K120.959/0009-DSK/2004 – Datenschutzkommission Entscheidung
Text
[Anmerkung Bearbeiter: Namen (Firmen), (Internet )Adressen, Aktenzahlen (und dergleichen), Rechtsformen und Produktbezeichnungen etc. sowie deren Initialen und Abkürzungen können aus Anonymisierungsgründen abgekürzt und/oder verändert sein.]
BESCHEID
Die Datenschutzkommission hat unter dem Vorsitz von Dr. SPENLING und in Anwesenheit der Mitglieder Dr. BLAHA, Dr. DUSCHANEK und Dr. PREISS sowie des Schriftführers Mag. SUDA in ihrer Sitzung vom 16. November 2004 folgenden Beschluss gefasst:
Spruch
Über die Beschwerde des H in P (Beschwerdeführer) vom 21. April 2004 gegen den Verein Z in Q (Beschwerdegegner) wegen Verletzung im Recht auf Auskunft wird gemäß den §§ 1 Abs. 5 und 31 Abs. 1 des Datenschutzgesetzes 2000 (DSG 2000), BGBl I Nr. 165/1999 idF BGBl I Nr. 136/2001, entschieden:
Der Beschwerde wird gemäß § 1 Abs. 3 Z 1 iVm § 26 Abs. 1, 3 und 4 DSG 2000 hinsichtlich der Verletzung im Recht auf Auskunft teilweise stattgegeben und festgestellt, dass der Beschwerdegegner den Beschwerdeführer dadurch im Recht auf Auskunft verletzt hat, dass er nicht innerhalb von acht Wochen nach Einlangen des Begehrens schriftlich begründet hat, warum die Auskunft nicht erteilt wird.
Das darüber hinaus gehende Begehren auf vollständige Auskunftserteilung wird abgewiesen.
Begründung:
Der Beschwerdeführer behauptete eine Verletzung im Recht auf Auskunft dadurch, dass der Beschwerdegegner auf ein am 18. Februar 2004 mittels E-mail gestelltes Auskunftsersuchen nicht geantwortet habe.
Der Beschwerdegegner entgegnete, das Schreiben des Beschwerdeführers sei in mehrfacher Hinsicht unklar gewesen. So habe er in der Anrede eine Person angesprochen, die im Verein keine Funktion ausübe. Außerdem habe er '§ 28 (2) DSG' zitiert, welcher kein Auskunftsrecht enthalte, daher sei sein Begehren nicht klar erkennbar gewesen. Inhaltlich sei zu bemerken, dass der Beschwerdeführer sein Auskunftsersuchen ohnehin selbst beantwortet habe, indem er auf seine bisherigen Tätigkeiten für bzw. im Umfeld der politischen Partei L [Anmerkung Bearbeiter: der Beschwerdegegner unterstützte im Präsidentschaftswahlkampf 2004 den/die der Partei L nahe stehende/-n Kandidaten/-in K) hingewiesen habe. Außerdem sei er noch vor der letzten Nationalratswahl ein aktiver Unterstützer der Partei L und Mitglied eines 'Kanzlerteams' gewesen. Daher erfülle er alle Voraussetzungen eines aktiven und wichtigen Multiplikators für Wahlkämpfe im Nahbereich der Partei L.
Folgender entscheidungsrelevanter Sachverhalt wird angenommen:
Der Beschwerdeführer richtete am 18. Februar 2004, 22.15 Uhr, eine E-mail an den Beschwerdegegner, welche unter anderem die folgenden Ausführungen enthielt:
'Sehr geehrter Herr M,
Ich habe mit heutiger Post Ihre Einladung zur Mitarbeit beim Verein L [...] bekommen. Dazu möchte ich Ihnen mitteilen, dass ich nach mehr als zehnjähriger Mitgliedschaft und aktiver Mitarbeit in der Partei L, unter anderem als Kommunikations- und Ideologietrainer der Parteiakademie [Anmerkung Bearbeiter:
Name der Akademie im Originaltext], selbstverständlich nicht bereit bin, K zu unterstützen. [...]
Sie sehen, ich habe genug Gründe, Ihnen als langjähriges überzeugtes L-Mitglied zu versichern, dass ich alles unternehmen werde, um die Kandidatur von K zu unterlaufen.
[...]
Eines fällt mir noch auf: Auf Ihrem Schreiben scheint die DVR-Nummer zu fehlen. Ich fordere Sie also hiermit auf, mir binnen gesetzlicher Frist Auskunft gem. § 28 (2) DSG zu erteilen – unter Androhung einer Beschwerde beim DVR.
[...]'
Dieser E-mail war kein Identitätsnachweis angeschlossen.
Beweiswürdigung: Diese Feststellungen beruhen auf der vom Beschwerdegegner vorgelegten Abschrift der E-mail, welche mit dem Beschwerdevorbringen nur insofern nicht in Einklang steht, als dort behauptet wird, der Beschwerdeführer habe sich auf § 26 DSG bezogen. Dieser ist der Richtigkeit der Abschrift im Parteiengehör nicht entgegen getreten. Ebenso wenig hat er der ausdrücklichen Vorhaltung betreffend den fehlenden Identitätsnachweis widersprochen.
Der Beschwerdegegner hat auf die E-mail nicht reagiert.
Beweiswürdigung: Diese Feststellung beruht auf dem übereinstimmenden Vorbringen beider Parteien.
In rechtlicher Hinsicht folgt daraus:
1. anzuwendende Rechtsvorschriften
Unter der Überschrift 'Grundrecht auf Datenschutz' enthält die Verfassungsbestimmung des § 1 Abs. 3 Z 3 DSG 2000 folgende Grundsätze des datenschutzrechtlichen Auskunftsrechts über eigene Daten:
'Jedermann hat, soweit ihn betreffende personenbezogene Daten zur automationsunterstützten Verarbeitung oder zur Verarbeitung in manuell, d.h. ohne Automationsunterstützung geführten Dateien bestimmt sind, nach Maßgabe gesetzlicher Bestimmungen das Recht auf Auskunft darüber, wer welche Daten über ihn verarbeitet, woher die Daten stammen, und wozu sie verwendet werden, insbesondere auch, an wen sie übermittelt werden'.
§ 26 DSG 2000 ist als einfachgesetzliche Ausführungsbestimmung zu § 1 Abs. 3 Z 1 DSG 2000 ('nach Maßgabe gesetzlicher Bestimmungen') Anspruchsgrundlage für das individuelle Recht auf Auskunft über eigene Daten. Gemäß § 26 Abs. 1. DSG 2000 hat der Auftraggeber dem Betroffenen Auskunft über die zu seiner Person verarbeiteten Daten zu geben, wenn der Betroffene dies schriftlich verlangt und seine Identität in geeigneter Form nachweist (Unterstreichung durch die Datenschutzkommission). Mit Zustimmung des Auftraggebers kann das Auskunftsbegehren auch mündlich gestellt werden. Die Auskunft hat die verarbeiteten Daten, die verfügbaren Informationen über ihre Herkunft, allfällige Empfänger oder Empfängerkreise von Übermittlungen, den Zweck der Datenverwendung sowie die Rechtsgrundlagen hiefür in allgemein verständlicher Form anzuführen. Auf Verlangen des Betroffenen sind auch Namen und Adresse von Dienstleistern bekannt zu geben, falls sie mit der Verarbeitung seiner Daten beauftragt sind. Mit Zustimmung des Betroffenen kann anstelle der schriftlichen Auskunft auch eine mündliche Auskunft mit der Möglichkeit der Einsichtnahme und der Abschrift oder Ablichtung gegeben werden.
Der Betroffene hat gemäß Abs. 3 leg. cit. am Auskunftsverfahren über Befragung in dem ihm zumutbaren Ausmaß mitzuwirken, um ungerechtfertigten und unverhältnismäßigen Aufwand beim Auftraggeber zu vermeiden.
Gemäß Abs. 4 leg. cit. ist die Auskunft binnen acht Wochen zu erteilen oder schriftlich zu begründen, warum sie nicht oder nicht vollständig erteilt wird.
2. Vorliegen eines an den Beschwerdegegner gerichteten Auskunftsverlangens im Sinn von § 26 Abs. 1 DSG 2000
Mit seinem Vorbringen, der Beschwerdeführer habe in der E-mail vom 18. Februar 2004 eine Person angesprochen, die bei ihm keine Vereinsfunktion ausübe und er habe sich auf § 28 Abs. 2 DSG 2000 (der in der Tat nicht das Auskunfts- sondern das Widerspruchsrecht regelt) bezogen, macht der Beschwerdegegner implizit geltend, dieser E-mail sei nicht zu entnehmen gewesen, dass der Beschwerdeführer von ihm Auskunft verlange. Dazu ist zunächst festzuhalten, dass § 26 Abs. 1 DSG 2000 nicht auf die subjektive Sicht des Auftraggebers abstellt, sondern erkennbar von einem objektiven Maßstab für ein Auskunftsverlangen ausgeht.
Die E-mail war unbestritten an eine dem Beschwerdegegner zugeordnete Adresse gerichtet und hat auch im Betreff eindeutig auf den Vereinsgegenstand des Beschwerdegegners Bezug genommen. Weiters wurde ausdrücklich auf die unbestritten zugesendete Einladung zur Mitarbeit verwiesen. Somit konnte der Beschwerdegegner trotz der unpassenden persönlichen Anrede objektiv nicht davon ausgehen, der Beschwerdeführer habe sein Verlangen an eine andere Person richten wollen.
Auch das Zitat einer unpassenden Gesetzesstelle schadet der objektiven Qualifikation als Auskunftsverlangen nicht. Hätte der Beschwerdegegner tatsächlich Zweifel gehabt, welches Recht der Beschwerdeführer ausüben wollte, so hätte er diesen im Rahmen der Mitwirkungspflicht zur Klärung auffordern können (s. unten 4.). Da die E-mail die klare Aufforderung enthielt, dem Beschwerdeführer Auskunft zu erteilen, war objektiv vom Vorliegen eines Verlangens auf Auskunft auszugehen. Somit lag ein an den Beschwerdegegner gerichtetes Auskunftsbegehren vor.
3. Beschwer des Auskunftswerbers
Der Beschwerdegegner behauptet, im Auskunftsbegehren habe der Beschwerdeführer dieses ohnehin schon selbst beantwortet, daher sei eine Auskunftserteilung nicht erforderlich gewesen. Davon kann jedoch keine Rede sein. Nach der ständigen Rechtsprechung der Datenschutzkommission (vgl. etwa den Bescheid vom 23. November 2001, GZ K120.748/022-DSK/2001) müssen in einer Auskunft die tatsächlichen Eintragungen bei sämtlichen verarbeiteten Datenarten offen gelegt werden. Weiters sind bezüglich aller Datenarten die Herkunft dieser Daten und allfällige Übermittlungen zu beauskunften und zwar in hinlänglich konkreter Form, damit der Betroffene seine Berichtigungs- und Löschungsrechte sowohl gegenüber der Quelle der Daten als auch gegenüber Übermittlungsempfängern durchsetzen kann. Darüber hinaus sind der Zweck und die Rechtsgrundlagen der Datenverwendung anzugeben.
Keine dieser Angaben findet sich in der E-mail vom 18. Februar 2004. Mit dem Hinweis auf die frühere Tätigkeit des Beschwerdeführers im Umfeld der Partei L, auf die der Beschwerdeführer im Auskunftsbegehren unbestritten hinweist, wird nicht einmal konkret die Aussage getroffen, dass die Daten des Beschwerdeführers von dieser – vom Beschwerdegegner zu unterscheidenden – politischen Partei stammen, sondern bestenfalls eine diesbezügliche Vermutung des Beschwerdeführers kundgetan. Für den Anspruch auf Auskunft ist dies unbeachtlich.
4. Identitätsnachweis, Umfang des Auskunftsrechts, Mitwirkungsobliegenheit
Die Datenschutzkommission hat bereits in ihrem Bescheid vom 12. Dezember 2003, GZ K120.881/010-DSK/2003 (abrufbar unter www.ris.bka.gv.at), ausgesprochen, dass § 26 Abs. 1 DSG 2000 die Auskunftserteilung an die Bedingung knüpft, dass der Betroffene gegenüber dem Auftraggeber seine Identität nachweist. Diese Bestimmung hat den klar erkennbaren Zweck, jedem möglichen Missbrauch des Auskunftsrechts zur Informationsbeschaffung durch Dritte einen Riegel vorzuschieben. Ein Auftraggeber darf ohne Vorliegen eines Identitätsnachweises keine Daten an den Auskunftswerber - von dem er in diesem Moment nur annehmen kann, dass er tatsächlich der Betroffene ist - übermitteln, da er sonst das Datengeheimnis gemäß § 15 Abs. 1 DSG 2000 verletzen könnte. Allerdings enthebt das Nichtvorliegen eines Identitätsnachweises den datenschutzrechtlichen Auftraggeber nicht von der Pflicht, auf das Auskunftsbegehren zu reagieren. Denn gemäß § 26 Abs. 3 DSG 2000 hat der Betroffene auf Verlangen ('Befragen') des Auftraggebers am Auskunftsverfahren mitzuwirken (so genannte Mitwirkungsobliegenheit). Damit steht dem Auftraggeber ein Instrument zur Verfügung, das Nachholen des Identitätsnachweises zu erwirken. Der datenschutzrechtliche Auftraggeber hat gemäß Abs. 4 leg. cit. zumindest gegenüber dem Auskunftswerber schriftlich zu begründen, warum die Auskunft nicht erteilt wird. Diese Begründung könnte etwa sinngemäß auch lauten: 'Auskunft wird nicht erteilt, weil Sie Ihre Identität trotz Aufforderung nicht nachgewiesen haben.' Weist der Auskunftswerber also seine Identität nicht nach, so reduziert sich der Vollanspruch auf inhaltliche Auskunft darauf, eine entsprechende schriftliche Begründung für das Nichterteilen der Auskunft zu erhalten. Das Unterbleiben jeglicher Reaktion des datenschutzrechtlichen Auftraggebers auf ein Auskunftsbegehren verletzt den Betroffenen in seinem subjektiven Recht gemäß § 26 Abs. 1 und 4 DSG 2000 und damit implizit auch im Grundrecht auf Datenschutz (Auskunft) gemäß § 1 Abs. 3 Z 1 DSG 2000. Dasselbe gilt hinsichtlich anderer sich allenfalls aus § 26 Abs. 3 DSG 2000 ergebender Mitwirkungsverpflichtungen des Auskunftswerbers (zB Verpflichtung zur Klarstellung auf Anfrage des Auftraggebers wegen Zitierung der unpassenden Gesetzesbestimmung des § 28 Abs. 2 DSG 2000).