K121.536/0012-DSK/2009 – Datenschutzkommission Entscheidung
Text
[Anmerkung Bearbeiter: Namen (Firmen), (Internet )Adressen, Aktenzahlen (und dergleichen), Rechtsformen und Produktbezeichnungen etc. sowie deren Initialen und Abkürzungen können aus Anonymisierungsgründen abgekürzt und/oder verändert sein. Offenkundige Rechtschreib-, Grammatik- und Satzzeichenfehler wurden korrigiert.]
B E S C H E I D
Die Datenschutzkommission hat unter dem Vorsitz von Dr. SPENLING und in Anwesenheit der Mitglieder Dr. STAUDIGL, Mag. HUTTERER, Dr. SOUHRADA-KIRCHMAYER, Mag. ZIMMER und Mag. MAITZ-STRASSNIG sowie des Schriftführers Mag. SUDA in ihrer Sitzung vom 27. November 2009 folgenden Beschluss gefasst:
S p r u c h
Über die Beschwerde des Hubert K*** (Beschwerdeführer) aus Wien, vertreten durch die Ä*** Rechtsanwaltspartnerschaft in 0000 S***, vom 4. Juni 2009 gegen die Bundespolizeidirektion Wien (Beschwerdegegnerin) wegen Verletzung im Recht auf Geheimhaltung in Folge erkennungsdienstlicher Behandlung am 30. Oktober 2008 wird entschieden:
- Der B e s c h w e r d e wird s t a t t g e g e b e n u n d f e s t g e s t e l l t, dass die Beschwerdegegnerin den Beschwerdeführer durch die Verarbeitung (Ermittlung und Speicherung) erkennungsdienstlicher Daten in der zentralen Informationssammlung der Sicherheitsbehörden vom 30. Oktober 2008 bis zum
29. Juli 2009 in seinem R e c h t a u f G e h e i m –
h a l t u n g personenbezogener Daten v e r l e t z t hat.
Rechtsgrundlagen: §§ 1 Abs. 1 und 2 sowie 31 Abs. 2 des Datenschutzgesetzes 2000 (DSG 2000), BGBl I Nr. 165/1999 idgF, iVm §§ 16 Abs. 2, 65 Abs. 1 und 90 des Sicherheitspolizeigesetzes (SPG), BGBl. Nr. 566/1991 idgF.
B e g r ü n d u n g
A. Vorbringen der Parteien
Der Beschwerdeführer behauptet in seiner mit 4. Juni 2009 datierten und am 8. Juni 2009 bei der Datenschutzkommission eingegangenen Beschwerde eine Verletzung im Recht auf Geheimhaltung dadurch, dass er am 30. Oktober 2008 auf Veranlassung der Beschwerdegegnerin als Sicherheitsbehörde erster Instanz einer erkennungsdienstlichen Behandlung (kurz: ED-Behandlung, laut Beschwerdeschrift bestehend jedenfalls aus der Abnahme aller Fingerabdrücke und eines Mundhöhlenabstrichs zur Gewinnung einer DNA-Probe) unterzogen worden sei, nachdem er am Vortag beim Kauf eines Gramms Marihuana von der Kriminalpolizei betreten, angehalten und als Beschuldigter einvernommen worden sei. Die ED-Behandlung sei ohne unmittelbare Anwendung oder Androhung von Befehls- oder Zwangsgewalt erfolgt, allerdings sei ihm am Vortag angekündigt worden, falls er nicht zum angegebenen Termin erscheine, „werde er von der Polizei abgeholt“.
Die Beschwerdegegnerin brachte, von der Datenschutzkommission entsprechend aufgefordert, mit Stellungnahme vom 1. Juli 2009 vor, der Beschwerdeführer sei am 29. Oktober 2008 von der Einsatzgruppe Suchtgift des Landeskriminalamts (LKA) Wien beim Kauf eines Säckchens Marihuana betreten worden. In der anschließenden Einvernahme habe er sich geständig gezeigt und einer ED-Behandlung (mit Ausnahme einer DNA-Untersuchung) zugestimmt. Diese sei auch durchgeführt und entsprechende Daten im EKIS/Erkennungsdienstliche Evidenz gespeichert worden. Nach Abschluss der kriminalpolizeilichen Ermittlungen sei der Beschwerdeführer bei der Staatsanwaltschaft Wien wegen Verdachts nach § 27 Abs. 2 SMG zur Anzeige gebracht worden. Am 24. März 2009 sei die Verständigung der Staatsanwaltschaft vom vorläufigen Rücktritt von der Verfolgung gemäß § 35 SMG eingelangt. Die ED-Behandlung sei zu Recht erfolgt, da auch ohne Verurteilung der Tatbestand einer mit gerichtlicher Strafe bedrohten Handlung verwirklicht und somit ein gefährlicher Angriff gesetzt worden sei. Der Beschwerdeführer sei bereits einmal, wenn auch vor mehreren Jahren, im EKIS einschlägig vorgemerkt worden. Somit sei die Annahme einer Rückfallsgefahr und des entsprechenden Präventionsbedarfs zulässig gewesen. Ein Antrag auf Löschung der erkennungsdienstlichen Daten sei im Übrigen bisher nicht gestellt worden. Unter einem legte die Beschwerdegegnerin Kopien aus den Akten des kriminalpolizeilichen Ermittlungsverfahrens als Beweismittel vor.
Der Beschwerdeführer replizierte darauf in seiner Äußerung vom 9. Juli 2009, die Tatsache, dass ihn betreffend – allem Anschein nach unrechtmäßig – Daten im EKIS verarbeitet würden, erlaube der Beschwerdegegnerin nicht den gesetzmäßigen Schluss auf das Vorliegen einer Rückfallsgefahr. Auch behaupte die Beschwerdegegnerin nicht, dass der Anlass der früheren Datenverarbeitung im Jahr 1998 etwas anderes gewesen sei als der Verdacht des Erwerbes und Besitzes geringerer Cannabismengen für den Eigengebrauch. Die Beschwerde bleibe daher aufrecht.
Am 6. August 2009 teilte der Beschwerdeführer unter Anschluss einer Bescheidkopie mit, dass die Sicherheitsdirektion Oberösterreich am 29. Juli 2009 einem Antrag auf Löschung der erkennungsdienstlichen Daten, die 1998 verarbeitet worden waren, nunmehr stattgegeben habe.
Am 13. August 2009 ergänzte die Beschwerdegegnerin ihr Vorbringen um die Mitteilung, dass einem Löschungsantrag des Beschwerdeführers hinsichtlich der am 30. Oktober 2008 ermittelten Daten, der erst nach Beschwerdeerhebung eingebracht wurde, nunmehr faktisch entsprochen, die Datenlöschung vollzogen und der Beschwerdeführer entsprechend verständigt worden sei.
Der Beschwerdeführer hat sich zu letzterer Änderung des Sachverhalts nach ergänzendem Parteiengehör nicht mehr geäußert.
B. Beschwerdegegenstand
Auf Grund des Vorbringens des Beschwerdeführers ergibt sich, dass Beschwerdegegenstand die Frage ist, ob die Beschwerdegegnerin berechtigt war, ED-Daten des Beschwerdeführers zu verarbeiten, nämlich am 30. Oktober 2008 durch ED-Behandlung zu ermitteln und bis zum 29. Juli 2009 in der zentralen Informationssammlung der Sicherheitsbehörden (EKIS) zu speichern.
C. Sachverhaltsfeststellungen
Ausgehend vom Beschwerdegegenstand wird der folgende Sachverhalt festgestellt:
Der Beschwerdeführer wurde am 29. Oktober 2008 von Beamten der Kriminalpolizei (Landeskriminalamt Wien, Einsatzgruppe Suchtgift) gegen 22:35 Uhr dabei betreten, wie er von Ignaz R*** am Donaukanalufer bei der Augartenbrücke in 1020 Wien ein Päckchen Marihuana (Bruttomenge: 1 Gramm) gegen Entgelt für den Eigengebrauch zum Preis von zehn Euro erwarb. Der Beschwerdeführer wurde durch die Kriminalpolizei durchsucht, das Suchtgift sichergestellt, und er noch am selben Abend von 23:09 Uhr bis 23:30 Uhr als Beschuldigter (Verdacht nach § 27 Abs. 2 SMG) in den Amtsräumen der Einsatzgruppe Suchgift in **** Wien, ***straße 0, niederschriftlich einvernommen. Der Beschwerdeführer war in der Sache geständig. Er widersprach niederschriftlich zu Protokoll einer einvernehmlichen ED-Behandlung, soweit die Ermittlung von DNA-Daten vorgesehen war, stimmte aber einer Abnahme der Fingerabdrücke und der Anfertigung von Lichtbildern zu. In diesem Umfang wurde der Beschwerdeführer am 30. Oktober 2008 erkennungsdienstlich behandelt (EDV-Zl. 00.****.000, AFIS-Zl. **0000**, Dasta-Zlen. L****/00 (N), X*****/0* (B)). Der Beschwerdeführer war zu diesem Zeitpunkt unbescholten und in keiner Weise polizeilich vorgemerkt (Strafregister-, PI- und KPA-Abfrage im EKIS negativ). Lediglich aus der erkennungsdienstlichen Evidenz in der zentralen Informationssammlung der Sicherheitsbehörden ging hervor, dass der Beschwerdeführer am 2. Februar 1998 auf dem Gendarmerieposten L***, Oberösterreich, wegen eines Verdachts nach § 27 SMG erkennungsdienstlich behandelt worden war, und Abdrücke seiner zehn Finger sowie zwei Lichtbilder (Profil und en face) bereits verarbeitet waren.
Die den Beschwerdeführer betreffenden ED-Daten wurden am 29. Juli 2009 auf Antrag des Beschwerdeführers und Anordnung der Beschwerdegegnerin als Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien gemäß § 74 Abs. 1 SPG gelöscht und der Beschwerdeführer entsprechend verständigt, während parallel auch die Sicherheitsdirektion Oberösterreich mit Bescheid vom 29. Juli 2009, Zl. E1/*****/0*, die Löschung der im Jahr 1998 verarbeiteten ED-Daten anordnete.
Beweiswürdigung: Diese Feststellungen beruhen auf dem Inhalt der in Kopie mit der Stellungnahme der Beschwerdegegnerin von 1. Juli 2009, GZ: P*/*****/0/20**, vorgelegten Akten des kriminalpolizeilichen Ermittlungsverfahrens gegen den Beschwerdeführer, GZ: B*/*****/20** so wie auf den zitierten, der Datenschutzkommission in Kopie vorliegenden öffentlichen Urkunden (Bescheide, amtlichen Erledigungen).
D. In rechtlicher Hinsicht folgt daraus:
1. anzuwendende Rechtsvorschriften
Die Verfassungsbestimmung § 1 Abs. 1 und 2 DSG 2000 lautet samt Überschrift:
„Grundrecht auf Datenschutz
§1. (1) Jedermann hat, insbesondere auch im Hinblick auf die Achtung seines Privat- und Familienlebens, Anspruch auf Geheimhaltung der ihn betreffenden personenbezogenen Daten, soweit ein schutzwürdiges Interesse daran besteht. Das Bestehen eines solchen Interesses ist ausgeschlossen, wenn Daten infolge ihrer allgemeinen Verfügbarkeit oder wegen ihrer mangelnden Rückführbarkeit auf den Betroffenen einem Geheimhaltungsanspruch nicht zugänglich sind.
(2) Soweit die Verwendung von personenbezogenen Daten nicht im lebenswichtigen Interesse des Betroffenen oder mit seiner Zustimmung erfolgt, sind Beschränkungen des Anspruchs auf Geheimhaltung nur zur Wahrung überwiegender berechtigter Interessen eines anderen zulässig, und zwar bei Eingriffen einer staatlichen Behörde nur auf Grund von Gesetzen, die aus den in Art. 8 Abs. 2 der Europäischen Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (EMRK), BGBl. Nr. 210/1958, genannten Gründen notwendig sind. Derartige Gesetze dürfen die Verwendung von Daten, die ihrer Art nach besonders schutzwürdig sind, nur zur Wahrung wichtiger öffentlicher Interessen vorsehen und müssen gleichzeitig angemessene Garantien für den Schutz der Geheimhaltungsinteressen der Betroffenen festlegen. Auch im Falle zulässiger Beschränkungen darf der Eingriff in das Grundrecht jeweils nur in der gelindesten, zum Ziel führenden Art vorgenommen werden.“
§ 16 Abs. 2 SPG lautet samt Überschrift (Unterstreichung durch die Datenschutzkommission):
„Allgemeine Gefahr; gefährlicher Angriff;
Gefahrenerforschung
§16. (1) […]
(2) Ein gefährlicher Angriff ist die Bedrohung eines Rechtsgutes durch die rechtswidrige Verwirklichung des Tatbestandes einer gerichtlich strafbaren Handlung, die vorsätzlich begangen und nicht bloß auf Begehren eines Beteiligten verfolgt wird, sofern es sich um einen Straftatbestand
nach dem Strafgesetzbuch (StGB), BGBl. Nr. 60/1974, ausgenommen die Tatbestände nach den §§ 278, 278a und 278b StGB, oder
1. nach dem Verbotsgesetz, StGBl. Nr. 13/1945, oder
§ 65 Abs. 1 SPG idF BGBl. I Nr. 114/2007 lautet samt Überschrift:
„Erkennungsdienstliche Behandlung
§ 65. (1) Die Sicherheitsbehörden sind ermächtigt, einen Menschen, der im Verdacht steht, eine mit Strafe bedrohte Handlung begangen zu haben, erkennungsdienstlich zu behandeln, wenn er im Rahmen einer kriminellen Verbindung tätig wurde oder dies wegen der Art oder Ausführung der Tat oder der Persönlichkeit des Betroffenen zur Vorbeugung weiterer gefährlicher Angriffe erforderlich scheint.“
§ 90 SPG lautete samt Überschrift:
„„Beschwerden wegen Verletzung der Bestimmungen
über den Datenschutz
§ 90. Die Datenschutzkommission entscheidet gemäß § 31 des Datenschutzgesetzes 2000 über Beschwerden wegen Verletzung von Rechten durch Verwenden personenbezogener Daten in Angelegenheiten der Sicherheitsverwaltung entgegen den Bestimmungen des Datenschutzgesetzes. Davon ausgenommen ist die Beurteilung der Rechtmäßigkeit der Ermittlung von Daten durch die Ausübung verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt.“
§ 27 SMG lautet samt Überschrift
„Unerlaubter Umgang mit Suchtgiften
§27. (1) Wer vorschriftswidrig
ist mit Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder mit Geldstrafe bis zu 360 Tagessätzen zu bestrafen.
(2) Wer jedoch die Straftat ausschließlich zum persönlichen Gebrauch begeht, ist mit Freiheitsstrafe bis zu sechs Monaten oder mit Geldstrafe bis zu 360 Tagessätzen zu bestrafen.
(3) Mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren ist zu bestrafen, wer eine Straftat nach Abs. 1 Z 1 oder 2 gewerbsmäßig begeht
(4) Mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren ist zu bestrafen, wer
(5) Wer jedoch an Suchtmittel gewöhnt ist und eine Straftat nach Abs. 3 oder Abs. 4 Z 2 vorwiegend deshalb begeht, um sich für seinen persönlichen Gebrauch Suchtmittel oder Mittel zu deren Erwerb zu verschaffen, ist nur mit Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr zu bestrafen.“
2. rechtliche Schlussfolgerungen
a) zur Zuständigkeitsfrage
Im Sinne der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs (Erkenntnis vom 19. September 2006, Zl. 2005/06/0018) wurde ermittelt, ob gegen den Beschwerdeführer anlässlich der Ermittlung erkennungsdienstlicher Daten Befehls- oder Zwangsgewalt ausgeübt oder ihm die Ausübung solcher zumindest angedroht worden ist. Zwar hat der Beschwerdeführer angegeben, dass ihm von einem Polizisten erklärt worden sei, er werde, falls er nicht am nächsten Tag zur ED-Behandlung erscheine, von der Polizei abgeholt, eine Ausübung unmittelbarer Befehls- und Zwangsgewalt gegen den Beschwerdeführer kann darin jedoch noch nicht erblickt werden. Die Zuständigkeit der Datenschutzkommission, über die vorliegende Beschwerde zu entscheiden, ist daher gemäß § 90 SPG gegeben.
b) in der Sache selbst wegen Geheimhaltung
Im Erkenntnis vom 19. September 2006, Zl. 2005/06/0018, fasst der Verwaltungsgerichtshof seine Auslegung von § 65 Abs. 1 SPG folgendermaßen zusammen:
„Für die Zulässigkeit einer erkennungsdienstlichen Behandlung nach § 65 Abs. 1 SPG in der Fassung der SPG-Novelle 2002 ist es erforderlich, dass eine konkrete fallbezogene Prognose getroffen wird. Dabei hat sich die Behörde mit den Einzelheiten des von ihr im Sinne der ersten Voraussetzung des § 65 Abs. 1 SPG angenommenen Verdachtes, mit den daraus unter Bedachtnahme auf die Persönlichkeit des Betroffenen zu ziehenden Schlüssen hinsichtlich der Wahrscheinlichkeit, dass er gefährliche Angriffe begehen werde, und mit der Frage des daraus abzuleitenden Erfordernisses einer "Vorbeugung" durch eine erkennungsdienstliche Behandlung auseinander zu setzen (vgl dazu das hg Erkenntnis vom 17. September 2002, Zl 2002/01/0320). Im Rahmen dieser so anzustellenden Überlegungen wird es - wie der neue Wortlaut des § 65 Abs. 1 SPG ausdrücklich klarstellt - immer auch auf die Art des Deliktes, dessen der Betroffene verdächtig ist, ankommen. Dass (auch) die aktuelle Textierung des § 65 SPG eine rein abstrakte Betrachtungsweise verbietet, steht insoweit mit den Erläuterungen der Regierungsvorlage zur SPG-Novelle 2002 (1138 BlgNR 21. GP 33) im Einklang, als dort neben der Art des begangenen Delikts die konkreten Umstände bei der Tatbegehung als Maßstab für die Beurteilung der Wahrscheinlichkeit der Begehung weiterer gefährlicher Angriffe als Parameter genannt werden.“
Wie aus der Betonung des Begriffs der „Prognose“ in der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofs zu folgern ist (vgl. etwa VwSlg 14879 A/1998, wo auf den Zeitpunkt der Verwirklichung des Tatbildes einer gerichtlich strafbaren Handlung abgestellt ist, für den die Zulässigkeit der erkennungsdienstlichen Behandlung zu beurteilen ist), muss vom Stand des Sachverhalts und vom zur Verfügung stehenden Wissen über den Beschwerdeführer im Zeitpunkt der erkennungsdienstlichen Behandlung ausgegangen werden, um die Voraussetzungen für diese faktische Amtshandlung zu beurteilen. Weiters kommt es auf die sich in der rechtswidrigen Verwirklichung eines entsprechenden Tatbildes manifestierende Gefährlichkeit der betreffenden Person an, während weitere Voraussetzungen der gerichtlichen Strafbarkeit außer Betracht zu bleiben haben (VwSlg 14879 A/1998).
Auch angesichts der geringfügigen Änderung in der Textierung von § 65 Abs. 1 SPG (Ersatz der Wortfolge „sonst auf Grund von Umständen in der Person des Betroffenen oder nach der Art der begangenen mit Strafe bedrohten Handlung“ durch „sonst wegen der Art oder Ausführung der Tat oder der Persönlichkeit des Betroffenen“) durch BGBl. I Nr. 114/2007 seit 1. Jänner 2008 ist jedenfalls grundsätzlich weiterhin eine Prognoseentscheidung geboten, die darauf abzustellen hat, ob das Mittel der erkennungsdienstlichen Behandlung zur Prävention weiterer gefährlicher Angriffe des Betroffenen erforderlich scheint.
Bei richtiger Würdigung der im Zeitpunkt der erkennungsdienstlichen Behandlung vorliegenden Ergebnisse des Ermittlungsverfahrens gegen den Beschwerdeführer hätte die Beschwerdegegnerin als Sicherheitsbehörde bzw. hätten die in Vollziehung des SPG als ihre Organe handelnden Beamten der Bundespolizei nicht davon ausgehen dürfen, dass der Beschwerdeführer eines gefährlichen Angriffs im sicherheitspolizeilichen Sinne verdächtig war.
Da der Beschwerdeführer auf Grund der Ergebnisse der Ermittlungen nur des entgeltlichen Erwerbs und Besitzes von einem Gramm Marihuana verdächtigt wurde, lag gegen den Beschwerdeführer kein über den Besitz von Suchtgift in kleiner Menge hinausreichender Anfangsverdacht vor. Dieser Verdacht war durch das glaubwürdige Geständnis des Beschwerdeführers am 29. Oktober 2008 zusätzlich erhärtet. Damit stand der Beschwerdeführer bei richtiger Würdigung des Sachverhalts im Verdacht der privilegierten Tatbegehungsform nach § 27 Abs. 1 Z 1 und Abs. 2 SMG.
Damit kam dem Beschwerdeführer aber die Ausnahmebestimmung des § 16 Abs. 2 letzter Halbsatz SPG zugute. Der Beschwerdeführer war bei richtiger Würdigung der Ermittlungsergebnisse zwar einer strafbaren, vorsätzlichen Handlung aber keines gefährlichen Angriffs nach § 16 Abs. 2 Z 4 SPG verdächtig.
Auf dieser Grundlage war eine konkrete, fallbezogene Prognoseentscheidung, der Beschwerdeführer müsse durch die Ermittlung erkennungsdienstlicher Daten von weiteren gefährlichen Angriffen abgehalten werden, nicht zu treffen. Der Wortlaut von § 65 Abs. 1 SPG lässt als Anlassfall zwar den Verdacht, „eine mit Strafe bedrohte Handlung begangen zu haben“, genügen, aus dem logisch-systematischen Zusammenhang (arg „weiteren“) ist jedoch zu folgern, dass damit nicht jede gerichtlich strafbare Handlung (und schon gar nicht eine Verwaltungsübertretung, die dem Wortlaut nach ebenfalls eine „mit Strafe bedrohte Handlung“ wäre) gemeint sein kann, sondern nur die in § 16 Abs. 2 SPG als „gefährliche Angriffe“ qualifizierten gerichtlich strafbaren Vorsatztaten. Daraus folgt, dass aus dem Verdacht des Besitzes eines Suchtgiftes für den Eigengebrauch kein Präventionsbedarf hinsichtlich weiterer gefährlicher Angriffe abgeleitet werden kann, da dieses Delikt kraft gesetzlicher Definition schon rein begrifflich kein gefährlicher Angriff sein kann, dem weitere folgen könnten (Bescheid der Datenschutzkommission vom 14. November 2008, GZ: K121.397/0015-DSK/2008, RIS).
Die Ermittlung erkennungsdienstlicher Daten war somit unzulässig, und der Beschwerdeführer wurde durch sie spruchgemäß in seinem Grundrecht auf Geheimhaltung personenbezogener Daten verletzt.