Spruch
BESCHLUSS
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Hermann LEITNER als Vorsitzenden und die Richterin Mag. Irene ALTENDORFER sowie den fachkundigen Laienrichter RR Johann PHILIPP als Beisitzer über die Beschwerde von XXXX , geb. am XXXX , gegen den Bescheid des Sozialministeriumservice, Landesstelle Oberösterreich, vom 21.11.2024, OB: XXXX , in nichtöffentlicher Sitzung beschlossen:
A)
In Erledigung der Beschwerde gegen den Bescheid des Sozialministeriumservice, Landesstelle Oberösterreich, vom 21.11.2024, OB: 86909304000023 wird gemäß § 28 Abs. 3 VwGVG, Bundesgesetz über das Verfahren der Verwaltungsgerichte (Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz), BGBl I 33/2013 idgF der bekämpfte Bescheid behoben und die Angelegenheit zur Erlassung eines neuen Bescheides an die belangte Behörde zurückverwiesen.
B)
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
Begründung:
I. Verfahrensgang:
I.1. Die beschwerdeführende Partei („bP“) ist seit 25.01.2005 im Besitz eines Behindertenpasses (zuletzt festgestellter GdB 50 v.H.). Sie beantragte bei der belangten Behörde („bB“) am 25.09.2023 die Vornahme der Zusatzeintragung „Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung“ in den Behindertenpass.
I.2. Die bB holte im Ermittlungsverfahren ein Sachverständigengutachten eines Facharztes für Allgemeinmedizin sowie eines Facharztes für Neurologie ein. Laut den beiden Gutachten liegen die Voraussetzungen für die Vornahme der begehrten Zusatzeintragung nicht vor.
I.3. Mit Schreiben vom 28.10.2024 wurde der bP die Möglichkeit eingeräumt, zum Ergebnis des Ermittlungsverfahrens Stellung zu nehmen.
I.4. Am 14.11.2024 langte die Stellungnahme der bP ein. Sie führte aus, dass ihr die Benützung der öffentlichen Verkehrsmittel nicht zumutbar sei. Ihre behandelnde Fachärztin habe ihr bestätigt, dass sie aufgrund ihrer schweren Panikattacken im Zusammenhang mit Menschenansammlungen keine öffentlichen Verkehrsmittel benützen könne. Im Rahmen der Untersuchung durch den Sachverständigen wäre ihre psychische Befindlichkeit nicht erörtert worden. Der Sachverständige hätte sich mit den vorliegenden Facharztbefunden detaillierter auseinandersetzen müssen. Der von ihr vorgelegte Befund habe keinen Eingang in das Sachverständigengutachten gefunden, weshalb dieses jedenfalls erörterungsbedürftig sei.
I.5. Mit Bescheid vom 21.11.2024 wies die bB den Antrag auf Zusatzeintragung vom 25.09.2023 ab. Begründend wurde ausgeführt, dass das ärztliche Begutachtungsverfahren ergeben habe, dass die Voraussetzungen für die Zusatzeintragung nicht vorlägen. Die mit der Stellungnahme am 14.11.2024 übermittelten Befunde seien bereits bei im Zeitpunkt der Begutachtung vorgelegen.
I.6. Gegen den Bescheid vom 21.11.2024 erhob die bP mit Schreiben vom 20.12.2024 fristgerecht Beschwerde an das erkennende Gericht. Begründet wurde dies damit, dass es ihr nicht möglich sei, eine größere Wegstrecke als 150-200 Meter zurückzulegen. Die bP ersuchte außerdem um eine Verlängerung wegen eines Facharzttermins und um eine Vorladung zu einer neuerlichen Begutachtung.
I.7. Die bB legte den Akt am 07.01.2025 dem erkennenden Gericht zur Entscheidung vor.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen:
1.1. Die bP ist seit 25.01.2005 im Besitz eines unbefristeten Behindertenpasses (GdB 50 v.H.).
1.2. In einem von der bB eingeholten Gutachten eines Facharztes für Allgemeinmedizin (Vorgutachten zum Gutachten vom 26.10.2024) vom 12.02.2024 wurde im Hinblick auf psychische Funktionseinschränkungen nur eine „psychische Belastung bei Tinnitus und Z.n. gynäkolog. Operation“ festgestellt.
1.3. In einem Befund vom 16.04.2024, welcher der bB vorlag, führte die behandelnde Neurologin hinsichtlich der psychischen Verfassung der bP folgendes aus:
„Was ihr sehr zu schaffen macht, das ist die psychische Situation. Sie ist weinerlich u. sehr ängstlich. Sie berichtet, dass sie seit März d. J. 5 x schwere Panikattacken bekommen hat. Sie kann mit der Situation nicht zurecht kommen. Die Problematik tritt besonders auf, wenn sie unter Menschenansammlungen ist, aber auch in vollen öffentlichen Verkehrsmitteln. Mit der Patientin wird ein Gespräch geführt bezügl. Umgehen mit Angst, Verhaltenstherapie u. auf keinen Fall Vermeidung. Die Patientin wartet auf eine Gesprächstherapie über die psychotherapeutische Clearingstelle ÖGK. Sie bekommt von uns eine ÜW diesbezügl.
Aufgrund der psychischen Situation u. vordergründig Panikstörung mit sozialer Phobie ist es zu dokumentieren, dass der Patientin das Benützen der öffentlichen Verkehrsmittel nicht zuzumuten ist.“
1.4. Das von einem beigezogenen Facharzt für Neurologie erstellte Gutachten vom 26.10.2024 weist auszugsweise folgenden Inhalt auf:
„[…]
Derzeitige Beschwerden:
Sie habe Schmerzen ganzen Körper, täglich, seit mehr als 7 Jahren. Sie habe ein Burn-out-Syndrom gehabt. Seit 3 Jahren sei sie in Behandlung bei Dr. XXXX . Psychisch gehe es ihr „momentan ganz schlecht“, sie weint. Ein Asthma bronchiale ist bekannt, früher war sie Raucherin, seit 2017 von Tabak abstinent. Ein Schlafapnoesyndrom ist bekannt, sie verwendet ein CPAP Gerät und eine Maske, ohne Sauerstoffbeimengung.
[…]
Zusammenfassung relevanter Befunde (inkl. Datumsangabe):
Arztbrief Dr. XXXX FA für Innere Medizin XXXX vom 20.2.2024
Diagnosen:
vordiagnostizierte seronegative rheumatoide Arthritis DD seronegative Spondylarthritis 10/23
Ansatz Tendinopathie DD Enthesitis rechte Achillessehne – MR7/23
Therapie mit Humira seit 9/22
Zustand nach Therapie mit Ebetrexat 5/22-9/22
Fibromyalgiesyndrom
Vitamin-D-Mangel
Diskusprolaps C5/C6
Osteochondrose L5/S1
Degenerative Wirbelsäulenveränderungen
Chron. Diarrhoe
Asthma bronchiale
Zusammenfassung:
Aktuell findet sich klinisch das Bild einer Enthesiopathie der Achillessehnen beidseits sowie einer fraglichen Schwellung der Sprunggelenke beidseits und eine Druckschmerzhaftigkeit aller untersuchten Gelenke. Auf den Wiederbeginn mit Humira ist es zu keinem ausreichend guten Ansprechen gekommen, weswegen wir – insbesondere wegen der Enthesiopathie der Achillessehnen – eine Therapieumstellung auf Cosentyx 150 mg PEN (IL-17-Hemmer) vereinbart haben. Das Medikament wird zu Beginn der Woche 0,1, 2, 3,4 und danach alle 4 Wochen gespritzt. Geplant ist der Beginn mit Cosentyx nach Aufbrauchen des letzten Humira PEN. Die Patientin hat das Informationsblatt der österreichischen Gesellschaft für Rheumatologie für Cosentyx erhalten und unterzeichnet. Die nächste Kontrolle hierorts ist für Mitte Juli geplant.
Arztbrief Dr. XXXX FA für Neurologie XXXX vom 16.4.2024
Diagnosen:
chronisch polytopes Schmerzsyndrom
somatoforme Schinerzstörung
chronische Zervikalgie mit rez. Radikulopathie C6 links bei DP C5/C6 u. gleichzeitig degenerativen Veränderungen mit Bildung von Spondylophyten auf mehreren Etagen
chronifizierte Lumbago mit rezidivierender Ausstrahlung im Bereich des Oberschenkels Vorderseite bds
degenerative LWS-Veränderungen u. aktivierte Osteochondrose L5/S1
eronegative rheumatoide Arthritis DD Fibromylagia rheumatica (lt. Rheuma-Befund 8/2023 Dr. Weber)
Z.n. Therapie mit Ebetrexat u. Humira
Panikstörung
rezidivierende depressive Episoden
soziale Phobie
Vitamin Mangel
chronische Diarhoe
Colon irritabile
Asthma bronchiale
Zusammenfassung:
Bekannte Patientin, polytope Schmerzen, belastete psychische Situation, wartet auf eine Gesprächstherapie, Medikation mit Pregamid in der Dosis erhöht
Arztbrief Dr. XXXX FA für Anästhesie und Intensivmedizin XXXX vom 8.5.2024
Diagnosen:
primäres Fibromyalgiesyndrom
Zusammenfassung:
Erstmalige Konsultation im August 2023. Es erfolgte die Diagnose eines primären Fibromyalgie-Syndroms nach den aktuellen Kriterien des American College of Rheumatology 2016 nach Ausschluss von etwaigen Differentialdiagnosen. Es erfolgte eine medikamentöse Optimierung, welche jedoch aufgrund der geographischen Distanz mittel Telekonsultation kontrolliert wurde. Eine Optimierung der Schmerztherapie muss über einen Facharzt erfolgen, welcher sich intensiv mit dem Fibromyalgie-Syndrom befasst und ortsnahe ist. Derzeit ist eine Gehstrecke von maximal 200 m möglich, wodurch Frau Reischl massiv in ihrer Lebensqualität beeinträchtigt ist. Ich bitte daher um adäquate Zuerkennung des GdB.
Befundbericht Radiologie CT/MRT XXXX vom 12.6.2024
MRT des linken Kniegelenks
Ergebnis:
Mediale Gonarthrose mit zweit- bis drittgradiger Chondropathie. Gering mukoid signalalterierter Innenmeniskus ohne Rupturhinweis. Gelenkserguss. Plica mediopatellaris. Subkutanes Weichteilödem präpatellar, prätibial und dorsal. Intakte Patellasehne.
Arztbrief Dr. XXXX FA für Neurologie XXXX vom 24. September 2024
Diagnosen unverändert zum Vorbefund
Zusammenfassung:
Bezügl. Schmerzsymptomatik Medikamente weiter wie gehabt. Bezüglich Migräne wurde ein Schädel-MR durchgeführt. Dieses zeigt sich altersentsprechend unauffällig. Aufgrund der erhöhten Intensität vordergründig der Migräne aber auch langsam der Frequenz bekommt die Patientin Zolmitriptan mg löslich. Sie bekommt aber auch Zomig-Nasenspray. Patientin führt einen Kopfschmerzkalender. Sie hat leider heute vergessen. Im Rahmen der nächsten KO wird entschieden, was für eine Basistherapie zu machen ist.
Untersuchungsbefund:
[…]
Status Psychicus:
Bewußtsein klar.
Kontaktfähigkeit erhalten.
Orientierung ungestört.
Stimmung leicht depressiv.
Antrieb unauffällig.
Ductus kohärent.
Keine formalen oder inhaltlichen Denkstörungen.
Affekte situationsadäquat.
Affizierbarkeit verstärkt im negativen Bereich.
Konzentration und Aufmerksamkeit nicht beeinträchtigt.
Kein Hinweis auf aktuelle Suizidalität.
Ergebnis der durchgeführten Begutachtung:
Bezeichnung der körperlichen, geistigen oder sinnesbedingten Funktionseinschränkungen, welche voraussichtlich länger als sechs Monate andauern werden:
1. Chronisches Schmerzsyndrom/Fibromyalgie; seronegative rheumatoide Arthritis wurde mitberücksichtigt, nachgewiesene fachärztliche neurologische und anästhesiologische Behandlung, nachgewiesene Medikation, unverändert zum Vorgutachten eingestuft;
2. Migräne ohne Aura; nachgewiesene Medikation, nachgewiesene neurologische Behandlung;
3. Wirbelsäulenbeschwerden; Laut Vorgutachten Bandscheibenvorfälle der Halswirbelsäule und Lendenwirbelsäule, zum Untersuchungszeitpunkt kein nachvollziehbares neurologisches Defizit, Medikamentenliste vorliegend;
4. Asthma bronchiale; nachgewiesene Medikation, kein aktueller lungenfachärztlicher Befund vorliegend, unverändert zum Vorgutachten eingestuft;
5. Psychische Beschwerden; rezidivierende depressive Störung, Panikstörung, soziale Phobie, nachgewiesene neurologische Facharztbehandlung, Medikamentenliste vorliegend;
6. Augentränen; keine Beschwerden angegeben, kein aktueller augenfachärztlicher Befund vorliegend;
7. Schlafapnoesyndrom; kein aktueller lungenfachärztlicher Befund vorliegend;
8. Darmbeschwerden; Colon irritabile, rezidivierende Diarrhoe, kein aktueller gastroenterologischer Befund vorliegend, geringe Funktionseinschränkung, Überschneidung mit Leiden Nummer 1;
Stellungnahme zu gesundheitlichen Änderungen im Vergleich zum Vorgutachten:
Leiden Nummer 1 (Fibromyalgie): unverändert zum Vorgutachten eingestuft.
Leiden Nummer 2 (Migräne): wurde aufgrund fachärztlicher Befunde neu eingestuft.
Leiden Nummer 3 (Wirbelsäulenbeschwerden): unverändert zum Vorgutachten eingestuft.
Leiden Nummer 4 (Asthma bronchiale): unverändert zum Vorgutachten eingestuft.
Leider Nummer 5 (psychische Beschwerden): unverändert zum Vorgutachten eingestuft.
Leiden Nummer 6 (Augentränen): unverändert zum Vorgutachten eingestuft.
Leiden Nummer 7 (Schlafapnoesyndrom): unverändert zum Vorgutachten eingestuft.
Leiden Nummer 8 (Darmbeschwerden): wurde trotz fehlender Facharztbefunde neu eingestuft.
Hepatopathie; Hypercholesterinämie; Adipositas, Varikositas, Hallux valgus links, Kniebeschwerden, Hörschwäche, Tinnitus - kein FA-Befund vorliegend.
[…]
1. Zumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel - Welche der festgestellten Funktionsbeeinträchtigungen lassen das Zurücklegen einer kurzen Wegstrecke, das Ein- und Aussteigen sowie den sicheren Transport in einem öffentlichen Verkehrsmittel nicht zu und warum?
Es liegen keine so schwerwiegenden körperlichen oder seelischen Störungen vor, die das Zurücklegen einer kurzen Wegstrecke, das Ein- und Aussteigen sowie den sicheren Transport in einem öffentlichen Verkehrsmittel nicht zulassen würden. Die in der EVO angeführten Kriterien für die Unzumutbarkeit von öffentlichen Verkehrsmitteln aus psychischen Gründen liegen nicht vor bzw. sind nicht nachgewiesen.
2. Zumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel - Liegt ein Immundefekt vor im Rahmen dessen trotz Therapie erhöhte Infektanfälligkeit und wiederholt außergewöhnliche Infekte wie atypische Pneumonien auftreten?
Nein.
Gutachterliche Stellungnahme:
Aus gutachterlicher Sicht ist die Benutzung von öffentlichen Verkehrsmitteln möglich.“
1.5. Die bP wies in ihrer Stellungnahme vom 14.11.2024 darauf hin, dass in der Begutachtung ihre psychische Befindlichkeit nicht erörtert worden wäre und der von ihr vorgelegte Befund ihrer behandelnden Neurologin keinen Eingang in das Gutachten gefunden habe.
1.6. Bei der Begutachtung und im darauf basierenden Sachverständigengutachten vom 26.10.2024 erfolgte keine ausreichende Auseinandersetzung mit dem Befund vom 16.04.2024 bzw. mit den darin genannten psychischen Leiden der bP.
1.7. Die bB unterließ notwendige Ermittlungen bzw. die Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts.
2. Beweiswürdigung:
2.1. Die allgemeinen Feststellungen zur Staatsbürgerschaft, zum Wohnort und zum Behindertenpass ergeben sich unmittelbar aus dem Verwaltungsakt.
2.2. Der Befund der behandelnden Neurologin vom 16.04.2024, das Sachverständigengutachten eines Facharztes für Allgemeinmedizin vom 12.02.2024 und das Sachverständigengutachten eines Facharztes für Neurologie vom 26.10.2024 sind dem Verwaltungsakt beigefügt.
2.3. Die Stellungnahme der bP vom 14.11.2024 befindet sich ebenfalls im Verwaltungsakt.
2.4. Einleitend ist grundsätzlich festzuhalten, dass laut herrschender Judikatur ärztlichen Attesten die gleiche Beweiskraft zukommt wie ärztlichen Sachverständigengutachten, zumal es auf die innere Wahrheit eines Beweismittels ankommt (VwSlgNF 2453 A).
Im von der bB eingeholten neurologischen Gutachten vom 26.10.2024 findet sich insgesamt keine ausreichende Auseinandersetzung mit dem von der bP vorgelegten Befund vom 16.04.2024, welcher der bP eine Panikstörung mit sozialer Phobie diagnostiziert bzw. festhält, dass die bP unter Panikattacken in Menschenansammlungen und vollen öffentlichen Verkehrsmitteln leidet. Dieser Befund (bzw. die darin gestellten Diagnosen) wird im Sachverständigengutachten zwar teilweise kurz unter dem Punkt „Zusammenfassung relevanter Befunde“ zitiert, ein wesentlicher Teil desselben, in dem die Panikattacken der bP im Zusammenhang mit vollen Verkehrsmitteln dokumentiert werden, findet jedoch keine Erwähnung. Im „Ergebnis der durchgeführten Begutachtung“ werden in Punkt 5 zwar eine „Panikstörung“ und „soziale Phobie“ genannt, jedoch gibt es keinen Hinweis darauf, dass der beigezogene Sachverständige bei der Begutachtung auf diese Leiden tatsächlich näher eingegangen wäre. So finden die Panikstörung und soziale Phobie unter dem Punkt „Derzeitige Beschwerden“ und unter dem Punkt „Status Psychicus“ überhaupt keine Erwähnung. In der anschließenden „Stellungnahme zu gesundheitlichen Änderungen im Vergleich zum Vorgutachten“ wird folgendes ausgeführt: „Leiden Nummer 5 (psychische Beschwerden): unverändert zum Vorgutachten eingestuft“. Im Vorgutachten, welches von einem Facharzt für Allgemeinmedizin erstellt wurde, ist in den genannten Funktionseinschränkungen jedoch weder eine „Panikstörung“ noch eine „soziale Phobie“ genannt, weshalb die psychischen Beschwerden offensichtlich nicht unverändert zum Vorgutachten eingestuft wurden.
Insgesamt gelangte der Sachverständige schlussendlich zu der Einschätzung, die Benützung der öffentlichen Verkehrsmittel sei der bP aus psychischen Gründen nicht unzumutbar (vgl. Gutachten S.7: „Die in der EVO angeführten Kriterien für die Unzumutbarkeit von öffentlichen Verkehrsmitteln aus psychischen Gründen liegen nicht vor bzw. sind nicht nachgewiesen.“) – wie der Sachverständige zu dieser Erkenntnis gelangt, ist für das erkennende Gericht jedoch nicht nachvollziehbar. Es ist nicht ersichtlich, ob und in welcher Form der Befund vom 16.04.2024 in der vorgenommenen Beurteilung berücksichtigt wurde. Die Diagnosen der behandelnden Neurologin wurden übernommen, eine nähere Auseinandersetzung damit fand jedoch scheinbar nicht statt. Ihre Einschätzung bezüglich der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wurde schlussendlich auch nicht übernommen, wobei diese Vorgehensweise mit keinem Wort begründet wurde. Eine, im Sinne der erforderlichen Vollständigkeit und Schlüssigkeit des Sachverständigengutachtens, ausreichende Auseinandersetzung mit dem Befund vom 16.04.2024 bzw. der darin genannten psychischen Leiden der bP ist nicht erkennbar.
2.5. Die bB gründete ihren Bescheid vom 21.11.2024 auf ein, wie gerade aufgezeigt, unschlüssiges und unvollständiges Sachverständigengutachten, obwohl die bP in ihrer Stellungnahme vom 14.11.2024 substantiell Einwände gegen das Gutachten erhob. Es ist somit davon auszugehen, dass die bB notwendige Ermittlungen in Bezug auf den entscheidungsrelevanten Sachverhalt unterließ.
3. Rechtliche Beurteilung:
3.1. Gemäß § 6 BVwGG entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist. Gegenständlich liegt gemäß § 45 Abs. 3 BBG Senatszuständigkeit vor.
Zu A)
3.2. Aufhebung und Zurückverweisung
Gemäß § 28 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen, sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist.
Gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG hat über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z1 B-VG das Verwaltungsgericht dann in der Sache selbst zu entscheiden, wenn der maßgebliche Sachverhalt feststeht oder die Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts durch das Verwaltungsgericht selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden ist.
Gemäß § 28 Abs. 3 hat, wenn die Voraussetzungen des Abs. 2 leg. cit nicht vorliegen, das Verwaltungsgericht im Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z1 B-VG in der Sache selbst zu entscheiden, wenn die Behörde dem nicht bei der Vorlage der Beschwerde unter Bedachtnahme auf die wesentliche Vereinfachung oder Beschleunigung des Verfahrens widerspricht. Hat die Behörde notwendige Ermittlungen des Sachverhalts unterlassen, so kann das Verwaltungsgericht den angefochtenen Bescheid mit Beschluss aufheben und die Angelegenheit zur Erlassung eines neuen Bescheides an die Behörde zurückzuverweisen. Die Behörde ist hierbei an die rechtliche Beurteilung gebunden, von welcher das Verwaltungsgericht bei seinem Beschluss ausgeht.
Gemäß § 1 Abs. 4 Z 3 der Verordnung über die Ausstellung von Behindertenpässen und von Parkausweisen, BGBl. II Nr. 495/2013, ist in den Behindertenpass auf Antrag des Menschen mit Behinderung jedenfalls die Feststellung einzutragen, dass dem Inhaber/der Inhaberin des Passes die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung nicht zumutbar ist; die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel ist insbesondere dann nicht zumutbar, wenn das 36. Lebensmonat vollendet ist und
- erhebliche Einschränkungen der Funktionen der unteren Extremitäten oder
- erhebliche Einschränkungen der körperlichen Belastbarkeit oder
- erhebliche Einschränkungen psychischer, neurologischer oder intellektueller Fähigkeiten, Funktionen oder
- eine schwere anhaltende Erkrankung des Immunsystems oder
- eine hochgradige Sehbehinderung, Blindheit oder Taubblindheit nach § 1 Abs. 4 Z 1 lit. b oder d vorliegen.
Die zur Rechtslage vor Erlassung der Verordnung BGBl. II Nr. 495/2013 ergangene Rechtsprechung ist zur Beurteilung der Voraussetzungen der Zusatzeintragung nach § 1 Abs. 4 Z 3 unverändert von Bedeutung. Zu prüfen ist daher, ob die bP an einer dauerhaften Mobilitätseinschränkung leidet und wie sich diese nach ihrer Art und ihrer Schwere auf die Zumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel auswirkt.
Um die Frage der Zumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel beurteilen zu können, hat die Behörde nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu ermitteln, ob der Antragsteller dauernd an seiner Gesundheit geschädigt ist und wie sich diese Gesundheitsschädigung nach ihrer Art und ihrer Schwere auf die Zumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel auswirkt. Sofern nicht die Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel auf Grund der Art und der Schwere der Gesundheitsschädigung auf der Hand liegt, bedarf es in einem Verfahren über einen Antrag auf Vornahme der Zusatzeintragung "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauernder Gesundheitsschädigung" regelmäßig eines ärztlichen Sachverständigengutachtens, in dem die dauernde Gesundheitsschädigung und ihre Auswirkungen auf die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel in nachvollziehbarer Weise dargestellt werden. Nur dadurch wird die Behörde in die Lage versetzt, zu beurteilen, ob dem Betreffenden die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauernder Gesundheitsschädigung unzumutbar ist (vgl. das hg. Erkenntnis vom 23. Februar 2011, Zl. 2007/11/0142, mwN.).
Ein Gutachten oder eine medizinische Stellungnahme, die Ausführungen darüber vermissen lässt, aus welchen Gründen die oder der ärztliche Sachverständige zu einer Beurteilung gelangt ist, stellt keine taugliche Grundlage für die von der belangten Behörde zu treffenden Entscheidung dar (VwGH 20.03.2011, 2000/11/0321).
Laut dem Befund der behandelnden Neurologin vom 16.04.2024 leidet die bP an einer Panikstörung mit sozialer Phobie. Die Panikattacken treten vor allem im Zusammenhang mit Menschenansammlungen und in vollen öffentlichen Verkehrsmitteln auf. Im Gutachten vom 26.10.2024 werden zwar die Diagnosen „Panikstörung“ und „soziale Phobie“ aus dem eben genannten Befund übernommen, jedoch gelangt der Sachverständige zu der Einschätzung, dass der bP die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel zuzumuten ist. Wie bereits in der Beweiswürdigung ausgeführt, wurde im Gutachten verabsäumt darzulegen, wie der Sachverständige zu dieser Schlussfolgerung gelangt und entgegen der Einschätzung der behandelnden Neurologin (vgl. Befund vom 16.04.2024: „Aufgrund der psychischen Situation u. vordergründig Panikstörung mit sozialer Phobie ist es zu dokumentieren, dass der Patientin das Benützen der öffentlichen Verkehrsmittel nicht zuzumuten ist.“), der Meinung ist, dass die bP nicht in ihrer Mobilität eingeschränkt ist. Zur Begründung verwendete der Gutachter eine allgemeine Standardformulierung („Die in der EVO angeführten Kriterien für die Unzumutbarkeit von öffentlichen Verkehrsmitteln aus psychischen Gründen liegen nicht vor bzw. sind nicht nachgewiesen“), die keine Rückschlüsse darauf zulässt, weshalb die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel trotz des Vorliegens einer Panikstörung mit sozialer Phobie bzw. von Panikattacken in Zusammenhang mit Menschenansammlungen in öffentlichen Verkehrsmitteln zumutbar ist. Auch findet sich im Gutachten kein Hinweis darauf, dass sich der Sachverständige im Rahmen der Begutachtung mit den im Befund dokumentierten psychischen Leiden der bP überhaupt näher befasst hätte.
Das von der bB eingeholte und dem angefochtenen Bescheid zugrunde gelegte Sachverständigengutachten vom 26.10.2024 wird daher mangels hinreichender Berücksichtigung des Befundes vom 16.04.2024 und der darin beschriebenen psychischen Leiden der bP den Anforderungen an die Schlüssigkeit und Vollständigkeit eines derartigen Gutachtens nicht gerecht.
Das gegenständliche Verfahren ist daher mit einem Mangel behaftet, weshalb der angefochtene Bescheid aufzuheben war. Da der Sachverhalt im Hinblick auf die psychischen Leiden der bP und die Auswirkungen derselben auf die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel ergänzungsbedürftig ist, sind weitere Ermittlungen notwendig. Für eine umfassende und ausreichend qualifizierte Einschätzung der psychischen Erkrankungen der bP ist nach Ansicht des erkennenden Gerichts die Einholung eines medizinischen Sachverständigengutachtens der Fachrichtung Psychiatrie erforderlich. Das erkennende Gericht hätte daher nicht nur Ergänzungen des im behördlichen Verfahren erhobenen Sachverhalts vorzunehmen, sondern sehr viel weitreichendere Erhebungen zu pflegen. Ausgehend von diesen Überlegungen ist daher im gegenständlichen Fall das dem Bundesverwaltungsgericht gemäß § 28 Abs. 3 2. Satz VwGVG eingeräumte Ermessen im Sinne einer kassatorischen Entscheidung auszuüben und das Verfahren an die belangte Behörde zurückzuverweisen, welches das Ermittlungsverfahren unter Beachtung obiger Ausführungen durchzuführen und sodann neuerlich in der Sache zu entscheiden hat.
3.3. Absehen von der mündlichen Verhandlung:
Da der angefochtene Bescheid zu beheben war, konnte von der Durchführung einer mündlichen Verhandlung abgesehen werden.
Zu B)
3.4. Unzulässigkeit der Revision:
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.