Spruch
W227 2309286-1/10E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch die Richterin Mag. Karin WINTER über die Beschwerde des Erstbeschwerdeführers Mag. (FH) XXXX , Erziehungsberechtigter des am XXXX geborenen Zweitbeschwerdeführers XXXX gegen den Bescheid der Bildungsdirektion für Wien vom 6. Februar 2025, Zl. 9132.202/0086-Präs3b2/2024, nach einer mündlichen Verhandlung am 23. Mai 2025, zu Recht:
A)
Die Beschwerde wird mit der Maßgabe als unbegründet abgewiesen, dass der Spruch des angefochtenen Bescheides zu lauten hat:
„Das Ansuchen des Schülers XXXX , vertreten durch XXXX vom 13. August 2024 um Bewilligung des Besuches der öffentlichen Schule ‚ XXXX , Tschechische Republik, für das Schuljahr 2024/2025 wird gemäß § 1 Abs. 1 i.V.m. § 13 Abs. 1 Schulpflichtgesetz 1985 (SchPflG) zurückgewiesen.“
B)
Die Revision ist nicht zulässig.
Text
Entscheidungsgründe:
I. Verfahrensgang
1. Am 13. August 2024 suchte der Erstbeschwerdeführer für den Zweitbeschwerdeführer bei der belangten Behörde um Bewilligung des Schulbesuches der XXXX , Tschechische Republik, im Schuljahr 2024/2025 an.
2. Mit dem angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde dieses Ansuchen gemäß § 13 Abs. 1 SchPflG ab und untersagte den Besuch der im Ausland gelegenen Schule (Spruchpunkt 1.). Weiters ordnete die belangte Behörde an, dass der Zweitbeschwerdeführer seine Schulpflicht fortan an einer öffentlichen oder mit dem Öffentlichkeitsrecht ausgestatteten Schule i.S.d. § 5 SchPflG zu erfüllen habe (Spruchpunkt 2.) und wies darauf hin, dass der Erstbeschwerdeführer dazu verpflichtet sei, für die Erfüllung der Schulpflicht des Zweitbeschwerdeführers an einer öffentlichen oder mit dem Öffentlichkeitsrecht ausgestatteten Schule i.S.d. § 5 SchPflG Sorge zu tragen (Spruchpunkt 3.) Darüber hinaus schloss sie die aufschiebende Wirkung einer allfälligen Beschwerde aus (Spruchpunkt 4.).
Begründend führte die belangte Behörde im Wesentlichen aus:
Der Zweitbeschwerdeführer sei in Österreich schulpflichtig. Der Nachweis des zureichenden Erfolges des Unterrichts an der im Ausland gelegenen Schule sei im Schuljahr 2023/2024 nicht erbracht worden. Der Zweitbeschwerdeführer besuche seit Beginn seiner Schulpflicht die betreffende Schule in Tschechien. Aus den vorgelegten Zeugnissen der Schuljahre 2022/2023 sowie 2023/2024 gehe jedoch hervor, dass die Deutsche Sprache an der betreffenden Schule nicht unterrichtet werde. Daher sei fraglich, ob der Zweitbeschwerdeführer über entsprechende Deutschkenntnisse verfüge, welche er durch den Besuch einer in Österreich gelegenen Schule erlernt habe. Demnach müsse man vom Vorliegen eines erziehungs- und bildungsgemäßen Nachteils für den Zweitbeschwerdeführer ausgehen.
3. Gegen diesen Bescheid erhoben die Beschwerdeführer rechtzeitig die vorliegende Beschwerde, in welcher sie zusammengefasst vorbrachten:
Ein Nachweis des zureichenden Erfolges des Unterrichts sei durch ein Jahreszeugnis erbracht worden. Es sei unzutreffend, dass die betreffende Schule keinen Deutschunterricht anbiete, da laut dem Lehrplan der Schule in den letzten beiden Schulstufen regulärer Deutschunterricht vorgesehen sei. Auch handle es sich um eine öffentliche Schule. Es gäbe keinerlei Anhaltspunkte dafür, dass die schulische Entwicklung des Zweitbeschwerdeführers durch den weiteren Schulbesuch in Tschechien gefährdet sei.
Überdies sei ein „Herausreißen“ des Zweitbeschwerdeführers aus seinem gewohnten Schulumfeld besonders „verstörend“ und „pädagogisch verwerflich“. Die Abweisung des Ansuchens mangels eines Deutschunterrichts führe dazu, dass ein Schulbesuch im Ausland generell nicht genehmigt werde, wenn Deutsch kein obligatorischer Bestandteil des Unterrichts sei. Dies widerspreche dem europäischen Gedanken.
4. Am 17. März 2025 legte die belangte Behörde dem Bundesverwaltungsgericht die Beschwerde samt Verwaltungsakt zur Entscheidung vor, ohne von der Möglichkeit einer Beschwerdevorentscheidung Gebrauch zu machen.
5. Am 23. Mai 2025 fand eine mündliche Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht statt, in welcher der Erstbeschwerdeführer befragt wurde. Weiters trug das Bundesverwaltungsgericht der belangten Behörde und dem Erstbeschwerdeführer die Vorlage weiterer Unterlagen auf.
6. Am 6. Juni 2025 legte die belangte Behörde die geforderten Unterlagen vor und führte zusammengefasst aus:
Für die Schuljahre 2015/2016 und 2016/2017 sei der Besuch der gegenständlichen Schule durch die Schwester des Zweitbeschwerdeführers, XXXX , bewilligt worden. Ab dem Schuljahr 2017/2018 sei kein weiteres Ansuchen gestellt worden, weshalb der (damalige) Stadtschulrat für Wien (und demnach auch die belangte Behörde) davon ausgegangen sei, dass aufgrund von Ortsabwesenheit keine Schulpflicht der Schwester in Österreich (mehr) bestehe.
Über Nachforderung hätten die Erziehungsberechtigten des Zweitbeschwerdeführers dem (damaligen) Stadtschulrat für Wien im Schuljahr 2017/2018 eine Schulbesuchsbestätigung der gegenständlichen Schule vorgelegt. Der Stadtschulrat für Wien sei daraufhin von Ortsabwesenheit des Zweitbeschwerdeführers und damit keiner Schulpflicht in Österreich ausgegangen. Da jedoch keine Abmeldung des Hauptwohnsitzes des Zweitbeschwerdeführers erfolgt sei, habe die belangte Behörde den Erstbeschwerdeführer mit Schreiben vom 3. Juli 2023 darüber informiert, dass ein Ansuchen um Bewilligung des Besuches einer im Ausland gelegenen Schule für den Zweitbeschwerdeführer gestellt werden müsse. Nach den Informationen der belangten Behörde handle es sich bei der verfahrensgegenständlichen Schule um eine öffentliche Schule.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen
Der am XXXX geborene Zweitbeschwerdeführer ist österreichischer Staatsbürger, er hält sich jedoch nicht dauernd in Österreich auf.
Der Zweitbeschwerdeführer lebt (seit Jahren) mit seiner erziehungsberechtigten Mutter und seiner Schwester in XXXX , Tschechische Republik, besuchte dort bereits den Kindergarten und daran anschließend seit dem Schuljahr 2017/2018 durchgehend die tschechische Schule „ XXXX “. An einzelnen Wochenenden besucht er den Erstbeschwerdeführer in Österreich.
Der Zweitbeschwerdeführer möchte die betreffende Schule auch im Schuljahr 2025/2026 besuchen.
2. Beweiswürdigung
Die Feststellungen ergeben sich aus den glaubwürdigen sowie nachvollziehbaren Angaben des Erstbeschwerdeführers in der mündlichen Verhandlung (vgl. Verhandlungsniederschrift vom 23. Mai 2025, S. 3 f) und den (danach) vorgelegten Unterlagen der belangten Behörde (siehe oben Punkt I.6.).
3. Rechtliche Beurteilung
3.1. Zu Spruchpunkt A)
3.1.1. Gemäß § 1 Abs. 1 SchPflG besteht für alle Kinder, die sich in Österreich dauernd aufhalten, allgemeine Schulpflicht nach Maßgabe dieses Abschnittes.
Gemäß § 2 SchPflG beginnt die allgemeine Schulpflicht mit dem auf die Vollendung des sechsten Lebensjahres folgenden 1. September.
Gemäß § 3 SchPflG dauert die allgemeine Schulpflicht neun Jahre.
Gemäß § 5 Abs. 1 SchPflG ist die allgemeine Schulpflicht durch den Besuch von allgemein bildenden Pflichtschulen sowie von mittleren oder höheren Schulen (einschließlich der land- und forstwirtschaftlichen Fachschulen und der höheren land- und forstwirtschaftlichen Lehranstalten) zu erfüllen.
Gemäß § 13 Abs. 1 SchPflG können schulpflichtige Kinder österreichischer Staatsbürgerschaft die allgemeine Schulpflicht mit Bewilligung der Bildungsdirektion auch durch den Besuch von im Ausland gelegenen Schulen erfüllen. Das Ansuchen um die Bewilligung ist von den Eltern oder sonstigen Erziehungsberechtigten des Kindes bei der Bildungsdirektion einzubringen. Die Bewilligung ist jeweils für ein Schuljahr zu erteilen, wenn der Unterricht an der ausländischen Schule jenem an einer der im § 5 genannten Schule mindestens gleichwertig und kein erziehungs- und bildungsmäßiger Nachteil für das Kind anzunehmen ist.
3.1.2. Die allgemeine Schulpflicht gemäß § 1 SchPflG besteht für alle (auch nicht österreichische) Kinder, die sich in Österreich dauernd aufhalten. Für einen dauernden Aufenthalt ist es erforderlich, dass sich eine Person an einem Ort dauernd bis auf Weiteres, das heißt nicht nur vorübergehend, aufhält oder die aus den Umständen erkennbare Absicht hat, sich aufzuhalten. Ein Aufenthalt in der Dauer von etwa einer Beurteilungsperiode (also einem Semester) ist dafür jedenfalls ausreichend und kann, selbst wenn sein Ende vorhersehbar sein sollte, keinesfalls als bloß vorübergehend angesehen werden (vgl. VwGH 13.05.2011, 2010/10/0139).
Entscheidend für das Erlöschen der Schulpflicht nach § 1 Abs. 1 SchPflG ist die Frage, ob der Auslandsaufenthalt den dauernden Aufenthalt in Österreich nur unterbricht (und letzterer nach dem Auslandsaufenthalt fortgesetzt werden soll), oder ob er ihn beendet, weil auch keine Rückkehrabsicht besteht. Die Schulpflicht erlischt wegen Beendigung des dauernden Aufenthalts in Österreich erst dann, wenn weder die körperliche Anwesenheit noch die Absicht zur Rückkehr vorhanden ist (siehe VwGH 29.09.2017, Ra 2017/10/0044).
Die Dauer des Auslandsaufenthaltes lässt für sich alleine noch keine abschließende Beurteilung zu, ob dieser den dauernden Aufenthalt in Österreich und damit die Schulpflicht in Österreich beenden lässt. Entscheidend für das Erlöschen der Schulpflicht nach § 1 Abs. 1 SchPflG ist die Frage, ob der Auslandsaufenthalt den dauernden Aufenthalt in Österreich nur unterbricht (und letzterer nach dem Auslandsaufenthalt fortgesetzt werden soll), oder ob er ihn beendet, weil auch keine Rückkehrabsicht besteht. Die Schulpflicht erlischt wegen Beendigung des dauernden Aufenthalts in Österreich erst dann, wenn weder die körperliche Anwesenheit noch die Absicht zur Rückkehr vorhanden ist. Dem Stellenwert der Bildung entsprechend lässt der Gesetzgeber die Schulpflicht unter leichteren Voraussetzungen entstehen, als er sie enden lässt (vgl. VwGH 29.09.2017, Ra 2017/10/0044).
§ 13 SchPflG ist nur hinsichtlich schulpflichtiger Kinder anwendbar; die Schulpflicht des Kindes, auf das sich ein Ansuchen um Bewilligung der Erfüllung dieser Schulpflicht durch den Besuch einer im Ausland gelegenen Schule bezieht, stellt eine Prozessvoraussetzung dar (vgl. wiederum VwGH 29.09.2017, Ra 2017/10/0044).
3.1.3. Für den gegenständlichen Fall bedeutet das:
Wie festgestellt, hält sich der Zweitbeschwerdeführer nicht dauernd in Österreich auf, sondern lebt seit Jahren bei seiner Mutter in Tschechien. Zudem besucht er die betreffende Schule bereits seit Beginn seiner (ö.) Schulpflicht im Herbst 2017. Somit ist der (derzeitige) Lebensmittelpunkt des Beschwerdeführers jedenfalls in Tschechien und nicht in Österreich.
Demnach hält sich der Zweitbeschwerdeführer – abgesehen von einzelnen Wochenenden – nicht dauernd in Österreich auf. Zudem ist eine Rückkehrabsicht des Zweitbeschwerdeführers derzeit nicht erkennbar, da er die tschechische Schule auch abschließen will und folglich auch im nächsten Schuljahr diese Schule besuchen möchte. Dieser Schlussfolgerung steht eine anderslautende Eintragung im zentralen Melderegister (hier: Meldung eines Hauptwohnsitzes in Wien) nicht entgegen, da der dauernde Aufenthalt in Österreich im Sinne des § 1 Abs. 1 SchPflG nicht vom Meldestatus gemäß den Bestimmungen des Meldegesetzes 1991 abhängt.
Da der Zweitbeschwerdeführer demnach in Österreich nicht schulpflichtig ist, hätte die belangte Behörde das gegenständliche Ansuchen mangels Anwendung des Schulpflichtgesetzes zurückzuweisen gehabt. Der Spruch des angefochtenen Bescheides ist daher entsprechend abzuändern.
In Anbetracht der erfolgten Sachentscheidung erübrigt sich ein Abspruch über die aufschiebende Wirkung.
3.2. Zu Spruchpunkt B)
3.2.1. Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.
3.2.2. Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG unzulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt: Dass der Zweitbeschwerdeführer in Österreich mangels Anwendung des Schulpflichtgesetzes nicht schulpflichtig ist, entspricht der oben angeführten Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes.