JudikaturBVwG

W177 2149520-3 – Bundesverwaltungsgericht Entscheidung

Entscheidung
03. Juli 2025

Spruch

W177 2149520-3/4E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch den Richter Mag. Volker NOWAK über die Beschwerde von Herrn XXXX , geboren am XXXX , Staatsangehörigkeit Afghanistan, vertreten durch die BBU GmbH – Bundesagentur für Betreuungs- und Unterstützungsleistungen, Leopold-Moses-Gasse 4, 1020 Wien, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl, Regionaldirektion Wien vom 08.01.2025, Zahl XXXX , zu Recht:

A)

I.Der Beschwerde wird gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG stattgegeben und XXXX gemäß § 3 Abs. 1 in Verbindung mit § 34 Abs. 2 Asylgesetz 2005 der Status des Asylberechtigten zuerkannt.

II. Gemäß § 3 Abs. 5 Asylgesetz 2005 wird festgestellt, dass XXXX damit kraft Gesetzes die Flüchtlingseigenschaft zukommt.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

Entscheidungsgründe:

1. Verfahrensgang:

1.1. Vorverfahren:

1.1.1. Der Beschwerdeführer (in der Folge BF), ein afghanischer Staatsangehöriger, reiste im Jänner 2016 unrechtmäßig in Österreich ein und stellte am 13.02.2016, zusammen mit seiner Ehefrau und seinen beiden minderjährigen Kindern einen ersten Antrag auf internationalen Schutz im Sinne des § 2 Abs. 1 Z 13 Asylgesetz 2005 (in der Folge AsylG).

1.1.2. Mit Bescheid des Bundesamts für Fremdenwesen und Asyl (in der Folge BFA) vom 05.02.2017 wurde der Antrag des BF auf internationalen Schutz abgewiesen, ihm aber der Status eines subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Afghanistan zuerkannt und ihm eine befristete Aufenthaltsberechtigung erteilt.

1.1.3. Gegen diesen Bescheid hat der BF fristgerecht Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht (in der Folge BVwG) erhoben.

1.1.4. Mit Erkenntnis vom 17.05.2017, Zahl XXXX , hat das BVwG den Antrag des BF in Spruchpunkt I. bezüglich Asyl abgewiesen.

1.1.5. Mit Bescheiden des BFA, zuletzt vom 13.03.2024, wurde dem BF der Status des subsidiär Schutzberechtigten jeweils – zuletzt bis zum 22.03.2026 – verlängert.

1.2. Gegenständliches Verfahren (Folgeantrag):

1.2.1. Der BF stellte – wie seine Ehefrau und seine Kinder – am 16.04.2024 neuerlich einen Antrag auf internationalen Schutz. Am selben Tag fand vor einem Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes im Beisein eines Dolmetschers für die Sprache Dari die niederschriftliche Erstbefragung des BF statt. Neben seinen alten Fluchtgründen, führte der BF auch an, dass seit dem Regierungswechsel seine Ehefrau und seine Töchter in Afghanistan keine Rechte hätten und ihnen die Arbeitsmöglichkeit bzw. der Schulbesuch verweigert werden würde.

1.2.2. Am 06.12.2024 wurde der BF vor dem BFA im Beisein eines Dolmetschers für die Sprache Dari niederschriftlich einvernommen. Im Wesentlichen gab der BF an, dass er afghanischer Staatsangehöriger sei und der Volksgruppe der Hazara sowie der Religion des Islam angehöre. Das Sorgerecht für seine Kinder habe er sowie seine Gattin. Er legte zahlreiche Integrationsunterlagen betreffend seine Kinder vor.

Zur Veränderung der Gefährdungslage im Herkunftsstaat befragt gab der BF an, dass er in Afghanistan nicht mit seiner Familie leben könne und wegen seiner Familie in Österreich bleiben wolle. Seine Frau und seine Töchter dürften in Afghanistan weder arbeiten noch zur Schule gehen. Seine Töchter würden in Afghanistan Analphabeten bleiben und hätten dort keine Aussicht, ihren Kinder einmal Bildung zukommen zu lassen. In Afghanistan könne man entweder so leben, wie es die Taliban verlangen würde oder man komme ums Leben.

Weiters gab der BF an, dass er den Deutschkurs A2 abgeschlossen habe, bei einem genannten Arbeitgeber arbeite und seine Familie nach österreichischer Kultur lebe.

1.2.3. Nach Durchführung des Ermittlungsverfahrens wies das BFA mit Bescheid vom 08.01.2025, Zahl XXXX , den Antrag des BF auf internationalen Schutz vom 16.04.2024 gemäß § 3 Abs. 1 in Verbindung mit § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG ab (Spruchpunkt I.).

In der Bescheidbegründung traf die belangte Behörde Feststellungen zur Person des BF und zur Lage in seinem Herkunftsstaat.

Zur Person des BF führte das BFA beweiswürdigend aus, dass er mit seiner Ehefrau traditionell verheiratet sei, daher könne nicht von ihr gemäß § 34 AsylG im Familienverfahren abgeleitet werden (disloziert, da es sich dabei um eine – zudem unzutreffende – rechtliche Beurteilung handelt).

Die belangte Behörde führte aus, dass das Vorbringen des BF nicht asylrelevant sei, da er keine persönlichen Fluchtgründe zu seiner Person vorgebracht habe.

1.2.4. Mit Bescheiden des BFA von 08.01.2025 wurde den gestellten Folgeanträgen auf internationalen Schutz der Ehefrau und der minderjährigen Kinder des BF stattgegeben und ihnen der Status der Asylberechtigten zuerkannt. Die Ehefrau und die Töchter des BF erhielten den Status des Asylberechtigten originär. Gem. § 34 Abs. 2 AsylG erhielten die beiden Söhne des BF diesen Schutzstatus von diesen Familienangehörigen abgeleitet.

1.2.5. Gegen diesen Bescheid brachte der BF mit Schreiben seines Vertreters vom 04.02.2025 fristgerecht das Rechtsmittel der Beschwerde an das BVwG wegen unrichtiger Feststellungen, „Mangelhaftigkeit des Verfahrens“ und unrichtiger rechtlicher Beurteilung ein.

Seinen Töchtern und seiner Ehegattin wurde mit Bescheiden vom BFA am 08.01.2025 die Flüchtlingseigenschaft zugesprochen worden und diese hätte auch auf den BF erstreckt werden müssen.

Beantragt wurde unter anderem, eine mündliche Beschwerdeverhandlung durchzuführen.

2. Ermittlungsergebnis (Sachverhaltsfeststellungen):

Das BVwG geht auf Grund des durchgeführten Ermittlungsverfahrens von folgendem für die Entscheidung maßgeblichen Sachverhalt aus:

Der BF ist afghanischer Staatsangehöriger und Angehöriger der Volksgruppe der Hazara. Er bekennt sich zur schiitischen Glaubensrichtung des Islam.

Der BF reiste aus Afghanistan aus und über mehrere Länder nach Europa und stellte erstmals am 02.12.2015 in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz. Den gegenständlichen Folgeantrag auf internationalen Schutz stellte der BF am 28.03.2024.

Der BF ist der Ehemann von XXXX , der mit Bescheid des BFA vom 08.01.2025, Zahl XXXX , gemäß § 3 Abs. 1 AsylG der Status einer Asylberechtigten zuerkannt wurde. Die Ehe hat bereits vor der Einreise bestanden. Der BF hat mit seiner Ehefrau vier Kinder. Den minderjährigen Töchtern des BF, XXXX und XXXX , wurde mit Bescheiden des BFA vom 08.01.2025 Zahl XXXX und Zahl XXXX , gemäß § 3 Abs. 1 AsylG der Status einer Asylberechtigten zuerkannt.

Der BF ist in Österreich aktuell subsidiär schutzberechtigt und strafgerichtlich unbescholten.

2. Beweiswürdigung:

Die Feststellungen zur Staatsangehörigkeit und zur Volksgruppen- sowie Religionszugehörigkeit des BF ergeben sich aus seinen diesbezüglich übereinstimmenden und glaubhaften Angaben in der Erstbefragung und vor dem BFA.

Die Feststellung zur Ausreise aus Afghanistan und zur Weiterreise nach Österreich ergibt sich aus dem Vorakt. Das Datum der Antragstellung ergibt sich aus dem Akteninhalt.

Die Feststellung, dass es sich beim BF um den Ehemann von Frau XXXX handelt, und dass der BF mit seiner Ehefrau vier Kinder hat, beruht auf dem Verwaltungsakt des BFA, dem Bescheid des BFA sowie der Beschwerde des BF. Dass die Ehe bereits vor der Einreise bestanden hat, ergibt sich aus dem Vorakt.

Dass der Ehefrau des BF mit Bescheid des BFA vom 08.01.2025 gemäß § 3 Abs. 1 AsylG der Status einer Asylberechtigten zuerkannt wurde, ergibt sich aus der Einsicht in das Fremdenregister (IFA Zahl XXXX ). Dass den minderjährigen Töchtern des BF, XXXX und XXXX , mit Bescheiden des BFA vom 08.01.2025 gemäß § 3 Abs. 1 AsylG der Status einer Asylberechtigten zuerkannt wurde, ergibt sich aus der Einsicht in das Fremdenregister (IFA Zahl XXXX und IFA Zahl XXXX ).

Die Feststellungen zu den Lebensumständen des BF in Österreich stützen sich auf seine Angaben im erstbehördlichen Verfahren und in der Beschwerde sowie auf die eingeholten Registerabfragen des BVwG (Strafregister, Zentrales Melderegister, Fremdenregister, GVS-Auszug).

Die Feststellung zur strafgerichtlichen Unbescholtenheit ergibt sich aus der Einsichtnahme in das Strafregister.

Dass dem BF der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt worden ist, ergibt sich aus dem gegenständlich angefochtenen Bescheid des BFA und der Einsicht in das Fremdenregister.

3. Rechtliche Beurteilung:

Zu A)

Gemäß § 3 Abs. 1 AsylG ist einem Fremden, der in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, soweit dieser Antrag nicht bereits gemäß §§ 4, 4a oder 5 zurückzuweisen ist, der Status des Asylberechtigten zuzuerkennen, wenn glaubhaft ist, dass ihm im Herkunftsstaat Verfolgung im Sinne des Art. 1 Abschnitt A Z 2 Genfer Flüchtlingskonvention droht (vgl. auch die Verfolgungsdefinition in § 2 Abs. 1 Z 11 AsylG, die auf Art. 9 der Statusrichtlinie verweist).

Im vorliegenden Fall liegt ein Familienverfahren im Sinne des § 34 AsylG bezüglich der Verfahren des BF und seiner Ehefrau sowie seiner minderjährigen Tochter vor.

Gemäß § 2 Abs. 1 Z 22 AsylG ist Familienangehöriger der Elternteil eines minderjährigen Asylwerbers, Asylberechtigten oder subsidiär Schutzberechtigten; der Ehegatte oder eingetragene Partner eines Asylwerbers, Asylberechtigten oder subsidiär Schutzberechtigten, sofern die Ehe oder eingetragene Partnerschaft bereits vor der Einreise bestanden hat; ein zum Zeitpunkt der Antragstellung minderjähriges lediges Kind eines Asylwerbers, Asylberechtigten oder subsidiär Schutzberechtigten und der gesetzliche Vertreter eines minderjährigen ledigen Asylwerbers, Asylberechtigten oder subsidiär Schutzberechtigten sowie ein zum Zeitpunkt der Antragstellung minderjähriges lediges Kind, für das einem Asylwerber, Asylberechtigten oder subsidiär Schutzberechtigten die gesetzliche Vertretung zukommt, sofern die gesetzliche Vertretung jeweils bereits vor der Einreise bestanden hat.

Gemäß § 34 Abs. 2 Z 1 und 3 AsylG hat die Behörde aufgrund eines Antrages eines Familienangehörigen eines Fremden, dem der Status des Asylberechtigten zuerkannt worden ist, dem Familienangehörigen mit Bescheid den Status eines Asylberechtigten zuzuerkennen, wenn dieser nicht straffällig geworden ist und gegen den Fremden, dem der Status des Asylberechtigten zuerkannt wurde, kein Verfahren zur Aberkennung dieses Status anhängig ist.

Der Ehefrau und den minderjährigen Töchtern wurde mit Bescheiden des BFA vom 08.01.2025, Zahl XXXX , Zahl XXXX und Zahl XXXX , gemäß § 3 Abs. 1 AsylG der Status der Asylberechtigten zuerkannt und gemäß § 3 Abs. 5 AsylG festgestellt, dass ihnen kraft Gesetzes die Flüchtlingseigenschaft zukommt.

Da ihnen der Status der Asylberechtigten zuerkannt wurde, ist gemäß § 34 Abs. 2 AsylG auch dem BF der Status von Asylberechtigten zuzuerkennen, zumal keine Sachverhaltselemente, die unter einen der Tatbestände des § 34 Abs. 2 Z 1 und 3 AsylG zu subsumieren wären, erkennbar sind. Selbst wenn das BFA dem BF den Status des Asylberechtigten nicht von der Ehefrau ableiten möchte, weil dieser nur traditionell verheiratet ist, so ist es unbestritten, dass er den Titel von seinen minderjährigen Töchtern ableiten kann.

Soweit der BF auch eigene Fluchtgründe vorbringt, ist auf diese nicht näher einzugehen. Der Verwaltungsgerichtshof (in der Folge VwGH) hat dazu bereits festgehalten, dass sich aus den Materialien zu § 34 AsylG (RV 952, 22. GP, 54) ergibt, dass § 34 AsylG der Beschleunigung der Asylverfahren von Asylwerbern im Familienverband dient. Ist daher einem Familienangehörigen – aus welchen Gründen auch immer – ohnedies der Status des Asylberechtigten zu gewähren, so kann dem Gesetzgeber nicht unterstellt werden, er habe darüber hinaus vorgesehen, dass auch in diesem Fall eigene Fluchtgründe zu prüfen wären. Dies würde der vom Gesetzgeber ausdrücklich angeführten Beschleunigung der Asylverfahren von Asylwerbern im Familienverband entgegenstehen. Ein Recht auf originäre Zuerkennung des Status des Asylberechtigten besteht nicht (VwGH 30.04.2018, Ra 2017/01/0418).

Gemäß § 3 Abs. 5 AsylG ist die Entscheidung, mit der einem Fremden von Amts wegen oder aufgrund eines Antrages auf internationalem Schutz der Status des Asylberechtigten zuerkannt wird, mit der Feststellung zu verbinden, dass diesem Fremden damit kraft Gesetzes die Flüchtlingseigenschaft zukommt.

Der Beschwerde ist daher gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG in Verbindung mit § 3 Abs. 1 in Verbindung mit § 34 Abs. 2 AsylG stattzugeben und festzustellen, dass dem BF kraft Gesetzes die Flüchtlingseigenschaft zukommt.

Gemäß § 21 Abs. 7 BFA-VG kann eine mündliche Verhandlung unterbleiben, wenn der Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde geklärt erscheint. Das ist im vorliegenden Fall gegeben.

Zu B) Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt.

Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des VwGH ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des VwGH auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen.

Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.