JudikaturBVwG

L516 2275851-1 – Bundesverwaltungsgericht Entscheidung

Entscheidung
22. Januar 2025

Spruch

L516 2275851-1/11E IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch den Richter Mag. Paul NIEDERSCHICK über die Beschwerde von XXXX , geb XXXX , StA Syrien, vertreten durch die BBU GmbH, gegen Spruchpunkt I des Bescheides des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 07.06.2023, Zahl 1286032302-211440696, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung zu Recht:

A)

Die Beschwerde wird gemäß § 3 AsylG als unbegründet abgewiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

Entscheidungsgründe:

Der Beschwerdeführer ist syrischer Staatsangehöriger und stellte am 30.09.2021 einen Antrag auf internationalen Schutz. Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA) wies mit gegenständlich angefochtenem Bescheid vom 07.06.2023 den Antrag des Beschwerdeführers (I.) gemäß § 3 Abs 1 iVm § 2 Abs 1 Z AsylG bezüglich der Zuerkennung des Status eines Asylberechtigten ab. Das BFA erkannte dem Beschwerdeführer unter einem (II.) gem § 8 Abs 1 AsylG den Status des subsidiär Schutzberechtigten zu und erteilte (III.) eine befristete Aufenthaltsberechtigung für subsidiär Schutzberechtigte für ein Jahr gemäß § 8 Abs 4 AsylG.

Dagegen richtet sich die vorliegende Beschwerde. Die Beschwerde richtet sich ausschließlich gegen Spruchpunkt I des angefochtenen Bescheides.

Das Bundesverwaltungsgericht führte in der Folge am 23.01.2024 eine mündliche Verhandlung durch, an der der Beschwerdeführer mit seiner Rechtsvertretung teilnahm; die belangte Behörde verzichtete auf eine Teilnahme und erschien nicht.

1. Sachverhaltsfeststellungen:

[regelmäßige Beweismittel-Abkürzungen: S=Seite; AS=Aktenseite des Verwaltungsaktes des BFA; NS=Niederschrift; VS=Verhandlungsschrift; OZ=Ordnungszahl des Verfahrensaktes des Bundesverwaltungsgerichtes; ZMR=Zentrales Melderegister; IZR=Zentrales Fremdenregister; GVS= Betreuungsinformationssystem über die Gewährleistung der vorübergehenden Grundversorgung für hilfs- und schutzbedürftige Fremde in Österreich]

1.1 Zur Person des Beschwerdeführers

Der Beschwerdeführer führt in Österreich den im Spruch angeführten Namen und sowie das ebenso dort angeführte Geburtsdatum. Er ist syrische Staatsangehöriger, gehört der kurdischen Volksgruppe und der sunnitischen Glaubensgemeinschaft an. Seine Identität steht nicht fest.

Der Beschwerdeführer verfügt in Österreich über den Status eines subsidiär Schutzberechtigten und eine Aufenthaltsberechtigung gemäß § 8 Abs 4 AsylG. Die Aufenthaltsberechtigung wurde vom BFA zwischenzeitlich bis September 2026 verlängert. (siehe die rechtskräftigen Spruchpunkte II und III des angefochtenen Bescheides; IZR)

1.2 Zum Herkunftsort und Aufenthalt des Beschwerdeführers in Syrien

Der Beschwerdeführer wurde in der Stadt XXXX im Gouvernement al-Hasaka geboren. Er lebte ab seiner Geburt bis 2005 sowie von 2009 bis 2020 im Dorf XXXX im Gouvernement al-Hasaka. Von Ende 2020 bis Juli 2021 lebte er in der Stadt XXXX im Gouvernement al-Hasaka. Von 2005 bis 2009 lebte er in Damaskus. (NS EV 18.11.2022 S 6; VS 23.01.2024 S 8)

Der Beschwerdeführer hat in Syrien die Grundschule und Mittelschule absolviert, in Damaskus das Studium der Pädagogik erfolgreich abgeschlossen und ab 2011 bis Juli 2021 als Grundschullehrer unterrichtet. (NS EV 18.11.2022 S 5, 7, 8)

1.3 Zur Begründung des Antrages auf internationalen Schutz

Erstbefragung 01.10.2021

Bei der Erstbefragung am 01.10.2021 gab der Beschwerdeführer zur Begründung seiner Ausreise an, dass er zwei Hauptgründe habe. Er habe ein Urteil für 2 Jahre Haft erhalten, da er den Reservedienst beim syrischen Militär nicht absolviert habe. Kurz danach am 15.07.2021 sei er als Lehrer von der Schule gekündigt worden, an der er unterrichtet habe. Anschließend habe er an einer kurdischen Schule unterrichtet. Er habe eine Nachricht von seinem Freund XXXX erhalten, der im Bildungsministerium gearbeitet habe. Jener habe dem Beschwerdeführer mitgeteilt, dass er von den Sicherheitsbehörden gesucht werde. Er wäre eine Gefahr für die Sicherheit des Landes. Der Grund sei, da er bei der syrischen Schule gekündigt habe und zur kurdischen Schule gegangen sei. Am 07.08.2021 habe ihm seine Frau mitgeteilt, dass eine Gruppe bewaffneter und maskierter Leute seine Wohnung gestürmt und ihn gesucht habe. Zum Glück sei er nicht Zuhause gewesen. Er sei sich sicher, dass es mit den Sicherheitsbehörden zu tun habe. (NS EB 01.10.2021 S 6, 7)

Einvernahme vor dem BFA am 18.11.2022

Bei der Einvernahme vor dem BFA am 18.11.2022 führte der Beschwerdeführer – zusammengefasst – aus, er habe drei Gründe, weshalb er Syrien verlassen habe. Der erste Grund sei, dass er aufgrund seines Reservedienstes gesucht werde. Der zweite Grund sei, dass er auch vom Geheimdienst der Staatssicherheit gesucht werde, da er zwischen 2016 und 2021 Kurdisch an einer Schule unterrichtet habe, welche nicht unter der Kontrolle des syrischen Regimes gestanden sei. Der Leiter der Gemeinschaft für Pädagogik, XXXX , habe dem Beschwerdeführer bei einem Anruf am 15.07.2021 erzählt, dass er vom Geheimdienst gesucht werde und er aufpassen müsse. Der Beschwerdeführer habe dann gehört, dass zwei Lehrerinnen namens XXXX und XXXX festgenommen worden seien. Seine Frau habe ihm am 07.08.2021 angerufen und ihm gesagt, dass es Leute gebe, die nach ihm gefragt hätten. Der Beschwerdeführer habe gewusst, dass es die Leute des Geheimdienstes gewesen seien. Daraufhin habe er sein Dorf verlassen müssen. Der dritte Grund sei, dass er in seinem Handygeschäft Handys illegal programmiert habe. Er habe Handys so programmiert, damit man nicht zum Zoll hingehen und eine Gebühr zahlen müsse. Es habe ein Gesetz in Syrien gegeben, dass jeder bestraft werde, der dies mache. Er habe damit alles erzählt und habe keine weiteren Gründe mehr vorzubringen.

Am 01.02.2020 sei er von seiner Schule gekündigt worden, da er seinen Reservedienst nicht abgeleistet habe. Ab diesem Datum habe er seinen Lohn nicht mehr erhalten. Er habe bis zum Jahr 2016 an einer öffentlichen syrischen Schule unterrichtet. Von 2016 bis 2020 habe er an einer kurdischen Schule unterrichtet, aber seinen Lohn trotzdem von den öffentlichen syrischen Stellen erhalten. Am 01.02.2020 sei er dann von der öffentlichen Stelle gekündigt worden und habe er dann keinen Lohn mehr erhalten. Danach habe er freiwillig ohne Lohn weiter unterrichtet.

Am 07.08.2021 seien Männer zu ihm nach Hause gekommen und hätten nach ihm gefragt. Er sei zu jenem Zeitpunkt nicht Zuhause, sondern auf Besuch bei seinen Eltern gewesen. Er und seine Frau hätten damals noch in XXXX (Schreibeweise in der Niederschrift des BFA: XXXX ) gewohnt. An jenem Tag habe er seinen Eltern in der Landwirtschaft geholfen. Es sei sehr windig und das Wetter schlecht gewesen. Am 07.08.2021 um 21:00 Uhr habe seine Frau angerufen und ihm gesagt, dass drei oder vier Männer bei ihnen Zuhause gewesen seien, welche nach ihm gefragt hätten. Seine Frau habe einen der Männer beschrieben und der Beschwerdeführer habe den Mann gekannt, dessen Name XXXX gelautet habe. Jener habe beim staatlichen Geheimdienst gearbeitet und in XXXX gewohnt. Jene Männer hätten gefragt, ob der Beschwerdeführer Zuhause sei oder nicht, das sei alles gewesen. Jene Männer hätten dann gesagt, dass sie nachsehen müssten. Einer der Männer habe die Wohnung durchsucht und sei dann wieder gegangen. Jene Männer hätten nach ihm gesucht, da zwei Lehrerinnen, welche auch Kurdisch unterrichtet hätten, festgenommen und nach Damaskus geschickt worden seien und der Beschwerdeführer glaube, dass jene dasselbe mit ihm hätten machen wollen. Er wisse jedoch nicht konkret, was jene Männer von ihm gewollt hätten. Es sei nur eine Vermutung von ihm, dass sie ihn auch festgenommen hätten, da er Kurdisch unterrichtet habe und deswegen eine Bedrohung für den syrischen Staat darstelle. Der Leiter der Gemeinschaft für Pädagogik, XXXX , habe den Beschwerdeführer nämlich angerufen und ihm am Telefon mitgeteilt, dass der Beschwerdeführer in das Visier des Geheimdienstes geraten sei, da er Kurdisch unterrichtet habe. XXXX habe gewusst, dass der Beschwerdeführer vom Sicherheitsdienst gesucht werde, da jener einen Anruf vom Bildungsministerium erhalten habe und diesem dabei gesagt worden sei, dass jemand einen Bericht über den Beschwerdeführer verfasst habe, dass er Kurdisch in den öffentlichen Schulen unterrichtet habe.

Dass Mitglieder des syrischen Regimes bei ihm Zuhause nach ihm gesucht hätten, obwohl sein Heimatgebiet unter der Kontrolle der kurdischen Milizen sei, sei deshalb möglich, da es einige Schläferzellen in den kurdischen Gebieten gebe. Außerdem wohne XXXX hinter der Klinik in XXXX . Jener kenne den Beschwerdeführer und sei auch zum Beschwerdeführer in das Handygeschäft gekommen. Der Beschwerdeführer sei immer sehr vorsichtig gewesen, wenn er sich mit jenem unterhalten habe. In Qamishli gebe es ein Vierteil – ein Sicherheitsquadrat –, welches unter der Kontrolle des syrischen Regimes liege. Jener XXXX arbeite dort in der Geheimdienstabteilung für staatliche Sicherheit.

Bei einer Rückkehr würde er verhaftet, vielleicht auch verurteilt oder in den Krieg geschickt werden. Er könne deshalb nicht in Gebieten leben, die nicht unter der Kontrolle des syrischen Regimes seien, da er nicht wisse, wo er leben solle. Als Kurde könne er nicht bei der Opposition leben, da jene sagen würden, dass er gegen den Staat sei. Beim Regime werde er aufgrund seines Reservedienstes gesucht. Dort wo die Türken aktiv seien, könne er auch nicht leben, da er dort als Terrorist angesehen werden würde. In Gebieten unter Kontrolle der kurdischen Einheiten könne er nicht leben, da er ja dort gelebt habe, es dort aber sehr viele Schläferzellen gebe und er dort bereits bedroht worden sei. Er werde von der Militärbehörde und er staatlichen Sicherheit gesucht. Er sei in seiner Heimat nie angehalten, festgenommen oder verhaftet worden. Er habe nie an Kampfhandlungen teilgenommen. Er habe Probleme mit der Militärbehörde. Er sei in seiner Heimat nie Mitglied einer politischen Gruppierung oder Partei gewesen. Er sei wegen seiner politischen Gesinnung verfolgt worden und in das Visier des staatlichen Geheimdienstes geraten, weil er Kurdisch unterrichtet habe. Er sei in seiner Heimat von staatlicher Seite weder wegen seiner Rasse noch wegen seiner Religion verfolgt worden. Es habe nie persönliche Übergriffe auf ihn gegeben und es sei niemand an ihn persönlich herangetreten. Bei einer Rückkehr hätte er Probleme mit der Militärbehörde und dem staatlichen Geheimdienst. (NS EV 18.11.2022 S 11 ff)

Beschwerde vom 25.07.2023

In der Beschwerde vom 25.07.2023 wurde – zusammengefasst – neben Ausführungen zu seinem bisherigen Vorbringen zusätzlich vorgebracht, dass der Beschwerdeführer von den Kurden bedroht und verfolgt worden sei. Jene hätten ihn dafür bestrafen wollen, dass sich seine Brüder der Selbstverteidigungspflicht entzogen hätten und nach wie vor seine Eltern Vergeltungsmaßnahmen aufgrund der Söhne erleiden würden, häufig der Zugang zu Strom, Gas und Hilfsgütern verwehrt werde. (Beschwerde 25.07.2023 S 3) Die Befragung durch die Behörde sei unzureichend gewesen und es sei dem Beschwerdeführer nicht möglich gewesen, sämtliche Fluchtgründe zu nennen. Es wäre besonders wichtig gewesen, den Beschwerdeführer zur Situation in seinem Herkunftsort zu befragen. Dass eine Bedrohungs- und Verfolgungssituation durch die Kurden in seinem Herkunftsort besonders relevant sei, sei dem Beschwerdeführer nicht bewusst gewesen. (Beschwerde 25.07.2023 S 6) Alle Brüder des Beschwerdeführers hätten Syrien verlassen. Jene hätten sich geweigert, für die Kurden gegen das Regime zu kämpfen. Jene seien gegen den Krieg gewesen und hätten keine Partei unterstützen wollen, Kriegsverbrechen sowie Verbrechen gegen die Menschlichkeit zu begehen. Der Beschwerdeführer habe sich ebenso geweigert, an Kampfhandlungen zu beteiligen. Ihm und seiner Familie sei dadurch eine oppositionelle Gesinnung seitens der Kurden unterstellt worden. Auch die Kurden würden mit äußerster Härte gegen deren vermeintliche Gegner:innen vorgehen. (Beschwerde 25.07.2023 S 13)

Mündliche Verhandlung am 23.01.2024

In der mündlichen Verhandlung am 23.01.2024 brachte der Beschwerdeführer vor, dass er Syrien aus mehreren Gründen verlassen habe. Der erste Grund sei, dass er für den Reservedienst gesucht werde. Der zweite Grund sei, dass er von der Staatssicherheitsbehörde verfolgt worden sei. Jene Abteilung habe auch eine Razzia in seinem Haus durchgeführt und habe den Beschwerdeführer festnehmen wollen, weil er gegen die Politik des Staates sei. Genauer gesagt, weil der Staat die Leute habe verhungern lassen. Er habe zudem Handys programmiert und das sei auch gegen die Staatspolitik. Sein Name sei auf der Webseite des syrischen Verteidigungsministeriums zu finden, dass er gesucht werde. Jemand habe ihn angezeigt, und einen Bericht über ihn verfasst und habe behauptet, dass ich mit den kurdischen Schulen zusammenarbeite, weswegen er von der Staatssicherheitsabteilung verfolgt worden sei. Jene habe in der Nacht eine Razzia durchgeführt und habe den Beschwerdeführer festnehmen wollen, er sei jedoch geflohen. Er habe sowohl Angst vor dem syrischen Regime als auch vor den HAVAL. Er würde im Fall einer Rückkehr von den beiden Parteien verhaftet werden. Das seien alle Ausreisegründe und es seien seit der Ausreise auch keine neuen Gründe dazugekommen, wegen denen er nicht nach Syrien zurückkönne.

Er habe Angst vor dem syrischen Geheimdienst, vor der Staatssicherheitsabteilung und der Armee wegen des Reservedienstes. Und die HAVAL sei die APOJIS, die PKK, das seien ihre Streitkräfte. Die HAVAL habe gewollt, dass seine beiden Brüder XXXX und XXXX in den Wehrdienst einziehen. Die beiden seien für den (kurdischen) Wehrdienst gesucht worden. Die HAVAL seien zu ihrem (iSV: „unserem“) Haus ins Dorf gegangen und hätten nach seinem Bruder XXXX gefragt, weil sie jenen zum Wehrdienst hätten einziehen wollen. Zuvor sei sein Bruder XXXX in den Irak ausgereist. Jene hätten die Mutter des Beschwerdeführers bedroht, dass jene den Beschwerdeführer festnehmen würden, wenn sich seine Brüder nicht stellen würden. Seine Mutter sei im Dorf gewesen. Der Beschwerdeführer sei nicht im Dorf gewesen, sondern in seinem Haus in XXXX . Jene hätten seiner Mutter gesagt, dass sie den Beschwerdeführer festnehmen würden, wenn sich seine Brüder nicht stellen würden. Sein Bruder XXXX sei Anfang August in den Irak gereist, da jener den Wehrdienst bei der HAVAL nicht ableisten wolle. Seine Mutter sei Anfang August 2021 das erste Mal bedroht worden, weil XXXX nicht da gewesen sei. Der Beschwerdeführer sei das erste Mal mit seiner Festnahme bedroht worden, bevor er nach XXXX gegangen sei. Es gebe noch eine andere Sache. Weil bei ihnen (iSv „uns“) eine Razzia durchgeführt worden sei. Das erste Mal, als jene gedroht hätten, sei zwischen Anfang August und 07.08.2021 gewesen. Am 07.08.2021 sei er im Haus seiner Eltern im Dorf gewesen. Eine Gruppe sei zu seinem Haus gekommen. Seine Ehefrau habe ihm gesagt, dass eine Gruppe nach Hause gekommen sei und nach dem Beschwerdeführer gefragt habe. Dann habe er sich bedroht gefühlt und Angst gehabt, dass jene Gruppe dem Beschwerdeführer etwas antun und ihn mit Zwang verschwinden lassen werde. Er sei dann nach XXXX gegangen, habe sich dort versteckt und sei zu einem späteren Zeitpunkt in die Türkei eingereist. (VS 23.01.2024 S 5 ff)

1.4 Zur Glaubhaftigkeit des Vorbringens

Der Beschwerdeführer hat mit seinem Vorbringen nicht glaubhaft gemacht und es ergibt sich auch sonst nicht, dass er im Falle einer Rückkehr – zum gegenwärtigen Zeitpunkt – in Syrien – mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit – individuell konkret einer aktuellen und unmittelbaren Bedrohung aus ethnischen, religiösen oder politischen Gründen oder aufgrund der Nationalität oder Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe ausgesetzt sein wird, oder ihm aus einem dieser Motive Schutz durch die gegenwärtigen Machthaber in Syrien oder durch die Kurdischen Kräfte im von diesem kontrollierten Gebiet verweigert werden würde.

1.5 Zur Lage in Syrien

BAMF Briefing Notes Gruppe 62 – Informationszentrum Asyl und Migration

13.01.2025

Andauernde Kämpfe zwischen SDF und SNA in Ost-Aleppo

Im Norden Syriens dauern türkische Luftangriffe und Kämpfe zwischen dem durch die Türkei unterstützten Milizenbündnis, der sog. Syrische Nationalarmee (SNA), und den kurdisch-dominierten Demokratischen Kräften Syriens (SDF) weiterhin an.

Im Fokus türkischer Angriffe steht nach der Einnahme Manbijs und Tall Rif’ats durch die SNA (vgl. BN v. 23.12.24) besonders der Tishreen-Staudamm. Am 08.01.25 sammelten sich über 1.000 Protestierende, um auf Aufforderung der Demokratischen Autonomen Administration von Nord- und Ostsyrien (DAANES) gegen den andauernden Beschuss zu demonstrieren. Medienberichten zufolge sollen während des Protestzugs Ziele in der Nähe bombardiert worden sein. Die Gesundheitsbehörde in Ayn al-Arab (Kobanê) berichtete, dass fünf Zivilpersonen getötet und 15 weitere verwundet worden seien. Türkische Behörden lehnten eine türkische Verantwortung hierfür ab und beschuldigten die DAANES und SDF, die Zivilbevölkerung als menschliche Schilde zu missbrauchen. Am Tag darauf sollen Berichten der Syrischen Beobachtungsstelle für Menschenrechte (SOHR) zufolge 37 Personen getötet worden sein. Darunter befanden sich demnach primär SNA-Kämpfer, aber auch sechs Mitglieder der SDF. Insgesamt steigt die Todeszahl des vergangenen Monats damit auf 332 Tote. Ferner sollen SDF-Angaben zufolge am 11.01.25 drei Zivilpersonen durch türkische Luftangriffe getötet worden sein.

Proteste der alawitischen Bevölkerung; Berichte über Tote bei Ausschreitungen und Vergeltungsakten

Am 25.12.24 brachen in mehreren Städten des Landes Proteste der alawitischen Bevölkerung aus, nachdem online ein Video zirkulierte, dass die Zerstörung eines alawitischen Schreins in Aleppo zeigte. Die Behörden gaben später an, es habe sich um ein älteres Video gehandelt. Homs neu ernannter Polizeichef berichtete von friedlichen Protesten in Homs-Stadt, die von Gruppierungen, die mit der gestürzten Assad-Regierung in Verbindung standen, missbraucht worden seien. Dabei sollen Einzelne das Feuer auf Protestierende und anwesende Sicherheitskräfte eröffnet haben, wodurch eine Person getötet und mehrere verletzt worden sein sollen. Sicherheitskräfte erließen temporäre Ausgangssperren und errichteten Checkpoints, um die Situation unter Kontrolle zu bringen. SOHR berichtete zunächst, dass die Proteste von HTS-Kämpfern niedergeschlagen worden sein sollen.

Weitere Proteste brachen in Damaskus aus, nachdem ein Video, das die Verbrennung eines Weihnachtsbaums zeigte, publik wurde. Am Folgetag gab das Informationsministerium der Übergangsregierung bekannt, die Verbreitung von Videos mit einem „sektiererischen Charakter, der auf die Verbreitung von Spaltung abzielt“ zu verbieten.

Seit der Machtübernahme der HTS sollen Dutzende Syrerinnen und Syrer durch Racheakte getötet worden sein, insbesondere Mitglieder der alawitischen Bevölkerungsgruppe. Die Sorge vor Vergeltungsschlägen unter Alawitinnen und Alawiten ist weiterhin groß. Eine konkrete Opferzahl liegt nicht vor.

Vorgehen gegen Assad-treue Milizen

Bewaffnete Gruppen der Übergangsregierung führen in verschiedenen Orten Verhaftungskampagnen durch, um die Auflösung Assad-treuer Milizen voranzutreiben. So fand am 30.12.24 eine Verhaftungskampagne in der Ortschaft Adra nahe Damaskus statt, in deren Zuge mehrere Anführer solcher Milizen inhaftiert worden sein sollen.

Am 25.12.24 kam es in der Küstenstadt Tartous zu Kämpfen zwischen HTS-Kämpfern und Unterstützern der gestürzten Regierung, nachdem Medienberichten zufolge ein hochrangiger Funktionär der vormaligen Regierung verhaftet werden sollte. Dabei sollen 14 HTS-Kämpfer getötet und weitere verwundet worden sein.

Im Nachgang an die in Kämpfe eskalierten Proteste in Homs-Stadt (s.o.) führten die neuen syrischen Sicherheitskräfte am 02.01.25 unter dem Einsatz von Panzern eine weitere Verhaftungskampagne gegen ehemalige Milizenangehörige und Soldaten in Homs-Stadt durch, die sich ihrer Entwaffnung verweigert und der Beteiligung an Kriegsverbrechen verdächtigt werden sollen. Bereits am ersten Tag der mehrtägigen Kampagne sollen über 100 Personen inhaftiert worden sein.

Das Vorgehen gegen Mitglieder und Funktionäre der ehemaligen Regierung führte auch zu Kritik. Menschenrechtsorganisationen warfen der Übergangsregierung willkürliche Verhaftungen und intransparentes Vorgehen gegen mutmaßliche Assad-Unterstützer vor. Dies bestritten die Übergangsbehörden und verwiesen darauf, gegen bewaffnete, gewaltbereite Assad-Loyalisten vorzugehen, nicht jedoch gegen einfache Sympathisanten.

Einige Tage später, am 12.01.25 ergingen Berichte, dass etwa 360 Personen, die im Zuge der Verhaftungskampagnen in Gewahrsam genommen worden waren, durch die Abteilung für Allgemeine Sicherheit, freigelassen wurden. Es hätte sich bestätigt, dass sich die betroffenen Personen der Entwaffnung und der Übergangsregierung nicht widersetzen würden und sich keiner Kriegsverbrechen schuldig gemacht hätten. Wie viele der Inhaftierten aus Homs in Gewahrsam verblieben, war zunächst nicht bekannt.

Wirtschaftliche Situation und Lockerung von Sanktionen

Die desolate wirtschaftliche Lage sorgt weiterhin für Herausforderungen bei der Versorgung der syrischen Bevölkerung. Während Hilfsorganisationen davon ausgehen, dass noch immer ca. 90 % der Bevölkerung unterhalb der Armutsgrenze leben und etwa 13,1 Mio. Menschen in Syrien nicht ausreichend Nahrungsmittel zur Verfügung haben, bemüht sich die Übergangsregierung um das Einholen weiterer Hilfsgelder und Wiederaufbauhilfen.

Zuletzt kamen am 10.01.25 vor der Umayyaden-Moschee in Damaskus mind. drei Personen in der sich dort versammelnden Menschenmasse zu Tode. Berichten zufolge kommen zahlreiche Menschen zur Moschee und auf den Vorplatz, um dort das Freitagsgebet zu verrichten, aber auch um dort Lebensmittelhilfen zu erhalten.

Nachdem zuletzt die Verlängerung der US-Sanktionen des Caesar Act, der eines von mehreren Sanktionspaketen darstellt, um weitere fünf Jahre eingeleitet wurde, lockerte die US-Regierung am 06.01.25 einige Restriktionen für die kommenden sechs Monate, um es Investoren zu ermöglichen, mit syrischen Behörden zusammenzuarbeiten. Insbesondere in Bereichen die zur Versorgung der Bevölkerung beitragen, wie die humanitäre Hilfe, aber auch Strom, Energie, Wasser, Sanitäranlagen, sollen die Lockerungen der Sanktionen Wirkung zeigen.

In einem weiteren Schritt der Öffnung Syriens nahm der internationale Flughafen Damaskus am 07.01.25 den kommerziellen internationalen Luftverkehr wieder auf.

Die Zusammenführung der syrischen Wirtschaft nach der mehrjährigen de-facto-Teilung stellt die Übergangsregierung vor Herausforderungen. Aufgrund einer angestrebten Angleichung öffentlicher Gehälter zwischen den vormaligen Gebieten der HTS-geführten Administration in Idlib und den vormals durch die Assad-Regierung kontrollierten Gebieten, nahm die Übergangsregierung temporäre Kürzungen der Gehälter in Idlib um die Hälfte der Gesamtsumme vor (diese lagen bislang bei etwa 100-170 USD/Monat). Gleichzeitig wurden im Rahmen von Notfallmaßnahmen öffentliche Gehälter in den vormaligen Gebieten der Assad-Regierung erhöht, da diese bislang bei nur etwa 17 USD/Monat lagen. Lehrkräfte in Idlib kündigten daraufhin einen Streik gegen die temporären Kürzungen an, da auch sie trotz der verhältnismäßig höheren Gehälter unter großem finanziellem Druck stünden.

23.12.2024

Statusklärungsprozesse für ehemalige Angehörige der SAA und NDF

Ehemalige Angehörige der Syrischen Arabischen Armee (SAA) und irantreuer Milizen, welche unter dem Verbund der Nationalen Verteidigungskräfte (NDF) organisiert waren, sollen nach Angaben der neuen Herrscher die Möglichkeit bekommen, einen Statusklärungsprozess zu durchlaufen, in dem festgestellt werden soll, ob die betreffende Person entweder für Verbrechen unter der Assad-Regierung verantwortlich gewesen war und eine entsprechende Strafverfolgung zu erwarten hat, oder ob sie eine Amnestie erhalten kann.

Ehemalige Soldaten, Offiziere und medizinisches Personal der SAA wurden dazu aufgerufen, sich dafür in sogenannten Versöhnungszentren zu melden, um sich auszuweisen und Waffen sowie Gerätschaften abzugeben. Einer internationalen Tageszeitung zufolge öffnete am 18.12.24 in Latakia eines der ersten solcher Versöhnungszentren auf dem Boden einer ehemaligen Sicherheitsbehörde. Am ersten Tag sollen mehr als 600 Personen erschienen sein, gefolgt von einer noch größeren nicht näher bestimmten Zahl am Tag darauf.

Alle Personen, überwiegend Männer, aber auch einzelne Frauen, würden abfotografiert und ein zunächst für drei Monate gültiges Ausweisdokument erhalten. Einem örtlichen Vertreter des Innenministeriums in Latakia zufolge müssten sich die Betroffenen im Rahmen des Aussöhnungsprozesses nach drei Monaten bei einem Sicherheitshauptquartier melden, um das Verfahren weiter betreiben zu können.

Vor dem Sturz der Assad-Regierung am 08.12.24 ist bereits im zuvor von HTS eroberten Aleppo am 06.12.24 ein sogenanntes Versöhnungszentrum eingerichtet worden.

Ehemalige bewaffnete Oppositionsgruppen sollen in die syrische Armee eingegliedert werden

Wie syrische Staatsmedien am 17.12.24 berichteten, sollen dem Anführer von Hayat Tahrir al-Sham (HTS) zufolge alle bewaffneten Gruppen im Land aufgelöst und deren Kämpfer dem Verteidigungsministerium unterstellt werden. Unterdessen rief das neue Innenministerium Interessierte dazu auf, sich in den Polizeiakademien des Landes für den Sicherheitsdienst zu bewerben.

Berichte über einzelne Übergriffe auf Alawitinnen und Alawiten

Dem Bericht einer internationalen Presseagentur vom 21.12.24 zufolge dokumentierte die Syrische Beobachtungsstelle für Menschenrechte (SOHR) seit dem Sturz der Assad-Regierung am 08.12.24 mindestens 72 Fälle von Tötungen an verschiedenen ethnischen und religiösen Minderheiten. Alle Vorfälle wurden demnach in den religiös vielfältigen Gouvernements Hama, Homs, Tartus und Latakia verortet.

Zwischen dem 09.12. und 11.12.24 wurden dem Presseagenturbericht zufolge in der Ortschaft Bahra (Hama) etwa ein Dutzend Alawitinnen und Alawiten von bewaffneten Männern erschossen. In den benachbarten Ortschaften Mouaa und Um al-Amad wurden ebenfalls jeweils sechs und zwei Personen getötet. Alle drei Orte sollen inzwischen nahezu verlassen sein, nachdem die Bewohnerinnen und Bewohner nach Tartus geflohen seien.

Am Wochenende des 20.12. und 21.12.24 soll daraufhin die HTS-Miliz ein Treffen veranstaltet haben, zu dem sunnitische und alawitische Würdenträger aus den Ortschaften Rabia, Tizin, Metnine und Mouaa erschienen sein und ein Ende der gewalttätigen Übergriffe beschlossen haben sollen.

Besetzte Pufferzone: Israel geht von längerer Präsenz aus

Nachdem die israelische Armee kurz nach dem Sturz der Assad-Regierung in die entmilitarisierte Pufferzone entlang den Golanhöhen im syrischen Gouvernement Quneitra eingedrungen war (vgl. BN v. 09.12.24) und den Gipfel des Hermon, Syriens höchstem Berg, eingenommen hat, besuchte der israelische Premierminister Benjamin Netanjahu am 17.12.24 einen der neu errichteten Stützpunkte und bekräftigte die Absicht Israels, die Pufferzone solange militärisch zu halten bis ein Abkommen mit den neuen Herrschern in Damaskus getroffen worden sei, das die Sicherheit Israels garantiere.

Der Hermon ist weniger als zehn km von den seit 1967 israelisch besetzten Golanhöhen entfernt und stellt einer Presseerklärung des israelischen Verteidigungsministeriums vom 17.12.24 zufolge eine strategisch wichtige Position dar, von der aus man Hisbollah-Einheiten in der Bekaa-Ebene des benachbarten Libanon besser beobachten könne. Außerdem würde die israelische Präsenz eine abschreckende Wirkung auf Rebellen in Damaskus haben, die eine moderate Fassade für sich behaupten, aber den extremsten Zweigen des Islamismus zuzurechnen seien.

Ahmad al-Shara, Anführer der HTS-Miliz, kritisierte das israelische Vorgehen und versicherte, dass Syrien das im Jahr 1974 geschlossene Waffenstillstandsabkommen mit Israel wahren werde. Vielmehr sei die Gefahr, die von irantreuen Milizen für Israel ausgegangen sei, durch den Sturz der Assad-Regierung gebannt worden.

Am 15.12.24 genehmigte die israelische Regierung zudem den Ausbau weiterer Siedlungen auf den Golanhöhen. Eine Verdoppelung der israelischen Bevölkerung in den Golanhöhen, die mit den Siedlungsgenehmigungen erreicht werden soll, diene der Verteidigungsfähigkeit der Region.

Gegenwärtig leben schätzungsweise 20.000 israelische neben 20.000 syrischen Staatsangehörigen auf den Golanhöhen. Letztere setzen sich vor allem aus der drusisch-arabischen Minderheit Syriens zusammen. Anders etwa als das Westjordanland, das Israel als umstrittenes Gebiet betrachtet, werden die Golanhöhen seit ihrer Annexion von Syrien im Jahre 1981 als israelisches Staatsgebiet behandelt.19

Nordosten: Angriffe der SNA auf Ain al-Arab (Kobanê)

Die kurdisch geführten Demokratischen Kräfte Syriens (SDF) berichteten, am 18.12.24 an zahlreichen Stellungen um die im Gouvernement Aleppo gelegene Ortschaft Ain al-Arab (kurdisch Kobanê) und entlang des Euphrat von Kämpfern der von der Türkei unterstützten Syrischen Nationalen Armee (SNA) angegriffen worden zu sein.

Die Ortschaft ist die letzte größere Bastion der SDF im Gouvernement Aleppo zwischen Tal Abyad im Osten und Jarabulus sowie Manbij im Westen, die sich inzwischen allesamt unter der Kontrolle der SNA und des türkischen Militärs befinden. Zugleich ist Ain al-Arab bzw. Kobanê mehrheitlich kurdisch bewohnt. Der Stadt wird durch den hart erkämpften Sieg über die IS-Herrschaft im Jahr 2016 große symbolische Bedeutung beigemessen. Nach der Einnahme Manbijs durch die SNA am 11.12.24 (vgl. BN v. 16.12.24) wurde eine zeitlich begrenzte Waffenruhe für die gesamte Region beschlossen. Vorausgegangene Kämpfe hatten Tausende Menschen zur Flucht bewegt.

Die Führung der SDF bekannte sich am 17.12.24 öffentlich zu einem Friedensplan, wonach sie ihre Kämpferinnen und Kämpfer aus Kobanê abziehen würden, wenn dafür eine entmilitarisierte Zone unter Aufsicht der US-Armee geschaffen werde.

Am 20.12.24 wurden Medienberichten zufolge eine Journalistin und ein Journalist bei einem türkischen Drohnenangriff nahe der Tischrin-Talsperre, etwa 60 km südlich von Ain al-Arab bzw. Kobanê, getötet. Die beiden arbeiteten für kurdische Medienunternehmen in der Türkei.

16.12.2024

Machtwechsel; Schicksal vieler Assad-Getreuer ungewiss

Am 13.12.24 kamen in Damaskus Zehntausende Menschen am Umayyaden-Platz, einem Kreisverkehr nahe der gleichnamigen Moschee im Zentrum der Stadt, zusammen, um das Freitagsgebet zu begehen und das Ende der Assad-Herrschaft zu feiern. Die Predigt in der Umayyaden-Moschee wurde von Interims-Premierminister al-Bashir gehalten. Der Anführer der Hayat Tahrir al-Sham (HTS), Ahmad al-Sharaa, der inzwischen seinen Kampfnamen Abu Mohammed al-Jolani abgelegt hat, wandte sich in einer Videobotschaft an die Bevölkerung, um ihr zu gratulieren.

Am 11.12.24 hatte al-Sharaa in einer schriftlichen Stellungnahme angekündigt, keine Begnadigungen für Personen auszusprechen, die an der Folter oder dem Mord von Häftlingen unter der Assad-Regierung beteiligt waren. Man werde die im Land verbliebenen Täter ausfindig machen und ausländische Staaten um eine Überstellung bitten. Die in London ansässige Syrische Beobachtungsstelle für Menschenrechte (SOHR) berichtete am selben Tag von Übergriffen bewaffneter Gruppen auf Personen in Wohnvierteln, die als Assad-Hochburgen bekannt waren. Es soll demnach zu Plünderungen und Einschüchterungen gekommen sein. Während prominente Assad-Anhänger wie dessen Bruder Maher oder Generalmajor Al Mamlouk Berichten zufolge nach Russland bzw. Libanon geflohen sein sollen, ist der Verbleib vieler weiterer Führungspersönlichkeiten der gestürzten Regierung ungeklärt.

Am 14.12.24 eröffnete der türkische Außenminister Hakan Fidan die türkische Botschaft in Damaskus, die seit dem Jahr 2012 geschlossen war.

Nordostsyrien: SDF geben Manbij auf; hissen die neue Flagge Syriens

Die kurdisch geführten Demokratischen Kräfte Syriens (SDF) erklärten am 11.12.24, einem durch die USA und Türkei vermittelten (vgl. BN v. 09.12.24) Waffenstillstandsabkommen zugestimmt zu haben, wonach sie ihre Streitkräfte aus Manbij abziehen mussten. Die Ortschaft steht damit unter der Kontrolle der Syrischen Nationalen Armee (SNA), einem aus der Türkei geförderten islamistischen Rebellenverbund. Manbij befand sich seit mehr als acht Jahren unter Kontrolle der SDF, nachdem sie den IS im August 2016 aus der Ortschaft vertrieben hatten. Die Führung der SDF kritisierte die USA dafür, die Angriffe der Türkei und der mit ihr verbündeten Milizen auf die Kurden nicht verhindert haben zu können, schließlich sei Manbij auch mit Hilfe des US-Militärs vom IS befreit worden. Dieser könne eine Schwächung der SDF in der Region möglicherweise auch für sich zu nutzen wissen. US-Angaben zufolge halten die SDF derzeit noch ca. 9.000 IS-Kämpfer in über 20 Haftanstalten verteilt über Nordostsyrien gefangen.

Am 12.12.24 erklärte die Demokratische Autonome Administration von Nord- und Ostsyrien (DAANES), das zivile Pendant zu den SDF, auf allen Gebäuden ihrer Institutionen die neue Flagge Syriens gehisst zu haben. In der Stellungnahme bekannte sie sich zur Einheit Syriens und ihrer nationalen Identität. Bis dato positionierte sich die DAANES seit Jahren als dritte Partei zwischen syrischer Regierung und der bewaffneten Opposition. In dem symbolischen Akt kann eine Bereitschaft zur Zusammenarbeit mit den neuen Herrschern in Damaskus gesehen werden.

Fluchtbewegungen

Aktualisierten Zahlen der UN zufolge sind im Zuge der HTS-Offensive 1,1 Mio. Menschen zu Binnenflüchtlingen geworden, insbesondere Bewohnerinnen und Bewohner der Gouvernements Aleppo, Idlib, Hama und Homs. Fluchtbewegungen können vor allem in die Gouvernements Idlib, Hama, Rif Dimashq, Aleppo und Tartus verzeichnet werden. Demgegenüber hätten ca. 5.000 Menschen ihre Notunterkunft in Binnenvertriebenenlagern verlasen, um in ihre Häuser zurückzukehren. In den meisten Regionen habe sich die Sicherheitslage zuletzt verbessert, nur in Nordostsyrien sprechen die UN von einer volatilen Situation infolge von großen territorialen und politischen Veränderungen.

Die UN berichten außerdem mit Stand 13.12.24, dass seit dem 08.12.24 etwas weniger als 10.000 Menschen aus dem Libanon nach Syrien zurückgekehrt seien. Zehntausende wären zur selben Zeit (vor dem Hintergrund des Waffenstillstandes zwischen Israel und Hisbollah) von Syrien in den Libanon zurückgekehrt. Etwa 1.000 Syrerinnen und Syrer wären demnach in den Irak geflohen, 800 Personen alleine am 11.12.24.

09.12.2024

Sturz der Assad-Regierung

Mit der weitgehend kampflosen Einnahme weiterer Gouvernementhauptstädte (05.12.24 Hama, 07.12.24 Homs) fiel am Morgen des 08.12.24 schließlich auch die Hauptstadt Damaskus unter die Kontrolle von Hayat Tahrir al-Sham (HTS).

Zur Offensive aus dem Nordwesten (vgl. BN v. 02.12.24) kamen spontan regionale bewaffnete Aufstände hinzu, wodurch auch die südlichen Gouvernements Suweida und Dar’a von Umstürzen erfasst wurden. Am 06.12.24 rief außerdem die russische Botschaft in Damaskus ihre Staatsbürgerinnen und Staatsbürger zum Verlassen des Landes auf und das iranische Militär verließ das Land über die Grenzübergänge nach Irak und Libanon oder den Luft- bzw. Seeweg über Latakia.

Die syrische Armee verließ Medienberichten zufolge in großer Zahl ihre Posten und ließ militärisches Gerät und Ausrüstung zurück. Zu Tausenden sollen Soldaten desertiert sein, ihre Militäruniformen durch zivile Kleidung ersetzt und sich unter die Zivilbevölkerung gemischt haben. Die staatlichen Institutionen des Landes würden der HTS-Miliz zufolge zunächst unter der Aufsicht des bisherigen Premierministers stehen, der die Übergangszeit begleite. Nach gegenwärtiger Informationslage ist noch nicht bekannt, ob HTS-Kämpfer bereits in die Gouvernementhauptstädte der syrischen Küste, Latakia und Tartus, vorgedrungen sind, wo sich die große Mehrheit der Alawiten im Land und eine Machtbasis des laut Medienberichten mit russischer Unterstützung nach Moskau geflohenen ehemaligen Präsidenten Assad befindet. Abu Mohammed al-Jolani, Anführer der islamistischen HTS-Miliz, betrat am 08.12.24 medienwirksam die Umayyaden-Moschee in Damaskus, wo er eine Siegesrede über die Assad-Herrschaft und „iranische Bestrebungen“ in Syrien hielt.

Außerdem große Beachtung fand die Einnahme des berüchtigten Sednaya-Gefängniskomplexes, wo zahlreiche Männer, Frauen und Kinder befreit wurden. Die Gefängnisanlage enthält Berichten zufolge mehrere unterirdische und zum Teil verbarrikadierte Etagen, zu denen am Morgen des 09.12.24 Rettungskräfte noch immer nicht vollständig durchgedrungen waren. Eine Untersuchung durch die UN im Jahr 2016 hatte ergeben, dass während der Assad-Herrschaft so viele Menschen in den Gefängnissen zu Tode gefoltert wurden, dass sie in ihrem Bericht den Begriff „Vernichtung“ verwendet hat.

Aus den Protesten gegen die Assad-Herrschaft, die im Jahr 2011 im Zuge des sogenannten Arabischen Frühlings ihren Anfang nahmen, gelang es der Opposition nie, jenseits der Forderung nach dem Sturz der Regierung eine gemeinsame Vorstellung hinsichtlich einer neuen Staatsordnung für die Zeit nach Assad zu formulieren.

Nordsyrien: SNA und türkische Armee greifen SDF an

Mehreren übereinstimmenden Berichten zufolge griff die türkische Armee am 08.12.24 Stellungen der Demokratischen Kräfte Syriens (SDF) in Manbij im Norden des Gouvernements Aleppo mit Drohnen an, nachdem es am Vortag bereits zu Kämpfen zwischen den SDF und der Syrischen Nationalen Armee (SNA) gekommen war. Den SDF zufolge waren dabei mindestens 22 ihrer Kämpfer getötet und 40 weitere verletzt worden.

Den UN zufolge sollen in Nordsyrien bereits zum 05.12.24 etwa zwischen 60.000 und 80.000 Personen vor anhaltenden Kämpfen zwischen SDF und SNA geflohen sein.

Sowohl SDF als auch SNA begrüßten den Fall der Assad-Regierung, stehen sich im Kampf um die Kontrolle der nördlichen (teils mehrheitlich kurdisch bevölkerten) Gebieten jedoch feindlich gegenüber. Die Verteidigungsminister der USA und der Türkei telefonierten nach den Kampfhandlungen miteinander, um eine Deeskalation zu bewirken.

USA bombardieren IS-Stellungen; Israel sichert Golanhöhen

Die USA verkündeten am 08.12.24, Dutzende Stellungen des IS in Zentralsyrien aus der Luft angegriffen zu haben. Insgesamt 75 Ziele sollen demnach getroffen worden sein. Es lägen demnach keine Berichte über zivile Opfer vor. Der Zeitpunkt der Angriffe sei so gewählt worden, damit der IS die volatile politische Lage im Land nicht für sich nutzen könne.

Einem Zeitungsbericht zufolge hat sich das israelische Militär am 08.12.24 erstmals seit dem Oktober- bzw. Jom-Kippur-Krieg im Jahr 1973 auf syrisches Territorium jenseits der annektierten Golanhöhen bewegt. Es sei die Bergregion im syrischen Gouvernement Quneitra um den Gipfel Hermon, der höchste Berg Syriens, gesichert worden, um eine temporäre „Pufferzone“ einzurichten, bis eine Vereinbarung über die Nachbarschaft mit den neuen Herrschern in Damaskus getroffen worden sei.

Außerdem habe die israelische Luftwaffe am 07.12. und 08.12.24 mehrere Militäranlagen Syriens bombardiert. Diese sollten das verbliebene Chemiewaffenarsenal des Landes lagern. Dabei wurden auch Elemente russischer Luftabwehrsysteme und ein Arsenal an ballistischen Boden-Boden-Raketen zerstört.

Kurzinformation der Staatendokumentation SYRIEN, 10.12.2024

Sicherheitslage, Politische Lage Dezember 2024: Opposition übernimmt Kontrolle, al-Assad flieht

1. Zusammenfassung der Ereignisse

Nach monatelanger Vorbereitung und Training (NYT 1.12.2024) starteten islamistische Regierungsgegner unter der Führung der Hay’at Tahrir ash-Sham (HTS) (Standard 1.12.2024) die Operation „Abschreckung der Aggression“ – auf نن Arabisch: ردع العدوا - Rad’a al-‘Adwan (AJ 2.12.2024) und setzten der Regierung von Präsident Bashar al-Assad innerhalb von 11 Tagen ein Ende.

Am 30.11. nahmen die Oppositionskämpfer Aleppo ein und stießen weiter in Richtung der Stadt Hama vor, welche sie am 5.12. einnahmen. Danach setzten sie ihre Offensive in Richtung der Stadt Homs fort (AJ 8.12.2024). Dort übernahmen sie die Kontrolle in der Nacht vom 7.12. auf 8.12. (BBC 8.12.2024).

Am 6.12. zog der Iran sein Militärpersonal aus Syrien ab (NYT 6.12.2024). Russland forderte am 7.12. seine Staatsbürger auf, das Land zu verlassen (FR 7.12.2024). Am 7.12. begannen lokale Milizen und Rebellengruppierungen im Süden Syriens ebenfalls mit einer Offensive und nahmen Daraa ein (TNA 7.12.2024; Vgl. AJ 8.12.2024), nachdem sie sich mit der Syrischen Arabischen Armee auf deren geordneten Abzug geeinigt hatten (AWN 7.12.2024). Aus den südlichen Provinzen Suweida und Quneitra zogen ebenfalls syrische Soldaten, sowie Polizeichefs und Gouverneure ab (AJ 7.12.2024). Erste Oppositionsgruppierungen stießen am 7.12. Richtung Damaskus vor (AJ 8.12.2024). Am frühen Morgen des 8.12. verkündeten Medienkanäle der HTS, dass sie in die Hauptstadt eingedrungen sind und schließlich, dass sie die Hauptstadt vollständig unter ihre Kontrolle gebracht haben (Tagesschau 8.12.2024). Die Einnahme Damaskus’ ist ohne Gegenwehr erfolgt (REU 9.12.2024), die Regierungstruppen hatten Stellungen aufgegeben, darunter den Flughafen (Tagesschau 8.12.2024). Das Armeekommando hatte die Soldaten außer Dienst gestellt (Standard 8.12.2024).

Russland verkündete den Rücktritt und die Flucht von al-Assad (BBC 8.12.2024). Ihm und seiner Familie wurde Asyl aus humanitären Gründen gewährt (REU 9.12.2024).

Kurdisch geführte Kämpfer übernahmen am 6.12.2024 die Kontrolle über Deir ez-Zour im Nordosten Syriens, nachdem vom Iran unterstützte Milizen dort abgezogen waren (AJ 7.12.2024), sowie über einen wichtigen Grenzübergang zum Irak. Sie wurden von den USA bei ihrem Vorgehen unterstützt (AWN 7.12.2024).

Die von der Türkei unterstützten Rebellengruppierungen unter dem Namen Syrian National Army (SNA) im Norden Syriens starteten eine eigene Operation gegen die von den Kurden geführten Syrian Democratic Forces (SDF) im Norden von Aleppo (BBC 8.12.2024). ج فف ج Im Zuge der Operation „Morgenröte der Freiheit“ (auf Arabisch رال ر ح ة يية - Fajr al-Hurriya) nahmen diese Gruppierungen am 9.12.2024 die Stadt Manbij ein (SOHR 9.12.2024). Die Kampfhandlungen zwischen Einheiten der durch die Türkei unterstützten Syrian National Army (SNA) auf der einen Seite und den SDF auf der anderen Seite dauerten danach weiter an. Türkische Drohnen unterstützten dabei die Truppen am Boden durch Luftangriffe (SOHR 9.12.2024b).

Der Syrischen Beobachtungsstelle für Menschenrechte zufolge sind seit Beginn der Offensive 910 Menschen ums Leben gekommen, darunter 138 Zivilisten (AAA 8.12.2024). Beim Vormarsch auf Homs waren tausende Menschen Richtung Küste nach Westen geflohen (AJ 6.12.2024). Bei der Offensive gegen Manbij wurden hingegen einige Zivilisten in Richtung Osten vertrieben (SOHR 9.12.2024).

In Damaskus herrschte weit verbreitetes Chaos nach der Machtübernahme durch die Opposition. So wurde der Sturz von Assad mit schweren Schüssen gefeiert und Zivilisten stürmten einige staatliche Einrichtungen, wie die Zentralbank am Saba-Bahrat-Platz, das Verteidigungsministerium (Zivilschutz) in Mleiha und die Einwanderungs- und Passbehörde in der Nähe von Zabaltani, außerdem wurden in verschiedenen Straßen zerstörte und brennende Fahrzeuge gefunden (AJ 8.12.2024b). Anführer al-Joulani soll die Anweisung an die Oppositionskämpfer erlassen haben, keine öffentlichen Einrichtungen anzugreifen (8.12.2024c) und erklärte, dass die öffentlichen Einrichtungen bis zur offiziellen Übergabe unter der Aufsicht von Ministerpräsident Mohammed al-Jalali aus der Assad-Regierung bleiben (Rudaw 9.12.2024).

Gefangene wurden aus Gefängnissen befreit, wie aus dem berüchtigten Sedanaya Gefängnis im Norden von Damaskus (AJ 8.12.2024c).

2. Die Akteure

Syrische Arabische Armee (SAA): Die Syrische Arabische Armee kämpfte gemeinsam mit den National Defense Forces, einer regierungsnahen, paramilitärischen Gruppierung. Unterstützt wurde die SAA von der Hisbollah, Iran und Russland (AJ 8.12.2024).

Die Einheiten der syrischen Regierungstruppen zogen sich beim Zusammenstoß mit den Oppositionskräften zurück, während diese weiter vorrückten. Viele Soldaten flohen oder desertierten (NZZ 8.12.2024). In Suweida im Süden Syriens sind die Soldaten der Syrischen Arabischen Armee massenweise desertiert (Standard 7.12.2024). Am 7.12. flohen mehrere Tausend syrische Soldaten über die Grenze in den Irak (Arabiya 7.12.2024; vgl. Guardian 8.12.2024). Präsident al-Assad erhöhte am 4.12. die Gehälter seiner Soldaten, nicht aber dasjenige von Personen, die ihren Pflichtwehrdienst ableisteten (TNA 5.12.2024). Dieser Versuch, die Moral zu erhöhen, blieb erfolglos (Guardian 8.12.2024).

Die Opposition forderte die Soldaten indes zur Desertion auf (TNA 5.12.2024). Aktivisten der Syrischen Beobachtungsstelle für Menschenrechte beobachteten, dass Hunderte Soldaten ihre Militäruniformen ausgezogen haben, nachdem sie entlassen wurden (SOHR 8.12.2024). Offiziere und Mitarbeiter des Regimes ließen ihre Militär- und Sicherheitsfahrzeuge in der Nähe des Republikanischen Palastes, des Büros des Premierministers und des Volkspalastes unverschlossen stehen, aus Angst von Rebellen am Steuer erwischt zu werden (AJ 8.12.2024b).

Opposition: Obwohl Hay’at Tahrir ash-Sham (HTS) den plötzlichen Vormarsch auf Aleppo gestartet hat und treibende Kraft der Offensive war haben auch andere Rebellengruppierungen sich gegen die Regierung gewandt und sich am Aufstand beteiligt (BBC 8.12.2024c).

• Hay’at Tahrir ash-Sham (HTS): Die HTS wurde 2011 als Ableger der al-Qaida unter dem Namen Jabhat an-Nusra gegründet (BBC 8.12.2024c). Im Jahr 2017 brach die Gruppierung ihre Verbindung mit der Al-Qaida (CSIS 2018) und formierte sich unter dem Namen Hay’at Tahrir ash-Sham neu, gemeinsam mit anderen Gruppierungen (BBC 8.12.2024c). Sie wird von der UN, den USA, der Europäischen Union (AJ 4.12.2024) und der Türkei als Terrororganisation eingestuft (BBC 8.12.2024c). Der Anführer der HTS, der bisher unter seinem Kampfnamen Abu Mohammed al-Joulani bekannt war, hat begonnen wieder seinen bürgerlichen Namen, Ahmad ash-Shara’a zu verwenden (Nashra 8.12.2024). Er positioniert sich als Anführer im Post-Assad Syrien (BBC 8.12.2024c). Die HTS hat in den letzten Jahren versucht, sich als nationalistische Kraft (BBC 8.12.2024b) und pragmatische Alternative zu al-Assad zu positionieren (BBC 8.12.2024c).

Der Gruppierung werden Menschenrechtsverletzungen vorgeworfen (BBC 8.12.2024c). Einem Terrorismusexperten zufolge gibt es bereits erste Videos von Personen aus dem HTS-Umfeld, die ein Kalifat aufbauen wollen (WiWo 9.12.2024).

• National Liberation Front (NFL): Eine Reihe kleinerer Kampfgruppen, aus denen sich die NFL zusammensetzt, nahmen an der Operation „Abschreckung der Aggression“ teil, darunter die Jaish al-Nasr, das Sham Corps und die Freie Idlib-Armee. Die 2018 in Idlib gegründete NFL umfasst mehrere nordsyrische Fraktionen, von denen einige auch unter das Dach der Freien Syrischen Armee fallen (AJ 2.12.2024b).

• Ahrar al-Sham Movement: Die Ahrar al-Sham-Bewegung ist hauptsächlich in Aleppo und Idlib aktiv und wurde 2011 gegründet. Sie definiert sich selbst als „umfassende reformistische islamische Bewegung, die in die Islamische Front eingebunden und integriert ist“ (AJ 2.12.2024b).

• Jaish al-Izza: Jaish al-Izza: Übersetzt: „Die Armee des Stolzes“ ist Teil der Freien Syrischen Armee und konzentriert sich auf den Norden des Gouvernements Hama und einige Teile von Lattakia. Im Jahr 2019 erhielt die Gruppierung Unterstützung aus dem Westen, darunter auch Hochleistungswaffen (AJ 2.12.2024b).

• Nur Eddin Zinki-Bewegung (Zinki): Diese Gruppierung entstand 2014 in Aleppo, versuchte 2017, sich mit der HTS zusammenzuschließen, was jedoch nicht funktionierte. Die beiden Gruppierungen kämpften 2018 gegeneinander, und „Zinki“ wurde Anfang 2019 von ihren Machtpositionen in der Provinz Aleppo vertrieben. Ein Jahr später verhandelte „Zinki“ mit der HTS, und ihre Kämpfer kehrten an die Front zurück, und seitdem ist die Gruppe unter den oppositionellen Kämpfern präsent (AJ 2.12.2024b).

• Milizen in Südsyrien: Gruppierungen aus südlichen Städten und Ortschaften, die sich in den letzten Jahren zurückhielten, aber nie ganz aufgaben und einst unter dem Banner der Freien Syrien Armeekämpften, beteiligten sich am Aufstand (BBC 8.12.2024c). In Suweida nahmen Milizen der syrischen Minderheit der Drusen Militärstützpunkte ein (Standard 7.12.2024).

• Syrian Democratic Forces (SDF): Die SDF ist eine gemischte Truppe aus arabischen und kurdischen Milizen sowie Stammesgruppen. Die kurdische Volksschutzeinheit YPG ist die stärkste Miliz des Bündnisses und bildet die militärische Führung der SDF (WiWo 9.12.2024). Sie werden von den USA unterstützt (AJ 8.12.2024). Im kurdisch kontrollierten Norden liegen die größten Ölreserven des Landes (WiWo 9.12.2024).

• Syrian National Army (SNA): Diese werden von der Türkei unterstützt (BBC 8.12.2024c) und operieren im Norden Syriens im Grenzgebiet zur Türkei (AJ 8.12.2024). Der SNA werden mögliche Kriegsverbrechen, wie Geiselnahmen, Folter und Vergewaltigung vorgeworfen. Plünderungen und die Aneignung von Privatgrundstücken, insbesondere in den kurdischen Gebieten, sind ebenfalls dokumentiert (WiWo 9.12.2024).

3. Aktuelle Lageentwicklung

Sicherheitslage:

Israel hat Gebäude der Syrischen Sicherheitsbehörden und ein Forschungszentrum in Damaskus aus der Luft angegriffen, sowie militärische Einrichtungen in Südsyrien, und den Militärflughafen in Mezzeh. Israelische Streitkräfte marschierten außerdem in al-Quneitra ein (Almodon 8.12.2024) und besetzten weitere Gebiete abseits der Golan-Höhen, sowie den Berg Hermon (NYT 8.12.2024). Die israelische Militärpräsenz sei laut israelischem Außenminister nur temporär, um die Sicherheit Israels in der Umbruchphase sicherzustellen (AJ 8.12.2024d). Am 9.12.2024 wurden weitere Luftangriffe auf syrische Ziele durchgeführt (SOHR 9.12.2024c). Einer Menschenrechtsorganisation zufolge fliegt Israel seine schwersten Angriffe in Syrien. Sie fokussieren auf Forschungszentren, Waffenlager, Marine-Schiffe, Flughäfen und Luftabwehr (NTV 9.12.2024). Quellen aus Sicherheitskreisen berichten indes, dass Israelisches Militär bis 25km an Damaskus in Südsyrien einmarschiert wäre (AJ 10.12.2024).

Das US-Central Command gab an, dass die US-Streitkräfte Luftangriffe gegen den Islamischen Staat in Zentralsyrien geflogen sind (REU 9.12.2024). Präsident Biden kündigte an, weitere Angriffe gegen den Islamischen Staat vorzunehmen, der das Machtvakuum ausnützen könnte, um seine Fähigkeiten wiederherzustellen (BBC 7.12.2024).

Russland versucht, obwohl es bis zum Schluss al-Assad unterstützte, mit der neuen Führung Syriens in Dialog zu treten. Anstatt wie bisher als Terroristen bezeichnen russische Medien die Opposition mittlerweile als „bewaffnete Opposition“ (BBC 8.12.2024d).

Sozio-Ökonomische Lage:

Die Opposition versprach, den Minderheiten keinen Schaden zuzufügen und sie nicht zu diskriminieren, egal ob es sich um Christen, Drusen, Schiiten oder Alawiten handle. Gerade letztere besetzten unter der Führung Al-Assad’s oft hohe Positionen im Militär und den Geheimdiensten (TNA 5.12.2024).

Für alle Wehrpflichtigen, die in der Syrischen Arabischen Armee gedient haben, wurde von den führenden Oppositionskräften eine Generalamnestie erlassen. Ihnen werde Sicherheit garantiert und jegliche Übergriffe auf sie wurden untersagt (Presse 9.12.2024). Ausgenommen von der Amnestie sind jene Soldaten, die sich freiwillig für den Dienst in der Armee gemeldet haben (Spiegel 9.12.2024).

Die syrischen Banken sollen ihre Arbeit am 10.12.2024 wiederaufnehmen, die Bediensteten wurden aufgefordert, an ihre Arbeitsplätze zurückzukehren (Arabiya 9.12.2024).

Die HTS, die weiterhin auf der Terrorliste der UN steht, ist seit 2016 von Sanktionen des UN-Sicherheitsrates betroffen. Diplomaten zufolge war die Streichung der HTS von der Sanktionenliste kein Thema bei der jüngsten Ratssitzung (REU 10.12.2024).

Bevor der Wiederaufbau zerstörter Städte, Infrastruktur und Öl- und Landwirtschaftssektoren beginnen kann, muss mehr Klarheit über die neue Regierung Syriens geschaffen werden (DW 10.12.2024).

ISW – Institute for the Study of War, Iran Update, December 16, 2024

HTS Anführer Ahmed al Sharaa (aka Abu Mohammad al Jolani) verkündete am 15. Dezember, dass er Wehrdienstpflicht in Syrien abschaffen werde. (https://www.ecoi.net/de/dokument/2119182.html; https://understandingwar.org/backgrounder/iran-update-december-16-2024 : HTS leader Ahmed al Sharaa (aka Abu Mohammad al Jolani) stated on December 15 that he will end mandatory conscription in Syria.)

ACCORD - Zusammenstellung von Informationen zum Wehrdienst (bei den syrischen Streitkräften und in der DAANES), 23.09.2024

Den von DIS befragten Quellen waren keine Fälle bekannt, in denen Familienmitglieder aufgrund der Flucht oder Desertion ihrer Angehörigen Schikanen oder Ähnlichem ausgesetzt waren (DIS, Juni 2024, S.44, 57), selbst in Fällen, in denen die Fluchtwilligen an einem Kontrollpunkt festgenommen wurden (DIS, Juni 2024, S.66).

[Verweis auf DIS – Danish Immigration Service Bericht mit Informationen von einer Fact-Finding-Mission in die Autonome Region Kurdistan vom 27. April bis 4. Mai 2024 zur militärischen Rekrutierung im Norden und Osten Syriens (Profile der Rekrut·innen; Aufschub und Ausnahme von der Selbstverteidigungspflicht; Einberufungsprozess; Verwendung von Einberufenen in Kampfhandlungen; Menschenrechtsverletzungen an Zivilist·innen; Behandlung anderer ethnsicher Gruppen im Dienst; Rekrutierung durch Syrisch Demokratische Kräfte (SDF), PKK und die Syrische Arabische Armee (SAA)), Juni 2024]

Länderinformationen der BFA-Staatendokumentation aus dem COI-CMS, Syrien, Version 11, 27.03.2024

Selbstverwaltungsgebiet Nord- und Ostsyrien

2011 soll es zu einem Übereinkommen zwischen der syrischen Regierung, der iranischen Regierung und der Arbeiterpartei Kurdistans (Partiya Karkerên Kurdistanê, PKK) gekommen sein, deren Mitglieder die Partei der Demokratischen Union (Partiya Yekîtiya Demokrat, PYD) gründeten. Die PYD, ausgestattet mit einem bewaffneten Flügel, den Volksverteidigungseinheiten (YPG), hielt die kurdische Bevölkerung in den Anfängen des Konfliktes davon ab, sich effektiv an der Revolution zu beteiligen. Demonstrationen wurden aufgelöst, Aktivisten festgenommen, Büros des Kurdischen Nationalrats in Syrien, einer Dachorganisation zahlreicher syrisch-kurdischer Parteien, angegriffen. Auf diese Weise musste die syrische Armee keine 'zweite Front' in den kurdischen Gebieten eröffnen und konnte sich auf die Niederschlagung der Revolution in anderen Gebieten konzentrieren. Als Gegenleistung zog das Ba'ath-Regime Stück für Stück seine Armee und seinen Geheimdienst aus den überwiegend kurdischen Gebieten zurück. In der zweiten Jahreshälfte 2012 wurden Afrîn, 'Ain al-'Arab (Kobanê) und die Jazira/Cizîrê von der PYD und der YPG übernommen, ohne dass es zu erwähnenswerten militärischen Auseinandersetzungen mit der syrischen Armee gekommen wäre (Savelsberg 8.2017).

KurdInnen

Die syrische Regierung erkennt die Legitimität der föderalen kurdischen Gebiete jedoch nicht an. Die fehlende Präsenz der syrischen Regierung in den kurdischen Gebieten in den Anfangsjahren des Konfliktes verschaffte den Kurden aber auch mehr Freiheiten, indem in diesen Gebieten zum Beispiel die kurdische Sprache an Schulen unterrichtet werden kann (MRG 3.2018).

UNHCR - Regional Flash Update #9 Syria situation crisis 10.01.2025

Syrien

Nach Schätzungen des UNHCR sind seit dem 8. Januar mehr als 125 000 Syrer innerhalb eines Monats nach dem Regierungswechsel zurückgekehrt, hauptsächlich nach Aleppo, Ar-Raqqa und Dar’a. Dies beruht auf einer Triangulation von Informationen von außerhalb und innerhalb Syriens, einschließlich offizieller Regierungsdaten, und umfasst syrische Flüchtlinge, die beim UNHCR registriert sind, sowie andere Gruppen von Syrern.

Von den 1,1 Millionen Binnenvertriebenen, die durch die Eskalation der Feindseligkeiten Ende November vertrieben wurden, bleiben rund 627.000 Menschen neu vertrieben, von denen 75 % Frauen und Kinder sind. Inzwischen sind fast 523.000 Menschen in ihre Herkunftsgebiete zurückgekehrt, hauptsächlich in den Gouvernements Hama und Aleppo.

Am 4. Januar übertrugen die türkischen Behörden die Verwaltung aller Grenzübergänge zur Türkei im Norden Aleppos (Jarablus, Al Rai, Bab Al-Salama und Jinderes) an die syrischen Verwalterbehörden.

Anhaltende Zusammenstöße werden immer noch im ganzen Land gemeldet, und Schäden an der Infrastruktur, insbesondere im Nordosten, sind nach wie vor ein Hindernis für den Zugang und die Bereitstellung humanitärer Hilfe. Zivile Opfer durch Kriegsreste treten fast täglich auf. Zwischen dem 27. November und dem 5. Januar 2025 berichtete der syrische Zivilschutz (Weißhelme), dass mindestens 32 Zivilisten durch Explosionen von Kriegsresten getötet wurden.

Die Unterstützung und die frühzeitige Programmplanung des UNHCR für Binnenvertriebene und Rückkehrer sind vollständig einsatzbereit. In Aleppo hat das UNHCR die Installation von Kits zur Reparatur von Unterkünften für zurückkehrende Familien und die Solarisierung sanierter Gesundheitszentren wiederaufgenommen. Die Verteilung von Kernhilfsgütern und Überwinterungsmaterial an die Schwächsten ist im Gange, unter anderem in den Gouvernements As-Sweida, Dar’a, Aleppo und Qamishli. In Dar’a leisten das UNHCR und seine Partner auch sofortige Unterstützung für Familien, die den Grenzübergang Nassib überqueren und beschädigte Wohnungen sanieren. In Deir-ez-Zor wurde eine von der Gemeinde geführte Initiative zur Sanierung der Wasser- und Sanitäreinrichtungen, Türen und Fenster einer Grundschule abgeschlossen. Um die Aufnahmebedingungen zu verbessern, unterstützt das UNHCR die Instandhaltung von Einwanderungseinrichtungen an der Grenzübergangsstelle Jdaidet Yabous, die Anfang Dezember geplündert worden war.

Als Reaktion auf den wachsenden Bedarf unterstützte das UNHCR vom 27. November bis Ende 2024 über Gemeindezentren im ganzen Land mehr als 80.000 Menschen mit kritischen Schutzdiensten.

Türkei

Ab dem 1. Januar sind die Grenzübergänge Çobanbey / Al Rai und Zeytindalı / Jinderes für die Bearbeitung von Go-and-See-Besuchen geöffnet. Nach Angaben des Vorsitzes des Migrationsmanagements können Go-and-See-Besuche maximal dreimal vom Haushaltsvorstand durchgeführt werden. Wenn der Haushaltsvorstand nicht ausscheiden kann, kann stattdessen ein anderes erwachsenes Familienmitglied gehen. Diejenigen, die ihr autorisiertes Ausfahrtsrecht nutzen, müssen von demselben Tor aus, das sie verlassen haben, wieder in die Türkei einreisen. Vom 1. bis 8. Januar haben 1.766 Menschen diesen vorübergehenden Besuch genutzt, um nach Syrien zu reisen.

Am 9. Januar besuchte Innenminister Ali Yerlikaya den Grenzübergang Cilvegözü / Bab al Hawa, wo er bekannt gab, dass seit dem 8. Dezember 52.622 Menschen freiwillig aus der Türkei nach Syrien zurückgekehrt sind. Der Minister stellte fest, dass das Verfahren der freiwilligen Rückkehr im Einklang mit nationalem und internationalem Recht durchgeführt wird, wobei das UNHCR Zeuge des Prozesses ist.

Libanon

Drei offizielle Grenzübergänge zwischen dem Libanon und Syrien sind nach wie vor geöffnet, wobei der offizielle Grenzübergang Masnaa in Bekaa der einzige Grenzübergang ist, der für den Fahrzeugverkehr geöffnet ist. Die Bewegungen werden täglich mit einer niedrigen, aber stetigen Rate fortgesetzt, wobei an den offiziellen Grenzübergängen, meist durch Masnaa, täglich etwa 1.000 bis 1.500 Grenzübertritte stattfinden. Unregelmäßige und oft pendelnde Bewegungen finden weiterhin über inoffizielle Grenzübergangsstellen statt; Während die Zahlen schwieriger zu quantifizieren sind, handelt es sich bei diesen Überfahrten eher um kürzere Besuche von und nach Syrien.

Zum 7. Januar meldete das Katastrophenrisikomanagement der Regierung rund 87 000 Ankünfte aus Syrien im Gouvernement Baalbek, darunter 20 000 Libanesen. Unter den Ankömmlingen leben etwa 35.000 Menschen, meist Syrer, in 187 informellen Sammelunterkünften und weitere 52.000 in der Gemeinde. Diese Zahlen sind seit dem Sturz der vorherigen Regierung in Syrien ziemlich statisch geblieben. Das UNHCR unternahm am 3. Januar eine Mission nach Al Qasr und Hermel, traf sich mit dem Bürgermeister und besuchte zusammen mit UNICEF und OCHA drei gemeinsame Stätten. Heizung/Brennstoff, Hygieneeinrichtungen und Lebensmittel werden dringend benötigt, wobei sektorübergreifende Unterstützung im Gange ist.

Am 6. Januar erklärte die syrische Botschaft in Beirut, dass die Ausstellung gültiger Rückführungsdokumente (Laissez-Passer) für Syrer derzeit bis zur Umsetzung neuer Richtlinien kostenlos sei.

Jordanien

Während die Gesamtzahl der Syrer, die von Jordanien nach Syrien überquert wurden, deutlich höher ist, kehrten im Dezember 2024 mindestens 5.100 syrische Flüchtlinge, die beim UNHCR registriert waren, nach Syrien zurück, die meisten von ihnen nach dem Sturz des Assad-Regimes. Damit steigt die Gesamtzahl der registrierten Flüchtlinge, die 2024 aus Jordanien zurückkehren, auf rund 17.200, was einen deutlichen Anstieg gegenüber den vorangegangenen Monaten im Jahr 2024 sowie gegenüber den Vorjahren darstellt. Die Zahl der Rückführungen von Flüchtlingen im Dezember 2024 übertraf die Gesamtzahl der Rückführungen im gesamten Jahr 2023, die rund 4.400 betrug. UNHCR ist sich bewusst, dass der tägliche Durchschnitt der registrierten Flüchtlinge, die im Januar 2025 zurückkehren, gestiegen ist. Viele Flüchtlinge, die aus Jordanien nach Syrien zurückkehren, stammen aus Dara, obwohl ein zunehmender Anteil aus anderen Gebieten Syriens, insbesondere aus Homs, stammt. Flüchtlinge kehrten vor allem aus städtischen und ländlichen Gebieten Jordaniens zurück.

Im Dezember waren 64 % der Rückkehrer Männer/Jungen und 36 % Frauen und Mädchen. Davon waren 36% komplette Familieneinheiten, was bedeutet, dass alle Familienmitglieder wieder zusammen reisten. Kinder (sowohl Jungen als auch Mädchen) machen im Laufe des Monats rund 27 % der gesamten Rückkehrer aus, und ältere Menschen etwa 5 % der Rückkehrer.

Eine beachtliche Anzahl von Bussen vom Queen Alia International Airport in Amman befördert Passagiere zur syrischen Grenze. Die Passagiere kamen überwiegend aus Europa, einige aus dem Golf. Die meisten Passagiere sind Syrer, die hoffen, ihre Familie und Freunde in Syrien vorübergehend zu besuchen.

Die Helpline des UNHCR erhielt weiterhin Anrufe von syrischen Flüchtlingen mit Fragen zur Rückkehr und suchte häufig nach Klarheit über Ausreiseformalitäten, um sich auf ihre Rückkehr nach Syrien vorzubereiten. Darüber hinaus führt UNHCR regelmäßig Fokusgruppendiskussionen mit Flüchtlingsgemeinschaften durch. In den letzten Tagen wurden Bedenken hinsichtlich der privaten Transportkosten geäußert. Darüber hinaus erhielt UNHCR Berichte, dass Flüchtlinge Gebühren von Transportunternehmen an der Grenze erhoben wurden, die Berichten zufolge Servicegebühren sowohl für den Transport als auch für die Fertigstellung des Gepäckmanifests verlangten. Flüchtlinge in Jordanien sind jedoch mit gültigen Dokumenten von Zollgebühren befreit.

Finanzielle Herausforderungen sind nach wie vor ein zentrales Anliegen für die Rückkehrentscheidungen der Flüchtlinge, wobei die Kosten für den Transport nach Syrien erheblich sind. Im Flüchtlingslager Zata’ari stellten Ladenbesitzer in der informellen Marktstraße fest, dass die Bewohner ihren Konsum von Non-Food-Artikeln erheblich reduziert haben, vermutlich um Geld zu sparen.

Irak

Schätzungsweise 2.000 Syrer sind seit dem 8. Dezember dauerhaft aus dem Irak zurückgekehrt, darunter 159 Syrer, die beim UNHCR registriert sind. Diese Rückführungen erfolgten sowohl über den Grenzübergang Peschkabour zwischen Syrien und der Region Kurdistan im Irak (KR-I) als auch über den Grenzübergang Al-Qaim im Bundesirak.

In der vergangenen Woche hat das UNHCR einen leichten Rückgang der Zahl der registrierten syrischen Flüchtlinge festgestellt, die über Peschkabour zurückkehren. Die Gesamtzahl der Flüchtlinge ist nach wie vor gering: Im Durchschnitt kehren täglich sieben syrische Flüchtlinge zurück. Die meisten syrischen Flüchtlinge, die in der letzten Woche zurückgekehrt sind, sind nach Al-Hassakeh zurückgekehrt, gefolgt von Aleppo, wobei die Rückkehrer die verbesserte Sicherheitslage und die hohen Lebenshaltungskosten in KR-I als Hauptgründe für ihre Rückkehr anführen.

Die Bewegung der Syrer, die über die Peshkhabour-Grenzein den Irak einreisten, setzte sich täglich mit etwa 500 Päpsten fort. Diese Zahl stieg gegenüber den Vorwochen vor allem aufgrund von Personen, die reisen, um das neue Jahr mit der Familie im Ausland zu feiern. Basierend auf Stichprobeninterviews, die durchgeführt wurden, sind die meisten Syrer, die über diesen Grenzübergang in den Irak einreisen, kurdischer Herkunft und weisen darauf hin, dass sie entweder vorübergehend zum KR-I für Familienbesuche kommen oder KR-I als Transitpunkt für Reisen an einen anderen Ort nutzen und planen, danach nach Syrien zurückzukehren. Sie kommen hauptsächlich aus Al-Hassakeh, Ar-Raqqa und Aleppo. Der Grenzübergang Al-Qaim im Bundesirak bleibt für die Einreise in den Irak geschlossen.

Ägypten

Zwischen dem 8. Dezember 2024 und dem 4. Januar 2025 haben syrische Flüchtlinge in Ägypten 1.810 Anträge auf Abschluss von Fällen eingereicht, an denen 3.374 Personen beteiligt waren, was einem Durchschnitt von 99 Anträgen pro Tag entspricht, verglichen mit dem Durchschnitt vom November 2024 von 7.

Die ägyptische Regierung hat ab dem 17. Dezember 2024 strengere Einreisebestimmungen für alle syrischen Staatsangehörigen eingeführt. Die neuen Anforderungen sehen vor, dass Syrer mit Wohnsitz in europäischen, amerikanischen, kanadischen und Golfstaaten Visa und Sicherheitsgenehmigungen von ägyptischen Botschaften im Ausland erhalten, bevor sie nach Ägypten reisen. Diese Änderung hebt frühere Ausnahmen auf, die es Syrern mit Wohnsitz in den oben genannten Ländern ermöglichten, ohne Sicherheitsermächtigung einzureisen. Das UNHCR analysiert derzeit die möglichen Auswirkungen dieser Änderung auf den Schutz.

Am 2. Januar erklärte die syrische Botschaft in Kairo über ihre Facebook-Seite, dass neue Maßnahmen zur Erleichterung der Rückkehr syrischer Staatsangehöriger eingeführt worden seien, darunter eine kostenlose Dokumentenzertifizierung und eine einmalige sechsmonatige Reisepassverlängerung. In der Erklärung wird darauf hingewiesen, dass die Gebührenbefreiungen nur für den Dokumentenzertifizierungsprozess gelten und andere Dienstleistungen ausschließen.

UNHCR POSITION ÜBER DIE RÜCKKEHR IN DIE SYRISCHE ARABISCHE REPUBLIK, Dezember 2024

Freiwillige Rückkehr

Syrien befindet sich an einem Scheideweg – zwischen Frieden und Krieg, Stabilität und Gesetzlosigkeit, Wiederaufbau oder weiterem Ruin. Es gibt jetzt eine bemerkenswerte Gelegenheit für Syrien, sich in Richtung Frieden zu bewegen, und für sein Volk, nach Hause zurückzukehren. Seit vielen Jahren besteht das UNHCR auf der Notwendigkeit, die Anstrengungen zu verdoppeln, um günstige Bedingungen für Flüchtlinge und Vertriebene zu schaffen, damit sie nach Hause zurückkehren können, und die derzeitige Situation eröffnet in dieser Hinsicht neue Möglichkeiten, die von allen genutzt werden müssen. Dazu gehört auch die Beseitigung und/oder das Thematisieren neuer sicherheitspolitischer, rechtlicher und administrativer Hindernisse seitens der syrischen De-facto-Behörden; umfangreiche humanitäre Hilfe und Soforthilfe, die von den Geberstaaten für Rückkehrer, Gemeinschaften, die sie zurückerhalten, und Gebiete mit tatsächlicher und potenzieller Rückkehr im Allgemeinen bereitzustellen ist; und die Ermächtigung des UNHCR und seiner Partner, die Rückführungen an Grenzübergängen und an Orten, an denen sich die Menschen für die Rückkehr entscheiden, zu überwachen.

Jeder hat das Recht, in sein Herkunftsland zurückzukehren. UNHCR ist bereit, syrische Flüchtlinge zu unterstützen, die sich nach umfassender Information über die Lage an ihren Herkunftsorten oder in einem alternativen Gebiet ihrer Wahl freiwillig für eine Rückkehr entscheiden. Angesichts der zahlreichen Herausforderungen, mit denen die syrische Bevölkerung konfrontiert ist, darunter eine groß angelegte humanitäre Krise, ein anhaltend hohes Maß an Binnenvertreibung und die weit verbreitete Zerstörung und Beschädigung von Häusern und kritischer Infrastruktur, fördert das UNHCR jedoch vorerst keine groß angelegte freiwillige Rückführung nach Syrien.

Moratorium für Zwangsrückführungen

Zum gegenwärtigen Zeitpunkt ist Syrien weiterhin von Angriffen und Gewalt in Teilen des Landes betroffen; großflächige interne Verdrängung; Kontamination vieler Teile des Landes mit explosiven Kriegsresten; eine verwüstete Wirtschaft und eine große humanitäre Krise, in der vor den jüngsten Entwicklungen bereits über 16 Millionen Menschen humanitäre Hilfe benötigen. Darüber hinaus hat Syrien, wie bereits erwähnt, massive Zerstörungen und Schäden an Häusern, kritischen Infrastrukturen und landwirtschaftlichen Flächen erlitten. Eigentumsrechte wurden stark beeinträchtigt, wobei in den letzten zehn Jahren weit verbreitete Verstöße gegen Wohn-, Grundstücks- und Eigentumsrechte verzeichnet wurden, was zu komplexen Eigentumsstreitigkeiten führte, deren Beilegung Zeit in Anspruch nehmen wird. Vor diesem Hintergrund fordert das UNHCR die Staaten vorerst weiterhin auf, syrische Staatsangehörige und ehemalige gewöhnliche Bewohner Syriens, einschließlich Palästinenser, die zuvor in Syrien wohnhaft waren, nicht gewaltsam in einen Teil Syriens zurückzuführen.

Aussetzung der Ausstellung negativer Entscheidungen für syrische Antragsteller auf internationalen Schutz

Das UNHCR fordert weiterhin alle Staaten auf, Zivilisten, die aus Syrien fliehen, Zugang zu ihren Hoheitsgebieten zu gewähren, das Recht auf Asyl zu gewährleisten und jederzeit die Achtung des Grundsatzes der Nichtzurückweisung zu gewährleisten.

Während die Risiken im Zusammenhang mit der Verfolgung durch die ehemalige Regierung aufgehört haben, können andere Risiken bestehen bleiben oder sich verstärken. Angesichts der rasch veränderten Dynamik und der sich wandelnden Lage in Syrien ist das UNHCR derzeit nicht in der Lage, den Asylentscheidern detaillierte Leitlinien für den internationalen Schutzbedarf der Syrer zur Verfügung zu stellen. Das UNHCR wird die Lage weiterhin genau beobachten, um detailliertere Leitlinien bereitzustellen, sobald die Umstände dies zulassen. Angesichts der derzeitigen Ungewissheit über die Lage in Syrien fordert das UNHCR die Asylstaaten auf, die Ausstellung negativer Entscheidungen über Anträge auf internationalen Schutz durch syrische Staatsangehörige oder Staatenlose, die ihren früheren gewöhnlichen Aufenthalt in Syrien hatten, auszusetzen. Die Aussetzung des Erlasses negativer Entscheidungen sollte so lange in Kraft bleiben, bis sich die Lage in Syrien stabilisiert hat und zuverlässige Informationen über die Sicherheits- und Menschenrechtslage vorliegen, um eine umfassende Bewertung der Notwendigkeit vorzunehmen, einzelnen Antragstellern den Flüchtlingsstatus zuzuerkennen.

Das UNHCR ist der Auffassung, dass die Voraussetzungen für die Beendigung der Flüchtlingseigenschaft für Personen, denen internationaler Schutz zuerkannt wurde und die aus Syrien stammen, derzeit nicht erfüllt sind.

2. Beweiswürdigung:

Die Sachverhaltsfeststellungen stützen sich auf den Verwaltungsverfahrensakt des BFA, den Gerichtsakt des Bundesverwaltungsgerichtes und das Ergebnis der durchgeführten mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht. Die konkreten Beweismittel sind bei den Sachverhaltsfeststellungen bzw in der Beweiswürdigung jeweils in Klammer angeführt.

2.1 Zur Person des Beschwerdeführers (oben 1.1)

Die Angaben des Beschwerdeführers zu seiner Staatsangehörigkeit und Herkunft, die er im Zuge des Verfahrens vor dem BFA und in der mündlichen Verhandlung gemacht hat, waren auf Grund seiner Orts- und Sprachkenntnisse nicht zu bezweifeln. Mangels Vorlage von Identitätsdokumenten im Original konnte die Identität jedoch nicht abschließend festgestellt werden.

Der festgestellte gegenwärtige Aufenthaltsstatus ergibt sich aus den rechtskräftigen Spruchpunkten II und III des gegenständlich angefochtenen Bescheides in Zusammenschau mit den dazu korrespondierenden Eintragungen im Zentralen Fremdenregister (IZR).

2.2 Zum Herkunftsort und Aufenthaltsort des Beschwerdeführers in Syrien (oben 1.2)

Die Feststellungen zum Heimatort und Aufenthaltsort des Beschwerdeführers in Syrien sowie seiner Ausbildung und beruflichen Tätigkeit als Lehrer beruhen auf den dazu widerspruchsfreien und schlüssigen Angaben des Beschwerdeführers vor dem BFA sowie in der mündlichen Verhandlung. (NS 18.11.2022 S 5, 7, 8; VS 23.01.2024 S 7 ff)

2.3 Zur Begründung des gegenständlichen Antrages auf internationalen Schutz und zur Beurteilung der Glaubhaftigkeit (oben 1.3 und 1.4)

2.3.1 Die Ausführungen des Beschwerdeführers zu seinen Fluchtgründen beruhen auf seinen protokollierten Aussagen im Zuge der Befragungen durch den öffentlichen Sicherheitsdienst, der Einvernahme vor dem BFA sowie seiner Beschwerde und dem Ergebnis der mündlichen Verhandlung.

2.3.2 Die Feststellungen, wonach der Beschwerdeführer mit seinem Vorbringen nicht glaubhaft gemacht hat und es sich auch sonst nicht ergibt, dass er im Falle einer Rückkehr – zum gegenwärtigen Zeitpunkt – in Syrien – mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit – individuell konkret einer aktuellen und unmittelbaren Bedrohung aus ethnischen, religiösen oder politischen Gründen oder aufgrund der Nationalität oder Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe ausgesetzt sein wird, oder ihm aus einem dieser Motive Schutz durch die gegenwärtigen Machthaber in Syrien oder durch die Kurdischen Kräfte im von diesem kontrollierten Gebiet verweigert werden würde, beruhen auf folgenden Erwägungen:

Glaubhaftes Vorbringen

Glaubhaft ist die vom Beschwerdeführer als Ausreisegrund vorgebrachte Furcht vor dem Reservedienst im syrischen Regime sowie, dass er die Politik des (vormaligen) syrischen Regimes ablehne, da der Beschwerdeführer dies während des gesamten Verfahrens von Beginn an, bei der Erstbefragung, bei der Einvernahme vor dem BFA, in der Beschwerde und auch in der mündlichen Verhandlung im Wesentlichen übereinstimmend, widerspruchsfrei und schlüssig darlegen konnte und bereits in der Einvernahme vor dem BFA anhand der Webseite des (damaligen) syrischen Verteidigungsministeriums verifizieren konnte. (NS EB 01.10.2021 S 6, 7; NS EV 18.11.2022 S 11 ff; VS 23.01.2024 S 5 ff)

Unglaubhaftes Vorbringen

Nicht glaubhaft ist hingegen das vom Beschwerdeführer in der Beschwerde in wenigen Sätzen sowie in der mündlichen Verhandlung am 23.01.2024 erstattete Vorbringen, wonach er vor seiner Ausreise auch von den Kurden und der HAVAL verfolgt, bedroht und ihm seine Festnahme deshalb angedroht worden sei, weil sich seine Brüder der kurdischen Selbstverteidigungspflicht, dem kurdischen Militärdienst entzogen hätten, und auch seine Eltern aus diesem Grund nach wie vor Vergeltungsmaßnahmen erleiden würden. (siehe Beschwerde 25.07.2023 S 3, 6, 13; VS 23.01.2024 S 5 ff) Es ist daher auch nicht glaubhaft, dass sich der Beschwerdeführer ebenso geweigert habe, für die Kurden an Kampfhandlungen zu beteiligen und ihm und seiner Familie von den Kurden eine oppositionelle Gesinnung unterstellt worden sei oder er bei einer Rückkehr in seinen Herkunftsort aus diesen Gründen eine solche Verfolgung oder Bedrohung mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit zu erwarten hat.

Dies ist deshalb unglaubhaft, da er (1) eine derartige, bereits in seiner Heimat erlittene Bedrohung und Verfolgung durch die Kurden im Verfahren vor dem BFA nicht vorgebracht hat, (2) in der Beschwerde, bei welcher der Beschwerdeführer bereits rechtsfreundlich von einer im Asylrecht spezialisierten und mit der gesetzlich vorgesehenen Rechtsberatung und Rechtsvertretung vor dem BFA und dem Bundesverwaltungsgericht betrauten Organisation vertreten wurde, nur in wenigen Sätzen eine bereits erlittene Bedrohung und Verfolgung durch die Kurden behauptet wurde, ohne jedoch konkrete Vorfälle sowie nähere Einzelheiten dazu (insbesondere Zeitpunkte, Orte, Beteiligte Personen, Ablauf der Ereignisse) auszuführen, und dies schließlich (3) seinen Angaben im bisherigen Verfahren widerspricht.

So hat der Beschwerdeführer in der Einvernahme vor dem BFA am 18.11.2022 ausschließlich eine Bedrohung und Verfolgung durch das syrische Regime bzw den syrischen Geheimdienst (Staatssicherheitsdienst) vorgebracht und auf konkrete Fragen des BFA geantwortet, dass es alles erzählt und nichts mehr vorzubringen hat, nachdem ihm explizit die Gelegenheit geboten wurde, noch weitere Gründe zu nennen oder etwas vorzubringen, was ihm wichtig erscheine. (NS EV 18.11.2022 S 11, 20)

Das BFA hat den Beschwerdeführer auch Fragen dazu gestellt, wer in seinem Herkunftsgebiet die Kontrolle habe und der Beschwerdeführer gab an, dass die kurdischen Milizen die Kontrolle hätten. (NS EV 18.11.2022 S 15) Dass er auch von diesen verfolgt werden würde, hat er bei dieser Gelegenheit nicht vorgebracht.

Das BFA hat den Beschwerdeführer gefragt, was er im Falle einer eventuellen Rückkehr in seine Heimat konkret zu befürchten habe und der Beschwerdeführer antwortete, dass sie ihn verhaften, vielleicht verurteilen oder in den Krieg schicken würden, wobei angesichts seines davor beim erstatteten Vorbringens beim BFA damit nur das syrische Regime gemeint haben kann, da er eben von einer Bedrohung durch Kurden nichts vorgebracht hatte. Das zeigt sich auch nach der weiteren Frage des BFA, weshalb er nicht in Gebieten wohnen könne, welche unter der Kontrolle der kurdischen Einheiten stehen würden. Der Beschwerdeführer antwortete, dass er ja dort gewohnt habe, es dort aber sehr viele Schläferzellen gebe (NS 18.11.2022 S 16), wobei er sich klar auf jene Schläferzellen des syrischen Regimes bezog, die er ein paar Fragen davor beim BFA im Zusammenhang mit der vorgebrachten Razzia durch Mitglieder des syrischen Regimes erwähnt hatte. (NS 18.11.2022 S 15)

Es ist nicht schlüssig, nicht nachvollziehbar und damit insgesamt nicht glaubhaft, dass der Beschwerdeführer, der in Syrien das Gymnasium und ein mehrjähriges Pädagogik-Studium erfolgreich absolviert hat, anlässlich dieser aufgezeigten konkreten Fragen des BFA nach seiner Rückkehrbefürchtung und dem Hinweis auf eine Wohnmöglichkeit in kurdisch-kontrollierten Gebieten eine vor seiner Ausreise bereits erfolgte und bei einer Rückkehr erneut drohende Verfolgung durch die Kurden in seinem Herkunftsort verschwiegen hätte, wenn es solche Vorfälle oder Gefahren tatsächlich gegeben hätte oder er solche befürchten würde, und er stattdessen ausschließlich auf das syrische Regime Bezug nimmt. Die Rechtfertigung der Beschwerde, wonach dem Beschwerdeführer nicht bewusst gewesen sei, dass eine Bedrohungs- und Verfolgungssituation durch die Kurden in seinem Herkunftsort besonders relevant sei (Beschwerde S 6), sowie in der mündlichen Verhandlung, dass er gedacht habe, dass es sich bei den Fluchtgründen nur um die Gründe handle, die mit dem Staat zu tun hätten (VS 23.01.2024 S 7), ist vor seinem Bildungshintergrund und der vom BFA unmissverständlich gestellten Fragen nicht glaubhaft.

Angesichts der hier erfolgten auszugsweisen Darstellung der Befragung vor dem BFA erweist sich auch der in der Beschwerde erhobene Vorwurf, wonach der Beschwerdeführer beim BFA unzureichend befragt worden sei (Beschwerde S 5), als unberechtigt.

Auch zu der von ihm vorgebrachten Razzia am 07.08.2021 in seinem eigenen Haus in XXXX führte der Beschwerdeführer in der Einvernahme vor dem BFA aus, dass diese damals vom staatlichen Geheimdienst des syrischen Regimes – und damit nicht durch Kurden – durchgeführt worden sei, bei der unter anderem ein Mann namens XXXX dabei gewesen sei, den der Beschwerdeführer kenne und welcher in der staatlichen Geheimdienstabteilung gearbeitet habe. Er äußerte dabei auch mit näherer Begründung seine Vermutung, dass jene Razzia durchgeführt worden sei, um ihn festzunehmen, da er Kurdisch unterrichtet habe. (NS EV 18.11.2023 S 14-15)

Allerdings ist es in diesem Zusammenhang vor dem Hintergrund, dass laut den Länderinformationen in den kurdisch kontrollierten Gebieten die kurdische Sprache an Schulen unterrichtet wird und sich der syrische Geheimdienst aus diesen Gebieten weitgehend zurückgezogen hat (siehe oben 1.5 Länderinformationen der BFA-Staatendokumentation aus dem COI-CMS, Syrien, Version 11, 27.03.2024), nicht glaubhaft, dass der Beschwerdeführer tatsächlich deshalb aufgesucht worden wäre, weil er Kurdisch unterrichtet habe.

Gegen die Glaubhaftigkeit seines erstmals in der Beschwerde und dann in der mündlichen Verhandlung erstatteten Vorbringens, von kurdischen Kräften verfolgt und bedroht worden zu sein und im Falle seiner Rückkehr erneut verfolgt zu werden, weil sich seine Brüder dem Selbstverteidigungsdienst bei den kurdischen Kräften entzogen hätten, sprechen auch die Länderfeststellungen, denen zufolge nach einer Recherche des Danish Immigration Service (DIS) keine Fälle bekannt sind, in denen Familienmitglieder aufgrund der Flucht oder Desertion ihrer Angehörigen Schikanen oder Ähnlichem ausgesetzt waren, selbst in Fällen, in denen die Fluchtwilligen an einem Kontrollpunkt festgenommen wurden. (siehe oben 1.5 ACCORD - Zusammenstellung von Informationen zum Wehrdienst (bei den syrischen Streitkräften und in der DAANES), 23.09.2024)

Die Behauptung in der Beschwerde, wonach der Beschwerdeführer sich geweigert habe, auf kurdischer Seite an Kampfhandlungen teilzunehmen (Beschwerde S 13), wurden weder in der Beschwerde konkret dargelegt noch vom Beschwerdeführer beim BFA oder in der mündlichen Verhandlung artikuliert, was er wohl getan hätte, würde dieses Vorbringen den Tatsachen entsprechen. Auch dieses Vorbringen in der Beschwerde zu einer Verweigerung an der Teilnahme an Kampfhandlungen auf kurdischer Seite ist daher nicht glaubhaft.

Aufgrund des hier dargestellten widersprüchlichen und unschlüssigen Aussageverhaltens des Beschwerdeführers erweist sich sein Vorbringen, in Syrien von den kurdischen Kräften verfolgt und bedroht worden zu sein und bei einer Rückkehr durch kurdische Kräfte bedroht und verfolgt zu werden, als unglaubhaft.

Keine weiteren oder neuen Verfolgungsgründe

Der Beschwerdeführer hat in der Einvernahme vor dem BFA und in der mündlichen Verhandlung vorgebracht, aus Syrien auch deshalb ausgereist zu sein, da er in seinem Handygeschäft Handys illegal so programmiert habe, damit man nicht zum Zoll hingehen und eine Gebühr zahlen müsse. Der Beschwerdeführer hat jedoch weder beim BFA, noch in der Beschwerde oder in der mündlichen Verhandlung behauptet, dass er deswegen bereits verfolgt worden sei oder ihm eine solche Verfolgung drohe. So erwähnte er in der Einvernahme vor dem BFA, dass jener Mann vom syrischen Geheimdienst namens XXXX zu ihm ins Geschäft gekommen sei, gab aber auch an, dass der Beschwerdeführer immer sehr vorsichtig gewesen sei, wenn er mit jenem gesprochen haben. Es besteht daher nicht die Gefahr, dass dem Beschwerdeführer bei einer Rückkehr eine solche Verfolgung mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit droht.

Aufgrund der festgestellten aktuellen Lage in Syrien seit 08.12.2024 besteht für den Beschwerdeführer nach dem Sturz des syrischen Assad-Regimes mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit keine Gefahr mehr, von diesem in irgendeiner Weise verfolgt oder zum Reservedienst der syrischen Armee eingezogen oder wegen Reservedienstentziehung bestraft zu werden.

Über die Lageentwicklung und Lageänderung in Syrien wird seit Anfang Dezember 2024 weltweit in den „klassischen“ Massenmedien (Rundfunk, Fernsehen, Print) sowie Sozialen Medien laufend mit aktuell erhöhter Aufmerksamkeit berichtet, weshalb es sich dabei um offenkundige Tatsachen handelt und vorausgesetzt werden kann, dass sie auch dem Beschwerdeführer bekannt sind. (siehe VwGH 05.09.1997, 96/02/0306, wonach eine Behörde nicht gehalten ist, offenkundige Tatsachen, von denen feststeht, dass sie der Partei bekannt sind, vorzuhalten.) Der rechtsfreundlich vertretene Beschwerdeführer hat bis zum gegenwärtigen Zeitpunkt nicht bekannt gegeben, dass sich seine Ausreisegründe oder Rückkehrbefürchtungen seit der mündlichen Verhandlung oder aufgrund der nun aktuellen Lage in Syrien geändert hätten.

2.4 Zur aktuellen Lage in Syrien (oben 1.4)

Die Feststellungen zur aktuellen Lage beruhen auf den jüngsten BAMF Briefing Notes seit 09.12.2024, der Kurzinformation der Staatendokumentation vom 10.12.2024 zu Syrien, Sicherheitslage, Politische Lage Dezember 2024: Opposition übernimmt Kontrolle, al-Assad flieht, dem Bericht des ISW – Institute for the Study of War, Iran Update, December 16, 2024, der ACCORD - Zusammenstellung von Informationen zum Wehrdienst (bei den syrischen Streitkräften und in der DAANES) vom 23.09.2024, der Länderinformationen der BFA-Staatendokumentation aus dem COI-CMS, Syrien, Version 11, vom 27.03.2024, dem jüngsten UNHCR - Regional Flash Update #9 Syria situation crisis vom 10.01.2025 und der UNHCR Position über die Rückkehr in die Syrische Arabische Republik vom Dezember 2024.

3. Rechtliche Beurteilung:

Zu A)

Zum Status eines Asylberechtigten (§ 3 AsylG 2005)

3.1 Voraussetzung für die Zuerkennung des Status des Asylberechtigten ist die Glaubhaftmachung, dass dem Asylwerber im Herkunftsstaat Verfolgung im Sinn des Art. 1 Abschnitt A Z 2 Genfer Flüchtlingskonvention, demnach aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung, droht (VwGH 02.09.2015, Ra 2015/19/0143).

Zentraler Aspekt der in Art 1 Abschnitt A Z 2 GFK definierten Verfolgung im Herkunftsstaat ist die wohlbegründete Furcht davor. Eine Furcht kann nur dann wohlbegründet sein, wenn sie im Licht der speziellen Situation des Asylwerbers unter Berücksichtigung der Verhältnisse im Verfolgerstaat objektiv nachvollziehbar ist. Es kommt nicht darauf an, ob sich eine bestimmte Person in einer konkreten Situation tatsächlich fürchtet, sondern ob sich eine mit Vernunft begabte Person in dieser Situation aus Konventionsgründen fürchten würde (VwGH 05.09.2016, Ra 2016/19/0074).

3.2 Die Gefahr der Verfolgung im Sinn des § 3 Abs 1 AsylG 2005 iVm Art 1 Abschnitt A Z 2 der GFK kann nicht nur ausschließlich aus individuell gegenüber dem Einzelnen gesetzten Verfolgungshandlungen abgeleitet werden. Sie kann auch darin begründet sein, dass regelmäßig Maßnahmen zielgerichtet gegen Dritte gesetzt werden, und zwar wegen einer Eigenschaft, die der Betreffende mit diesen Personen teilt, sodass die begründete Annahme besteht, (auch) er könnte unabhängig von individuellen Momenten solchen Maßnahmen ausgesetzt sein. Droht den Angehörigen bestimmter Personengruppen eine über die allgemeinen Gefahren eines Bürgerkriegs hinausgehende "Gruppenverfolgung", hat bei einer solchen, gegen eine ganze Personengruppe gerichteten Verfolgung jedes einzelne Mitglied schon wegen seiner Zugehörigkeit zu dieser Gruppe Grund, auch individuell gegen seine Person gerichtete Verfolgung zu befürchten; diesfalls genügt für die geforderte Individualisierung einer Verfolgungsgefahr die Glaubhaftmachung der Zugehörigkeit zu dieser Gruppe (VwGH 28.03.2019, Ra 2018/14/0428).

Zum gegenständlichen Fall

3.3 Der Beschwerdeführer hat während des gesamten Verfahrens glaubhaft ausschließlich eine Furcht vor Verfolgung durch das syrische Regime vorgebracht. Nicht glaubhaft ist laut festgestelltem Sachverhalt die erstmals in der Beschwerde und in der Verhandlung behauptete erlittene und drohende Verfolgung durch die kurdischen Kräfte. Eine Verfolgung oder Bedrohungen durch andere Institutionen, Gruppierungen oder Personen hat der Beschwerdeführer ebenso nicht glaubhaft behauptet.

Aufgrund der festgestellten aktuellen Lage in Syrien besteht für den Beschwerdeführer nach dem Sturz des syrischen Assad-Regimes mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit keine Gefahr mehr, von diesem in irgendeiner Weise verfolgt oder zum Reservedienst der syrischen Armee eingezogen oder wegen dieser Wehrdienstentziehung bestraft zu werden. Ausgehend von den aktuellen Länderfeststellungen wurden bereits Hunderte Soldaten entlassen und der HTS Anführer Ahmed al Sharaa (aka Abu Mohammad al Jolani) verkündete am 15. Dezember zudem, dass er eine Wehrdienstpflicht in Syrien abschaffen werde. Dem Beschwerdeführer droht damit zum gegenwärtigen Zeitpunkt auch keine erneute Einziehung in eine Armee der aktuellen Machthaber.

Der Beschwerdeführer hat somit mit seinem Vorbringen nicht glaubhaft gemacht und es ergibt sich auch sonst nicht, dass er im Fall seiner Rückkehr nach Syrien – zum gegenwärtigen Zeitpunkt – tatsächlich – mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit – dort individuell konkret einer unmittelbaren Bedrohung oder Verfolgung aus ethnischen, religiösen oder politischen Gründen oder aufgrund der Nationalität oder Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe ausgesetzt sein wird, oder ihm aus einem dieser Motive Schutz durch die gegenwärtigen Machthaber in Syrien verweigert werden würde.

3.4 Im gegenständlichen Fall liegen somit keine substantiellen stichhaltigen Gründe für das Vorliegen einer mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit drohenden individuellen Gefahr der Verfolgung nach § 3 Abs 1 AsylG iVm Art 1 Abschnitt A Z 2 der GFK vor.

Es sind somit die Voraussetzungen für die Zuerkennung des Status eines Asylberechtigten zum gegenwärtigen Entscheidungszeitpunkt nicht gegeben.

UNHCR fordert in seiner Position über die Rückkehr in die Syrische Arabische Republik vom Dezember 2024 dazu auf, keine negativen Entscheidungenüber Anträge auf internationalen Schutz zu treffen, differenziert dabei jedoch nicht zwischen Personen, denen bereits internationaler Schutz in Form des subsidiären Schutzes zukommt, und Personen, denen noch keine Form des Schutzes zukommt. Im vorliegenden Fall kommt dem Beschwerdeführer jedoch bereits rechtskräftig der Status eines subsidiär Schutzberechtigten zu und an diesem Status ändert sich auch nichts durch die hier zu treffende Entscheidung. Sollte der Beschwerdeführer in naher oder entfernterer Zukunft eine Verfolgung iSd GFK befürchten, so hat der Beschwerdeführer weiterhin das Recht, dann einen neuen Antrag auf internationalen Schutz in Hinblick auf die Zuerkennung des Status eines Asylberechtigten zu stellen.

3.5 Die Beschwerde gegen Spruchpunkt I des angefochtenen Bescheides des BFA wird daher als unbegründet abgewiesen.

Zu B)

Revision

3.6 Die ordentliche Revision ist nicht zulässig, da die für den vorliegenden Fall relevante Rechtslage durch die zitierte Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes geklärt ist.

3.7 Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.