JudikaturDSB

K121.052/0002-DSK/2006 – Datenschutzkommission Entscheidung

Entscheidung
17. Januar 2006

Text

[Anmerkung Bearbeiter: Namen (Firmen), (Internet )Adressen, Aktenzahlen (und dergleichen), Rechtsformen und Produktbezeichnungen etc. sowie deren Initialen und Abkürzungen können aus Anonymisierungsgründen abgekürzt und/oder verändert sein.]

[Anmerkung Bearbeiter: verbunden mit dieser Sache wurde erledigt: GZ: K121.053/0002-DSK/2006]

B E S C H E I D

Die Datenschutzkommission hat unter dem Vorsitz von Dr. SPENLING und in Anwesenheit der Mitglieder Dr. BLAHA, Dr. HEISSENBERGER, Dr. KOTSCHY, Dr. ROSENMAYR-KLEMENZ und Mag. ZIMMER sowie des Schriftführers Mag. SUDA in ihrer Sitzung vom 17. Jänner 2006 folgenden Beschluss gefasst:

S p r u c h

Über die gemäß § 39 Abs. 2 des Allgemeinen Verwaltungsverfahrensgesetzes 1991 (AVG), BGBl Nr. 51/1991 idF BGBl I Nr. 10/2004, zur gemeinsamen Entscheidung verbundenen Beschwerden des Ö*** in M*** (Beschwerdeführer) vom 1. bzw. 12. Juli 2005 gegen das Bundesministerium für Inneres in Wien (Beschwerdegegner) wegen Verletzung im Recht auf Geheimhaltung durch Weitergabe von personenbezogenen Daten im Rahmen von Einvernahmen wird gemäß § 1 Abs. 5 des Datenschutzgesetzes 2000 (DSG 2000), BGBl I Nr. 165/1999 idF BGBl I Nr. 13/2005, entschieden:

Den Beschwerden wird, soweit sie nach der teilweisen Zurückziehung vom 24. Dezember 2005 noch aufrecht sind, Folge gegeben und festgestellt, dass der Beschwerdegegner den Beschwerdeführer jeweils durch die Bekanntgabe des Umstandes, dass gegen den Beschwerdeführer wegen des Verdachtes von Verbrechen nach den §§ 146, 147, 148, 177 und 302 StGB Ermittlungen durchgeführt werden,

gemäß § 1 Abs. 1 und 2 DSG 2000 iVm den §§ 87 Abs. 1 und 88 Abs.1 und 3 der Strafprozessordnung 1975 (StPO), BGBl Nr. 631/1975 idF BGBl I Nr. 164/2004 im Recht auf Geheimhaltung verletzt hat.

B e g r ü n d u n g:

Der Beschwerdeführer behauptete zunächst Verletzungen im Recht auf Geheimhaltung jeweils dadurch, dass der Beschwerdegegner 48 namentlich bezeichneten Personen mitgeteilt habe, dass gegen den Beschwerdeführer wegen des Verdachts von Verbrechen Ermittlungen durchgeführt werden. Damit seien Daten über den Verdacht von strafbaren Handlungen weitergegeben worden. Weiters behauptete er in einigen Fällen eine Verletzung im Recht auf Geheimhaltung durch den Beschwerdegegner zusätzlich dadurch, dass letzterer E-Mail-Verkehr des Beschwerdeführers den jeweils konkret bezeichneten Personen vorgelegt habe.

Mit Schriftsatz vom 24. Dezember 2005 zog der Beschwerdeführer die Beschwerden mit Ausnahme der drei im Spruch abgehandelten Fälle, die ausschließlich die Bekanntgabe des Umstandes betreffen, dass gegen den Beschwerdeführer wegen des Verdachts gerichtlich strafbarer Handlungen Ermittlungen durchgeführt werden (also nicht die Weitergabe von E-Mailverkehr), zurück. Deshalb war das Verfahren hinsichtlich dieser zurückgezogenen Beschwerdebehauptungen einzustellen.

Der Beschwerdegegner bestreitet das (noch aufrechte) Vorbringen in sachverhaltsmäßiger Hinsicht nicht, hält seine Vorgangsweise jedoch für rechtmäßig, da die Datenweitergaben im Zuge von Einvernahmen erfolgt seien, die mit dem Staatsanwalt konsensual vereinbart worden seien.

Der folgende Sachverhalt wird festgestellt:

Gegen den Beschwerdeführer ist beim Landesgericht für Strafsachen Wien zur GZ xxx Ur yyy/03a (bzw. www St uuu/05f - Zahl der Staatsanwaltschaft) ein Strafverfahren anhängig. Dieses ist durch die Übermittlung eines „Zwischenberichts“ des Beschwerdegegners vom 2. Oktober 2003 an die Staatsanwaltschaft Wien (dort eingelangt am 10. Oktober 2003) in Gang gebracht worden.

Beweiswürdigung : Diese Feststellungen beruhen auf den Ergebnissen des Verfahrens der Datenschutzkommission zur Grundzahl K120.986. Der Beschwerdeführer ist diesen im Rahmen des ihm (in den nunmehrigen Verfahren wiederum) gewährten Parteiengehörs nicht entgegengetreten.

Die ermittelnden Beamten des Büros für interne Angelegenheiten des Beschwerdegegners standen danach zwar mit dem zuständigen Staatsanwalt in regelmäßigem Kontakt, konkrete Aufträge zur Einvernahme der im Spruch genannten Personen für Zwecke der Verfolgung des Beschwerdeführers erhielten sie jedoch von der Staatsanwaltschaft Wien nicht.

Beweiswürdigung : Diese Feststellungen beruhen auf den Beschwerdebehauptungen, den Ausführungen des Beschwerdegegners in seinen Stellungnahmen vom 30. August und 20. September 2005 sowie dem Schreiben der Staatsanwaltschaft Wien vom 2. November 2005.

Der Beschwerdegegner spricht in der Stellungnahme vom 30. August 2005 von einem „ständigen und oftmaligen Kontakt“ zwischen einem Sachbearbeiter und der zuständigen Staatsanwaltschaft, im Zuge dessen die vom Beschwerdegegner beabsichtigten weiteren Ermittlungsschritte „besprochen und konsensual vereinbart“ worden seien. Er war jedoch trotz entsprechender Aufforderung vom 20. September 2005 nicht in der Lage, den Inhalt dieses Kontakts in irgendeiner Form zu belegen. Weder konnte vom Beschwerdegegner selbst eine Dokumentation vorgelegt werden, noch konnten durch die auf Wunsch des Beschwerdegegners befragte Staatsanwaltschaft Wien Aufträge zur Durchführung von Einvernahmen bestätigt bzw. belegt werden. Insbesondere im Tagebuch der Staatsanwaltschaft sind laut dem Schreiben vom 2. November 2005 keine Aufzeichnungen vorhanden.

Auf Grund der für den Beschwerdegegner bzw. die Staatsanwaltschaft anzuwendenden Rechtsvorschriften (Art. V EGVG iVm § 16 AVG bzw. §§ 34 f, insb. § 35 Abs. 4, des Staatsanwaltschaftsgesetzes, BGBl Nr. 164/1986) ist davon auszugehen, dass beide Behörden - rechtlich wegen § 88 StPO durchaus relevante - Aufträge zur Durchführung von Ermittlungshandlungen jeweils zu dokumentieren gehabt hätten. Im Zweifel kann nicht angenommen werden, dass Beschwerdegegner bzw. Staatsanwaltschaft diese Dokumentationspflicht verletzt haben. Damit konnte aber auch vom Vorliegen konkreter staatsanwaltschaftlicher Aufträge zur Durchführung von Einvernahmen im Rahmen des „ständigen Kontakts“ bzw. der „konsensualen Vereinbarung weiterer Ermittlungsschritte“ nicht ausgegangen werden.

Dennoch führte der Beschwerdegegner die im Spruch bezeichneten Einvernahmen durch und teilte aus diesem Anlass den einvernommenen Personen (unter anderem) jeweils mit, dass er gegen den Beschwerdeführer Ermittlungen wegen des Verdachts der im Spruch genannten Verbrechen durchführe.

Beweiswürdigung: Diese Feststellungen beruhen auf den unbestrittenen Beschwerdebehauptungen.

In rechtlicher Hinsicht folgt daraus:

1. Anzuwendende Rechtsvorschriften

Gemäß der Verfassungsbestimmung des § 1 Abs. 1 DSG 2000, hat jedermann, insbesondere auch im Hinblick auf die Achtung des Privat- und Familienlebens, Anspruch auf Geheimhaltung der ihn betreffenden personenbezogenen Daten, soweit ein schutzwürdiges Interesse daran besteht. Das Bestehen eines solchen Interesses ist ausgeschlossen, wenn Daten infolge ihrer allgemeinen Verfügbarkeit oder wegen ihrer mangelnden Rückführbarkeit auf den Betroffenen einem Geheimhaltungsanspruch nicht zugänglich sind.

Soweit die Verwendung von personenbezogenen Daten nicht im lebenswichtigen Interesse des Betroffenen oder mit seiner Zustimmung erfolgt, sind nach Abs. 2 leg. cit. Beschränkungen des Anspruchs auf Geheimhaltung nur zur Wahrung überwiegender berechtigter Interessen eines anderen zulässig, und zwar bei Eingriffen einer staatlichen Behörde nur auf Grund von Gesetzen, die aus den in Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Gründen notwendig sind. Derartige Gesetze dürfen die Verwendung von Daten, die ihrer Art nach besonders schutzwürdig sind, nur zur Wahrung wichtiger öffentlicher Interessen vorsehen und müssen gleichzeitig angemessene Garantien für den Schutz der Geheimhaltungsinteressen der Betroffenen festlegen. Auch im Falle zulässiger Beschränkungen darf der Eingriff in das Grundrecht jeweils nur in der gelindesten, zum Ziel führenden Art vorgenommen werden.

Gemäß § 1 Abs. 5 DSG 2000 ist gegen Rechtsträger, die in Formen des Privatrechts eingerichtet sind, soweit sie nicht in Vollziehung der Gesetze tätig werden, das Grundrecht auf Datenschutz mit Ausnahme des Rechtes auf Auskunft auf dem Zivilrechtsweg geltend zu machen. In allen übrigen Fällen ist die Datenschutzkommission zur Entscheidung zuständig, es sei denn, dass Akte der Gesetzgebung oder der Gerichtsbarkeit betroffen sind.

Die §§ 26 und 87 f StPO lauten auszugsweise:

§ 26. (1) Die Strafgerichte sind berechtigt, zur Durchführung der Strafrechtspflege mit allen Dienststellen der Gebietskörperschaften, mit anderen Körperschaften des öffentlichen Rechtes sowie mit den von ihnen betriebenen Anstalten unmittelbares Einvernehmen durch Ersuchen zu pflegen. Solchen Ersuchen ist mit möglichster Beschleunigung zu entsprechen, oder es sind die entgegenstehenden Hindernisse unverzüglich bekanntzugeben; erforderlichenfalls ist Akteneinsicht zu gewähren.

(2) Ersuchen gemäß Abs. 1, die sich auf Straftaten einer bestimmten Person beziehen, dürfen mit dem Hinweis auf bestehende gesetzliche Verpflichtungen zur Verschwiegenheit oder darauf, daß es sich um automationsunterstützt verarbeitete personenbezogene Daten handelt, nur dann abgelehnt werden, wenn entweder diese Verpflichtungen ausdrücklich auch gegenüber Strafgerichten auferlegt sind oder wenn der Beantwortung überwiegende öffentliche Interessen entgegenstehen, die im einzelnen anzuführen und zu begründen sind.

[...]

§ 87. (1) Der Staatsanwalt ist verpflichtet, alle an ihn gelangten Anzeigen über strafbare Handlungen, die von Amts wegen zu verfolgen sind, zu prüfen sowie die zu seiner Kenntnis gelangenden Spuren solcher strafbarer Handlungen zu verfolgen. Er hat auch zur Entdeckung unbekannter Täter durch Erforschung dahin führender Verdachtsgründe mitzuwirken.

[...]

§ 88. (1) Überhaupt ist er berechtigt, durch den Untersuchungsrichter, durch die Bezirksgerichte oder durch die Sicherheitsbehörden Vorerhebungen zu dem Zwecke führen zu lassen, um die nötigen Anhaltspunkte für die Veranlassung des Strafverfahrens wider eine bestimmte Person oder für die Zurücklegung der Anzeige zu erlangen.

[...]

(3) Durch die Sicherheitsbehörden kann der Staatsanwalt Personen, die Aufklärungen über begangene strafbare Handlungen zu erteilen imstande sein dürften, unbeeidigt vernehmen lassen und diesen Vernehmungen auch selbst beiwohnen. Augenschein und Hausdurchsuchung kann er durch sie nur dann vornehmen lassen, wenn sich in Abwesenheit einer zur Amtshandlung berufenen Gerichtsperson die Notwendigkeit eines unverzüglichen Einschreitens herausstellt; er kann diesen Untersuchungshandlungen, bei denen alle für gerichtliche Akte dieser Art vorgeschriebenen Förmlichkeiten zu beobachten sind, auch selbst beiwohnen. Die hierüber aufgenommenen Protokolle können jedoch bei sonstiger Nichtigkeit nur dann als Beweismittel benützt werden, wenn sie unverweilt dem Untersuchungsrichter mitgeteilt worden sind, der ihre Form und Vollständigkeit zu prüfen und nötigenfalls die Wiederholung oder Ergänzung der Verhandlung zu bewirken hat.

[...]“

Gemäß Art V des Einführungsgesetzes zu den Verwaltungsverfahrensgesetzen 1991 (EGVG), BGBl Nr. 50/1991 idF BGBl I Nr. 106/2005, sind, sofern sich aus den Vorschriften über das strafgerichtliche Verfahren nicht anderes ergibt, die Bestimmungen des VStG über das Verwaltungsstrafverfahren auch auf die Amtshandlungen sinngemäß anzuwenden, die von den Verwaltungsbehörden im Dienst der Strafjustiz vorzunehmen sind.

Gemäß § 19 Abs. 2 AVG ist in der Ladung (unter anderem) auch anzugeben, was den Gegenstand der Amtshandlung bildet.

2. Inhaltliche Beurteilung der Datenweitergaben im Zuge der Einvernahmen

Das Recht auf Geheimhaltung nach § 1 Abs. 1 DSG 2000 schützt (anders als die Rechte auf Auskunft, Richtigstellung und Löschung nach § 1 Abs. 3 leg. cit.) auch vor der Verwendung nicht automationsunterstützt oder in einer manuellen Datei verarbeiteter Daten (vgl. dazu Dohr/Pollirer/Weiss DSG,

2. Aufl. (2002), Anm. 2 und 6 sowie E 28 und 31). Daher stellt die Weitergabe von Informationen, die im Zuge behördlicher Befragungen von als Zeugen vorgeladenen Personen ermittelt wurden, auch dann einen Eingriff in das Recht auf Geheimhaltung dar, wenn die Weitergabe in nicht automationsunterstützter Form erfolgte. Jeder derartige Eingriff ist hinsichtlich seiner rechtlichen Zulässigkeit an § 1 Abs. 2 DSG 2000 zu messen, wonach immer dann, wenn es sich um einen behördlichen Eingriff handelt, eine gesetzliche Grundlage erforderlich ist.

Sämtliche noch beschwerdegegenständliche Einvernahmen fallen in die Phase der Vorerhebungen und sind daher, wie die Datenschutzkommission bereits in ihrem Bescheid vom 20. Mai 2005, GZ K120.986/0013-DSK/2005, ausgesprochen hat, nach den Regeln der §§ 84 bis 90 StPO zu beurteilen. Wie sich aus diesen Bestimmungen, insbesondere den §§ 87 bis 89 StPO ergibt, obliegt dem Staatsanwalt die Entscheidung, welche Mittel bei der Prüfung der ihm vorliegenden Anzeige eingesetzt werden. Die Mitwirkung anderer Behörden bei den Vorerhebungen ist im Gesetz abschließend geregelt. Hinsichtlich der Sicherheitsbehörden ist im vorliegenden Zusammenhang § 88 Abs. 1 und 3 StPO von Relevanz. Demnach ist für ihr Tätigwerden stets ein entsprechender Auftrag des Staatsanwaltes erforderlich. Die Anwendung von § 24 StPO kommt im vorliegenden Fall schon deshalb nicht in Betracht, da keine Gefahr im Verzug vorlag.

Daraus ergibt sich in weiterer Folge, dass nur vom Staatsanwalt gewünschte Ermittlungshandlungen von den Sicherheitsbehörden vorgenommen werden dürfen und der Auftrag hiezu derart konkret sein muss, dass die Leitungsfunktion des Staatsanwalts im Verfahrensstadium der Vorerhebungen gewahrt bleibt. Die Entscheidung, was wie zu ermitteln ist, darf also nicht völlig an die Sicherheitsbehörden delegiert sein. Im Fall der in § 88 Abs. 3 StPO speziell geregelten Einvernahmen muss zur Wahrung dieses Grundsatzes ein Auftrag zur Einvernahme von Zeugen vorliegen und es muss die Bezeichnung der einzuvernehmenden Person(en) hinlänglich konkret sein. Den Sicherheitsbehörden bleibt es selbstverständlich unbenommen, dem Staatsanwalt (insbesondere in der Anzeige) entsprechende Vorschläge zu unterbreiten, über die dieser dann zu entscheiden hat.

Das Ermittlungsverfahren hat im vorliegenden Fall ergeben, dass die Erteilung eines Auftrags der Staatsanwaltschaft Wien zur Einvernahme von Zeugen - und insbesondere der im Spruch bezeichneten Personen - nicht nachgewiesen werden konnte. Das BMI konnte keinen entsprechenden Auftrag vorzeigen. Das seinerzeit mit dem Fall befasste staatsanwaltliche Organ gab an, mit dem BIA im BMI in der ggst. Sache „ständig konsensualen Kontakt“ gehalten zu haben, worüber es jedoch keine Aufzeichnungen gebe. Einen – nicht dokumentierten - Auftrag zur Einvernahme von Zeugen gegeben zu haben, wurde von der Staatsanwaltschaft Wien trotz einschlägig formulierter Anfrage der Datenschutzkommission nicht bestätigt, sodass kein verlässlicher Anhaltspunkt dafür besteht, dass ein solcher Auftrag existierte. Es ist daher davon auszugehen, dass der Beschwerdegegner für diese Amtshandlungen mangels gültigen Auftrags nicht zuständig war.

Bei fehlender Rechtmäßigkeit der Ermittlung infolge mangelnder Zuständigkeit fehlt für die im Spruch festgestellten Datenweitergaben durch den Beschwerdegegner jedenfalls die von § 1 Abs. 2 DSG 2000 geforderte gesetzliche Grundlage, sodass diese einen unzulässigen Eingriff in das Recht auf Geheimhaltung nach § 1 Abs. 1 DSG 2000 darstellen.

Der vom Beschwerdegegner für die Rechtfertigung der Weitergaben ins Treffen geführte § 19 AVG setzt (vgl. die §§ 1 und 2 AVG) das Tätigwerden einer zuständigen Behörde voraus, um gegenüber dem Betroffenen eine Weitergabe seiner personenbezogenen Daten für Zwecke der Bekanntgabe des Gegenstandes einer Amtshandlung rechtfertigen zu können.

Der Beschwerde war somit spruchgemäß Folge zu geben.

Mit Beschluss vom 28. November 2006, Zl. 2006/06/0068-7, hat der VwGH die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde des BMI als unzulässig zurückgewiesen .

Aus der Begründung:

Nach Darstellung des Verfahrensgangs und der Vorbringen der Parteien im VwGH-Verfahren führte der VwGH aus:

„Die maßgeblichen Bestimmungen des DSG 2000, BGBl. I Nr. 165/1999, lauten:

“Artikel 1

(Verfassungsbestimmung)

(Grundrecht auf Datenschutz

§ 1. (1) Jedermann hat, insbesondere auch im Hinblick auf die Achtung seines Privat- und Familienlebens, Anspruch auf (Geheimhaltung der ihn betreffenden personenbezogenen Daten, soweit ein schutzwürdiges Interesse daran besteht. Das Bestehen eines solchen Interesses ist ausgeschlossen, wenn Daten infolge ihrer allgemeinen Verfügbarkeit oder wegen ihrer mangelnden Rückführbarkeit auf den Betroffenen einem Geheimhaltungsanspruch nicht zugänglich sind.

...

(5) Gegen Rechtsträger, die in Formen des Privatrechts eingerichtet sind, ist, soweit sie nicht in Vollziehung der Gesetze tätig werden, das Grundrecht auf Datenschutz mit Ausnahme des Rechtes auf Auskunft auf dem Zivilrechtsweg geltend zu machen. In allen übrigen Fällen ist die Datenschutzkommission zur Entscheidung zuständig, es sei denn, dass Akte der Gesetzgebung oder der Gerichtsbarkeit betroffen sind.

...

1. Abschnitt

Allgemeines

Definitionen

§ 4. Im Sinne der folgenden Bestimmungen dieses Bundesgesetzes bedeuten die Begriffe:

4. ‘Auftraggeber‘: natürliche oder juristische Personen, Personengemeinschaften oder Organe einer Gebietskörperschaft beziehungsweise die Geschäftsapparate solcher Organe, wenn sie allein oder gemeinsam mit anderen die Entscheidung getroffen haben, Daten für einen bestimmten Zweck zu verarbeiten (Z 9), und zwar unabhängig davon, ob sie die Verarbeitung selbst durchführen oder hiezu einen anderen heranziehen. Als Auftraggeber gelten die genannten Personen, Personengemeinschaften und Einrichtungen auch dann, wenn sie einem anderen Daten zur Herstellung eines von ihnen aufgetragenen Werkes überlassen und der Auftragnehmer die Entscheidung trifft, diese Daten zu verarbeiten. Wurde jedoch dem Auftragnehmer anlässlich der Auftragserteilung die Verarbeitung der überlassenen Daten ausdrücklich untersagt oder hat der Auftragnehmer die Entscheidung über die Art und Weise der Verwendung, insbesondere die Vornahme einer Verarbeitung der überlassenen Daten, auf Grund von Rechtsvorschriften, Standesregeln oder Verhaltensregeln gemäß § 6 Abs. 4 eigenverantwortlich zu treffen, so gilt der mit der Herstellung des Werkes Betraute als datenschutzrechtlicher Auftraggeber;

...

Öffentlicher und privater Bereich

§ 5. (1) Datenanwendungen sind dem öffentlichen Bereich im Sinne dieses Bundesgesetzes zuzurechnen, wenn sie für Zwecke eines Auftraggebers des öffentlichen Bereichs (Abs. 2) durchgeführt werden.

(2) Auftraggeber des öffentlichen Bereichs sind alle Auftraggeber,

1. die in Formen des öffentlichen Rechts eingerichtet sind, insbesondere auch als Organ einer Gebietskörperschaft,

...

Genehmigungspflichtige Übermittlung und Überlassung

von Daten ins Ausland

§ 13. ...

...

(3) Im Genehmigungsverfahren haben Auftraggeber des öffentlichen Bereichs auch hinsichtlich der Datenanwendungen, die sie in Vollziehung der Gesetze durchführen, Parteistellung.

Prüfungs- und Verbesserungsverfahren

§ 20. ...

...

(6) Im Registrierungsverfahren haben Auftraggeber des öffentlichen Bereichs auch hinsichtlich der Datenanwendungen, die sie in Vollziehung der Gesetze durchführen, Parteistellung.

Rechtsschutz

Kontrollbefugnisse der Datenschutzkommission

§ 30. (1) Jedermann kann sich wegen einer behaupteten Verletzung seiner Rechte oder ihn betreffender Pflichten eines Auftraggebers oder Dienstleisters nach diesem Bundesgesetz mit einer Eingabe an die Datenschutzkommission wenden.

...

Beschwerde an die Datenschutzkommission

§ 31. (1)...

(2) Zur Entscheidung über behauptete Verletzungen der Rechte eines Betroffenen auf Geheimhaltung, auf Richtigstellung oder auf Löschung nach diesem Bundesgesetz ist die Datenschutzkommission dann zuständig, wenn der Betroffene seine Beschwerde gegen einen Auftraggeber des öffentlichen Bereichs richtet, der nicht als Organ der Gesetzgebung oder der Gerichtsbarkeit tätig ist.

...

Wirkung von Bescheiden der Datenschutzkommission und

des geschäftsführenden Mitglieds

§ 40. (l)...

(2) Gegen Bescheide der Datenschutzkommission ist kein Rechtsmittel zulässig. Sie unterliegen nicht der Aufhebung oder Abänderung im Verwaltungsweg. Die Anrufung des Verwaltungsgerichtshofes durch die Parteien des Verfahrens ist außer in den Fällen des Abs. 1 zulässig. Dies gilt auch für die in Vollziehung der Gesetze tätigen Auftraggeber des öffentlichen Bereichs in jenen Fällen, in welchen ihnen gemäß § 13 Abs. 3 oder § 20 Abs. 6 Parteistellung zukommt oder durch Gesetz ausdrücklich ein Beschwerderecht an den Verwaltungsgerichtshof eingeräumt wurde.

...“

§ 22 Abs. 3 des Sicherheitspolizeigesetzes (SPG), in der Stammfassung BGB1. Nr. 566/1991, der laut seiner Überschrift den vorbeugenden Schutz von Rechtsgütern regelt, lautet:

“(3) Nach einem gefährlichen Angriff haben die Sicherheitsbehörden, unbeschadet ihrer Aufgaben nach der Strafprozessordnung 1975 (StPO), BGBl. Nr. 631/1975, die maßgebenden Umstände, einschließlich der Identität des dafür Verantwortlichen, zu klären, soweit dies zur Vorbeugung weiterer gefährlicher Angriffe erforderlich ist. Sobald ein bestimmter Mensch der strafbaren Handlung verdächtig ist, gelten ausschließlich die Bestimmungen der StPO; die § 57 und 58 sowie die Bestimmungen über den Erkennungsdienst bleiben jedoch unberührt.“

Die § 90 und 91 SPG lauteten idF BGBl. I Nr. 104/2002 (§ 90) bzw. in der Stammfassung (§ 91) auszugsweise:

“Beschwerden wegen Verletzung der Bestimmungen über

den Datenschutz

§ 90. Die Datenschutzkommission entscheidet gemäß § 31 des Datenschutzgesetzes 2000 über Beschwerden wegen Verletzung von Rechten durch Verwenden personenbezogener Daten in Angelegenheiten der Sicherheitsverwaltung entgegen den Bestimmungen des Datenschutzgesetzes. Davon ausgenommen ist die Beurteilung der Rechtmäßigkeit der Ermittlung von Daten durch die Ausübung verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt.

2. Abschnitt

Objektiver Rechtsschutz

Amtsbeschwerde

§ 91. (1) Der Bundesminister für Inneres kann gegen

(2) ...“

Die Erläuterungen zur Regierungsvorlage zu § 40 DSG 2000, 1613 BlgNR, XX. GP, Seite 50 f, führen zur Beschwerdelegitimation an den Verwaltungsgerichtshof aus:

“Hinsichtlich der bescheidmäßigen Erledigungen der Datenschutzkommission wird die generelle Möglichkeit, den Verwaltungsgerichtshof anzurufen, für die Parteien des Verfahrens durch ausdrückliche Anordnung geschaffen (Abs. 2). Keine Beschwerdemöglichkeit besteht allerdings bei Mandatsbescheiden nach Abs. 1, die der Vorstellung an die Datenschutzkommission unterliegen, da ein weiterer Rechtszug entbehrlich erscheint.

Was die Stellung der in Vollziehung der Gesetze tätigen Auftraggeber des öffentlichen Bereichs betrifft, haben sie mangels subjektiver Rechte in Verwaltungsverfahren an sich weder Parteistellung noch ein Beschwerderecht an den Verwaltungsgerichtshof (vgl. etwa sogar für den Fall der Formalpartei VwSlgNF 12.662 A). In jenen Konstellationen, in welchen jedoch im Datenschutzgesetz bei Auftraggebern des öffentlichen Bereichs die Eigenschaft als ‘belangte Behörde‘ nicht im Vordergrund steht wie im Registrierungsverfahren und im Genehmigungsverfahren im internationalen Datenverkehr, schien es sachgerecht, auch den in Vollziehung der Gesetze tätigen Auftraggebern des öffentlichen Bereichs Parteistellung und, daran anknüpfend, das Beschwerderecht an den VwGH einzuräumen. Die Beschränkung des Beschwerderechtes an den VwGH auf diese Fälle ist insoweit systemkonform, als auch im Verfahren vor dem UVS in Beschwerden über faktische Amtshandlungen — das am ehesten mit dem Beschwerdeverfahren vor der DSK vergleichbar ist — kein Beschwerderecht der belangten Behörde an den VwGH besteht. Neben diesen rechtssystematischen Erwägungen spricht im Übrigen auch das Faktum der bekannten Überlastung des VwGH gegen eine wesentliche Ausdehnung der Beschwerderechte an dieses Höchstgericht. Besondere gesetzliche Vorschriften über das Recht der Amtsbeschwerde, wie etwa § 91 SPG, sollen allerdings aufrecht bleiben.‘

Der angefochtene Bescheid erging unstrittig weder in einem “Genehmigungsverfahren“ nach § 13 Abs. 3 DSG 2000 noch in einem “Registrierungsverfahren“ nach § 20 Abs. 6 leg. cit. (die belangte Behörde stützte sich im Spruch des angefochtenen Bescheides auf § 1 Abs. 5 DSG 2000). Somit liegen die Voraussetzungen nach § 40 Abs. 2 DSG zur Erhebung einer Amtsbeschwerde gemäß Art. 131 Abs. 2 B-VG nicht vor.

Aus § 40 Abs. 2 DSG 2000, der von den “Parteien des Verfahrens“ vor der DSK spricht, ist zwar die Stellung der öffentlichen Auftraggeber bzw. belangten Behörden als Formalpartei im Verfahren vor der Datenschutzkommission abzuleiten (die diesbezüglichen gegenläufigen Erläuterungen haben im Gesetzeswortlaut keine Deckung und können daher bei der Auslegung keine Berücksichtigung finden, da eine historische Auslegung ihre Grenze jedenfalls im Wortlaut des Gesetzes hat). Auf Grund des ausdrücklich in § 40 Abs. 2 dritter Satz DSG 2000 vorgesehenen Ausschlusses der Beschwerdeberechtigung der belangten Behörden im Verfahren vor der DSK (außer in den Verfahren gemäß § 13 und 20 DSG 2000) kann sie daher die sich aus einer solchen Parteistellung ergebenden prozessualen Befugnisse als eigene subjektive öffentliche Rechte in einer Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof gemäß Art. 131 Abs. 1 Z. 1 B-VG nicht geltend machen.

In dem von der Beschwerdeführerin ins Treffen geführten Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom 27. Februar 1985, VfSlg. 10.366, - das sich auf das hg. Erkenntnis vom 9. April 1984, Z1. 84/10/0052, 0053, bezieht -, wurde jeweils die Beschwerde eines “Landschaftsschutzanwaltes“ abgewiesen, weil ihm ein subjektives Recht zur Durchsetzung der von ihm geltend gemachten (nicht verfahrensrechtlichen) Ansprüche und folglich das durch diese vermittelte Berufungsrecht, das zur Zurückweisung seiner Berufung im Verwaltungsverfahren führte, in der Sache nicht zukam. Auch aus diesem Erkenntnis ist für den Standpunkt der Beschwerdeführerin nichts zu gewinnen. Da sich auch aus der Entscheidung der belangten Behörde (bei der gebotenen materiellen Sichtweise - vgl. den hg. Beschluss vom 24. März 2004, Zl. 98/12/0515) nicht ergibt, dass die angestellten Ermittlungen und die im Beschwerdefall erfolgte Weitergabe von personenbezogenen Daten im Rahmen der sicherheitspolizeilichen Gefahrenabwehr erfolgte - gegen den Mitbeteiligten wurden als Verdächtigen bereits konkrete Ermittlungsschritte zur Aufklärung von möglichen strafbaren Handlungen gesetzt -‚ liegt gemäß § 22 Abs. 3 SPO auch kein Handeln im Rahmen des Sicherheitspolizeigesetzes vor, das der Beschwerdeführenden Partei eine Amtsbeschwerdebefugnis gemäß (dem sich auf den Datenschutz in Angelegenheiten der Sicherheitsverwaltung beziehenden § 90 und) § 91 Abs. 1 Z. 2 SPG einräumen würde (zur Abgrenzung des Anwendungsbereich des SPG zur Strafjustiz vgl. das hg. Erkenntnis vom 21. März 2006, Zl. 2003/01/0596; zur Beschwerdelegitimation nach dieser Bestimmung den zitierten hg. Beschluss vom 24. März 2004, Zl. 98/12/0515). Bei Tätigwerden eines Verwaltungsorganes ohne richterlichen bzw. staatsanwaltschaftlichen Auftrag handelt es sich um Verwaltungsakte im Dienste der Strafjustiz im Sinne von Art. V EGVG (vgl. u.a. die bei Walter/Thienel, Verwaltungsverfahrensgesetze I 2.Aufl. [1998], S 59 in E 7 zu Art. V EGVG referierte hg. Rechtsprechung). Daraus folgt, dass die hier handelnden Organe nicht als Organe der Gerichtsbarkeit im Sinne des § 31 Abs. 2 DSG 2000 tätig wurden.

Die Beschwerde war daher - in einem gemäß § 12 Abs. 3 VwGG gebildeten Senat - gemäß § 34 Abs. 1 iVm Abs. 3 VwGG mangels Berechtigung zur Erhebung zurückzuweisen.

[Literaturhinweis: Bescheid der Datenschutzkommission kritisch besprochen in: Mayer, Die Sicherheitsbehörden im Dienste der Strafjustiz und die Zuständigkeit der Datenschutzkommission, ÖJZ 2007/2]

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