JudikaturDSB

K121.123/0007-DSK/2006 – Datenschutzkommission Entscheidung

Entscheidung
09. Juni 2006

Text

[Anmerkung Bearbeiter: Namen (Firmen), (Internet )Adressen, Aktenzahlen (und dergleichen), Rechtsformen und Produktbezeichnungen etc. sowie deren Initialen und Abkürzungen können aus Anonymisierungsgründen abgekürzt und/oder verändert sein.]

B E S C H E I D

Die Datenschutzkommission hat unter dem Vorsitz von Dr. SPENLING und in Anwesenheit der Mitglieder Dr. BLAHA, Dr. KOTSCHY, Mag. PREISS, Mag. MAITZ-STRASSNIG und Dr. STAUDIGL sowie des Schriftführers Dr. KÖNIG in ihrer Sitzung vom 9. Juni 2006 folgenden Beschluss gefasst:

S p r u c h

Über die Beschwerde des Dr. Siegmund U*** aus N*** (Beschwerdeführer) gegen das Bundesministerium für Inneres (BMI, Beschwerdegegner) vom 24. November 2005 wegen Verletzung im Recht auf Geheimhaltung personenbezogener Daten durch 1. Auswertung von am 12. November 2003 anlässlich einer gerichtlich angeordneten Hausdurchsuchung beschlagnahmten Unterlagen betreffend Bankunterlagen der PSK in einem Bericht vom 8. Jänner 2004 (Punkt

24.2 Ordner schwarz/grau Aufschrift: Fonds, Registerkarte grün – Aufschrift: PSK) und 2. Übermittlung dieser Daten an die Abteilung I/1 (Personalabteilung des Beschwerdegegners), wird gemäß §§ 1 Abs. 5, 4 Z. 12, 7, 8 und 31 Abs. 2 Datenschutzgesetz 2000 (DSG 2000), BGBl I Nr 165/1999 idF BGBl I Nr 13/2005, sowie § 143 Abs. 1 Strafprozessordnung 1975 (StPO), BGBl. Nr. 631/1975 idF BGBl. I Nr. 136/2004, wie folgt entschieden:

1.Die Beschwerde wird hinsichtlich des Punktes 1.

(Auswertung der beschlagnahmten Unterlagen) zurückgewiesen.

2.Der Beschwerde wird hinsichtlich des Punktes 2.

stattgegeben und festgestellt, dass der Beschwerdegegner durch die Übermittlung der im Punkt 24.2. des Berichts vom 8. Jänner 2004, Zl. 85***0/6**-BIA/03, enthaltenen Daten an die Abteilung I/1 im Bundesministerium für Inneres

den Beschwerdeführer in seinem Recht auf

Geheimhaltung schutzwürdiger personenbezogener

Daten verletzt hat.

B e g r ü n d u n g

A) Verfahrensgang und Vorbringen der Beteiligten

Der Beschwerdeführer wandte sich mit Schreiben vom 26. Oktober 2005 an die Datenschutzkommission und brachte vor, der Beschwerdegegner hätte im Zuge einer gerichtlichen Hausdurchsuchung beim Beschwerdeführer am 12. November 2003 sichergestellte Unterlagen ohne richterlichen Auftrag ausgewertet und darüber am 8. Jänner 2004 einen Bericht verfasst, in dessen Punkt 24.2 Details zu verschiedenen Konten, Sparplänen sowie Wertpapierdepots bei der Österreichischen Postsparkasse AG (kurz. PSK) genannt worden seien. (Die Erwähnung des Ordners schwarz/grün, Aufschrift: Fonds; im beschwerdegegenständlichen „Bericht“ war Gegenstand einer eigenen Beschwerde – vgl. GZ 121.110). Diese Auswertung sei ohne Deckung durch den richterlichen Hausdurchsuchungs- und Beschlagnahmebefehl sowie ohne konkreten Auftrag der Staatsanwaltschaft erfolgt und stelle damit eine „rechtsgrundlose Datenermittlung“ dar. Weiters sei der entsprechende Bericht an das „Personalbüro“ im BMI übermittelt worden. Dies habe er anlässlich einer Akteneinsicht am 9. Mai 2005 erstmals erfahren.

Der Beschwerdegegner brachte, von der Datenschutzkommission mit Erledigung vom 2. Dezember 2005, GZ: K121.123/0002-DSK/2005, zur Stellungnahme aufgefordert, mit Schreiben vom 20. Dezember 2005 (protokolliert zu GZ: K121.111/0005-DSK/2005) vor, das Vorbringen des Beschwerdeführers sei in so weit richtig, als der Bericht vom 8. Jänner 2004 erstellt und der Strafanzeige gegen den Beschwerdeführer vom 12. November 2004, alle Zl. 85***0/6**- BIA/03, angeschlossen worden sei. Zu dieser Vorgangsweise habe man aber ständigen „konsensualen Kontakt“ (auf Ebene der jeweils zuständigen Sachbearbeiter) mit der Staatsanwaltschaft gehaltenen. Daher liege ein Handeln der Sicherheitsbehörde im Dienste der Strafjustiz vor, welches der Gerichtsbarkeit zuzurechnen sei, das entsprechende Beschwerdevorbringen wäre daher wegen Unzuständigkeit der Datenschutzkommission zurückzuweisen. Richtig sei auch, dass eine Kopie der Strafanzeige gegen den Beschwerdeführer im Wege des Einsichtsverkehrs als Verschlusssache an die Personalabteilung I/1 übermittelt worden sei. Diese Übermittlung sei jedoch im Rahmen der in der Standardanwendung SA 029 der StMV 2004 vorgesehenen Übermittlungen an eine Stelle erfolgt, die „als Dienst- und Disziplinarbehörde“ mit solchen Fragen zu befassen sei. Dies sei daher gemäß § 8 Abs. 3 Z. 2 DSG 2000 zulässig gewesen. Die Beschwerde wäre daher in diesem Punkt als unbegründet abzuweisen (Hinweis auf OGH 12. März 1997, 6 Ob 2228/96g, SZ 70/42). Im Übrigen verwies der Beschwerdegegner auch darauf, dass dieses Beschwerdevorbringen mit dem zu Zl. K121.110 anhängigen Verfahren nahezu deckungsgleich sei.

In einer ergänzenden Stellungnahme vom 7. Februar 2006 verwies der Beschwerdegegner auf ein Gutachten von Herrn Univ.-Prof. DDr. Hugo R*** vom 12. Dezember 2005 und zitiert aus einem ergänzenden Gutachten vom 2. Februar 2006. Darin wird der Standpunkt des Beschwerdegegners gestützt, wonach die Zuständigkeit der Datenschutzkommission sich generell nicht auf Amtshandlungen der Sicherheitsbehörden im Dienste der Strafjustiz erstrecke.

B) Ermittlungsverfahren und verwendete Beweismittel

Die Datenschutzkommission hat ein Ermittlungsverfahren durchgeführt und Beweis aufgenommen durch Einsichtnahme in die von den Parteien vorgelegten Urkunden(kopien) und sonstigen Dokumente. Dem Beschwerdeführer wurde zu den Ergebnissen des Ermittlungsverfahrens, soweit sie relevant sind und nicht von ihm selbst stammen oder er selbst darauf Bezug genommen hat, Parteiengehör eingeräumt.

C) Sachverhaltsfeststellung samt Beweiswürdigung

Wie bereits aus einigen anhängigen und entschiedenen Beschwerdeverfahren amtsbekannt, ermittelt der Beschwerdegegner (Büro für interne Angelegenheiten - BIA) seit 8. September 2003 gegen den Beschwerdeführer u.a. wegen des Verdachts des Betrugs und des Missbrauchs der Amtsgewalt. Der Beschwerdeführer, der aus den gleichen Gründen als Leiter der [Angabe der Dienststelle] des BMI vom Dienst suspendiert worden ist, wird u.a. verdächtigt, Pilotenkollegen durch Täuschung über die Bedingungen einer Versicherungsgesellschaft zum Abschluss übermäßig teurer Versicherungspakete verleitet zu haben, von dem er durch Provisionsempfang profitierte, sowie als Ersatzmitglied der Prüfungskommission für ***piloten, (möglicherweise gegen Bezahlung) Prüfungen vorgetäuscht sowie geheim zu haltende Prüfungsunterlagen (Fragenkataloge) entwendet und weitergegeben zu haben. Das gegen den Beschwerdeführer anhängige gerichtliche Strafverfahren befindet sich seit 8. April 2005 im Stadium der Voruntersuchung (Landesgericht für Strafsachen Wien, Aktenzeichen **3 Ur *3*/03d).

Beweiswürdigung : Hierbei handelt sich um aus mehreren anderen Verfahren amtsbekannte Tatsachen (insbesondere K120.986).

Am 20. Oktober 2003 fasste das Landesgericht für Strafsachen Wien durch die zuständige Untersuchungsrichterin in der Strafsache gegen den Beschwerdeführer einen als „Hausdurchsuchungsbefehl“ betitelten Beschluss mit folgendem Spruch (hier relevanter Teil):

„In der Strafsache gegen [den Beschwerdeführer, Geburtsdatum] wegen §§ 146, 147 Abs. 2, 148;

177 Abs. 1; 302 Abs. 1 StGB ergeht an das Bundesministerium für Inneres, Büro für interne

Angelegenheiten, zu Zl. 85***0/6**-BIA/03, der Befehl, in der Wohnung und den sonstigen zum Hauswesen

gehörigen Räumlichkeiten in ***0 N***,

***straße *1*/**, und an dessen Dienststelle in

***0 N***, ***gasse *3 (BMI, Referat ***), und in

den Räumlichkeiten der ***polizei/*** eine Hausdurchsuchung unter Beiziehung eines Fachmannes für Datensicherung zur Auffindung und Sicherstellung von Schrift- und Mailverkehr, Bankunterlagen, Prüfungsunterlagen etc., wobei auch alle dem Genannten auf Datenträgern des BMI zur Verfügung

stehenden Daten gesichert werden mögen.“

(Unterstreichung im Original)

Dieser Beschluss wurde mit vier Tage später ergangenem (Ergänzungs )Beschluss räumlich auf das Wohnhaus des Beschwerdeführers in A*** ([Angabe der Ortschaft]) ausgedehnt.

Beweiswürdigung : Diese Feststellungen stützen sich auf den Inhalt des der Datenschutzkommission in Kopie vorliegenden Hausdurchsuchungsbefehls.

Am 12. November 2003 fand die vom Landesgericht für Strafsachen Wien angeordnete Hausdurchsuchung im Wohnhaus des Beschwerdeführers in A*** statt. Dort wurden unter anderem ein schwarz/grauer Aktenordner mit der Aufschrift „Fonds“ von Beamten des Beschwerdegegners beschlagnahmt und am selben Tag in einem Sicherstellungsverzeichnis aufgelistet. Diese Unterlagen wurden danach gesichtet und derart ausgewertet, dass die folgenden Daten in einem am 8. Jänner 2004 erstellten Bericht über die Hausdurchsuchung und die gesichteten Beweismittel aufgezählt werden:

„24.2. Registerkarte grün-Aufschrift: PSK

Geheimzahl für PSK-Telebanking sowie 2 Schreiben

betreffend der Transaktionsnummern.

Ansparplan/Depotauszug/Jahresbericht

2002/Wertpapiervermögensaufstellung

1999/Kontoeröffnungsauftrag für Depot

4.089.217 – Investmentfonds Bawag PSK EURO

BLUECHIP STOCK (A). WP Nummer AT 0000452***,

Ansparplankonto 00023-5**-**5.

Kontoauszüge/Jahreskontoauszug 1999 Euro-Konto Nr. 73.5**.*23“.

Dieser Bericht wurde auch der am 12. November 2004 erstellten Strafanzeige gegen den Beschwerdeführer angeschlossen, die in weiterer Folge als Verschlussakt im so genannten „Einsichtsverkehr“ der Abteilung I/1 im BMI übermittelt wurde.

Beweiswürdigung : Diese Feststellungen beruhen auf den übereinstimmenden Vorbringen des Beschwerdeführers und des Beschwerdegegners. Die Aufnahme in das Sicherstellungsverzeichnis, die Erstellung eines Berichtes sowie der Anschluss an die Strafanzeige vom 12. November 2004 beruhen auf Vorbringen des Beschwerdegegners. Der Beschwerdeführer hat in dem ihm dazu gewährten Parteiengehör lediglich bestritten, dass der Bericht nur eine Aufstellung des sichergestellten Materials sei, nicht aber die Tatsache der Berichterstellung selbst. Insbesondere hat er auch nicht bestritten, dass Bericht und Sicherstellungsverzeichnis der Strafanzeige vom 12. November 2004 angeschlossen worden sind.

D) rechtliche Schlussfolgerungen

1. die wesentlichen anzuwendenden Rechtsvorschriften :

Die Verfassungsbestimmung § 1 Abs. 1, 2 und 5 Datenschutzgesetz 2000 (DSG 2000), BGBl I Nr 165/1999 idF BGBl I Nr 13/2005, lautet unter der Überschrift „Grundrecht auf Datenschutz“:

„§ 1. (1) Jedermann hat, insbesondere auch im Hinblick auf die Achtung seines Privat- und Familienlebens, Anspruch auf Geheimhaltung der ihn betreffenden personenbezogenen Daten, soweit ein schutzwürdiges Interesse daran besteht. Das Bestehen eines solchen Interesses ist ausgeschlossen, wenn Daten infolge ihrer allgemeinen Verfügbarkeit oder wegen ihrer mangelnden Rückführbarkeit auf den Betroffenen einem Geheimhaltungsanspruch nicht zugänglich sind.

(2) Soweit die Verwendung von personenbezogenen Daten nicht im lebenswichtigen Interesse des Betroffenen oder mit seiner Zustimmung erfolgt, sind Beschränkungen des Anspruchs auf Geheimhaltung nur zur Wahrung überwiegender berechtigter Interessen eines anderen zulässig, und zwar bei Eingriffen einer staatlichen Behörde nur auf Grund von Gesetzen, die aus den in Art. 8 Abs. 2 der Europäischen Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (EMRK), BGBl. Nr. 210/1958, genannten Gründen notwendig sind. Derartige Gesetze dürfen die Verwendung von Daten, die ihrer Art nach besonders schutzwürdig sind, nur zur Wahrung wichtiger öffentlicher Interessen vorsehen und müssen gleichzeitig angemessene Garantien für den Schutz der Geheimhaltungsinteressen der Betroffenen festlegen. Auch im Falle zulässiger Beschränkungen darf der Eingriff in das Grundrecht jeweils nur in der gelindesten, zum Ziel führenden Art vorgenommen werden.

...

(5) Gegen Rechtsträger, die in Formen des Privatrechts eingerichtet sind, ist, soweit sie nicht in Vollziehung der Gesetze tätig werden, das Grundrecht auf Datenschutz mit Ausnahme des Rechtes auf Auskunft auf dem Zivilrechtsweg geltend zu machen. In allen übrigen Fällen ist die Datenschutzkommission zur Entscheidung zuständig, es sei denn, daß Akte der Gesetzgebung oder der Gerichtsbarkeit betroffen sind.“

Gemäß § 4 Z 8 DSG 2000 bedeutet der Begriff „Verwenden von Daten“ „jede Art der Handhabung von Daten einer Datenanwendung, also sowohl das Verarbeiten (Z 9) als auch das Übermitteln (Z 12) von Daten“.

Gemäß § 4 Z 12 DSG 2000 bedeutet der Begriff „Übermitteln von Daten“ die „Weitergabe von Daten einer Datenanwendung an andere Empfänger als den Betroffenen, den Auftraggeber oder einen Dienstleister, insbesondere auch das Veröffentlichen solcher Daten; darüber hinaus auch die Verwendung von Daten für ein anderes Aufgabengebiet des Auftraggebers“.

§ 8 Abs. 4 DSG 2000 lautet:

„(4) Die Verwendung von Daten über gerichtlich oder verwaltungsbehördlich strafbare Handlungen oder Unterlassungen, insbesondere auch über den Verdacht der Begehung von Straftaten, sowie über strafrechtliche Verurteilungen oder vorbeugende Maßnahmen verstößt - unbeschadet der Bestimmungen des Abs. 2 - nur dann nicht gegen schutzwürdige Geheimhaltungsinteressen des Betroffenen, wenn

„(2) Zur Entscheidung über behauptete Verletzungen der Rechte eines Betroffenen auf Geheimhaltung, auf Richtigstellung oder auf Löschung nach diesem Bundesgesetz ist die Datenschutzkommission dann zuständig, wenn der Betroffene seine Beschwerde gegen einen Auftraggeber des öffentlichen Bereichs richtet, der nicht als Organ der Gesetzgebung oder der Gerichtsbarkeit tätig ist.“

2. Anwendung dieser Bestimmungen auf den Beschwerdefall

a) Zur Zuständigkeit der Datenschutzkommission zur Überprüfung der Zulässigkeit der Auswertung von Unterlagen, die im Zuge einer richterlich angeordneten Hausdurchsuchung beschlagnahmt wurden:

Gemäß § 1 Abs. 5 iVm § 31 Abs. 2 DSG 2000 ist die Datenschutzkommission zur Prüfung von behaupteten Datenschutzverletzungen nur insoweit zuständig, als es sich hiebei nicht um Akte der Gesetzgebung oder der Gerichtsbarkeit handelt.

Der Beschwerdegegner hat im vorliegenden Verfahren vor der DSK eingewendet, dass die beschwerdegegenständlichen Handlungen Akte einer Sicherheitsbehörde im Dienste der Strafjustiz und deshalb Akte der Gerichtsbarkeit darstellten und somit der Prüfungszuständigkeit der DSK entzogen seien. Das BMI stützt sich bei seinem diesbezüglichen Vorbringen insbesondere auch auf das bereits erwähnte Gutachten von Herrn Univ.-Prof. DDr. Hugo R***, das die These vertritt, dass aus dem Blickwinkel des § 31 DSG 2000 jede Tätigkeit der Sicherheitsbehörden im Dienste der Strafjustiz „Gerichtsbarkeit“ sei.

Der Verwaltungsgerichtshof vertritt zur Abgrenzung zwischen Gerichtsbarkeit und Verwaltung in Fällen, in welchen die Sicherheitsbehörden im Dienste der Strafjustiz tätig werden, in ständiger Rechtsprechung die Auffassung, dass jedenfalls in Angelegenheiten der „Gerichtspolizei im engeren Sinn“ (das sind in der StPO vorgesehene Akte, bei denen eine unmittelbare Heranziehung von Sicherheitsorganen durch gerichtliche Organe möglich ist, so z.B. bei der Vollstreckung eines richterlichen Befehls zur Hausdurchsuchung – §§ 139 ff iVm § 24 StPO, zur Verhaftung – §§ 174 ff iVm § 24 StPO, oder im Rahmen der sog Sitzungspolizei; dazu kommt noch die Tätigkeit von Exekutivorganen im Zug einer gerichtlichen Vollstreckung nach der Exekutionsordnung) die von den Sicherheitsorganen zu setzenden Handlungen der Gerichtsbarkeit zuzuordnen sind (vgl. insbesondere VwGH v. 13. Nov. 1991, Zl 91/01/0135 sowie VwSlg. 15242 A/1999 und VwSlg. 15344 A/2000). Dies freilich nur, soweit der von der StPO bzw. von dem präzisierenden richterlichen Auftrag für diese Aufgaben gezogene Rahmen nicht überschritten wird.

Inwieweit auch andere Handlungen der Sicherheitsbehörden im Dienste der Strafjustiz der „Gerichtsbarkeit“ zuzurechnen sind, kann im vorliegenden Fall hinsichtlich des beschwerdegegenständlichen Berichtes des BIA vom 8. Jänner 2004 dahingestellt bleiben:

Der richterliche Hausdurchsuchungsbefehl ordnete nach seinem Wortlaut “die Auffindung, Sicherstellung und Sicherung von Unterlagen und Daten“ an. Da sich dieser Auftrag naturgemäß nur auf solche Unterlagen und Daten bezog, die für das Verfahren plausiblerweise relevant sein könnten, schließt jede „Sicherstellung und Sicherung“ eine gewisse inhaltliche Prüfung des aufgefundenen Materials mit ein. Eine gewisse Auswertung beschlagnahmter Unterlagen musste daher erfolgen, um ihre grundsätzliche Relevanz zu beurteilen - dies kann üblicherweise im Zuge des Beschlagnahmevorgangs selbst nicht mit hinlänglicher Sicherheit vorgenommen werden, sondern bedarf vielmehr einer erst in der Folge möglichen inhaltlichen Prüfung.

Angesichts des in der Sachverhaltsfeststellung wiedergegebenen Inhalts des „Berichts“, der nur eine kurze inhaltliche Beschreibung beschlagnahmter Unterlagen darstellt und nicht etwa diesen Inhalt hinsichtlich seiner Relevanz für den Grund der Hausdurchsuchung kommentiert, kann in diesem „Bericht“ im Übrigen auch kein wesensgemäßer Unterschied zu einem „Verzeichnis“ der bei einer Hausdurchsuchung sichergestellten Unterlagen gesehen werden. Schon um allfälligen Verlust oder Entwendung von Unterlagen(teilen) nachvollziehen zu können, bedarf es einer entsprechend aussagekräftigen Beschreibung der im Zuge einer Hausdurchsuchung sichergestellten Unterlagen, was sowohl durch die Beschreibung ihres äußeren Erscheinungsbildes als auch durch die Beschreibung ihres Inhalts erfolgen kann. Die Abfassung des „Berichtes“ vom 8. Jänner 2004 ist daher als Handlung zu sehen, die von der nach § 143 Abs. 1 StPO geschaffenen Verpflichtung, Gegenstände, die im Zuge einer Haus- oder Personsdurchsuchung beschlagnahmt wurden, „in ein Verzeichnis zu bringen“, mitumfasst ist – die im „Bericht“ enthaltenen Daten hätten auch in einer als Sicherstellungsverzeichnis betitelten Aufstellung angeführt sein können.

Es ist daher davon auszugehen, dass die im vorliegenden Fall vorgenommene Auswertung der im Zuge einer richterlich angeordneten Hausdurchsuchung beschlagnahmten Unterlagen vom Inhalt des Gerichtsbeschlusses vom 20. Oktober 2003 gedeckt war und dass die Erstellung des „Berichts“ daher als Tätigkeit des BIA im Rahmen einer Hausdurchsuchung zu begreifen ist, die als Akt der „Gerichtspolizei im engeren Sinn“ jedenfalls der „Gerichtsbarkeit“ zuzurechnen ist.

Hinsichtlich dieser Auswertung trifft der vom Beschwerdegegner gemachte Einwand der Unzuständigkeit der Datenschutzkommission gemäß § 1 Abs. 5 DSG 2000 daher zu. Die Beschwerde war somit diesbezüglich zurückzuweisen.

b) Die Zulässigkeit der Weiterleitung der Ergebnisse der Hausdurchsuchung an die Dienstbehörde

aa) Zuständigkeit der Datenschutzkommission zur Überprüfung der Zulässigkeit der Weiterleitung der Ergebnisse der Hausdurchsuchung an die Dienstbehörde:

Die Weiterleitung der Daten des Berichts vom 8. Jänner an die Dienstbehörde geschah im Rahmen der Übermittlung einer Kopie der Strafanzeige. Als Zweck der Weiterleitung der beschwerdegegenständlichen Daten vom BIA an die Dienstbehörde (Abt. I/1 des BMI) hat der Beschwerdegegner das Erfordernis „gesonderter dienst- und disziplinarrechtlicher Beurteilung“ angegeben.

Voraussetzung für die Zuständigkeit der Datenschutzkommission zur Prüfung der Zulässigkeit dieser Weitergabe ist, dass diese nicht als Akt der Gerichtsbarkeit einzustufen ist.

Das BIA hat – auch nach den eigenen Angaben – hier nicht aufgrund eines richterlichen Auftrags gehandelt. Auch stellt diese Datenweitergabe ihrem Zweck nach keine Handlung einer Sicherheitsbehörde im Dienste der Strafjustiz dar, wie sie etwa in den §§ 24 oder 26 StPO vorgesehen ist. Eine Zurechnung dieser Handlung eines Verwaltungsorgans, wie es das BIA darstellt, zur „Gerichtsbarkeit“ kommt daher nicht in Frage. Die Zuständigkeit der Datenschutzkommission zur Prüfung der Zulässigkeit dieser Handlung ist somit gegeben.

bb) Zulässigkeit der Weiterleitung der Ergebnisse der Hausdurchsuchung an die Dienstbehörde:

Wie bereits erwähnt, erfolgte die Weiterleitung der Daten des Berichts vom 8. Jänner an die Dienstbehörde im Rahmen der Übermittlung einer Kopie der Strafanzeige zum Zweck „gesonderter dienst- und disziplinarrechtlicher Beurteilung“.

Die Weiterleitung der Strafanzeige in Kopie durch das BMI/BIA an die Abteilung I/1 des Bundesministeriums für Inneres als Dienstbehörde ist trotz Identität des Auftraggebers, nämlich des BMI, als „Übermittlung“ im Sinne des § 4 Z 12 DSG 2000 zu qualifizieren, da es sich um die Weitergabe von Daten zwischen unterschiedlichen Aufgabengebieten desselben Auftraggebers – einerseits „Kriminalpolizei“, andrerseits „dienstbehördliche Angelegenheiten“ – handelt.

Der Beschwerdegegner hat als Begründung für die Zulässigkeit der Übermittlung das Vorliegen von Amtshilfe ins Treffen geführt. „Amtshilfe“ setzt jedoch voraus, dass ein Ersuchen um Datenübermittlung gestellt wurde (vgl. hiezu z.B. Dohr-Pollirer-Weiss, Kommentar zum Datenschutzrecht, 2002, Anm. 13 zu § 8 DSG 2000). Da dies im vorliegenden Fall zweifellos nicht gegeben war, scheidet „Amtshilfe“ als Rechtsgrundlage der beschwerdegegenständlichen Datenübermittlung aus. Auch die Bezugnahme auf die Standardanwendung „SA029 Aktenverwaltung (Büroautomation)“ betreffend Datenverarbeitung zwecks Durchführung der Kanzleigeschäfte kann nicht als Rechtsgrundlage herangezogen werden, da der dort genannte Empfängerkreis „Personen und Einrichtungen, die im Rahmen der Geschäftstätigkeit zu befassen sind“ voraussetzt, dass die Befassung in gesetzeskonformer Weise festgelegt wurde.

bb) Zu prüfen ist daher, ob andere Rechtsvorschriften die Übermittlung der Ergebnisse der Hausdurchsuchung an die Dienstbehörde zu rechtfertigen vermögen:

Dem Beschwerdegegner war es offenbar nicht möglich, andere Rechtsgrundlagen für die Übermittlung der in Rede stehenden Daten an die Dienstbehörde ins Treffen zu führen als Amtshilfe oder die Standardanwendung SA029, die jedoch, wie dargelegt, beide im vorliegenden Fall nicht als taugliche Rechtsgrundlage anerkannt werden können. Der Datenschutzkommission sind ebenfalls keine anderen Rechtsvorschriften erkennbar, die die Rechtmäßigkeit der gegenständlichen Übermittlung bewirken könnten – auch § 8 Abs. 4 Z 2 DSG 2000 kommt schon deshalb nicht in Betracht, weil die Übermittlung der Daten ihrem Inhalt nach keine wesentliche Voraussetzung für die hier relevante Aufgabenbesorgung darstellte.

Die Weiterleitung der von der Beschwerde umfassten Daten an die Dienstbehörde war daher im vorliegenden Fall unzulässig, weshalb wie im Spruch zu entscheiden war.

Mit Beschluss vom 28. November 2006, Zl. 2006/06/0207, 0208-5, hat der VwGH die von der Bundesministerin für Inneres gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde mangels Berechtigung zu ihrer Erhebung zurückgewiesen .

Inhaltlich verweist der VwGH in diesem Beschluss gemäß § 43 Abs. 2 und 8 VwGG lediglich auf die Entscheidungsgründe des Beschlusses vom selben Tag, Zl. 2006/06/0068 (siehe die Auszüge aus diesem Beschluss beim Bescheid der Datenschutzkommission vom 17. November 2006, GZ: K121.052/0002-DSK/2006, RIS).

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