlichen Behandlung sei der Beschwerdeführer unter dringendem Verdacht gestanden, das Verbrechen nach § 28a Abs. 1 SMG begangen zu haben. Er sei im Jahr 2005 bereits einmal wegen eines Verdachts nach § 27 SMG von der Polizeiinspektion B*** zur Anzeige gebracht worden. Die auf Grund des damaligen Erkenntnisstandes über die Tat und unter Bedachtnahme auf die Persönlichkeit des Beschwerdeführers getroffene Prognoseentscheidung, eine erkennungsdienstliche Behandlung sei notwendig und geeignet, den Beschwerdeführer bei Begehung weiterer gefährlicher Angriffe wiederzuerkennen bzw. von weiteren gefährlichen Angriffen abzuhalten (§§ 65 Abs. 1, 67 Abs. 1 SPG), sei zulässig gewesen. Am 7. bzw. 27. August 2008 (Eingangsdatum der Datenschutzkommission) legte die Beschwerdegegnerin weiters Aktenkopien der PI G*** aus dem gegen den Beschwerdeführer geführten kriminalpolizeilichen Ermittlungsverfahren und einen Ausdruck der den Beschwerdeführer betreffenden Daten aus dem EKIS vor. Am 29. September 2008 wurde ergänzend eine Kopie des Abschlussberichts der PI G*** an die Staatsanwaltschaft Feldkirch betreffend das Ergebnis der Ermittlungen gegen den Beschwerdeführer vorgelegt.
Dem Beschwerdeführer wurde zu allen Ergebnissen des Ermittlungsverfahrens Parteiengehör gewährt. Er gab dazu am 9. September 2008 (Posteingang: 11. September 2008) eine Stellungnahme des Inhalts ab, das im Zeitpunkt der erkennungsdienstlichen Behandlung vorliegende Ermittlungsergebnis habe keinen dringenden Verdacht der Begehung eines „Verbrechens“ nach § 28a Abs. 1 SMG begründet. Gegen den Beschwerdeführer sei stets nur wegen eines Vergehens nach § 27 Abs. 2 SMG ermittelt worden (Besitz eines Suchtmittels – Cannabis – zum Eigengebrauch), was nach dem Gesetz kein gefährlicher Angriff sei. Es hätten keine konkreten Anhaltspunkte für einen gefährlichen Angriff oder die präventive Erforderlichkeit der erkennungsdienstlichen Behandlung bestanden. Die erfolgte Datenverarbeitung sei daher eine „exzessive Ausübung von Polizeibefugnissen“ und eine Verletzung des Geheimhaltungsrechts des Beschwerdeführers gewesen.
B. Beschwerdegegenstand
Auf Grund des Vorbringens des Beschwerdeführers ergibt sich, dass Beschwerdegegenstand die Frage ist, ob die Beschwerdegegnerin am 16. Mai 2008 und in weiterer Folge berechtigt war, erkennungsdienstliche Daten des Beschwerdeführers zu verarbeiten.
C. Sachverhaltsfeststellungen
Ausgehend vom Beschwerdegegenstand wird der folgende Sachverhalt festgestellt:
Der Beschwerdeführer geriet am 16. Mai 2008 gegen 19:30 Uhr bei einer Polizeikontrolle am Grenzübergang G*** unter Verdacht, Cannabisprodukte konsumiert zu haben. Er gab dies auch mündlich zu. Zwischen 21:39 und 21:50 Uhr am selben Tag wurde der Beschwerdeführer auf der PI G*** als Beschuldigter unter dem Verdacht des Vergehens nach § 27 Abs. 1 SMG einvernommen. Ihm wurde vorgehalten, bei einer freiwilligen Nachschau in der Wohnung seines Bruders Peter H*** sei eine so genannte „Indooranlage“ zur Aufzucht von Cannabispflanzen sichergestellt worden, er sei nun verdächtig, diese Anlage gemeinsam mit seinem Bruder betrieben zu haben. Der Beschwerdeführer machte von seinem Recht Gebrauch, zu den strafrechtlichen Vorwürfen keine Aussage zu machen.
Der Beschwerdeführer war im Zeitpunkt seiner Einvernahme und erkennungsdienstlichen Behandlung unbescholten. Im Zuge einer so genannten EKIS-Priorierung wurden jedoch zwei Vormerkungen ein und desselben Verdachtsfalls nach § 27 SMG wegen Besitzes und Konsums von Cannabiskraut bekannt (Strafanzeige der Polizeiinspektion B*** vom 20. Dezember 2005, GZ: B1/123**/05, einmal als „Suchtgiftinformation (Konsum)“ in der „Personeninformation“, einmal als Vormerkung im „Kriminalpolizeilichen Aktenindex“). In beiden Fällen enthielten die EKIS-Daten die Information, dass die Strafanzeige laut Mitteilung der Staatsanwaltschaft Innsbruck vom 19. Februar 2008, Zl. **4 BAZ 83*/05d-3, gemäß § 190 Abs. 1 StPO iVm § 38 Abs. 1 SMG endgültig zurückgelegt wurde.
Der Beschwerdeführer wurde noch am 16. Mai 2008 (um 22:11 Uhr auf dem Bezirkspolizeikommando) erkennungsdienstlich behandelt.
Zum Zeitpunkt der Einvernahme und erkennungsdienstlichen Behandlung des Beschwerdeführers war den ermittelnden Beamten die Aussage des Peter H*** bereits bekannt, der sich als alleiniger Besitzer besagter „Indooranlage“ erklärt und den Beschwerdeführer insofern belastet hatte, als er angab, der Beschwerdeführer habe gemeinsam mit ihm die von Peter H*** gewonnenen Cannabisprodukte konsumiert („mitgeraucht“).
Die erkennungsdienstliche Behandlung des Beschwerdeführers erfolgte auf Aufforderung durch die Polizeibeamten im Einverständnis mit dem Beschwerdeführer ohne Androhung oder Ausübung von Befehls- oder Zwangsgewalt. Ermittelt und anschließend im Informationsverbundsystem EKIS (zentrale erkennungsdienstliche Evidenz) verarbeitet wurden Finger- und Handflächenabdrücke, Lichtbilder (Gesichtsbild im Profil und en face) sowie ein mittels Mundhöhlenabstrich (MHA) gewonnenes DNA-Profil.
Beweiswürdigung: Diese Feststellungen beruhen auf dem Inhalt der von der Beschwerdegegnerin (auch zu DSK-Zl. K121.396) vorgelegten Aktenkopien, insbesondere dem Abschlussbericht gemäß § 100 Abs. 2 Z 4 StPO der PI G*** vom 22. September 2008 an die Staatsanwaltschaft Feldkirch über das gegen den Beschwerdeführer (und Peter H***) zu GZ: B5/891**/2008-** geführte Ermittlungsverfahren mit allen Beilagen, darunter insbesondere die Niederschrift über die Einvernahme des Beschwerdeführers vom 16. Mai 2008, GZ: B6/871**/2008-**. Die Feststellungen zur positiven EKIS-Priorierung des Beschwerdeführers zum Zeitpunkt der erkennungsdienstlichen Behandlung und zu den in weiterer Folge verarbeiteten Daten stützen sich auf die von der Beschwerdegegnerin mit ergänzender Stellungnahme vom 27. August 2008 vorgelegten EKIS-Ausdrucke.
D. In rechtlicher Hinsicht folgt daraus :
1. anzuwendende Rechtsvorschriften
Die Verfassungsbestimmung des § 1 Abs. 1 und 2 DSG 2000 lautet unter der Überschrift „Grundrecht auf Datenschutz“:
„ § 1 . (1) Jedermann hat, insbesondere auch im Hinblick auf die Achtung seines Privat- und Familienlebens, Anspruch auf Geheimhaltung der ihn betreffenden personenbezogenen Daten, soweit ein schutzwürdiges Interesse daran besteht. Das Bestehen eines solchen Interesses ist ausgeschlossen, wenn Daten infolge ihrer allgemeinen Verfügbarkeit oder wegen ihrer mangelnden Rückführbarkeit auf den Betroffenen einem Geheimhaltungsanspruch nicht zugänglich sind.
(2) Soweit die Verwendung von personenbezogenen Daten nicht im lebenswichtigen Interesse des Betroffenen oder mit seiner Zustimmung erfolgt, sind Beschränkungen des Anspruchs auf Geheimhaltung nur zur Wahrung überwiegender berechtigter Interessen eines anderen zulässig, und zwar bei Eingriffen einer staatlichen Behörde nur auf Grund von Gesetzen, die aus den in Art. 8 Abs. 2 der Europäischen Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (EMRK), BGBl. Nr. 210/1958, genannten Gründen notwendig sind. Derartige Gesetze dürfen die Verwendung von Daten, die ihrer Art nach besonders schutzwürdig sind, nur zur Wahrung wichtiger öffentlicher Interessen vorsehen und müssen gleichzeitig angemessene Garantien für den Schutz der Geheimhaltungsinteressen der Betroffenen festlegen. Auch im Falle zulässiger Beschränkungen darf der Eingriff in das Grundrecht jeweils nur in der gelindesten, zum Ziel führenden Art vorgenommen werden.“
§ 16 Abs. 2 SPG lautet unter der Überschrift „Allgemeine Gefahr; gefährlicher Angriff; Gefahrenerforschung“:
„ § 16 . (1) [...]
(2) Ein gefährlicher Angriff ist die Bedrohung eines Rechtsgutes durch die rechtswidrige Verwirklichung des Tatbestandes einer gerichtlich strafbaren Handlung, die vorsätzlich begangen und nicht bloß auf Begehren eines Beteiligten verfolgt wird, sofern es sich um einen Straftatbestand
Nr. 112/1997,
handelt, es sei denn um den Erwerb oder Besitz eines Suchtmittels zum eigenen Gebrauch.“
§ 65 SPG lautet unter der Überschrift „Erkennungsdienstliche Behandlung“:
„ § 65 . (1) Die Sicherheitsbehörden sind ermächtigt, einen Menschen, der im Verdacht steht, eine mit Strafe bedrohte Handlung begangen zu haben, erkennungsdienstlich zu behandeln, wenn er im Rahmen einer kriminellen Verbindung tätig wurde oder dies wegen der Art oder Ausführung der Tat oder der Persönlichkeit des Betroffenen zur Vorbeugung weiterer gefährlicher Angriffe erforderlich scheint.
(2) Die Sicherheitsbehörden sind ermächtigt, im Zusammenhang mit der Klärung der Umstände eines bestimmten gefährlichen Angriffes Menschen erkennungsdienstlich zu behandeln, wenn diese nicht im Verdacht stehen, den gefährlichen Angriff begangen zu haben, aber Gelegenheit hatten, Spuren zu hinterlassen, soweit dies zur Auswertung vorhandener Spuren notwendig ist.
(3) Die Sicherheitsbehörden sind ermächtigt, Menschen erkennungsdienstlich zu behandeln, deren Identität gemäß § 35 Abs. 1 Z 3 festgestellt werden muß und die über ihre Identität keine ausreichenden Aussagen machen wollen oder können, sofern eine Anknüpfung an andere Umstände nicht möglich ist oder unverhältnismäßig wäre.
(4) Wer erkennungsdienstlich zu behandeln ist, hat an den dafür erforderlichen Handlungen mitzuwirken.
(5) Die Sicherheitsbehörden haben jeden, den sie erkennungsdienstlich behandeln, schriftlich darüber in Kenntnis zu setzen, wie lange erkennungsdienstliche Daten aufbewahrt werden und welche Möglichkeiten vorzeitiger Löschung (§§ 73 und 74) bestehen. In den Fällen des § 75 Abs. 1 letzter Satz ist der Betroffene über die Verarbeitung seiner Daten in einer den Umständen entsprechenden Weise in Kenntnis zu setzen.
(6) Die Sicherheitsbehörden sind ermächtigt, Namen, Geschlecht, frühere Namen, Geburtsdatum, Geburtsort, Staatsangehörigkeit, Namen der Eltern, Ausstellungsbehörde, Ausstellungsdatum und Nummer mitgeführter Dokumente, allfällige Hinweise über die Gefährlichkeit beim Einschreiten einschließlich sensibler Daten, soweit deren Verwendung zur Wahrung lebenswichtiger Interessen anderer notwendig ist und Aliasdaten eines Menschen (erkennungsdienstliche Identitätsdaten), den sie erkennungsdienstlich behandelt haben, zu ermitteln und zusammen mit den erkennungsdienstlichen Daten und mit dem für die Ermittlung maßgeblichen Grund zu verarbeiten. In den Fällen des Abs. 1 sind die Sicherheitsbehörden ermächtigt, eine Personsfeststellung vorzunehmen.“
§ 67 Abs. 1 SPG lautet unter der Überschrift „DNA-Untersuchungen“:
„ § 67 . (1) Die DNA eines Menschen darf im Rahmen seiner erkennungsdienstlichen Behandlung ermittelt werden, wenn der Betroffene in Verdacht steht, einen gefährlichen Angriff begangen zu haben, und wenn in Hinblick auf diese Tat oder die Persönlichkeit des Betroffenen erwartet werden kann, dieser werde bei Begehung weiterer gefährlicher Angriffe Spuren hinterlassen, die seine Wiedererkennung auf Grund der ermittelten genetischen Information ermöglichen würden. Eine erkennungsdienstliche Behandlung nach § 65 Abs. 2 darf auch in Bezug auf die DNA von Menschen erfolgen, soweit dies zur Auswertung vorhandener DNA-Spuren erforderlich ist.“
§ 90 SPG lautete unter der Überschrift „Beschwerden wegen Verletzung der Bestimmungen über den Datenschutz“:
„§ 90. Die Datenschutzkommission entscheidet gemäß § 31 des Datenschutzgesetzes 2000 über Beschwerden wegen Verletzung von Rechten durch Verwenden personenbezogener Daten in Angelegenheiten der Sicherheitsverwaltung entgegen den Bestimmungen des Datenschutzgesetzes. Davon ausgenommen ist die Beurteilung der Rechtmäßigkeit der Ermittlung von Daten durch die Ausübung verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt.“
§ 27 SMG lautet unter der Überschrift „Unerlaubter Umgang mit Suchtgiften“
„ § 27 . (1) Wer vorschriftswidrig
(2) Wer jedoch die Straftat ausschließlich zum persönlichen Gebrauch begeht, ist mit Freiheitsstrafe bis zu sechs Monaten oder mit Geldstrafe bis zu 360 Tagessätzen zu bestrafen.
(3) Mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren ist zu bestrafen, wer eine Straftat nach Abs. 1 Z 1 oder 2 gewerbsmäßig begeht.
(4) Mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren ist zu bestrafen, wer
(5) Wer jedoch an Suchtmittel gewöhnt ist und eine Straftat nach Abs. 3 oder Abs. 4 Z 2 vorwiegend deshalb begeht, um sich für seinen persönlichen Gebrauch Suchtmittel oder Mittel zu deren Erwerb zu verschaffen, ist nur mit Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr zu bestrafen.“
2. rechtliche Schlussfolgerungen
a) zur Zuständigkeitsfrage
Im Sinne der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs (Erkenntnis vom 19. September 2006, Zl. 2005/06/0018) wurde ermittelt, ob gegen den Beschwerdeführer anlässlich der Ermittlung erkennungsdienstlicher Daten Befehls- oder Zwangsgewalt ausgeübt oder ihm die Ausübung solcher zumindest angedroht worden ist. Diesbezüglich liegt kein Vorbringen und kein in diese Richtung deutendes Ermittlungsergebnis vor. Die Zuständigkeit der Datenschutzkommission, über die vorliegende Beschwerde zu entscheiden, ist daher gemäß § 90 SPG gegeben.
b) in der Sache selbst
Im Erkenntnis vom 19. September 2006, Zl. 2005/06/0018, fasst der Verwaltungsgerichtshof seine Auslegung von § 65 Abs. 1 SPG folgendermaßen zusammen:
„Für die Zulässigkeit einer erkennungsdienstlichen Behandlung nach § 65 Abs. 1 SPG in der Fassung der SPG-Novelle 2002 ist es erforderlich, dass eine konkrete fallbezogene Prognose getroffen wird. Dabei hat sich die Behörde mit den Einzelheiten des von ihr im Sinne der ersten Voraussetzung des § 65 Abs. 1 SPG angenommenen Verdachtes, mit den daraus unter Bedachtnahme auf die Persönlichkeit des Betroffenen zu ziehenden Schlüssen hinsichtlich der Wahrscheinlichkeit, dass er gefährliche Angriffe begehen werde, und mit der Frage des daraus abzuleitenden Erfordernisses einer "Vorbeugung" durch eine erkennungsdienstliche Behandlung auseinander zu setzen (vgl dazu das hg Erkenntnis vom 17. September 2002, Zl 2002/01/0320). Im Rahmen dieser so anzustellenden Überlegungen wird es - wie der neue Wortlaut des § 65 Abs. 1 SPG ausdrücklich klarstellt - immer auch auf die Art des Deliktes, dessen der Betroffene verdächtig ist, ankommen. Dass (auch) die aktuelle Textierung des § 65 SPG eine rein abstrakte Betrachtungsweise verbietet, steht insoweit mit den Erläuterungen der Regierungsvorlage zur SPG-Novelle 2002 (1138 BlgNR 21. GP 33) im Einklang, als dort neben der Art des begangenen Delikts die konkreten Umstände bei der Tatbegehung als Maßstab für die Beurteilung der Wahrscheinlichkeit der Begehung weiterer gefährlicher Angriffe als Parameter genannt werden.“
Wie aus der Betonung des Begriffs der „Prognose“ und des Zeitpunktes in der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofs zu folgern ist (vgl. etwa VwSlg 14879 A/1998, wo auf den Zeitpunkt der Verwirklichung des Tatbildes einer gerichtlich strafbaren Handlung abgestellt ist, für den die Zulässigkeit der erkennungsdienstlichen Behandlung zu beurteilen ist), muss vom Stand des Sachverhalts und vom zur Verfügung stehenden Wissen über den Beschwerdeführer im Zeitpunkt der erkennungsdienstlichen Behandlung ausgegangen werden, um die Voraussetzungen für diese faktische Amtshandlung zu beurteilen. Weiters kommt es auf die sich in der rechtswidrigen Verwirklichung eines entsprechenden Tatbildes manifestierende Gefährlichkeit der betreffenden Person an, während weitere Voraussetzungen der gerichtlichen Strafbarkeit außer Betracht zu bleiben haben (VwSlg 14879 A/1998).
Im Beschwerdefall stand im Zeitpunkt der erkennungsdienstlichen Behandlung lediglich fest, dass der Beschwerdeführer begründet (auf Grund vorläufigen mündlichen Geständnisses und eines positiven Schweißtestes auf THC) verdächtigt wurde, Suchgift in einer nicht präzise feststehenden Menge besessen und konsumiert zu haben. Gegen den Beschwerdeführer wurde zwar nominell wegen des Verdachts des Vergehens nach § 27 Abs. 1 SMG ermittelt, die im Zeitpunkt der erkennungsdienstlichen Behandlung vorliegenden Ermittlungsergebnisse (laut Aussage seines Bruders Peter H*** habe der Beschwerdeführer „mitgeraucht“, das heißt Suchtgift zum eigenen Gebrauch von ihm erworben und konsumiert) stützen allerdings nur den Verdacht der privilegierten Tatbegehungsform nach § 27 Abs. 2 SMG.
Damit kam dem Beschwerdeführer die Ausnahmebestimmung des § 16 Abs. 2 letzter Halbsatz SPG zu gute. Der Beschwerdeführer war damit bei richtiger Würdigung der Ermittlungsergebnisse zwar einer strafbaren, vorsätzlichen Handlung, aber keines gefährlichen Angriffs nach § 16 Abs. 2 Z 4 SPG verdächtig.
Auf dieser Grundlage war eine konkrete, fallbezogene Prognoseentscheidung, der Beschwerdeführer müsse durch die Ermittlung erkennungsdienstlicher Daten von weiteren gefährlichen Angriffen abgehalten werden, nicht zu treffen. Der Wortlaut von § 65 Abs. 1 SPG lässt als Anlassfall zwar den Verdacht, „eine mit Strafe bedrohte Handlung begangen zu haben“, genügen, aus dem logisch-systematischen Zusammenhang (arg „weiteren“) ist jedoch zu folgern, dass damit nicht jede gerichtlich strafbare Handlung (und schon gar nicht eine Verwaltungsübertretung, die dem Wortlaut nach ebenfalls eine „mit Strafe bedrohte Handlung“ wäre) gemeint sein kann, sondern nur die in § 16 Abs. 2 SPG als „gefährliche Angriffe“ qualifizierten gerichtlich strafbaren Vorsatztaten. Daraus folgt, dass aus dem Verdacht des Besitzes eines Suchtgiftes für den Eigengebrauch kein Präventionsbedarf hinsichtlich weiterer gefährlicher Angriffe abgeleitet werden kann, da dieses Delikt kraft gesetzlicher Definition schon rein begrifflich kein gefährlicher Angriff sein kann , dem weitere folgen könnten.
Die Ermittlung erkennungsdienstlicher Daten war somit unzulässig, und der Beschwerdeführer wurde durch sie spruchgemäß in seinem Grundrecht auf Geheimhaltung personenbezogener Daten verletzt.
Da § 67 Abs. 1 SPG (DNA-Untersuchung) einen strenger eingegrenzten Spezialfall der erkennungsdienstlichen Behandlung bildet, muss auf die besonderen tatbestandsmäßigen Voraussetzungen für diesen Grundrechtseingriff nicht näher eingegangen werden, da bereits die Voraussetzungen nach § 65 Abs. 1 SPG nicht gegeben waren.
Der Beschwerde war daher vollinhaltlich stattzugeben.