JudikaturBVwG

L516 2165011-3 – Bundesverwaltungsgericht Entscheidung

Entscheidung
10. April 2025

Spruch

L516 2165011-3/12E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch den Richter Mag. Paul NIEDERSCHICK über die Beschwerde von XXXX , geb XXXX , Staatenlos/Gazastreifen, vertreten durch die BBU GmbH gegen Spruchpunkt I des Bescheides des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 16.10.2024, 1073927109/232218023, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung zu Recht:

A) Die Beschwerde wird gemäß § 3 AsylG als unbegründet abgewiesen.

B) Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

Entscheidungsgründe:

Der Beschwerdeführer ist staatenlos, sein Herkunftsort ist der Gazastreifen. Er stellte am 24.10.2023 einen Antrag auf internationalen Schutz, nachdem ein erster Antrag auf internationalen Schutz vom 17.06.2015 mit dem am 05.11.2020 mündlich verkündeten und am 30.11.2020 schriftlich ausgefertigten Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts, Zahl L508 2165011-1/22E abgewiesen worden war.

Den verfahrensgegenständlichen Antrag vom 24.10.2023 wies das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA) (I.) gemäß § 3 Abs 1 iVm § 2 Abs 1 Z AsylG bezüglich der Zuerkennung des Status eines Asylberechtigten ab. Das BFA erkannte dem Beschwerdeführer unter einem jedoch (II.) gem § 8 Abs 1 AsylG den Status des subsidiär Schutzberechtigten zu und erteilte (III.) eine befristete Aufenthaltsberechtigung für subsidiär Schutzberechtigte für ein Jahr gemäß § 8 Abs 4 AsylG.

Dagegen richtet sich die vorliegende Beschwerde. Die Beschwerde richtet sich ausschließlich gegen Spruchpunkt I des angefochtenen Bescheides.

Das Bundesverwaltungsgericht führte in der Folge am 06.02.2025 eine mündliche Verhandlung durch, an welcher der Beschwerdeführer mit seiner Rechtsvertretung teilnahm; die belangte Behörde verzichtete auf eine Teilnahme und erschien nicht.

1. Sachverhaltsfeststellungen:

[regelmäßige Beweismittel-Abkürzungen: S=Seite; AS=Aktenseite des Verwaltungsaktes des BFA; NS=Niederschrift; VS=Verhandlungsschrift; OZ=Ordnungszahl des Verfahrensaktes des Bundesverwaltungsgerichtes]

1.1 Zur Person des Beschwerdeführers

1.1.1 Der Beschwerdeführer ist ein staatenloser Palästinenser, gehört der sunnitischen Glaubensgemeinschaft an und stammt Gaza.

1.1.2 Der Beschwerdeführer verfügt in Österreich über den Status eines subsidiär Schutzberechtigten und eine Aufenthaltsberechtigung gemäß § 8 Abs 4 AsylG. (siehe die rechtskräftigen Spruchpunkte II und III des angefochtenen Bescheides; IZR)

1.1.3 Der Beschwerdeführer ist NICHT bei der UNRWA registriert.

1.2 Zur Antragsbegründung

Der Beschwerdeführer begründet den gegenständlichen Antrag und seine Rückkehrbefürchtung ausschließlich mit der gegenwärtigen allgemeinen Lage im Gazastreifen. Der Beschwerdeführer hat im Verfahren keine weiteren oder anderen Fluchtgründe oder Rückkehrbefürchtungen vorgebracht.

1.3 Zur Lage im Gazastreifen

Laut israelischem Militär sind 800 und 1.000 Hamas-Kämpfer seit Samstag, den 7.10.2023 nach Israel eingedrungen und haben unter anderem elf Militärstützpunkte und mehr als 20 Orte attackiert. Israel reagierte auf den Angriff mit dem Einsatz von „Kampfjets, Hubschrauber, Flugzeuge und Artillerie“ gegen mehr als 500 Ziele im Gaza-Streifen, die es der Hamas oder dem Islamischen Jihad zuschreibt. Seither hat sich die Lage im Gazastreifen noch dramatisch weiter verschärft und verschlechtert. Die Kampfhandlungen halten auch nach wie vor an. Israelische Bombardements aus Luft, vom Boden und von der See aus treffen den Großteil des Gazastreifens, was weitere zivile Opfer und Zerstörung zur Folge hat. Zum gegenwärtigen Zeitpunkt herrscht im Gazastreifen somit den getroffenen Länderfeststellungen zufolge aktuell ein bewaffneter Konflikt mit verheerenden Auswirkungen auf die Sicherheitslage, Menschenrechtslage und humanitären Lage, der den gesamten Gazastreifen betrifft und dessen Ende derzeit nicht absehbar ist.

2. Beweiswürdigung:

Die Sachverhaltsfeststellungen stützen sich auf den Verwaltungsverfahrensakt des BFA, den Gerichtsakt des Bundesverwaltungsgerichtes und das Ergebnis der durchgeführten mündlichen Verhandlung. Die konkreten Beweismittel sind bei den Sachverhaltsfeststellungen bzw in der Beweiswürdigung jeweils in Klammer angeführt.

2.1 Zur Person des Beschwerdeführers

2.1.1 Die Feststellungen zur Staatenlosigkeit und Herkunft des Beschwerdeführers wurde bereits rechtskräftig im Verfahren zu seinem ersten Antrag auf internationalen Schutz sowie im gegenständlichen Verfahren vom BFA getroffen. (BVwG 30.11.2020, L508 2165011-2/25E S 11) Diesbezüglich haben sich im gegenständlichen Verfahren auch keine Änderungen ergeben.

2.1.2 Die Feststellung, dass dem Beschwerdeführer vom BFA bereits der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt und eine Aufenthaltsberechtigung gemäß § 8 Abs 4 AsylG erteilt wurde, ergibt sich aus Spruchpunkt II und III des angefochtenen Bescheides.

2.1.3 Die Feststellung, dass der Beschwerdeführer NICHT bei der UNRWA registriert ist, ergibt sich aus den folgenden Gründen:

Im Verfahren zu seinem ersten Antrag auf internationalen Schutz vom 17.06.2015 wurde vom BFA mit den eigenen Angaben des Beschwerdeführers zu ihm und seiner Familie eine Anfrage an die UNRWA gestellt. Laut Antwort der UNRWA ist der Beschwerdeführer nicht bei der UNRWA registriert. (BFA-Verfahrensakt zum ersten Antrag AS 157 ff, 177 ff, 187 f (OZ 7))

Auch das Bundesverwaltungsgericht hat im ersten Verfahren festgestellt, dass der Beschwerdeführer nicht bei der UNRWA registriert ist. (BVwG 30.11.2020 L508 2165011-1/22E). Das Bundesverwaltungsgericht hielt dazu in seiner Entscheidung zum ersten Antrag auf internationalen Schutz fest, dass die verwaltungsbehördlichen Erhebungen (Anfragebeantwortung Staatendokumentation vom 03.10.2016) diesbezüglich penibel geführt worden seien, sodass das Ergebnis der Ermittlungen schließlich als stichhaltig anzusehen gewesen sei. Insoweit der Beschwerdeführer im Rechtsmittelschriftsatz zum Ergebnis der Erhebungen anführt habe, dass er bei UNRWA unter dem Namen XXXX registriert sei und gegebenenfalls unter dem Namen seines Vaters XXXX registriert sein könnte (BFA-Verfahrensakt zum ersten Antrag, AS 321), so sei dem zu entgegen, dass in der Anfrage der Staatendokumentation der belangten Behörde an UNRWA sowohl der Familienname des Beschwerdeführers als auch sämtliche Namen seiner Familienangehörigen angeführt wurden und dennoch eine Registrierung seiner Person nicht festgestellt werden habe können. Insoweit vermöge dieser Einwand nicht zu überzeugen und der Beschwerdeführer habe sich in der mündlichen Verhandlung auch erneut auf die bloße - nicht belegte – Behauptung beschränkt, bei UNRWA und dort auch in der Schule gewesen zu sein. (BVwG 30.11.2020 L508 2165011-1/22E S 35).

Im gegenständlichen Verfahren hat der Beschwerdeführer erneut vorgebracht, dass er bei der UNRWA registriert sei und als Kind die Schulen der UNRWA besucht zu haben, er jedoch keine Beweise habe. (NS EV 02.04.2024 (BFA Bescheid 16.10.2024 S 5); VS 06.02.2025 S 4)

In der mündlichen Verhandlung am 06.02.2025 gab der Beschwerdeführer bekannt, dass er eine neue Anfrage an UNRWA gestellt habe, jedoch noch keine Antwort erhalten habe. Dem Beschwerdeführer wurde daher eine sechswöchige Frist gewährt, um eine Antwort der UNRWA nachzureichen. (VS 06.02.2025 S 4, 5) Am 19.03.2025 teilte der Beschwerdeführer mit, dass er noch keine Antwort erhalten habe, die Informationsmöglichkeiten der UNRWA aufgrund der derzeitigen Kriegssituation wohl eingeschränkt seien. (OZ 11)

Der Beschwerdeführer hat damit zum gegenwärtigen Entscheidungszeitpunkt keine neuen Anhaltspunkte oder Beweise dafür erbracht, dass er – entgegen der ursprünglichen Antwort der UNRWA im vorangegangenen Verfahren – doch bei der UNRWA registriert wäre.

Aus diesen Gründen war keine andere Feststellung zu treffen als im Vorverfahren, sondern es war erneut festzustellen, dass der Beschwerdeführer nicht bei der UNRWA registriert ist.

2.2 Zur Antragsbegründung

Die Feststellungen dazu ergeben sich aus seinen Angaben vor dem BFA, in der Beschwerde und in der heutigen mündlichen Verhandlung. Bei der Erstbefragung am 24.10.2023 gab er an, er stelle den Antrag wegen der Lage in Gaza; da sich diese so verändert habe und die Menschen dort täglich sterben. (Erstbefragung S 6) Bei der Einvernahme vor dem BFA am 02.04.2024 verwies er zur Begründung seines neuen Antrages auf die Lage in Gaza und die aktuellen Vorfälle. Er sei auch schon lange in Österreich und wolle hier arbeiten und aktiv werden. Weitere Gründe habe er nicht. Bei einer Rückkehr müsste er an der Grenze in einem Zelt leben. In der Beschwerde wurde auf die allgemeine Sicherheitslage in Gaza verwiesen, ohne eine individuelle Verfolgung aus in der GFK angeführten Motiven vorzubringen. Und in der mündlichen Verhandlung am 06.02.2025 gab er an, neben der allgemeinen Lage im Gazastreifen keine anderen Gründe zu haben. (VS 06.02.2025 S 4)

2.3 Zur Lage im Gazastreifen

Die Feststellungen dazu ergeben sich aus den Länderfeststellungen, die bereits vom BFA im angefochtenen Bescheid getroffen wurden. (Bescheid S 54-58)

3. Rechtliche Beurteilung:

Zu A) Zum Status eines Asylberechtigten (§ 3 AsylG 2005)

3.1 Ausgehend vom festgestellten Sachverhalt ist der Beschwerdeführer nicht bei der UNRWA als Flüchtling registriert. Er fällt damit NICHT in den Anwendungsbereich des Art 1 Abschnitt D GFK bzw. Art 12 Abs 1 lit a Satz 1 der Status-RL und genießt daher nicht "ipso facto" den Schutz der Qualifikationsrichtlinie (Art 12 Abs 1 lit a Satz 1 der Status-RL).

Der Beschwerdeführer hat nur die aktuelle allgemeine Lage im Gazastreifen als Antragsgrund vorgebracht und im Verfahren keine weiteren oder anderen Fluchtgründe oder Rückkehrbefürchtungen angegeben.

Der Beschwerdeführer hat damit nicht glaubhaft gemacht, dass er im Fall seiner Rückkehr nach Gaza zum gegenwärtigen Zeitpunkt tatsächlich – mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit – individuell konkret einer unmittelbaren Bedrohung aus ethnischen, religiösen oder politischen Gründen oder aufgrund der Nationalität oder Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe ausgesetzt sein wird.

3.2 Es liegt somit im Falle des Beschwerdeführers keine Verfolgung im Sinne des Art 1 Abschnitt A Z 2 der Genfer Flüchtlingskonvention vor. Die Voraussetzungen für die Zuerkennung des Status eines Asylberechtigten sind damit nicht gegeben.

3.3 Die Beschwerde gegen Spruchpunkt I des angefochtenen Bescheides des BFA wird daher als unbegründet abgewiesen.

B) Revision

3.4 Die ordentliche Revision ist nicht zulässig, da die für den vorliegenden Fall relevante Rechtslage durch die zitierte Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes geklärt ist.

3.5 Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.