K121.104/0010-DSK/2006 – Datenschutzkommission Entscheidung
Text
[Anmerkung Bearbeiter: Namen (Firmen), (Internet )Adressen, Aktenzahlen (und dergleichen), Rechtsformen und Produktbezeichnungen etc. sowie deren Initialen und Abkürzungen können aus Anonymisierungsgründen abgekürzt und/oder verändert sein. Offenkundige Rechtschreib-, Grammatik- und Satzzeichenfehler wurden korrigiert.]
B E S C H E ID
Die Datenschutzkommission hat unter dem Vorsitz von Dr. SPENLING und in Anwesenheit der Mitglieder Mag. HUTTERER, Dr. KOTSCHY, Dr. ROSENMAYR-KLEMENZ, Dr. STAUDIGL und Mag. ZIMMER sowie des Schriftführers Mag. FLENDROVSKY in ihrer Sitzung vom 31. Mai 2006 folgenden Beschluss gefasst:
S p r u c h
Über die Beschwerde des E in P(Beschwerdeführer) vom 22. Oktober 2005 gegen das Bundesministerium für Inneres in Wien (Beschwerdegegner) wegen Verletzung im Recht auf Geheimhaltung durch Ermittlung von personenbezogenen Daten im Rahmen einer Einvernahme und anschließender Übermittlung an die Staatsanwaltschaft Wien, das Landesgericht für Strafsachen Wien und an das BMI als Dienstbehörde wird gemäß den §§ 1 Abs. 5 und 31 Abs. 2 des Datenschutzgesetzes 2000 (DSG 2000), BGBl I Nr. 165/1999 idF BGBl I Nr. 13/2005, entschieden:
Der Beschwerde wird Folge gegeben und festgestellt, dass der Beschwerdegegner durch die Ermittlung von personenbezogenen Daten des Beschwerdeführers im Zuge der Einvernahme von Heinz K am 24. November 2003 sowie durch deren nachfolgende Weiterleitung an die Staatsanwaltschaft Wien, das Landesgericht für Strafsachen Wien sowie an die Abteilung I/1 des Bundesministeriums für Inneres den Beschwerdeführer gemäß § 1 Abs. 1 und 2 sowie § 7 Abs. 1 und 2 Z 1 DSG 2000 iVm mit den §§ 87 Abs.1 und 88 Abs.1 und 3 der Strafprozessordnung 1975 (StPO), BGBl Nr. 631/1975 idF BGBl I Nr. 164/2004, im Recht auf Geheimhaltung verletzt hat.
B e g r ü n d u n g:
A) Vorbringen der Beteiligten
Der Beschwerdefall knüpft sachverhaltsmäßig an das mit Bescheid der Datenschutzkommission vom 17. Jänner 2006, Gzlen:
K121.052/0002-DSK/2006 und K121.053/0002-DSK/2006, erledigte Beschwerdevorbringen an. Im zitierten Bescheid wurde die Bekanntgabe von Daten des Beschwerdeführers an verschiedene Zeugen (darunter auch Heinz K) im Zuge von deren Einvernahme für rechtswidrig erkannt.
Der Beschwerdeführer behauptete nun zunächst eine Verletzung im Recht auf Geheimhaltung dadurch, dass der Beschwerdegegner den Zeugen K befragt und verschiedene Details über das Verhältnis des Zeugen zum Beschwerdeführer sowie die Tatsache, dass der Zeuge beim Beschwerdeführer einen Teil seiner Hubschrauberpilotenausbildung absolviert habe, ermittelt habe. Da die Datenschutzkommission bereits im zitierten Bescheid zu dem Schluss gekommen sei, dass die Ermittlungen der Sicherheitsbehörden eigenmächtig und ohne Rechtsgrundlage erfolgt seien, müssten nicht nur – wie im zitierten Bescheid – Datenübermittlungen an die Zeugen sondern müsste auch die Ermittlung von Daten durch Befragung der Zeugen das Recht des Beschwerdeführers auf Geheimhaltung schutzwürdiger personenbezogener Daten verletzen, da dem Ermittlungsschritt, den der Beschwerdeführer als „unzulässige Ermittlung“ bezeichnet, jede Rechtsgrundlage gefehlt habe.
Da der Inhalt der mit dem Zeugen K aufgenommenen Niederschrift in der Folge der Staatsanwaltschaft Wien, dem Landesgericht für Strafsachen Wien und schließlich auch der für Personalfragen zuständigen Abteilung im BMI zur Kenntnis gebracht worden sei, liege auch eine unzulässige Datenübermittlung vor.
Der Beschwerdegegner hat, von der Datenschutzkommission zur Stellungnahme aufgefordert, das Sachverhaltsvorbringen nicht bestritten, hielt seine Vorgangsweise jedoch für rechtmäßig, da die Datenermittlung im Zuge einer Einvernahme erfolgt sei, die, wie alle Schritte im Zuge der Vorerhebungen im Dienste der Strafjustiz gegen den Beschwerdeführer, mit dem Staatsanwalt „konsensual vereinbart“ worden sei. Im Übrigen bestritt der Beschwerdegegner, gestützt auf ein Rechtsgutachten von Univ. Prof. B, das mit Stellungnahme vom 7. Februar 2006 auszugsweise vorgelegt wurde, die Zuständigkeit der Datenschutzkommission zur Beurteilung der Rechtmäßigkeit des Vorgehens der Exekutivorgane bei Amtshandlungen im Dienste der Strafjustiz. Er verwies außerdem auf ein weiteres von Prof. B am 12. Dezember 2005 erstelltes Rechtsgutachten, welches der Beschwerdegegner in dem vom selben Beschwerdeführer angestrengten Beschwerdeverfahren nach § 31 Abs. 1 DSG 2000 mit der Grundzahl K121.075 vorgelegt hat.
B) Ermittlungsverfahren und verwendete Beweismittel
Die Datenschutzkommission hat ein Ermittlungsverfahren durchgeführt und Beweis aufgenommen durch Einholung einer Stellungnahme des Beschwerdegegners (vom 5. Dezember 2005, Zl. xxx-BIA/03) und Einsichtnahme in die Akten der Datenschutzkommission, Zlen K121.052 und K121.053.
Dem Beschwerdeführer wurde, soweit er die Verwertung früherer Akten selbst beantragt hat in den damaligen Verfahren, zu den Ergebnissen des Ermittlungsverfahrens Parteiengehör eingeräumt.
C) Sachverhaltsfeststellung samt Beweiswürdigung
Die Datenschutzkommission stellt folgenden Sachverhalt fest:
Gegen den Beschwerdeführer ist beim Landesgericht für
Strafsachen Wien zu AZ: aaa Ur yyy/03a (bzw. bb St ccc/05f der Staatsanwaltschaft Wien) ein Strafverfahren anhängig. Dieses ist durch die Übermittlung eines „Zwischenberichts“ des Beschwerdegegners vom 2. Oktober 2003 an die Staatsanwaltschaft Wien (dort eingelangt am 10. Oktober 2003) in Gang gebracht worden.
Beweiswürdigung : Diese Feststellungen beruhen auf den Ermittlungsergebnissen des Beschwerdeverfahrens Zlen K121.052 und K121.053, insbesondere den dort getroffenen Feststellungen auf Grundlage der Ergebnisse des Verfahrens der Datenschutzkommission zur Grundzahl K120.986. Der Beschwerdeführer ist diesen im Rahmen des ihm (in den nunmehrigen Verfahren wiederum) gewährten Parteiengehörs nicht entgegengetreten.
Was die Vernehmung von Zeugen betrifft, war ein konkreter Auftrag der Staatsanwaltschaft Wien nicht nachweisbar.
Beweiswürdigung : Diese Feststellungen beruhen auf den Ermittlungsergebnissen des Beschwerdeverfahrens Zlen K121.052 und K121.053, insbesondere den Beschwerdebehauptungen, den Ausführungen des Beschwerdegegners in seinen Stellungnahmen vom 30. August und 20 September 2005 sowie dem Schreiben der Staatsanwaltschaft Wien vom 2. November 2005. Der Beschwerdegegner spricht in der Stellungnahme vom 30.August 2005 von einem „ständigen und oftmaligen Kontakt“ zwischen einem Sachbearbeiter und der zuständigen Staatsanwaltschaft, im Zuge dessen die vom Beschwerdegegner beabsichtigten weiteren Ermittlungsschritte „besprochen und konsensual vereinbart“ worden seien. Er war jedoch trotz entsprechender Aufforderung vom 20. September 2005 nicht in der Lage, den Inhalt dieses Kontakts in irgendeiner Form zu belegen. Weder konnte vom Beschwerdegegner selbst eine Dokumentation vorgelegt werden, noch konnten durch die auf Wunsch des Beschwerdegegners befragte Staatsanwaltschaft Wien Aufträge zur Durchführung von Einvernahmen bestätigt bzw. belegt werden. Insbesondere im Tagebuch der Staatsanwaltschaft sind laut dem Schreiben vom 2. November 2005 keine Aufzeichnungen vorhanden. Auf Grund der für den Beschwerdegegner bzw. die Staatsanwaltschaft anzuwendenden Rechtsvorschriften (Art .V EGVG iVm § 16 AVG bzw. §§ 34f, insb. § 35 Abs.4, des Staatsanwaltschaftsgesetzes, BGBl. Nr.164/1986) ist davon auszugehen, dass beide Behörden - rechtlich wegen § 88 StPO durchaus relevante - Aufträge zur Durchführung von Ermittlungshandlungen jeweils zu dokumentieren gehabt hätten. Im Zweifel kann nicht angenommen werden, dass Beschwerdegegner bzw. Staatsanwaltschaft diese Dokumentationspflicht verletzt haben. Damit konnte aber auch vom Vorliegen konkreter staatsanwaltschaftlicher Aufträge zur Durchführung von Einvernahmen im Rahmen des „ständigen Kontakts“ bzw. der „konsensualen Vereinbarung weiterer Ermittlungsschritte“ nicht ausgegangen werden.
Dennoch führte der Beschwerdegegner die im Spruch bezeichnete Zeugeneinvernahme durch, und stellte dem Zeugen die in der Beschwerde näher ausgeführten Fragen zu seinem Verhältnis zum Beschwerdeführer und die Absolvierung der Hubschrauberpilotenausbildung beim Beschwerdeführer. Die Angaben des Zeugen K wurden mit Hilfe eines Textverarbeitungsprogramms festgehalten.
Die derart erhobenen Daten wurden in der Folge an die Staatsanwaltschaft Wien, das Landesgericht für Strafsachen Wien sowie die Personalabteilung (Abteilung I/1) des Bundesministeriums für Inneres weitergeleitet.
Beweiswürdigung : Diese Feststellungen beruhen auf den unbestrittenen Beschwerdebehauptungen.
D) rechtliche Beurteilung
1. anzuwendende Rechtsvorschriften
Gemäß der Verfassungsbestimmung des § 1 Abs. 1 DSG 2000, hat jedermann, insbesondere auch im Hinblick auf die Achtung des Privat- und Familienlebens, Anspruch auf Geheimhaltung der ihn betreffenden personenbezogenen Daten, soweit ein schutzwürdiges Interesse daran besteht. Das Bestehen eines solchen Interesses ist ausgeschlossen, wenn Daten infolge ihrer allgemeinen Verfügbarkeit oder wegen ihrer mangelnden Rückführbarkeit auf den Betroffenen einem Geheimhaltungsanspruch nicht zugänglich sind.
Soweit die Verwendung von personenbezogenen Daten nicht im lebenswichtigen Interesse des Betroffenen oder mit seiner Zustimmung erfolgt, sind nach Abs. 2 leg. cit. Beschränkungen des Anspruchs auf Geheimhaltung nur zur Wahrung überwiegender berechtigter Interessen eines anderen zulässig, und zwar bei Eingriffen einer staatlichen Behörde nur auf Grund von Gesetzen, die aus den in Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Gründen notwendig sind. Derartige Gesetze dürfen die Verwendung von Daten, die ihrer Art nach besonders schutzwürdig sind, nur zur Wahrung wichtiger öffentlicher Interessen vorsehen und müssen gleichzeitig angemessene Garantien für den Schutz der Geheimhaltungsinteressen der Betroffenen festlegen. Auch im Falle zulässiger Beschränkungen darf der Eingriff in das Grundrecht jeweils nur in der gelindesten, zum Ziel führenden Art vorgenommen werden.
Gemäß § 1 Abs.5 DSG 2000 ist gegen Rechtsträger, die in Formen des Privatrechts eingerichtet sind, soweit sie nicht in Vollziehung der Gesetze tätig werden, das Grundrecht auf Datenschutz mit Ausnahme des Rechtes auf Auskunft auf dem Zivilrechtsweg geltend zu machen. In allen übrigen Fällen ist die Datenschutzkommission zur Entscheidung zuständig, es sei denn, dass Akte der Gesetzgebung oder der Gerichtsbarkeit betroffen sind.
2. Zur Zuständigkeit der Datenschutzkommission
Diesbezüglich sei zunächst auf die denselben Datenermittlungsfall betreffenden Entscheidungen der DSK, GZlen. K121.052 und K121.053 verwiesen.
Den vom Beschwerdegegner - nach diesen ergangenen Entscheidungen - in Form des Gutachtens von Univ.Prof. B vorgelegten Argumenten dafür, dass die Datenschutzkommission zur rechtlichen Beurteilung der ggst. Zeugeneinvernahme mit anschließender Weitergabe der dabei ermittelten Daten an die Dienstbehörde unzuständig sei, weil diese einen „Akt der Gerichtsbarkeit“ darstelle, kann nicht gefolgt werden: Der bloße Rekurs auf die Bemerkung in den Erläuterungen der Regierungsvorlage (1613 Beil XX GP) zu § 31 DSG 2000, wonach die Zurechnung zur Gerichtsbarkeit oder Verwaltung „nach funktionalen Gesichtspunkten vorzunehmen ist“, kann schon im Hinblick auf die ständige Judikatur des VwGH zur Abgrenzung von Gerichtsbarkeit und Verwaltung (vgl. etwa VwSlg 15242 A/1999 oder VwSlg 15344 A/2000) und im Hinblick auf die Datenübermittlung an die Personalabteilung, die keineswegs einem richterlichen Organ als Auftraggeber (§ 4 Z 4 DSG 2000) zugerechnet werden kann, nicht überzeugen.
3. Zur rechtlichen Zulässigkeit der Datenermittlung im Zuge der Einvernahme
Die Zulässigkeit der beschwerdegegenständlichen Handlung des BMI/BIA, nämlich die Einvernahme des Heinz K als Zeuge, war ebenfalls bereits Gegenstand der rechtlichen Beurteilung durch die DSK in den (verbundenen) Verfahren zu GZlen. K121.052 und K121.053. Die dort getroffenen Feststellungen sowie die dort gegebene Begründung für das Fehlen einer ausreichenden Rechtsgrundlage für die Zeugenvernehmung gelten zur Gänze auch für das vorliegende Verfahren, weshalb sich eine Wiederholung der im Bescheid der DSK zu GZlen. K121.052 und K121.053 gemachten Ausführungen (vgl. insbesondere unter Pkt. 2) erübrigt.
Wie bereits im zitierten Bescheid ausgesprochen, bewirkt mangelnde Zuständigkeit zur Datenermittlung, dass eine dennoch vorgenommene Ermittlung einen unzulässigen Eingriff in das Recht auf Geheimhaltung nach § 1 Abs.1 DSG 2000 darstellt, weshalb wie im diesbezüglichen Spruchteil zu entscheiden war.
Der vom Beschwerdegegner in der Stellungnahme vom 5. Dezember 2005 zitierte Bescheid der Datenschutzkommission vom 2. August 2005, GZ K121.005/0014-DSK/2005, wonach diese ihre Prüfungsbefugnis bei Sachverhalten, die von anderen Behörden zu beurteilen sind, im Wesentlichen auf das „Übermaßverbot“ beschränkt sah, ist mit dem nunmehr zu beurteilenden Sachverhalt deshalb nicht vergleichbar, weil im zitierten Bescheid Ermittlungshandlungen einer unzweifelhaft zuständigen Behörde zu prüfen waren. Im vorliegenden Fall steht jedoch gerade die Zuständigkeit in Streit. Eine Prüfung der Zuständigkeit für die Vornahme von Ermittlungen muss die Datenschutzkommission aber durchführen, um überprüfen zu können, ob eine Eingriffsermächtigung im Sinn von § 1 Abs. 2 DSG 2000 wirklich vom Ermächtigten ausgeübt wird. Erst wenn die Frage der Zuständigkeit positiv zu beantworten ist, kann die Frage nach der Verhältnismäßigkeit eines behördlichen Handelns sinnvoll gestellt werden.
4. Zur Rechtmäßigkeit der Datenübermittlungen an Staatsanwaltschaft, Gericht und Personalabteilung
Im vorliegenden Fall wurden die Ergebnisse der Zeugeneinvernahme des Heinz K in der Folge an die Staatsanwaltschaft sowie das Landesgericht für Strafsachen Wien und die Abt. I/1 des BMI (Dienstbehörde) übermittelt.
Gemäß § 7 Abs. 2 Z. 1 DSG 2000 setzt die Rechtmäßigkeit einer Übermittlung voraus, dass die übermittelten Daten aus einer nach § 7 Abs.1 DSG 2000 zulässigen Datenanwendung stammen. Die Unzulässigkeit der Ermittlung von Daten bewirkt daher auch die Unzulässigkeit einer nachfolgenden Übermittlung dieser Daten, woraus sich die Rechtswidrigkeit der in Rede stehenden Datenübermittlung jedenfalls ergibt. (Vgl hiezu auch den Bescheid der Datenschutzkommission vom 16. Dezember 2005, GZ K121.040/0018-DSK/2005).
Der Beschwerde war somit spruchgemäß stattzugeben.