JudikaturBVwG

G304 2321015-1 – Bundesverwaltungsgericht Entscheidung

Entscheidung
10. Oktober 2025

Spruch

G304 2321015-1/4Z

TEILERKENNTNIS

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch die Richterin Mag. Beatrix LEHNER über die Beschwerde des XXXX , geboren am XXXX , StA. Nordmazedonien, vertreten durch die BBU GmbH, gegen den Bescheid des Bundesamts für Fremdenwesen und Asyl vom 27.08.2025, Zl. XXXX , betreffend Aberkennung der aufschiebenden Wirkung zu Recht erkannt:

A)Der Beschwerde gegen die Aberkennung der aufschiebenden Wirkung (Spruchpunkt V. des angefochtenen Bescheids) wird Folge gegeben und dieser Spruchpunkt ersatzlos behoben. Gemäß § 18 Abs. 5 BFA-VG wird der Beschwerde die aufschiebende Wirkung zuerkannt.

B)Die Revision ist gemäß Art 133 Abs 4 B-VG nicht zulässig

Text

Entscheidungsgründe:

I. Verfahrensgang:

Mit dem angefochtenen Bescheid vom 27.08.2025 sprach das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA) aus, dass dem BF eine Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz nicht erteilt werde (Spruchpunkt I.), gegen den BF eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs 1 Z 1 FPG erlassen wird (Spruchpunkt II.), stellte die Zulässigkeit seiner Abschiebung nach Nordmazedonien fest (Spruchpunkt III.), sah von der Festlegung einer Frist für die freiwillige Ausreise ab (Spruchpunkt IV.), erkannte einer Beschwerde gegen die Rückkehrentscheidung gemäß § 18 Abs 2 Z 1 BFA-VG die aufschiebende Wirkung ab (Spruchpunkt V.) und erließ gemäß § 53 Abs 1 iVm Abs 3 Z 1 FPG ein befristetes Einreiseverbot auf die Dauer von 10 Jahren (Spruchpunkt VI.).

Die Aberkennung der aufschiebenden Wirkung wurde damit begründet, dass die sofortige Ausreise des BF im Interesse der öffentlichen Ordnung und Sicherheit erforderlich sei, da von ihm eine gegenwärtige erhebliche Gefahr ausgehe und dass Fluchtgefahr bestehe, weil er sich mehrere Jahre illegal im Bundesgebiet aufgehalten habe und laufend unbekannten Aufenthaltes gewesen sei.

Der BF erhob im Wege seiner Rechtsvertretung vollinhaltliche Beschwerde gegen diesen Bescheid. Der BF sei seit seinem 5. Lebensjahr in Österreich aufhältig, er habe über einen Aufenthaltstitel verfügt und er sei gut integriert. Auch leben hier in Österreich seine beiden mj Kinder. Es seien nur die 5 strafgerichtlichen Verurteilungen allein für eine Beurteilung herangezogen worden.

Der Beschwerdeakt langte am 03.10.2025 beim Bundesverwaltungsgericht (BVwG) ein.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Der BF ist ein am XXXX geborener Staatsangehöriger von Nordmazedonien.

Er ist im Jahr 1988 im Kindesalter mit seiner Familie nach Österreich gekommen und hat hier die Volksschule und ein Gymnasium besucht sowie eine Lehre als Steinmetz absolviert.

Eine Meldeadresse scheint erstmals von 2001 bis 2009 auf. Von 2003 bis 2013 war der BF Inhaber eines Aufenthaltstitels. Ab 2013 wurde dem BF ein weiterer Aufenthaltstitel ausgestellt. Dieser endete nach der Aktenlage im Jahr 2021. Der BF stellte keinen Antrag auf Verlängerung des Aufenthaltstitels, sodass der Aufenthalt des BF für den nachfolgenden Zeitraum als unrechtmäßig anzusehen ist. Die letzte aufrechte Meldung des BF im Bundesgebiet endete am 03.09.2024. In den Zwischenzeiträumen sowie aktuell scheinen Meldungen im ZMR in Justizanstalten auf.

Der BF war im Inland in den Zeiträumen 02.03.2020 bis 17.12.2020 und 02.11.2022 bis 15.12.2023 unselbständig erwerbstätig. Daneben bezog er von 18.12.2020 bis 31.03.2021 Arbeitslosengeld.

Er leidet an keiner lebensbedrohenden Erkrankung und ist in einem erwerbsfähigen Alter.

Folgende rechtskräftige strafrechtliche Verurteilung des BF ist in Österreich evident:

-Urteil LG vom 17.02.2015, §§ 28a Abs 1 5. Fall, 28a Abs 2 1. Fall SMG, Freiheitsstrafe 15 Monate, davon 5 unbedingt

-Urteil BG vom 15.02.2017, §§ 229 Abs 1, 15, 127 StGB, Freiheitsstrafe zwei Monate

-Urteil LG vom 07.05.2021, § 28a Abs 1 5. Fall und Abs 2 Z 1 SMG, Freiheitsstrafe 4 Jahre unbedingt

-Urteil LG vom 08.03.2024, §§ 127, 129 Abs 1 Z 1, Z2, 130 Abs 1, erster Fall, 229, 241e Abs 3 StGB, Freiheitsstrafe 15 Monate

-Urteil LG vom 22.05.2025, § 164, 127, 130 Abs 1 StGB, Freiheitsstrafe 16 Monate unbedingt

Die Tathandlung des BF zu seiner letzten strafgerichtlichen Verurteilung bestand darin, dass er ein gestohlenes Fahrrad für einen unbekannten Täter weiterverkaufte und weiters einen Rucksack mit Inhalt aus einem unversperrten PKW entnahm sowie weitere Gegenstände aus einem anderen unversperrten PKW entwendete.

Der BF verbüßt derzeit seine Freiheitsstrafe in einer Justizanstalt.

Der BF ist Vater von drei Kindern ( XXXX geboren). Die Kinder sind im Bundesgebiet aufhältig, die alleinige Obsorge für die beiden noch mj Kinder wurde mit Gerichtsbeschluss vom 11.11.2022 den Eltern des BF übertragen, welche auch im Bundesgebiet wohnen. Die Kindesmutter befindet sich offenbar auf Dauer im Ausland.

Aufgrund des langen Aufenthaltes des BF ist von einer gewissen Integration auszugehen, sein Lebensmittelpunkt liegt seit seiner Kindheit in Österreich. In Nordmazedonien leben keine nahen Angehörigen des BF.

2. Beweiswürdigung:

Der Verfahrensgang und der für die Entscheidung über die aufschiebende Wirkung maßgebliche Sachverhalt ergeben sich ohne entscheidungswesentliche Widersprüche aus dem unbedenklichen Inhalt der Akten des Verwaltungsverfahrens, insbesondere aus den Angaben des BF, sowie aus dem Zentralen Melderegister (ZMR), dem Strafregister und dem Informationsverbundsystem Zentrales Fremdenregister (IZR).

Die Aufenthaltsdauer des BF in Österreich und seine melderechtliche Erfassung ergibt sich aus dem ZMR. Der vormalige Besitz eines gültigen Aufenthaltstitels ergibt sich aus dem Akteninhalt.

Die strafrechtlichen Verurteilungen ergeben sich aus dem Strafregister und der im Akt befindlichen Kopie des letzten Gerichtsurteiles.

Die Feststellungen zur Obsorgeübertragung hinsichtlich der beiden mj Kinder an die Großeltern ergibt sich aus dem im Akt befindlichen Gerichtsbeschluss. Die mj Kinder sind im Bundesgebiet aufhältig und besuchen in Österreich die Schule, es konnte jedoch mangels Meldeadresse ab 09/2024 nicht festgestellt werden, dass der BF in letzter Zeit auch an dieser Adresse aufhältig gewesen wäre.

Unstrittig ist die Aufenthaltsdauer des BF im Bundesgebiet, wobei der Zeitraum nach dem Ablauf der Aufenthaltsberechtigung als unrechtmäßig anzusehen ist und der BF ab 09/2024 über keine aufrechte Meldeadresse mehr verfügte. Aufgrund des langen Aufenthaltszeitraumes, der in Österreich absolvierten Schulbildung, der Lehre und seiner Berufstätigkeit ist von einer gewissen Integration auszugehen.

3. Rechtliche Beurteilung:

Die vollinhaltliche Beschwerde richtet sich unter anderem auch gegen Spruchpunkt V. des angefochtenen Bescheids, mit dem die aufschiebende Wirkung aberkannt wurde. Das BVwG hat über eine derartige Beschwerde gemäß § 18 Abs 5 BFA-VG binnen einer Woche ab Vorlage der Beschwerde in Form eines (Teil-)Erkenntnisses zu entscheiden.

Die Entscheidung über die Aberkennung der aufschiebenden Wirkung ist nicht als Entscheidung in der Sache selbst zu werten, vielmehr handelt es sich dabei um eine der Sachentscheidung vorgelagerte (einstweilige) Verfügung, die nicht geeignet ist, den Ausgang des Verfahrens vorwegzunehmen.

Es ist in diesem Zusammenhang daher lediglich darauf abzustellen, ob es - im Sinne einer Grobprüfung - von vornherein ausgeschlossen erscheint, dass die Angaben der beschwerdeführenden Partei als "vertretbare Behauptungen" zu qualifizieren sind, die in den Schutzbereich der hier relevanten Bestimmungen der EMRK reichen.

Gemäß § 18 Abs 2 Z 1 BFA-VG ist einer Beschwerde gegen eine Rückkehrentscheidung die aufschiebende Wirkung abzuerkennen, wenn die sofortige Ausreise des Drittstaatsangehörigen im Interesse der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit erforderlich ist.

Gemäß § 18 Abs 5 BFA-VG hat das BVwG der Beschwerde, der die aufschiebende Wirkung aberkannt wurde, diese binnen einer Woche ab Vorlage der Beschwerde von Amts wegen zuzuerkennen, wenn anzunehmen ist, dass eine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Fremden in seinen Herkunftsstaat eine reale Gefahr einer Verletzung von Art 2 EMRK, Art 3 EMRK, Art 8 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention bedeuten würde oder für ihn als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde. In der Beschwerde gegen den in der Hauptsache ergangenen Bescheid sind die Gründe, auf die sich die Behauptung des Vorliegens einer realen Gefahr oder einer ernsthaften Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit gemäß Satz 1 stützt, genau zu bezeichnen.

In der Beschwerde wird unter anderem vorgebracht, dass der BF seinen Lebensmittelpunkt in Österreich habe. Nach der Aktenlage ist der BF in Österreich zu einem gewissen Grad verankert. Seit ca 37 Jahren hält sich der BF im Bundesgebiet auf, er hat hier die Schule besucht, eine Lehre absolviert und war erwerbstätig. Weiters leben seine zwei mj Kinder im Bundesgebiet, wobei dem BF kein Obsorgerecht zukommt.

Im vorliegenden Fall kann aufgrund dieser in der Wochenfrist vorzunehmenden Grobprüfung des festgestellten Sachverhalts und des Beschwerdevorbringens, insbesondere hinsichtlich einer möglichen Verletzung des Beschwerdeführers im Recht auf Privat- und Familienleben gemäß Art 8 EMRK, vorab nicht mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit ausgeschlossen werden, dass eine Abschiebung des Beschwerdeführers in sein Herkunftsland eine reale Gefahr einer Verletzung der hier zu berücksichtigenden Bestimmungen der EMRK bedeuten könnte. Der gegenständlichen Beschwerde ist daher gemäß § 18 Abs. 5 BFA-VG spruchgemäß die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen.

Eine mündliche Verhandlung entfällt gemäß § 21 Abs 6a BFA-VG.

4. Zu B): Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 des Verwaltungsgerichtshofgesetzes 1985 (VwGG), BGBl. Nr. 10/1985 idgF, hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen. Die Revision gegen die gegenständliche Entscheidung ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor. Konkrete Rechtsfragen grundsätzlicher Bedeutung sind weder in der gegenständlichen Beschwerde vorgebracht worden noch im Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht hervorgekommen. Die Revision ist nicht zuzulassen, weil die Frage der Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung nach den Umständen des Einzelfalls zu beurteilen ist, und von der für den Fall zuständigen Gerichtsabteilung des BVwG keine grundsätzliche Rechtsfrage iSd Art. 133 Abs. 4 B-VG zu lösen war.