JudikaturBVwG

W265 2312320-1 – Bundesverwaltungsgericht Entscheidung

Entscheidung
26. Juni 2025

Spruch

W265 2312320-1/5E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag.a RETTENHABER-LAGLER als Vorsitzende und die Richterin Maga Karin GASTINGER, MAS sowie die fachkundige Laienrichterin Dr.in Christina MEIERSCHITZ als Beisitzerinnen über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , gegen den Bescheid des Sozialministeriumservice, Landesstelle Wien, vom 25.03.2025, betreffend die Abweisung des Antrages auf Ausstellung eines Behindertenpasses zu Recht erkannt:

A)

Der Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen. B)

Die Revision ist nicht zulässig.

Text

Entscheidungsgründe:

I. Verfahrensgang:

1. Der Beschwerdeführer stellte am 23.12.2024 einen Antrag auf Ausstellung eines Behindertenpasses beim Sozialministeriumservice (in der Folge „belangte Behörde“ genannt) und legte einen ärztlichen Befund vor.

2. Die belangte Behörde holte in weiterer Folge ein Sachverständigengutachten einer Fachärztin für Unfallchirurgie und einer Ärztin für Allgemeinmedizin ein. In dem aufgrund einer persönlichen Untersuchung des Beschwerdeführers am 04.03.2025 erstellten Sachverständigengutachten vom 05.03.2025 stellte die medizinische Sachverständige fest, dass bei dem Beschwerdeführer die Funktionseinschränkungen „Verlust von Zeige- und Mittelfinger der rechten Hand, Position 02.06.31 der Anlage der Einschätzungsverordnung (EVO), Grad der Behinderung (GdB) 30 % und Funktionseinschränkung des rechten Daumens, Position 02.06.26 der Anlage der EVO, GdB 10 %“ mit einem Gesamtgrad der Behinderung von 30 v.H. vorliegen würden.

Leiden 1 werde durch Leiden 2 nicht weiter erhöht, da kein maßgeblich ungünstiges Zusammenwirken bestehe.

3. Die belangte Behörde übermittelte das genannte Gutachten dem Beschwerdeführer mit Schreiben vom 12.03.2025 im Rahmen des Parteiengehörs und räumt ihm die Möglichkeit ein, hierzu innerhalb einer Frist von zwei Wochen eine Stellungnahme abzugeben.

4. Der Beschwerdeführer gab mit Eingabe vom 24.03.2025 eine schriftliche Stellungnahme ab und führte im Wesentlichen aus, dass er aufgrund des Verlustes des Zeige- und Mittelfinger der rechten Hand erhebliche Einschränkungen in der Nutzung der rechten Hand habe. Sein Daumen sei nur teilweise erhalten und könne nicht mehr bewegt werden. Aufgrund dieser Einschränkungen könne er seine rechte Hand nicht mehr im Alltag verwenden.

5. Mit dem angefochtenen Bescheid vom 25.03.2025 wies die belangte Behörde den Antrag auf Ausstellung eines Behindertenpasses ab. Die belangte Behörde schloss dem genannten Bescheid das eingeholte Sachverständigengutachten in Kopie an.

6. Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer fristgerecht die gegenständliche Beschwerde beim Bundesverwaltungsgericht. Darin führte der Beschwerdeführer im Wesentlichen aus, dass seine gesundheitlichen Einschränkungen nicht ausreichend berücksichtigt worden seien. Ihm würden der Zeige- und Mittelfinger der rechten Hand fehlen, zudem sei sein Daumen nur teilweise erhalten und nicht mehr beweglich. Beim Versuch, den Daumen zu benutzen, verspüre er Schmerzen, was eine zusätzliche Belastung darstelle. Aufgrund dieser Einschränkungen sei es ihm nicht möglich, seine rechte Hand im Alltag zu verwenden. Er sei auf die Unterstützung anderer Personen angewiesen, insbesondere bei Tätigkeiten, die normalerweise mit beiden Händen ausgeführt würden. Die fehlenden Finger sowie die Bewegungseinschränkung und die Schmerzen im Daumen würden zu einer deutlichen Einschränkung seiner Feinmotorik und Griffkraft führen, was sie auf viele Bereiche seines täglichen Lebens auswirke. Er beantrage, den Bescheid aufzuheben und den GdB neu festzustellen. Der Beschwerde angeschlossen waren ein orthopädischer Befund und ein Röntgenbefund.

7. Mit Schreiben vom 08.05.2025 legte die belangte Behörde die Beschwerde vom 25.04.2025, den Bescheid vom 25.03.2025 und den Verwaltungsakt dem Bundesverwaltungsgericht vor, wo diese am 09.05.2025 einlangten.

8. Das Bundesverwaltungsgericht führte am 15.05.2025 eine Abfrage im Zentralen Melderegister durch, wonach der Beschwerdeführer syrischer Staatsbürger ist, und seinen ordentlichen Wohnsitz im Inland hat.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Der Antrag auf Ausstellung eines Behindertenpasses langte am 23.12.2024 bei der belangten Behörde ein.

Der Beschwerdeführer erfüllt die allgemeinen Voraussetzungen für die Ausstellung eines Behindertenpasses. Der Beschwerdeführer hat seinen Wohnsitz im Inland.

Ausmaß der Funktionseinschränkungen:

Anamnese:

Antrag auf Ausstellung eines Behindertenpasses.

Zustand nach einer Kriegsverletzung 2023 in Syrien: Verlust des rechten Zeige- und Mittelfingers, sowie Verletzung des Daumens der rechten Hand erlitten.

Anamnestisch wurde diese Verletzung in Syrien operativ versorgt. Es wurde eine Sehnenentnahme vom rechten Unterarm für die Versorgung des Daumens entnommen.

Derzeitige Beschwerden:

Sprachbarriere, der Freund übersetzt.

Häufige Kopfschmerzen (hat einen Flugzeugabsturz erlebt, dabei erlitt er auch die Handverletzung)

Schmerzen und Kältegefühl in der verletzten rechten Hand

Behandlung(en) / Medikamente / Hilfsmittel:

Schmerzmedikation bei Bedarf

Sozialanamnese:

Mit der Familie in einer Wohnung. Stiegensteigen ist ohne Probleme möglich. Arbeitet derzeit nicht, ist im Deutschkurs. In Syrien war er in einem Büro. Allergie: negativ.

Nikotin: 20/die

Alkohol: negativ

Zusammenfassung relevanter Befunde (inkl. Datumsangabe):

Arztbrief Dr. XXXX , Ärztin für Allgemeinmedizin vom 19. 12.2024: Fehlen des 2. und 3. Fingers rechts mit Handmuskelschwäche rechts(Kriegsverletzung), Lumbalgie mit Diskusprotrusionen L5/S1 und mittelgradige Spondyarthrose L4/L5 beidseits. Cervikalsyndrom mit häufiger Cephalea. Carpaltunnelsyndrom beidseits mit Schmerzen der Handgelenke und Bamstigkeit der Hände beidseits.

Untersuchungsbefund:

Allgemeinzustand:

Gut, 38 Jahre

Ernährungszustand:

Normal

Größe: 160,00 cm Gewicht: 54,00 kg Blutdruck: 140/70

Klinischer Status - Fachstatus:

Caput/Collum: Klinisch unauffälliges Hör- und Sehvermögen, sichtbare Schleimhautpartien unauffällig. Pupillen isokor und rund.

Schultergürtel und beide obere Extremitäten: Der Schultergürtel steht horizontal, seitengleich

mittelkräftige Muskulaturverhältnisse. Die Beweglichkeit in beiden Schultergelenken schmerzfrei in allen Ebenen möglich, Nacken- und Schürzengriff unauffällig.

Beide Ellenbogengelenke bandfest, schmerzfrei beweglich, Unterarmdrehung beidseits unauffällig, am rechten proximalen Unterarm kleine Narbe nach einer Sehnenentnahme für den Daumen, aktive Beweglichkeit beider Handgelenke uneingeschränkt möglich. Rechtsdominante Hand:

Rechte Hand: der Zeigefinger und Mittelfinger der rechten Hand fehlen nach der Verletzung, blande Narben dorsal distal über den metacarpalia II und III.

rechter Daumen: Thenarmuskulatur etwas herabgesetzt, blande Narben lateral über dem Daumen und metacarpale I, das IP Gelenk in ca 40 Grad Flexionsstellung fixiert, in diesem Gelenk sind nur Wackelbewegungen möglich, die Beweglichkeit im Daumengrundgelenk ist nahezu allen Ebenen herabgesetzt, Opposition möglich, Extension herabgesetzt. Hyposensibilität im Narbenbereich, sonst unauffällig, die Motorik, Zirkulation uns Sensibilität des Ring- und Kleinfingers ist unauffällig. Greiffunktion zwischen Daumen und Ring-und Kleinfinger erhalten.

Li Hand: Beweglichkeit der Langfinger unauffällig, Faustschluss komplett. NB: am Ringfinger palmarseitig über der Mittelphalanx findet sich eine leicht druckempfindliches ca. 6 mm im Durchmesser erhabene Resistenz. Sonst insgesamt unauffällig, periphere Sensibilität und

Motorik unauffällig. Die grobe Kraft der rechten Hand ist im Vergleich zur linken Hand etwas

herabgesetzt.

Thorax symmetrisch, normale Atmung. Keine Dyspnoe, keine Zyanose. Abdomen klinisch unauffällig.

Integument unauffällig.

Wirbelsäule: physiolog. Krümmungsverhältnisse der Wirbelsäule.

HWS: kein Druckschmerz über den Proc. spinosi, kein Stauchungsschmerz, die Bewegung in allen

Ebenen möglich.

BWS, LWS: Kein Klopfschmerz, Seitneigen und Rotation möglich.

Lasegue beidseits negativ.

Becken und beide untere Extremitäten:

Das Becken steht horizontal. Am Becken kein Kompressionsschmerz, Freies Stehen sicher möglich,

Zehenballen-, Fersen- und Einbeinstand möglich. Hocken ist möglich.

Die Beinachse ist im Lot. Seitengleiche mittelkräftige Muskulatur beidseits, die Beinlänge ist ident.

Keine Ödeme, keine tophischen Störungen.

Sämtliche Gelenke sind bandstabil und klinisch unauffällig. Aktive Beweglichkeit: Hüften, Knie,

Sprunggelenke und Zehen sind seitengleich frei beweglich, die Sensibilität, Motorik und Zirkulation

sind unauffällig. Fussgewölbe unauffällig. An der linken Ferse am lateralen Fussrand ca 2 cm große, leicht druckschmerzhafte verstärkte Beschwielung.

Harn- und Stuhl anamnestisch unauffällig.

Gesamtmobilität - Gangbild:

Flottes, hinkfreies Gangbild in üblichem Schuhwerk.

Das Aus- und Anziehen ist selbstständig möglich.

Das Hinlegen und Aufstehen von der Untersuchungsliege ist selbstständig möglich.

Status Psychicus:

Freundlich.

Konzentration, Merkfähigkeit und Antrieb unauffällig.

Bei dem Beschwerdeführer bestehen folgende Funktionseinschränkungen, die voraussichtlich länger als sechs Monate andauern werden:

1. Verlust von Zeige- und Mittelfinger der rechten Hand

2. Funktionseinschränkung des rechten Daumens

Der Gesamtgrad der Behinderung beträgt 30 v. H.

Leiden 1 wird durch Leiden 2 nicht weiter erhöht, da kein maßgeblich ungünstiges Zusammenwirken besteht.

2. Beweiswürdigung:

Die Feststellung zur Einbringung des gegenständlichen Antrages auf Ausstellung eines Behindertenpasses basieren auf dem Akteninhalt.

Die Feststellungen zum Wohnsitz bzw. gewöhnlichen Aufenthalt des Beschwerdeführers im Inland ergibt sich aus der seitens des Bundesverwaltungsgericht am 15.05.2025 durchgeführten Abfrage aus dem Zentralen Melderegister, aus der sich ein Hauptwohnsitz im österreichischen Bundesgebiet ergibt; konkrete Anhaltspunkte dafür, dass der Beschwerdeführer seinen Wohnsitz bzw. gewöhnlichen Aufenthalt nicht im Inland hätte, sind im Verfahren nicht hervorgekommen. Auch die belangte Behörde ging vom Vorliegen dieser Voraussetzung aus.

Der Gesamtgrad der Behinderung gründet sich auf das von der belangten Behörde eingeholte Sachverständigengutachten einer Fachärztin für Unfallchirurgie und einer Ärztin für Allgemeinmedizin vom 05.03.2025, basierend auf einer persönlichen Untersuchung des Beschwerdeführers am 04.03.2025.

Darin wird auf die Art der Leiden des Beschwerdeführers und deren Ausmaß vollständig, nachvollziehbar und widerspruchsfrei eingegangen. Die medizinische Gutachterin setzt sich auch umfassend und nachvollziehbar mit den vorgelegten Befunden, dem Beschwerdevorbringen sowie mit der Frage der wechselseitigen Leidensbeeinflussungen und dem Zusammenwirken der zu berücksichtigenden Gesundheitsschädigungen auseinander. Die getroffenen Einschätzungen, basierend auf den im Rahmen einer persönlichen Untersuchung erhobenen Befunden, entsprechen auch den festgestellten Funktionsbeeinträchtigungen; die Gesundheitsschädigungen sind nach der Einschätzungsverordnung richtig eingestuft.

Sowohl der Verlust von Zeige- und Mittelfinger der rechten Hand als auch die Funktionseinschränkung des rechten Daumens wurden von der beigezogenen medizinischen Sachverständigen – entgegen den Ausführungen in der Beschwerde – entsprechend berücksichtigt.

Der Beschwerdeführer bringt in seiner Beschwerde im Wesentlichen vor, dass die fehlenden Finger sowie die Bewegungseinschränkung und die Schmerzen im Daumen nicht ausreichend berücksichtigt worden seien. Dass diese Einschränkungen bestehen, steht unbestritten fest, was nicht zuletzt dadurch belegt ist, dass die medizinische Sachverständige das Leiden 1 mit einem Grad der Behinderung von 30 % einstufte, wobei die Einstufung des Verlustes von Zeige- und Mittelfinger nach einem fixen Rahmensatz der EVO erfolgt. Entgegen den Ausführungen in der Beschwerde waren diese Einschränkungen in den Funktionseinschränkungen Grundlage für die Beurteilung des GdB des Leidens 1.

Bei der Einschätzung des Leidens 2 berücksichtige die medizinische Sachverständige entsprechend der Position 02.06.26 der Anlage der EVO, dass bei dem Beschwerdeführer die Beweglichkeit im Daumengrundgelenk herabgesetzt ist. Nichts desto trotz sind Bewegungen im Daumengrundgelenk sowie eine Opposition möglich, weshalb die medizinische Sachverständige das Leiden 1 mit einem Grad der Behinderung von 10 % einstufte. Bei der Einschätzung dieses Leidens berücksichtigte die medizinischen Sachverständige entsprechend der Position 02.06.26 der Anlage der EVO, dass beim Beschwerdeführer durch die herabgesetzte Beweglichkeit im Daumengrundgelenk Schmerzen bestehen können. Sohin geht sein Einwand, dass die Schmerzen im Daumen nicht berücksichtigt worden seien ins Leere.

Er legte im Rahmen der Beschwerde Röntgenbefunde und einen orthopädischen Kurzbefund vor, welche jeweils jene Leidenszustände diagnostizieren, welche die medizinische Sachverständige entsprechend in ihrem medizinischen Sachverständigengutachten berücksichtigte. Daher ist das Vorbringen des Beschwerdeführers nicht geeignet zu einer anderen Einschätzung des Leidens des Beschwerdeführers zu gelangen. Ebenso wenig legte der Beschwerdeführer ein Gegengutachten vor.

Der Beschwerdeführer ist damit den Ausführungen des medizinischen Sachverständigen nicht und damit insbesondere auch nicht auf gleicher fachlicher Ebene entgegengetreten, steht es dem Antragsteller, so er der Auffassung ist, dass seine Leiden nicht hinreichend berücksichtigt wurden, nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes doch frei, das im Auftrag der Behörde erstellte Gutachten durch die Beibringung eines Gegengutachtens eines Sachverständigen seiner Wahl zu entkräften (vgl. etwa VwGH 27.06.2000, 2000/11/0093).

Seitens des Bundesverwaltungsgerichtes bestehen keine Zweifel an der Richtigkeit, Vollständigkeit, Widerspruchsfreiheit und Schlüssigkeit des vorliegenden Sachverständigengutachtens vom 05.03.2025, basierend auf einer persönlichen Untersuchung des Beschwerdeführers am 04.03.2025.

Dieses wird daher in freier Beweiswürdigung der gegenständlichen Entscheidung zu Grunde gelegt.

3. Rechtliche Beurteilung:

Zu Spruchteil A)

1. Zur Entscheidung in der Sache

Die gegenständlich maßgeblichen Bestimmungen des Bundesbehindertengesetzes (BBG) lauten:

„§ 40 (1) Behinderten Menschen mit Wohnsitz oder gewöhnlichem Aufenthalt im Inland und einem Grad der Behinderung oder einer Minderung der Erwerbsfähigkeit von mindestens 50% ist auf Antrag vom Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen (§ 45) ein Behindertenpass auszustellen, wenn

1. ihr Grad der Behinderung (ihre Minderung der Erwerbsfähigkeit) nach bundesgesetzlichen Vorschriften durch Bescheid oder Urteil festgestellt ist oder

2. sie nach bundesgesetzlichen Vorschriften wegen Invalidität, Berufsunfähigkeit, Dienstunfähigkeit oder dauernder Erwerbsunfähigkeit Geldleistungen beziehen oder

3. sie nach bundesgesetzlichen Vorschriften ein Pflegegeld, eine Pflegezulage, eine Blindenzulage oder eine gleichartige Leistung erhalten oder

5. sie dem Personenkreis der begünstigten Behinderten im Sinne des Behinderteneinstellungsgesetzes, BGBl. Nr. 22/1970, angehören.

(2) Behinderten Menschen, die nicht dem im Abs. 1 angeführten Personenkreis angehören, ist ein Behindertenpaß auszustellen, wenn und insoweit das Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen auf Grund von Vereinbarungen des Bundes mit dem jeweiligen Land oder auf Grund anderer Rechtsvorschriften hiezu ermächtigt ist.

§ 41 (1) Als Nachweis für das Vorliegen der im § 40 genannten Voraussetzungen gilt der letzte rechtskräftige Bescheid eines Rehabilitationsträgers (§ 3) oder ein rechtskräftiges Urteil eines Gerichtes nach dem Arbeits- und Sozialgerichtsgesetz, BGBl. Nr. 104/1985, ein rechtskräftiges Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes oder die Mitteilung über die Gewährung der erhöhten Familienbeihilfe gemäß § 8 Abs. 5 des Familienlastenausgleichsgesetzes 1967, BGBl. Nr. 376. Das Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen hat den Grad der Behinderung nach der Einschätzungsverordnung (BGBl. II Nr. 261/2010) unter Mitwirkung von ärztlichen Sachverständigen einzuschätzen, wenn

1. nach bundesgesetzlichen Vorschriften Leistungen wegen einer Behinderung erbracht werden und die hiefür maßgebenden Vorschriften keine Einschätzung vorsehen oder

2. zwei oder mehr Einschätzungen nach bundesgesetzlichen Vorschriften vorliegen und keine Gesamteinschätzung vorgenommen wurde oder

3. ein Fall des § 40 Abs. 2 vorliegt.

(2) Anträge auf Ausstellung eines Behindertenpasses, auf Vornahme von Zusatzeintragungen oder auf Einschätzung des Grades der Behinderung sind ohne Durchführung eines Ermittlungsverfahrens zurückzuweisen, wenn seit der letzten rechtskräftigen Entscheidung noch kein Jahr vergangen ist. Dies gilt nicht, wenn eine offenkundige Änderung einer Funktionsbeeinträchtigung glaubhaft geltend gemacht wird.

§ 42 (1) Der Behindertenpass hat den Vornamen sowie den Familien- oder Nachnamen, das Geburtsdatum, eine allfällige Versicherungsnummer, den Wohnort und einen festgestellten Grad der Behinderung oder der Minderung der Erwerbsfähigkeit zu enthalten und ist mit einem Lichtbild auszustatten. Zusätzliche Eintragungen, die dem Nachweis von Rechten und Vergünstigungen dienen, sind auf Antrag des behinderten Menschen zulässig. Die Eintragung ist vom Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen vorzunehmen.

§ 45 (1) Anträge auf Ausstellung eines Behindertenpasses, auf Vornahme einer Zusatzeintragung oder auf Einschätzung des Grades der Behinderung sind unter Anschluss der erforderlichen Nachweise bei dem Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen einzubringen.

(2) Ein Bescheid ist nur dann zu erteilen, wenn einem Antrag gemäß Abs. 1 nicht stattgegeben, das Verfahren eingestellt (§ 41 Abs. 3) oder der Pass eingezogen wird. Dem ausgestellten Behindertenpass kommt Bescheidcharakter zu.

(3) In Verfahren auf Ausstellung eines Behindertenpasses, auf Vornahme von Zusatzeintragungen oder auf Einschätzung des Grades der Behinderung hat die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts durch den Senat zu erfolgen.

(4) Bei Senatsentscheidungen in Verfahren gemäß Abs. 3 hat eine Vertreterin oder ein Vertreter der Interessenvertretung der Menschen mit Behinderung als fachkundige Laienrichterin oder fachkundiger Laienrichter mitzuwirken. Die fachkundigen Laienrichterinnen oder Laienrichter (Ersatzmitglieder) haben für die jeweiligen Agenden die erforderliche Qualifikation (insbesondere Fachkunde im Bereich des Sozialrechts) aufzuweisen.“

Die maßgebenden Bestimmungen der Verordnung des Bundesministers für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz betreffend nähere Bestimmungen über die Feststellung des Grades der Behinderung (Einschätzungsverordnung, BGBl. II. Nr. 261/2010 idgF BGBl II. Nr. 251/2012) lauten auszugsweise wie folgt:

"Behinderung

§ 1 Unter Behinderung im Sinne dieser Verordnung ist die Auswirkung einer nicht nur vorübergehenden körperlichen, geistigen oder psychischen Funktionsbeeinträchtigung oder Beeinträchtigung der Sinnesfunktionen zu verstehen, die geeignet ist, die Teilhabe am Leben in der Gesellschaft, insbesondere am allgemeinen Erwerbsleben, zu erschweren. Als nicht nur vorübergehend gilt ein Zeitraum von mehr als voraussichtlich sechs Monaten.

Grad der Behinderung

§ 2 (1) Die Auswirkungen der Funktionsbeeinträchtigungen sind als Grad der Behinderung zu beurteilen. Der Grad der Behinderung wird nach Art und Schwere der Funktionsbeeinträchtigung in festen Sätzen oder Rahmensätzen in der Anlage dieser Verordnung festgelegt. Die Anlage bildet einen Bestandteil dieser Verordnung.

(2) Bei Auswirkungen von Funktionsbeeinträchtigungen, die nicht in der Anlage angeführt sind, ist der Grad der Behinderung in Analogie zu vergleichbaren Funktionsbeeinträchtigungen festzulegen.

(3) Der Grad der Behinderung ist nach durch zehn teilbaren Hundertsätzen festzustellen. Ein um fünf geringerer Grad der Behinderung wird von ihnen mit umfasst. Das Ergebnis der Einschätzung innerhalb eines Rahmensatzes ist zu begründen.

Gesamtgrad der Behinderung

§ 3 (1) Eine Einschätzung des Gesamtgrades der Behinderung ist dann vorzunehmen, wenn mehrere Funktionsbeeinträchtigungen vorliegen. Bei der Ermittlung des Gesamtgrades der Behinderung sind die einzelnen Werte der Funktionsbeeinträchtigungen nicht zu addieren. Maßgebend sind die Auswirkungen der einzelnen Funktionsbeeinträchtigungen in ihrer Gesamtheit unter Berücksichtigung ihrer wechselseitigen Beziehungen zueinander.

(2) Bei der Ermittlung des Gesamtgrades der Behinderung ist zunächst von jener Funktionsbeeinträchtigung auszugehen, für die der höchste Wert festgestellt wurde. In der Folge ist zu prüfen, ob und inwieweit dieser durch die weiteren Funktionsbeeinträchtigungen erhöht wird. Gesundheitsschädigungen mit einem Ausmaß von weniger als 20 v.H. sind außer Betracht zu lassen, sofern eine solche Gesundheitsschädigung im Zusammenwirken mit einer anderen Gesundheitsschädigung keine wesentliche Funktionsbeeinträchtigung verursacht. Bei Überschneidungen von Funktionsbeeinträchtigungen ist grundsätzlich vom höheren Grad der Behinderung auszugehen.

(3) Eine wechselseitige Beeinflussung der Funktionsbeeinträchtigungen, die geeignet ist, eine Erhöhung des Grades der Behinderung zu bewirken, liegt vor, wenn

- sich eine Funktionsbeeinträchtigung auf eine andere besonders nachteilig auswirkt,

- zwei oder mehrere Funktionsbeeinträchtigungen vorliegen, die gemeinsam zu einer wesentlichen Funktionsbeeinträchtigung führen.

(4) Eine wesentliche Funktionsbeeinträchtigung ist dann gegeben, wenn das Gesamtbild der Behinderung eine andere Beurteilung gerechtfertigt erscheinen lässt, als die einzelnen Funktionsbeeinträchtigungen alleine.

Grundlage der Einschätzung

§ 4 (1) Die Grundlage für die Einschätzung des Grades der Behinderung bildet die Beurteilung der Funktionsbeeinträchtigungen im körperlichen, geistigen, psychischen Bereich oder in der Sinneswahrnehmung in Form eines ärztlichen Sachverständigengutachtens. Erforderlichenfalls sind Experten aus anderen Fachbereichen - beispielsweise Psychologen - zur ganzheitlichen Beurteilung heran zu ziehen. (2) Das Gutachten hat neben den persönlichen Daten die Anamnese, den Untersuchungsbefund, die Diagnosen, die Einschätzung des Grades der Behinderung, eine Begründung für die Einschätzung des Grades der Behinderung innerhalb eines Rahmensatzes sowie die Erstellung des Gesamtgrades der Behinderung und dessen Begründung zu enthalten.

...“

Zunächst ist rechtlich festzuhalten, dass der Grad der Behinderung im Beschwerdefall - wie dies auch die belangte Behörde zu Recht annahm - nach der Einschätzungsverordnung einzuschätzen war, was im Verfahren auch unbestritten geblieben ist.

Beim Leiden 1 des Beschwerdeführers handelt es sich um den Verlust von Zeige- und Mittelfinger der rechten Hand, welches die medizinische Sachverständige richtig unter Heranziehung des fixen Rahmensatzes der Position 02.06.31 der Anlage der EVO mit einem GdB von 30 % einstufte.

Beim Leiden 2 handelt es sich um die Funktionseinschränkung des rechten Daumens, welches die medizinische Sachverständige richtig im unteren Rahmensatz der Position 02.06.26 der Anlage der EVO mit einem GdB von 10 % einstufte, da Bewegungen im Daumengrundgelenk möglich sind und eine Opposition besteht.

Die Ermittlung des Gesamtgrades der Behinderung hat bei mehreren Funktionsbeeinträchtigungen nicht im Wege der Addition der einzelnen Werte der Funktionsbeeinträchtigungen zu erfolgen, sondern es ist bei Zusammentreffen mehrerer Leiden zunächst von der Funktionsbeeinträchtigung auszugehen, für welche der höchste Wert festgestellt wurde, und dann ist zu prüfen, ob und inwieweit durch das Zusammenwirken aller zu berücksichtigenden Funktionsbeeinträchtigungen eine höhere Einschätzung des Grades der Behinderung gerechtfertigt ist (vgl. den eindeutigen Wortlaut des § 3 der Einschätzungsverordnung, sowie die auf diese Rechtslage übertragbare Rechtsprechung, VwGH 17.07.2009, 2007/11/0088; 22.01.2013, 2011/11/0209 mwN).

Wie oben unter Punkt 2. (Beweiswürdigung) ausgeführt, wird der gegenständlichen Entscheidung das seitens der belangten Behörde eingeholte Sachverständigengutachten einer Fachärztin für Unfallchirurgie und einer Ärztin für Allgemeinmedizin vom 05.03.2025, beruhend auf einer persönlichen Untersuchung des Beschwerdeführers am 04.03.2025 zu Grunde gelegt.

Der medizinische Sachverständige stellt in diesem Sachverständigengutachten fest, dass das Leiden 1 durch das Leiden 2 nicht erhöht wird, da kein maßgebliches ungünstiges Zusammenwirken besteht, woraus sich ein Gesamtgrad der Behinderung von 30 v.H. ergibt.

Die vom Beschwerdeführer im Rahmen der Beschwerde vorgebrachten Beschwerdegründe waren nicht geeignet, die durch den medizinischen Sachverständigen getroffenen Beurteilungen zu widerlegen oder zusätzliche Dauerleiden bzw. eine zwischenzeitliche Verschlechterung seines Leidenszustandes zu belegen.

Mit einem Gesamtgrad der Behinderung von 30 v.H. sind die Voraussetzungen für die Ausstellung eines Behindertenpasses gemäß § 40 Abs. 1 BBG, wonach behinderten Menschen mit Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt im Inland und einem Grad der Behinderung oder einer Minderung der Erwerbstätigkeit von mindestens 50 v.H. ein Behindertenpass auszustellen ist, aktuell nicht erfüllt.

Im Übrigen ist aber auch darauf hinzuweisen, dass bei einer späteren Verschlechterung des Leidenszustandes die neuerliche Einschätzung des Grades der Behinderung nach Maßgabe des § 41 Abs. 2 BBG in Betracht kommt.

Der Beschwerde war daher spruchgemäß abzuweisen.

2. Zum Entfall einer mündlichen Verhandlung

Der im Beschwerdefall maßgebliche Sachverhalt ergibt sich aus dem Akt der belangten Behörde, auf das über Veranlassung der belangten Behörde eingeholten medizinischen Sachverständigengutachten, welches auf einer persönlichen Untersuchung beruht, welches auf alle Einwände und vorgelegten Befunde des Beschwerdeführers in fachlicher Hinsicht eingeht, und welchem der Beschwerdeführer im Rahmen des ihm eingeräumten Parteiengehörs nicht substantiiert entgegengetreten ist. Der Beschwerdeführer hat keine mündliche Beschwerdeverhandlung beantragt. All dies lässt die Einschätzung zu, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten lässt, und eine Entscheidung ohne vorherige Verhandlung im Beschwerdefall nicht nur mit Art. 6 EMRK und Art. 47 GRC kompatibel ist, sondern der Zweckmäßigkeit, Raschheit, Einfachheit und Kostenersparnis (§ 39 Abs. 2a AVG) gedient ist, gleichzeitig aber das Interesse der materiellen Wahrheit und der Wahrung des Parteiengehörs nicht verkürzt wird. Art. 6 EMRK bzw. Art. 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union stehen somit dem Absehen von einer mündlichen Verhandlung gemäß § 24 Abs. 4 VwGVG nicht entgegen.

Zu Spruchteil B)

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

Konkrete Rechtsfragen grundsätzlicher Bedeutung sind weder in der gegenständlichen Beschwerde vorgebracht worden noch im Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht hervorgekommen. Das Bundesverwaltungsgericht konnte sich bei allen erheblichen Rechtsfragen auf Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes bzw. auf eine ohnehin klare Rechtslage stützen.