JudikaturBVwG

L516 2276301-1 – Bundesverwaltungsgericht Entscheidung

Entscheidung
20. Januar 2025

Spruch

L516 2276301-1/9E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch den Richter Mag. Paul NIEDERSCHICK über die Beschwerde von XXXX , geb 08.04.2003, StA Syrien, vertreten durch die BBU GmbH, gegen Spruchpunkt I des Bescheides des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 13.07.2023, Zahl 1329399702-223268331, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung zu Recht:

A)

Die Beschwerde wird gemäß § 3 AsylG als unbegründet abgewiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

Entscheidungsgründe:

Der Beschwerdeführer ist syrischer Staatsangehöriger und stellte am 18.10.2022 einen Antrag auf internationalen Schutz. Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA) wies mit gegenständlich angefochtenem Bescheid vom 13.07.2023 den Antrag des Beschwerdeführers (I.) gemäß § 3 Abs 1 iVm § 2 Abs 1 Z AsylG bezüglich der Zuerkennung des Status eines Asylberechtigten ab. Das BFA erkannte dem Beschwerdeführer unter einem (II.) gem § 8 Abs 1 AsylG den Status des subsidiär Schutzberechtigten zu und erteilte (III.) eine befristete Aufenthaltsberechtigung für subsidiär Schutzberechtigte für ein Jahr gemäß § 8 Abs 4 AsylG.

Dagegen richtet sich die vorliegende Beschwerde. Die Beschwerde richtet sich ausschließlich gegen Spruchpunkt I des angefochtenen Bescheides.

Das Bundesverwaltungsgericht führte in der Folge am 23.01.2024 eine mündliche Verhandlung durch, an der der Beschwerdeführer mit seiner Rechtsvertretung teilnahm; die belangte Behörde verzichtete auf eine Teilnahme und erschien nicht.

1. Sachverhaltsfeststellungen:

[regelmäßige Beweismittel-Abkürzungen: S=Seite; AS=Aktenseite des Verwaltungsaktes des BFA; NS=Niederschrift; VS=Verhandlungsschrift; OZ=Ordnungszahl des Verfahrensaktes des Bundesverwaltungsgerichtes; ZMR=Zentrales Melderegister; IZR=Zentrales Fremdenregister; GVS= Betreuungsinformationssystem über die Gewährleistung der vorübergehenden Grundversorgung für hilfs- und schutzbedürftige Fremde in Österreich]

1.1 Zur Person des Beschwerdeführers

Der Beschwerdeführer führt in Österreich den im Spruch angeführten Namen und sowie das ebenso dort angeführte Geburtsdatum. Er ist syrische Staatsangehöriger, gehört der arabischen Volksgruppe und der sunnitischen Glaubensgemeinschaft an. Seine Identität steht nicht fest.

Der Beschwerdeführer verfügt in Österreich über den Status eines subsidiär Schutzberechtigten und eine Aufenthaltsberechtigung gemäß § 8 Abs 4 AsylG. Die Aufenthaltsberechtigung wurde vom BFA zwischenzeitlich bis Juli 2026 verlängert. (siehe die rechtskräftigen Spruchpunkte II und III des angefochtenen Bescheides; IZR)

1.2 Zum Herkunftsort des Beschwerdeführers

Der Heimatort des Beschwerdeführers ist XXXX im Gouvernement Idlib, wo er von Geburt an bis zu seiner Ausreise im August 2022 lebte. Im August 2022 flüchtete er von seinem Heimatort aus über die Orte XXXX und XXXX in die Türkei. Auf der Strecke von XXXX nach XXXX wurde er von der Al Nusra-Front bzw HTS in XXXX angehalten, wobei es keine Probleme gegeben habe, nachdem er gesagt habe, dass er zu Freunden wolle. Sein Heimatort XXXX war damals unter der Kontrolle der HTS. (NS EV 25.05.2023 S 3, 4; VS 23.01.2024 S 4, 7, 8)

1.3 Zur Begründung des Antrages auf internationalen Schutz

Erstbefragung 18.10.2022

Bei der Erstbefragung am 18.10.2022 gab der Beschwerdeführer zur Begründung seiner Ausreise an, dass er Syrien wegen des Krieges verlassen habe und dies sein Fluchtgrund sei und er bei einer Rückkehr Angst vor einer Inhaftierung habe, weil er Syrien verlassen habe. (NS EB 18.10.2022 S 6)

Einvernahme vor dem BFA am 25.05.2023

Bei der Einvernahme vor dem BFA am 25.05.2023 führte der Beschwerdeführer aus, er habe sein Land wegen des Krieges verlassen. Er habe Sicherheit finden wollen und habe keine Zukunft in Syrien. Sein Vater sei im Jahr 2015 im Zuge eines Luftangriffes getötet worden, seine ganze Familie lebe noch in Idlib. Bei einer Bombardierung seines Hauses im Jahr 2018 sei sein rechter Arm verletzt worden, den er seither nicht mehr ganz ausstrecken könne. Der ausschlaggebende Grund, weshalb er im August 2022 ausgereist sei, sie die sehr schlecht gewordene Lage gewesen. Es habe bewaffnete Auseinandersetzungen gegen die dort kämpfenden Parteien gegeben. Damit meine er die Syrische Freie Armee und andere Untergruppierungen wie die Haiʾat Tahrir asch-Scham (auch: HTS). Es sei daher nicht mehr möglich gewesen, in Syrien zu bleiben. Es habe auch noch eine andere Gruppe namens Ahrar al-Sham gegeben. Die drei Gruppierungen hätten in Idlib gegeneinander gekämpft. Es habe dort keinen IS gegeben. Die HTS („Al Haya“) habe ein Ausbildungszentrum aufgemacht und die Jugendlichen gezwungen, dort mitzumachen. Er sei von diesen aufgefordert worden, aber er habe dies abgelehnt. Er könne sich nicht erinnern, wann er aufgefordert worden sei. Es sei so, dass es jeden Freitag nach dem Gebet eine Liste gegeben habe, wo man sich habe eintragen können. Er habe sich aber nie in die Liste eingetragen. Es habe keinen Vorfall gegeben, wegen dem er im August 2022 ausgereist sei, er habe nur gesehen, dass die Zeit passe und reif sei. Er habe sich dann auf den Weg gemacht. Von diesen Gruppierungen sei niemand auf ihn persönlich herangetreten. Er sei auch selbst nie politisch aktiv gewesen und an keinen Kampfhandlungen beteiligt gewesen. Er habe auch nicht an Demonstrationen teilgenommen und habe sich auch nie regimekritisch geäußert. Er selbst sei niemals einer aktuellen und individuellen Bedrohung oder Verfolgung in Syrien ausgesetzt gewesen und sei auch nie im speziellen bedroht oder verfolgt worden. Er habe nie persönlich eine Furcht oder Bedrohung oder Verfolgung aus Gründen der Rasse, der Religion, Nationalität, seiner politischen Überzeugung oder wegen einer Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe erlitten. Damit habe er alle Fluchtgründe genannt. Er habe ausreichend Gelegenheit gehabt, alles vorzubringen, was ihm wichtig gewesen sei und wolle nichts mehr hinzufügen. (NS EV 25.05.2023 S 4 ff)

Beschwerde vom 04.08.2023

In der Beschwerde vom 04.08.2023 wurde – zusammengefasst – vorgebracht, der Beschwerdeführer müsse den Wehrdienst ableisten. Der Beschwerdeführer habe nicht an Kriegshandlungen teilnehmen wollen und habe aufgrund dessen befürchtet, verfolgt zu werden. Sein Vater sei bei einem Luftangriff gestorben. Die ganze Familie lebe in einer rebellischen Region. Als jemand, der den Vater verloren habe und sich dem syrischen Militär nie habe zur Verfügung stellen wollen, werde dem Beschwerdeführer eine oppositionelle Gesinnung unterstellt. Er fürchte auch eine Verfolgung durch das syrische Regime, weil er einen Asylantrag gestellt habe. In der Einvernahme habe der Beschwerdeführer angegeben, dass es in seiner Region verschiedene Fraktionen gebe, die miteinander kämpfen würden und welche, die junge Männer für sich anwerben würden. Der Beschwerdeführer sei mit seinen 20 Jahren sicher für alle Kriegsparteien als Soldat sehr interessant. Dem Beschwerdeführer sei nicht zumutbar abzuwarten, bis er bei einer Razzia zwangsrekrutiert werde. (Beschwerde 04.08.2023 S 2,3, 6, 9)

Mündliche Verhandlung am 23.01.2024

In der mündlichen Verhandlung am 23.01.2024 brachte der Beschwerdeführer vor, dass er erstens wegen des Krieges und der Bombardierungen ausgereist sei und zweitens, weil er von der Al-Nusra-Front unter Druck gesetzt worden sei. Jene hätten sie (iSv „uns“) jeden Freitag einberufen, damit sie sich (iSv „wir uns“) jenen anschließen würden. Sein Cousin XXXX , der ein Sohn seines Onkels väterlicherseits sei, habe mit der Al-Nusra-Front zusammengearbeitet. Jener habe den Beschwerdeführer gezwungen, zu denen zu gehen, indem jener gezwungen habe, ins Auto zu steigen und jener habe den Beschwerdeführer dann zu denen gefahren. Jener Cousin habe den Beschwerdeführer mit Zwang in eine Ausbildung hineingebracht und der Beschwerdeführer sei am nächsten Tag geflohen. Dann seien jene nach Hause gekommen und hätten den Beschwerdeführer Zuhause zusammengeschlagen. Danach sei der Beschwerdeführer ausgereist und in die Türkei gegangen. Als er in der Türkei gewesen sei, habe sein Cousin XXXX ihn damit bedroht, den Beschwerdeführer zu erschießen, wenn der Beschwerdeführer nach Syrien zurückkehren würde. Der Beschwerdeführer habe auch einmal im Jahr 2020 ein Lied auf Facebook gepostet und er sei dann festgenommen und für 48 Stunden in Haft angehalten worden. Wenn jemand mit seiner Freundin hinausgehe, werde man verhaftet. Ihnen sei die Freiheit entzogen worden und sie hätten in Syrien keine Rechte mehr gehabt. Nachdem er in Österreich angekommen sei, habe er von seinem Cousin XXXX Drohungen in Form von Sprachnachrichten erhalten, dass jene den Beschwerdeführer bei einer Rückkehr töten würden. Der Beschwerdeführer habe auch Angst vor dem syrischen Regime. Er wisse nicht, ob er beim syrischen Regime getötet, rekrutiert oder verhaftet werden würde; er werde gesucht. Er habe auch an Demonstrationen teilgenommen, zuletzt im Jahr 2017. Abgesehen von XXXX und dem syrischen Regime fürchte er sich vor keinen Institutionen, Gruppierungen oder Personen konkret. (VS 23.01.2024 S 5 ff)

1.4 Zur Glaubhaftigkeit des Vorbringens

Der Beschwerdeführer hat mit seinem Vorbringen nicht glaubhaft gemacht und es ergibt sich auch sonst nicht, dass er im Falle einer Rückkehr – zum gegenwärtigen Zeitpunkt – in Syrien – mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit – individuell konkret einer aktuellen und unmittelbaren Bedrohung aus ethnischen, religiösen oder politischen Gründen oder aufgrund der Nationalität oder Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe ausgesetzt sein wird, oder ihm aus einem dieser Motive Schutz durch die gegenwärtigen Machthaber in Syrien verweigert werden würde.

1.5 Zur Lage in Syrien

BAMF Briefing Notes Gruppe 62 – Informationszentrum Asyl und Migration

13.01.2025

Andauernde Kämpfe zwischen SDF und SNA in Ost-Aleppo

Im Norden Syriens dauern türkische Luftangriffe und Kämpfe zwischen dem durch die Türkei unterstützten Milizenbündnis, der sog. Syrische Nationalarmee (SNA), und den kurdisch-dominierten Demokratischen Kräften Syriens (SDF) weiterhin an.

Im Fokus türkischer Angriffe steht nach der Einnahme Manbijs und Tall Rif’ats durch die SNA (vgl. BN v. 23.12.24) besonders der Tishreen-Staudamm. Am 08.01.25 sammelten sich über 1.000 Protestierende, um auf Aufforderung der Demokratischen Autonomen Administration von Nord- und Ostsyrien (DAANES) gegen den andauernden Beschuss zu demonstrieren. Medienberichten zufolge sollen während des Protestzugs Ziele in der Nähe bombardiert worden sein. Die Gesundheitsbehörde in Ayn al-Arab (Kobanê) berichtete, dass fünf Zivilpersonen getötet und 15 weitere verwundet worden seien. Türkische Behörden lehnten eine türkische Verantwortung hierfür ab und beschuldigten die DAANES und SDF, die Zivilbevölkerung als menschliche Schilde zu missbrauchen. Am Tag darauf sollen Berichten der Syrischen Beobachtungsstelle für Menschenrechte (SOHR) zufolge 37 Personen getötet worden sein. Darunter befanden sich demnach primär SNA-Kämpfer, aber auch sechs Mitglieder der SDF. Insgesamt steigt die Todeszahl des vergangenen Monats damit auf 332 Tote. Ferner sollen SDF-Angaben zufolge am 11.01.25 drei Zivilpersonen durch türkische Luftangriffe getötet worden sein.

Proteste der alawitischen Bevölkerung; Berichte über Tote bei Ausschreitungen und Vergeltungsakten

Am 25.12.24 brachen in mehreren Städten des Landes Proteste der alawitischen Bevölkerung aus, nachdem online ein Video zirkulierte, dass die Zerstörung eines alawitischen Schreins in Aleppo zeigte. Die Behörden gaben später an, es habe sich um ein älteres Video gehandelt. Homs neu ernannter Polizeichef berichtete von friedlichen Protesten in Homs-Stadt, die von Gruppierungen, die mit der gestürzten Assad-Regierung in Verbindung standen, missbraucht worden seien. Dabei sollen Einzelne das Feuer auf Protestierende und anwesende Sicherheitskräfte eröffnet haben, wodurch eine Person getötet und mehrere verletzt worden sein sollen. Sicherheitskräfte erließen temporäre Ausgangssperren und errichteten Checkpoints, um die Situation unter Kontrolle zu bringen. SOHR berichtete zunächst, dass die Proteste von HTS-Kämpfern niedergeschlagen worden sein sollen.

Weitere Proteste brachen in Damaskus aus, nachdem ein Video, das die Verbrennung eines Weihnachtsbaums zeigte, publik wurde. Am Folgetag gab das Informationsministerium der Übergangsregierung bekannt, die Verbreitung von Videos mit einem „sektiererischen Charakter, der auf die Verbreitung von Spaltung abzielt“ zu verbieten.

Seit der Machtübernahme der HTS sollen Dutzende Syrerinnen und Syrer durch Racheakte getötet worden sein, insbesondere Mitglieder der alawitischen Bevölkerungsgruppe. Die Sorge vor Vergeltungsschlägen unter Alawitinnen und Alawiten ist weiterhin groß. Eine konkrete Opferzahl liegt nicht vor.

Vorgehen gegen Assad-treue Milizen

Bewaffnete Gruppen der Übergangsregierung führen in verschiedenen Orten Verhaftungskampagnen durch, um die Auflösung Assad-treuer Milizen voranzutreiben. So fand am 30.12.24 eine Verhaftungskampagne in der Ortschaft Adra nahe Damaskus statt, in deren Zuge mehrere Anführer solcher Milizen inhaftiert worden sein sollen.

Am 25.12.24 kam es in der Küstenstadt Tartous zu Kämpfen zwischen HTS-Kämpfern und Unterstützern der gestürzten Regierung, nachdem Medienberichten zufolge ein hochrangiger Funktionär der vormaligen Regierung verhaftet werden sollte. Dabei sollen 14 HTS-Kämpfer getötet und weitere verwundet worden sein.

Im Nachgang an die in Kämpfe eskalierten Proteste in Homs-Stadt (s.o.) führten die neuen syrischen Sicherheitskräfte am 02.01.25 unter dem Einsatz von Panzern eine weitere Verhaftungskampagne gegen ehemalige Milizenangehörige und Soldaten in Homs-Stadt durch, die sich ihrer Entwaffnung verweigert und der Beteiligung an Kriegsverbrechen verdächtigt werden sollen. Bereits am ersten Tag der mehrtägigen Kampagne sollen über 100 Personen inhaftiert worden sein.

Das Vorgehen gegen Mitglieder und Funktionäre der ehemaligen Regierung führte auch zu Kritik. Menschenrechtsorganisationen warfen der Übergangsregierung willkürliche Verhaftungen und intransparentes Vorgehen gegen mutmaßliche Assad-Unterstützer vor. Dies bestritten die Übergangsbehörden und verwiesen darauf, gegen bewaffnete, gewaltbereite Assad-Loyalisten vorzugehen, nicht jedoch gegen einfache Sympathisanten.

Einige Tage später, am 12.01.25 ergingen Berichte, dass etwa 360 Personen, die im Zuge der Verhaftungskampagnen in Gewahrsam genommen worden waren, durch die Abteilung für Allgemeine Sicherheit, freigelassen wurden. Es hätte sich bestätigt, dass sich die betroffenen Personen der Entwaffnung und der Übergangsregierung nicht widersetzen würden und sich keiner Kriegsverbrechen schuldig gemacht hätten. Wie viele der Inhaftierten aus Homs in Gewahrsam verblieben, war zunächst nicht bekannt.

Wirtschaftliche Situation und Lockerung von Sanktionen

Die desolate wirtschaftliche Lage sorgt weiterhin für Herausforderungen bei der Versorgung der syrischen Bevölkerung. Während Hilfsorganisationen davon ausgehen, dass noch immer ca. 90 % der Bevölkerung unterhalb der Armutsgrenze leben und etwa 13,1 Mio. Menschen in Syrien nicht ausreichend Nahrungsmittel zur Verfügung haben, bemüht sich die Übergangsregierung um das Einholen weiterer Hilfsgelder und Wiederaufbauhilfen.

Zuletzt kamen am 10.01.25 vor der Umayyaden-Moschee in Damaskus mind. drei Personen in der sich dort versammelnden Menschenmasse zu Tode. Berichten zufolge kommen zahlreiche Menschen zur Moschee und auf den Vorplatz, um dort das Freitagsgebet zu verrichten, aber auch um dort Lebensmittelhilfen zu erhalten.

Nachdem zuletzt die Verlängerung der US-Sanktionen des Caesar Act, der eines von mehreren Sanktionspaketen darstellt, um weitere fünf Jahre eingeleitet wurde, lockerte die US-Regierung am 06.01.25 einige Restriktionen für die kommenden sechs Monate, um es Investoren zu ermöglichen, mit syrischen Behörden zusammenzuarbeiten. Insbesondere in Bereichen die zur Versorgung der Bevölkerung beitragen, wie die humanitäre Hilfe, aber auch Strom, Energie, Wasser, Sanitäranlagen, sollen die Lockerungen der Sanktionen Wirkung zeigen.

In einem weiteren Schritt der Öffnung Syriens nahm der internationale Flughafen Damaskus am 07.01.25 den kommerziellen internationalen Luftverkehr wieder auf.

Die Zusammenführung der syrischen Wirtschaft nach der mehrjährigen de-facto-Teilung stellt die Übergangsregierung vor Herausforderungen. Aufgrund einer angestrebten Angleichung öffentlicher Gehälter zwischen den vormaligen Gebieten der HTS-geführten Administration in Idlib und den vormals durch die Assad-Regierung kontrollierten Gebieten, nahm die Übergangsregierung temporäre Kürzungen der Gehälter in Idlib um die Hälfte der Gesamtsumme vor (diese lagen bislang bei etwa 100-170 USD/Monat). Gleichzeitig wurden im Rahmen von Notfallmaßnahmen öffentliche Gehälter in den vormaligen Gebieten der Assad-Regierung erhöht, da diese bislang bei nur etwa 17 USD/Monat lagen. Lehrkräfte in Idlib kündigten daraufhin einen Streik gegen die temporären Kürzungen an, da auch sie trotz der verhältnismäßig höheren Gehälter unter großem finanziellem Druck stünden.

23.12.2024

Statusklärungsprozesse für ehemalige Angehörige der SAA und NDF

Ehemalige Angehörige der Syrischen Arabischen Armee (SAA) und irantreuer Milizen, welche unter dem Verbund der Nationalen Verteidigungskräfte (NDF) organisiert waren, sollen nach Angaben der neuen Herrscher die Möglichkeit bekommen, einen Statusklärungsprozess zu durchlaufen, in dem festgestellt werden soll, ob die betreffende Person entweder für Verbrechen unter der Assad-Regierung verantwortlich gewesen war und eine entsprechende Strafverfolgung zu erwarten hat, oder ob sie eine Amnestie erhalten kann.

Ehemalige Soldaten, Offiziere und medizinisches Personal der SAA wurden dazu aufgerufen, sich dafür in sogenannten Versöhnungszentren zu melden, um sich auszuweisen und Waffen sowie Gerätschaften abzugeben. Einer internationalen Tageszeitung zufolge öffnete am 18.12.24 in Latakia eines der ersten solcher Versöhnungszentren auf dem Boden einer ehemaligen Sicherheitsbehörde. Am ersten Tag sollen mehr als 600 Personen erschienen sein, gefolgt von einer noch größeren nicht näher bestimmten Zahl am Tag darauf.

Alle Personen, überwiegend Männer, aber auch einzelne Frauen, würden abfotografiert und ein zunächst für drei Monate gültiges Ausweisdokument erhalten. Einem örtlichen Vertreter des Innenministeriums in Latakia zufolge müssten sich die Betroffenen im Rahmen des Aussöhnungsprozesses nach drei Monaten bei einem Sicherheitshauptquartier melden, um das Verfahren weiter betreiben zu können.

Vor dem Sturz der Assad-Regierung am 08.12.24 ist bereits im zuvor von HTS eroberten Aleppo am 06.12.24 ein sogenanntes Versöhnungszentrum eingerichtet worden.

Ehemalige bewaffnete Oppositionsgruppen sollen in die syrische Armee eingegliedert werden

Wie syrische Staatsmedien am 17.12.24 berichteten, sollen dem Anführer von Hayat Tahrir al-Sham (HTS) zufolge alle bewaffneten Gruppen im Land aufgelöst und deren Kämpfer dem Verteidigungsministerium unterstellt werden. Unterdessen rief das neue Innenministerium Interessierte dazu auf, sich in den Polizeiakademien des Landes für den Sicherheitsdienst zu bewerben.

Berichte über einzelne Übergriffe auf Alawitinnen und Alawiten

Dem Bericht einer internationalen Presseagentur vom 21.12.24 zufolge dokumentierte die Syrische Beobachtungsstelle für Menschenrechte (SOHR) seit dem Sturz der Assad-Regierung am 08.12.24 mindestens 72 Fälle von Tötungen an verschiedenen ethnischen und religiösen Minderheiten. Alle Vorfälle wurden demnach in den religiös vielfältigen Gouvernements Hama, Homs, Tartus und Latakia verortet.

Zwischen dem 09.12. und 11.12.24 wurden dem Presseagenturbericht zufolge in der Ortschaft Bahra (Hama) etwa ein Dutzend Alawitinnen und Alawiten von bewaffneten Männern erschossen. In den benachbarten Ortschaften Mouaa und Um al-Amad wurden ebenfalls jeweils sechs und zwei Personen getötet. Alle drei Orte sollen inzwischen nahezu verlassen sein, nachdem die Bewohnerinnen und Bewohner nach Tartus geflohen seien.

Am Wochenende des 20.12. und 21.12.24 soll daraufhin die HTS-Miliz ein Treffen veranstaltet haben, zu dem sunnitische und alawitische Würdenträger aus den Ortschaften Rabia, Tizin, Metnine und Mouaa erschienen sein und ein Ende der gewalttätigen Übergriffe beschlossen haben sollen.

Besetzte Pufferzone: Israel geht von längerer Präsenz aus

Nachdem die israelische Armee kurz nach dem Sturz der Assad-Regierung in die entmilitarisierte Pufferzone entlang den Golanhöhen im syrischen Gouvernement Quneitra eingedrungen war (vgl. BN v. 09.12.24) und den Gipfel des Hermon, Syriens höchstem Berg, eingenommen hat, besuchte der israelische Premierminister Benjamin Netanjahu am 17.12.24 einen der neu errichteten Stützpunkte und bekräftigte die Absicht Israels, die Pufferzone solange militärisch zu halten bis ein Abkommen mit den neuen Herrschern in Damaskus getroffen worden sei, das die Sicherheit Israels garantiere.

Der Hermon ist weniger als zehn km von den seit 1967 israelisch besetzten Golanhöhen entfernt und stellt einer Presseerklärung des israelischen Verteidigungsministeriums vom 17.12.24 zufolge eine strategisch wichtige Position dar, von der aus man Hisbollah-Einheiten in der Bekaa-Ebene des benachbarten Libanon besser beobachten könne. Außerdem würde die israelische Präsenz eine abschreckende Wirkung auf Rebellen in Damaskus haben, die eine moderate Fassade für sich behaupten, aber den extremsten Zweigen des Islamismus zuzurechnen seien.

Ahmad al-Shara, Anführer der HTS-Miliz, kritisierte das israelische Vorgehen und versicherte, dass Syrien das im Jahr 1974 geschlossene Waffenstillstandsabkommen mit Israel wahren werde. Vielmehr sei die Gefahr, die von irantreuen Milizen für Israel ausgegangen sei, durch den Sturz der Assad-Regierung gebannt worden.

Am 15.12.24 genehmigte die israelische Regierung zudem den Ausbau weiterer Siedlungen auf den Golanhöhen. Eine Verdoppelung der israelischen Bevölkerung in den Golanhöhen, die mit den Siedlungsgenehmigungen erreicht werden soll, diene der Verteidigungsfähigkeit der Region.

Gegenwärtig leben schätzungsweise 20.000 israelische neben 20.000 syrischen Staatsangehörigen auf den Golanhöhen. Letztere setzen sich vor allem aus der drusisch-arabischen Minderheit Syriens zusammen. Anders etwa als das Westjordanland, das Israel als umstrittenes Gebiet betrachtet, werden die Golanhöhen seit ihrer Annexion von Syrien im Jahre 1981 als israelisches Staatsgebiet behandelt.19

Nordosten: Angriffe der SNA auf Ain al-Arab (Kobanê)

Die kurdisch geführten Demokratischen Kräfte Syriens (SDF) berichteten, am 18.12.24 an zahlreichen Stellungen um die im Gouvernement Aleppo gelegene Ortschaft Ain al-Arab (kurdisch Kobanê) und entlang des Euphrat von Kämpfern der von der Türkei unterstützten Syrischen Nationalen Armee (SNA) angegriffen worden zu sein.

Die Ortschaft ist die letzte größere Bastion der SDF im Gouvernement Aleppo zwischen Tal Abyad im Osten und Jarabulus sowie Manbij im Westen, die sich inzwischen allesamt unter der Kontrolle der SNA und des türkischen Militärs befinden. Zugleich ist Ain al-Arab bzw. Kobanê mehrheitlich kurdisch bewohnt. Der Stadt wird durch den hart erkämpften Sieg über die IS-Herrschaft im Jahr 2016 große symbolische Bedeutung beigemessen. Nach der Einnahme Manbijs durch die SNA am 11.12.24 (vgl. BN v. 16.12.24) wurde eine zeitlich begrenzte Waffenruhe für die gesamte Region beschlossen. Vorausgegangene Kämpfe hatten Tausende Menschen zur Flucht bewegt.

Die Führung der SDF bekannte sich am 17.12.24 öffentlich zu einem Friedensplan, wonach sie ihre Kämpferinnen und Kämpfer aus Kobanê abziehen würden, wenn dafür eine entmilitarisierte Zone unter Aufsicht der US-Armee geschaffen werde.

Am 20.12.24 wurden Medienberichten zufolge eine Journalistin und ein Journalist bei einem türkischen Drohnenangriff nahe der Tischrin-Talsperre, etwa 60 km südlich von Ain al-Arab bzw. Kobanê, getötet. Die beiden arbeiteten für kurdische Medienunternehmen in der Türkei.

16.12.2024

Machtwechsel; Schicksal vieler Assad-Getreuer ungewiss

Am 13.12.24 kamen in Damaskus Zehntausende Menschen am Umayyaden-Platz, einem Kreisverkehr nahe der gleichnamigen Moschee im Zentrum der Stadt, zusammen, um das Freitagsgebet zu begehen und das Ende der Assad-Herrschaft zu feiern. Die Predigt in der Umayyaden-Moschee wurde von Interims-Premierminister al-Bashir gehalten. Der Anführer der Hayat Tahrir al-Sham (HTS), Ahmad al-Sharaa, der inzwischen seinen Kampfnamen Abu Mohammed al-Jolani abgelegt hat, wandte sich in einer Videobotschaft an die Bevölkerung, um ihr zu gratulieren.

Am 11.12.24 hatte al-Sharaa in einer schriftlichen Stellungnahme angekündigt, keine Begnadigungen für Personen auszusprechen, die an der Folter oder dem Mord von Häftlingen unter der Assad-Regierung beteiligt waren. Man werde die im Land verbliebenen Täter ausfindig machen und ausländische Staaten um eine Überstellung bitten. Die in London ansässige Syrische Beobachtungsstelle für Menschenrechte (SOHR) berichtete am selben Tag von Übergriffen bewaffneter Gruppen auf Personen in Wohnvierteln, die als Assad-Hochburgen bekannt waren. Es soll demnach zu Plünderungen und Einschüchterungen gekommen sein. Während prominente Assad-Anhänger wie dessen Bruder Maher oder Generalmajor Al Mamlouk Berichten zufolge nach Russland bzw. Libanon geflohen sein sollen, ist der Verbleib vieler weiterer Führungspersönlichkeiten der gestürzten Regierung ungeklärt.

Am 14.12.24 eröffnete der türkische Außenminister Hakan Fidan die türkische Botschaft in Damaskus, die seit dem Jahr 2012 geschlossen war.

Nordostsyrien: SDF geben Manbij auf; hissen die neue Flagge Syriens

Die kurdisch geführten Demokratischen Kräfte Syriens (SDF) erklärten am 11.12.24, einem durch die USA und Türkei vermittelten (vgl. BN v. 09.12.24) Waffenstillstandsabkommen zugestimmt zu haben, wonach sie ihre Streitkräfte aus Manbij abziehen mussten. Die Ortschaft steht damit unter der Kontrolle der Syrischen Nationalen Armee (SNA), einem aus der Türkei geförderten islamistischen Rebellenverbund. Manbij befand sich seit mehr als acht Jahren unter Kontrolle der SDF, nachdem sie den IS im August 2016 aus der Ortschaft vertrieben hatten. Die Führung der SDF kritisierte die USA dafür, die Angriffe der Türkei und der mit ihr verbündeten Milizen auf die Kurden nicht verhindert haben zu können, schließlich sei Manbij auch mit Hilfe des US-Militärs vom IS befreit worden. Dieser könne eine Schwächung der SDF in der Region möglicherweise auch für sich zu nutzen wissen. US-Angaben zufolge halten die SDF derzeit noch ca. 9.000 IS-Kämpfer in über 20 Haftanstalten verteilt über Nordostsyrien gefangen.

Am 12.12.24 erklärte die Demokratische Autonome Administration von Nord- und Ostsyrien (DAANES), das zivile Pendant zu den SDF, auf allen Gebäuden ihrer Institutionen die neue Flagge Syriens gehisst zu haben. In der Stellungnahme bekannte sie sich zur Einheit Syriens und ihrer nationalen Identität. Bis dato positionierte sich die DAANES seit Jahren als dritte Partei zwischen syrischer Regierung und der bewaffneten Opposition. In dem symbolischen Akt kann eine Bereitschaft zur Zusammenarbeit mit den neuen Herrschern in Damaskus gesehen werden.

Fluchtbewegungen

Aktualisierten Zahlen der UN zufolge sind im Zuge der HTS-Offensive 1,1 Mio. Menschen zu Binnenflüchtlingen geworden, insbesondere Bewohnerinnen und Bewohner der Gouvernements Aleppo, Idlib, Hama und Homs. Fluchtbewegungen können vor allem in die Gouvernements Idlib, Hama, Rif Dimashq, Aleppo und Tartus verzeichnet werden. Demgegenüber hätten ca. 5.000 Menschen ihre Notunterkunft in Binnenvertriebenenlagern verlasen, um in ihre Häuser zurückzukehren. In den meisten Regionen habe sich die Sicherheitslage zuletzt verbessert, nur in Nordostsyrien sprechen die UN von einer volatilen Situation infolge von großen territorialen und politischen Veränderungen.

Die UN berichten außerdem mit Stand 13.12.24, dass seit dem 08.12.24 etwas weniger als 10.000 Menschen aus dem Libanon nach Syrien zurückgekehrt seien. Zehntausende wären zur selben Zeit (vor dem Hintergrund des Waffenstillstandes zwischen Israel und Hisbollah) von Syrien in den Libanon zurückgekehrt. Etwa 1.000 Syrerinnen und Syrer wären demnach in den Irak geflohen, 800 Personen alleine am 11.12.24.

09.12.2024

Sturz der Assad-Regierung

Mit der weitgehend kampflosen Einnahme weiterer Gouvernementhauptstädte (05.12.24 Hama, 07.12.24 Homs) fiel am Morgen des 08.12.24 schließlich auch die Hauptstadt Damaskus unter die Kontrolle von Hayat Tahrir al-Sham (HTS).

Zur Offensive aus dem Nordwesten (vgl. BN v. 02.12.24) kamen spontan regionale bewaffnete Aufstände hinzu, wodurch auch die südlichen Gouvernements Suweida und Dar’a von Umstürzen erfasst wurden. Am 06.12.24 rief außerdem die russische Botschaft in Damaskus ihre Staatsbürgerinnen und Staatsbürger zum Verlassen des Landes auf und das iranische Militär verließ das Land über die Grenzübergänge nach Irak und Libanon oder den Luft- bzw. Seeweg über Latakia.

Die syrische Armee verließ Medienberichten zufolge in großer Zahl ihre Posten und ließ militärisches Gerät und Ausrüstung zurück. Zu Tausenden sollen Soldaten desertiert sein, ihre Militäruniformen durch zivile Kleidung ersetzt und sich unter die Zivilbevölkerung gemischt haben. Die staatlichen Institutionen des Landes würden der HTS-Miliz zufolge zunächst unter der Aufsicht des bisherigen Premierministers stehen, der die Übergangszeit begleite. Nach gegenwärtiger Informationslage ist noch nicht bekannt, ob HTS-Kämpfer bereits in die Gouvernementhauptstädte der syrischen Küste, Latakia und Tartus, vorgedrungen sind, wo sich die große Mehrheit der Alawiten im Land und eine Machtbasis des laut Medienberichten mit russischer Unterstützung nach Moskau geflohenen ehemaligen Präsidenten Assad befindet. Abu Mohammed al-Jolani, Anführer der islamistischen HTS-Miliz, betrat am 08.12.24 medienwirksam die Umayyaden-Moschee in Damaskus, wo er eine Siegesrede über die Assad-Herrschaft und „iranische Bestrebungen“ in Syrien hielt.

Außerdem große Beachtung fand die Einnahme des berüchtigten Sednaya-Gefängniskomplexes, wo zahlreiche Männer, Frauen und Kinder befreit wurden. Die Gefängnisanlage enthält Berichten zufolge mehrere unterirdische und zum Teil verbarrikadierte Etagen, zu denen am Morgen des 09.12.24 Rettungskräfte noch immer nicht vollständig durchgedrungen waren. Eine Untersuchung durch die UN im Jahr 2016 hatte ergeben, dass während der Assad-Herrschaft so viele Menschen in den Gefängnissen zu Tode gefoltert wurden, dass sie in ihrem Bericht den Begriff „Vernichtung“ verwendet hat.

Aus den Protesten gegen die Assad-Herrschaft, die im Jahr 2011 im Zuge des sogenannten Arabischen Frühlings ihren Anfang nahmen, gelang es der Opposition nie, jenseits der Forderung nach dem Sturz der Regierung eine gemeinsame Vorstellung hinsichtlich einer neuen Staatsordnung für die Zeit nach Assad zu formulieren.

Nordsyrien: SNA und türkische Armee greifen SDF an

Mehreren übereinstimmenden Berichten zufolge griff die türkische Armee am 08.12.24 Stellungen der Demokratischen Kräfte Syriens (SDF) in Manbij im Norden des Gouvernements Aleppo mit Drohnen an, nachdem es am Vortag bereits zu Kämpfen zwischen den SDF und der Syrischen Nationalen Armee (SNA) gekommen war. Den SDF zufolge waren dabei mindestens 22 ihrer Kämpfer getötet und 40 weitere verletzt worden.

Den UN zufolge sollen in Nordsyrien bereits zum 05.12.24 etwa zwischen 60.000 und 80.000 Personen vor anhaltenden Kämpfen zwischen SDF und SNA geflohen sein.

Sowohl SDF als auch SNA begrüßten den Fall der Assad-Regierung, stehen sich im Kampf um die Kontrolle der nördlichen (teils mehrheitlich kurdisch bevölkerten) Gebieten jedoch feindlich gegenüber. Die Verteidigungsminister der USA und der Türkei telefonierten nach den Kampfhandlungen miteinander, um eine Deeskalation zu bewirken.

USA bombardieren IS-Stellungen; Israel sichert Golanhöhen

Die USA verkündeten am 08.12.24, Dutzende Stellungen des IS in Zentralsyrien aus der Luft angegriffen zu haben. Insgesamt 75 Ziele sollen demnach getroffen worden sein. Es lägen demnach keine Berichte über zivile Opfer vor. Der Zeitpunkt der Angriffe sei so gewählt worden, damit der IS die volatile politische Lage im Land nicht für sich nutzen könne.

Einem Zeitungsbericht zufolge hat sich das israelische Militär am 08.12.24 erstmals seit dem Oktober- bzw. Jom-Kippur-Krieg im Jahr 1973 auf syrisches Territorium jenseits der annektierten Golanhöhen bewegt. Es sei die Bergregion im syrischen Gouvernement Quneitra um den Gipfel Hermon, der höchste Berg Syriens, gesichert worden, um eine temporäre „Pufferzone“ einzurichten, bis eine Vereinbarung über die Nachbarschaft mit den neuen Herrschern in Damaskus getroffen worden sei.

Außerdem habe die israelische Luftwaffe am 07.12. und 08.12.24 mehrere Militäranlagen Syriens bombardiert. Diese sollten das verbliebene Chemiewaffenarsenal des Landes lagern. Dabei wurden auch Elemente russischer Luftabwehrsysteme und ein Arsenal an ballistischen Boden-Boden-Raketen zerstört.

Kurzinformation der Staatendokumentation SYRIEN, 10.12.2024

Sicherheitslage, Politische Lage Dezember 2024: Opposition übernimmt Kontrolle, al-Assad flieht

1. Zusammenfassung der Ereignisse

Nach monatelanger Vorbereitung und Training (NYT 1.12.2024) starteten islamistische Regierungsgegner unter der Führung der Hay’at Tahrir ash-Sham (HTS) (Standard 1.12.2024) die Operation „Abschreckung der Aggression“ – auf نن Arabisch: ردع العدوا - Rad’a al-‘Adwan (AJ 2.12.2024) und setzten der Regierung von Präsident Bashar al-Assad innerhalb von 11 Tagen ein Ende.

Am 30.11. nahmen die Oppositionskämpfer Aleppo ein und stießen weiter in Richtung der Stadt Hama vor, welche sie am 5.12. einnahmen. Danach setzten sie ihre Offensive in Richtung der Stadt Homs fort (AJ 8.12.2024). Dort übernahmen sie die Kontrolle in der Nacht vom 7.12. auf 8.12. (BBC 8.12.2024).

Am 6.12. zog der Iran sein Militärpersonal aus Syrien ab (NYT 6.12.2024). Russland forderte am 7.12. seine Staatsbürger auf, das Land zu verlassen (FR 7.12.2024). Am 7.12. begannen lokale Milizen und Rebellengruppierungen im Süden Syriens ebenfalls mit einer Offensive und nahmen Daraa ein (TNA 7.12.2024; Vgl. AJ 8.12.2024), nachdem sie sich mit der Syrischen Arabischen Armee auf deren geordneten Abzug geeinigt hatten (AWN 7.12.2024). Aus den südlichen Provinzen Suweida und Quneitra zogen ebenfalls syrische Soldaten, sowie Polizeichefs und Gouverneure ab (AJ 7.12.2024). Erste Oppositionsgruppierungen stießen am 7.12. Richtung Damaskus vor (AJ 8.12.2024). Am frühen Morgen des 8.12. verkündeten Medienkanäle der HTS, dass sie in die Hauptstadt eingedrungen sind und schließlich, dass sie die Hauptstadt vollständig unter ihre Kontrolle gebracht haben (Tagesschau 8.12.2024). Die Einnahme Damaskus’ ist ohne Gegenwehr erfolgt (REU 9.12.2024), die Regierungstruppen hatten Stellungen aufgegeben, darunter den Flughafen (Tagesschau 8.12.2024). Das Armeekommando hatte die Soldaten außer Dienst gestellt (Standard 8.12.2024).

Russland verkündete den Rücktritt und die Flucht von al-Assad (BBC 8.12.2024). Ihm und seiner Familie wurde Asyl aus humanitären Gründen gewährt (REU 9.12.2024).

Kurdisch geführte Kämpfer übernahmen am 6.12.2024 die Kontrolle über Deir ez-Zour im Nordosten Syriens, nachdem vom Iran unterstützte Milizen dort abgezogen waren (AJ 7.12.2024), sowie über einen wichtigen Grenzübergang zum Irak. Sie wurden von den USA bei ihrem Vorgehen unterstützt (AWN 7.12.2024).

Die von der Türkei unterstützten Rebellengruppierungen unter dem Namen Syrian National Army (SNA) im Norden Syriens starteten eine eigene Operation gegen die von den Kurden geführten Syrian Democratic Forces (SDF) im Norden von Aleppo (BBC 8.12.2024). ج فف ج Im Zuge der Operation „Morgenröte der Freiheit“ (auf Arabisch رال ر ح ة يية - Fajr al-Hurriya) nahmen diese Gruppierungen am 9.12.2024 die Stadt Manbij ein (SOHR 9.12.2024). Die Kampfhandlungen zwischen Einheiten der durch die Türkei unterstützten Syrian National Army (SNA) auf der einen Seite und den SDF auf der anderen Seite dauerten danach weiter an. Türkische Drohnen unterstützten dabei die Truppen am Boden durch Luftangriffe (SOHR 9.12.2024b).

Der Syrischen Beobachtungsstelle für Menschenrechte zufolge sind seit Beginn der Offensive 910 Menschen ums Leben gekommen, darunter 138 Zivilisten (AAA 8.12.2024). Beim Vormarsch auf Homs waren tausende Menschen Richtung Küste nach Westen geflohen (AJ 6.12.2024). Bei der Offensive gegen Manbij wurden hingegen einige Zivilisten in Richtung Osten vertrieben (SOHR 9.12.2024).

In Damaskus herrschte weit verbreitetes Chaos nach der Machtübernahme durch die Opposition. So wurde der Sturz von Assad mit schweren Schüssen gefeiert und Zivilisten stürmten einige staatliche Einrichtungen, wie die Zentralbank am Saba-Bahrat-Platz, das Verteidigungsministerium (Zivilschutz) in Mleiha und die Einwanderungs- und Passbehörde in der Nähe von Zabaltani, außerdem wurden in verschiedenen Straßen zerstörte und brennende Fahrzeuge gefunden (AJ 8.12.2024b). Anführer al-Joulani soll die Anweisung an die Oppositionskämpfer erlassen haben, keine öffentlichen Einrichtungen anzugreifen (8.12.2024c) und erklärte, dass die öffentlichen Einrichtungen bis zur offiziellen Übergabe unter der Aufsicht von Ministerpräsident Mohammed al-Jalali aus der Assad-Regierung bleiben (Rudaw 9.12.2024).

Gefangene wurden aus Gefängnissen befreit, wie aus dem berüchtigten Sedanaya Gefängnis im Norden von Damaskus (AJ 8.12.2024c).

2. Die Akteure

Syrische Arabische Armee (SAA): Die Syrische Arabische Armee kämpfte gemeinsam mit den National Defense Forces, einer regierungsnahen, paramilitärischen Gruppierung. Unterstützt wurde die SAA von der Hisbollah, Iran und Russland (AJ 8.12.2024).

Die Einheiten der syrischen Regierungstruppen zogen sich beim Zusammenstoß mit den Oppositionskräften zurück, während diese weiter vorrückten. Viele Soldaten flohen oder desertierten (NZZ 8.12.2024). In Suweida im Süden Syriens sind die Soldaten der Syrischen Arabischen Armee massenweise desertiert (Standard 7.12.2024). Am 7.12. flohen mehrere Tausend syrische Soldaten über die Grenze in den Irak (Arabiya 7.12.2024; vgl. Guardian 8.12.2024). Präsident al-Assad erhöhte am 4.12. die Gehälter seiner Soldaten, nicht aber dasjenige von Personen, die ihren Pflichtwehrdienst ableisteten (TNA 5.12.2024). Dieser Versuch, die Moral zu erhöhen, blieb erfolglos (Guardian 8.12.2024).

Die Opposition forderte die Soldaten indes zur Desertion auf (TNA 5.12.2024). Aktivisten der Syrischen Beobachtungsstelle für Menschenrechte beobachteten, dass Hunderte Soldaten ihre Militäruniformen ausgezogen haben, nachdem sie entlassen wurden (SOHR 8.12.2024). Offiziere und Mitarbeiter des Regimes ließen ihre Militär- und Sicherheitsfahrzeuge in der Nähe des Republikanischen Palastes, des Büros des Premierministers und des Volkspalastes unverschlossen stehen, aus Angst von Rebellen am Steuer erwischt zu werden (AJ 8.12.2024b).

Opposition: Obwohl Hay’at Tahrir ash-Sham (HTS) den plötzlichen Vormarsch auf Aleppo gestartet hat und treibende Kraft der Offensive war haben auch andere Rebellengruppierungen sich gegen die Regierung gewandt und sich am Aufstand beteiligt (BBC 8.12.2024c).

• Hay’at Tahrir ash-Sham (HTS): Die HTS wurde 2011 als Ableger der al-Qaida unter dem Namen Jabhat an-Nusra gegründet (BBC 8.12.2024c). Im Jahr 2017 brach die Gruppierung ihre Verbindung mit der Al-Qaida (CSIS 2018) und formierte sich unter dem Namen Hay’at Tahrir ash-Sham neu, gemeinsam mit anderen Gruppierungen (BBC 8.12.2024c). Sie wird von der UN, den USA, der Europäischen Union (AJ 4.12.2024) und der Türkei als Terrororganisation eingestuft (BBC 8.12.2024c). Der Anführer der HTS, der bisher unter seinem Kampfnamen Abu Mohammed al-Joulani bekannt war, hat begonnen wieder seinen bürgerlichen Namen, Ahmad ash-Shara’a zu verwenden (Nashra 8.12.2024). Er positioniert sich als Anführer im Post-Assad Syrien (BBC 8.12.2024c). Die HTS hat in den letzten Jahren versucht, sich als nationalistische Kraft (BBC 8.12.2024b) und pragmatische Alternative zu al-Assad zu positionieren (BBC 8.12.2024c).

Der Gruppierung werden Menschenrechtsverletzungen vorgeworfen (BBC 8.12.2024c). Einem Terrorismusexperten zufolge gibt es bereits erste Videos von Personen aus dem HTS-Umfeld, die ein Kalifat aufbauen wollen (WiWo 9.12.2024).

• National Liberation Front (NFL): Eine Reihe kleinerer Kampfgruppen, aus denen sich die NFL zusammensetzt, nahmen an der Operation „Abschreckung der Aggression“ teil, darunter die Jaish al-Nasr, das Sham Corps und die Freie Idlib-Armee. Die 2018 in Idlib gegründete NFL umfasst mehrere nordsyrische Fraktionen, von denen einige auch unter das Dach der Freien Syrischen Armee fallen (AJ 2.12.2024b).

• Ahrar al-Sham Movement: Die Ahrar al-Sham-Bewegung ist hauptsächlich in Aleppo und Idlib aktiv und wurde 2011 gegründet. Sie definiert sich selbst als „umfassende reformistische islamische Bewegung, die in die Islamische Front eingebunden und integriert ist“ (AJ 2.12.2024b).

• Jaish al-Izza: Jaish al-Izza: Übersetzt: „Die Armee des Stolzes“ ist Teil der Freien Syrischen Armee und konzentriert sich auf den Norden des Gouvernements Hama und einige Teile von Lattakia. Im Jahr 2019 erhielt die Gruppierung Unterstützung aus dem Westen, darunter auch Hochleistungswaffen (AJ 2.12.2024b).

• Nur Eddin Zinki-Bewegung (Zinki): Diese Gruppierung entstand 2014 in Aleppo, versuchte 2017, sich mit der HTS zusammenzuschließen, was jedoch nicht funktionierte. Die beiden Gruppierungen kämpften 2018 gegeneinander, und „Zinki“ wurde Anfang 2019 von ihren Machtpositionen in der Provinz Aleppo vertrieben. Ein Jahr später verhandelte „Zinki“ mit der HTS, und ihre Kämpfer kehrten an die Front zurück, und seitdem ist die Gruppe unter den oppositionellen Kämpfern präsent (AJ 2.12.2024b).

• Milizen in Südsyrien: Gruppierungen aus südlichen Städten und Ortschaften, die sich in den letzten Jahren zurückhielten, aber nie ganz aufgaben und einst unter dem Banner der Freien Syrien Armeekämpften, beteiligten sich am Aufstand (BBC 8.12.2024c). In Suweida nahmen Milizen der syrischen Minderheit der Drusen Militärstützpunkte ein (Standard 7.12.2024).

• Syrian Democratic Forces (SDF): Die SDF ist eine gemischte Truppe aus arabischen und kurdischen Milizen sowie Stammesgruppen. Die kurdische Volksschutzeinheit YPG ist die stärkste Miliz des Bündnisses und bildet die militärische Führung der SDF (WiWo 9.12.2024). Sie werden von den USA unterstützt (AJ 8.12.2024). Im kurdisch kontrollierten Norden liegen die größten Ölreserven des Landes (WiWo 9.12.2024).

• Syrian National Army (SNA): Diese werden von der Türkei unterstützt (BBC 8.12.2024c) und operieren im Norden Syriens im Grenzgebiet zur Türkei (AJ 8.12.2024). Der SNA werden mögliche Kriegsverbrechen, wie Geiselnahmen, Folter und Vergewaltigung vorgeworfen. Plünderungen und die Aneignung von Privatgrundstücken, insbesondere in den kurdischen Gebieten, sind ebenfalls dokumentiert (WiWo 9.12.2024).

3. Aktuelle Lageentwicklung

Sicherheitslage:

Israel hat Gebäude der Syrischen Sicherheitsbehörden und ein Forschungszentrum in Damaskus aus der Luft angegriffen, sowie militärische Einrichtungen in Südsyrien, und den Militärflughafen in Mezzeh. Israelische Streitkräfte marschierten außerdem in al-Quneitra ein (Almodon 8.12.2024) und besetzten weitere Gebiete abseits der Golan-Höhen, sowie den Berg Hermon (NYT 8.12.2024). Die israelische Militärpräsenz sei laut israelischem Außenminister nur temporär, um die Sicherheit Israels in der Umbruchphase sicherzustellen (AJ 8.12.2024d). Am 9.12.2024 wurden weitere Luftangriffe auf syrische Ziele durchgeführt (SOHR 9.12.2024c). Einer Menschenrechtsorganisation zufolge fliegt Israel seine schwersten Angriffe in Syrien. Sie fokussieren auf Forschungszentren, Waffenlager, Marine-Schiffe, Flughäfen und Luftabwehr (NTV 9.12.2024). Quellen aus Sicherheitskreisen berichten indes, dass Israelisches Militär bis 25km an Damaskus in Südsyrien einmarschiert wäre (AJ 10.12.2024).

Das US-Central Command gab an, dass die US-Streitkräfte Luftangriffe gegen den Islamischen Staat in Zentralsyrien geflogen sind (REU 9.12.2024). Präsident Biden kündigte an, weitere Angriffe gegen den Islamischen Staat vorzunehmen, der das Machtvakuum ausnützen könnte, um seine Fähigkeiten wiederherzustellen (BBC 7.12.2024).

Russland versucht, obwohl es bis zum Schluss al-Assad unterstützte, mit der neuen Führung Syriens in Dialog zu treten. Anstatt wie bisher als Terroristen bezeichnen russische Medien die Opposition mittlerweile als „bewaffnete Opposition“ (BBC 8.12.2024d).

Sozio-Ökonomische Lage:

Die Opposition versprach, den Minderheiten keinen Schaden zuzufügen und sie nicht zu diskriminieren, egal ob es sich um Christen, Drusen, Schiiten oder Alawiten handle. Gerade letztere besetzten unter der Führung Al-Assad’s oft hohe Positionen im Militär und den Geheimdiensten (TNA 5.12.2024).

Für alle Wehrpflichtigen, die in der Syrischen Arabischen Armee gedient haben, wurde von den führenden Oppositionskräften eine Generalamnestie erlassen. Ihnen werde Sicherheit garantiert und jegliche Übergriffe auf sie wurden untersagt (Presse 9.12.2024). Ausgenommen von der Amnestie sind jene Soldaten, die sich freiwillig für den Dienst in der Armee gemeldet haben (Spiegel 9.12.2024).

Die syrischen Banken sollen ihre Arbeit am 10.12.2024 wiederaufnehmen, die Bediensteten wurden aufgefordert, an ihre Arbeitsplätze zurückzukehren (Arabiya 9.12.2024).

Die HTS, die weiterhin auf der Terrorliste der UN steht, ist seit 2016 von Sanktionen des UN-Sicherheitsrates betroffen. Diplomaten zufolge war die Streichung der HTS von der Sanktionenliste kein Thema bei der jüngsten Ratssitzung (REU 10.12.2024).

Bevor der Wiederaufbau zerstörter Städte, Infrastruktur und Öl- und Landwirtschaftssektoren beginnen kann, muss mehr Klarheit über die neue Regierung Syriens geschaffen werden (DW 10.12.2024).

ISW – Institute for the Study of War, Iran Update, December 16, 2024

HTS Anführer Ahmed al Sharaa (aka Abu Mohammad al Jolani) verkündete am 15. Dezember, dass er Wehrdienstpflicht in Syrien abschaffen werde. (https://www.ecoi.net/de/dokument/2119182.html; https://understandingwar.org/backgrounder/iran-update-december-16-2024 : HTS leader Ahmed al Sharaa (aka Abu Mohammad al Jolani) stated on December 15 that he will end mandatory conscription in Syria.)

UNHCR - Regional Flash Update #9 Syria situation crisis 10.01.2025

Syrien

Nach Schätzungen des UNHCR sind seit dem 8. Januar mehr als 125 000 Syrer innerhalb eines Monats nach dem Regierungswechsel zurückgekehrt, hauptsächlich nach Aleppo, Ar-Raqqa und Dar’a. Dies beruht auf einer Triangulation von Informationen von außerhalb und innerhalb Syriens, einschließlich offizieller Regierungsdaten, und umfasst syrische Flüchtlinge, die beim UNHCR registriert sind, sowie andere Gruppen von Syrern.

Von den 1,1 Millionen Binnenvertriebenen, die durch die Eskalation der Feindseligkeiten Ende November vertrieben wurden, bleiben rund 627.000 Menschen neu vertrieben, von denen 75 % Frauen und Kinder sind. Inzwischen sind fast 523.000 Menschen in ihre Herkunftsgebiete zurückgekehrt, hauptsächlich in den Gouvernements Hama und Aleppo.

Am 4. Januar übertrugen die türkischen Behörden die Verwaltung aller Grenzübergänge zur Türkei im Norden Aleppos (Jarablus, Al Rai, Bab Al-Salama und Jinderes) an die syrischen Verwalterbehörden.

Anhaltende Zusammenstöße werden immer noch im ganzen Land gemeldet, und Schäden an der Infrastruktur, insbesondere im Nordosten, sind nach wie vor ein Hindernis für den Zugang und die Bereitstellung humanitärer Hilfe. Zivile Opfer durch Kriegsreste treten fast täglich auf. Zwischen dem 27. November und dem 5. Januar 2025 berichtete der syrische Zivilschutz (Weißhelme), dass mindestens 32 Zivilisten durch Explosionen von Kriegsresten getötet wurden.

Die Unterstützung und die frühzeitige Programmplanung des UNHCR für Binnenvertriebene und Rückkehrer sind vollständig einsatzbereit. In Aleppo hat das UNHCR die Installation von Kits zur Reparatur von Unterkünften für zurückkehrende Familien und die Solarisierung sanierter Gesundheitszentren wiederaufgenommen. Die Verteilung von Kernhilfsgütern und Überwinterungsmaterial an die Schwächsten ist im Gange, unter anderem in den Gouvernements As-Sweida, Dar’a, Aleppo und Qamishli. In Dar’a leisten das UNHCR und seine Partner auch sofortige Unterstützung für Familien, die den Grenzübergang Nassib überqueren und beschädigte Wohnungen sanieren. In Deir-ez-Zor wurde eine von der Gemeinde geführte Initiative zur Sanierung der Wasser- und Sanitäreinrichtungen, Türen und Fenster einer Grundschule abgeschlossen. Um die Aufnahmebedingungen zu verbessern, unterstützt das UNHCR die Instandhaltung von Einwanderungseinrichtungen an der Grenzübergangsstelle Jdaidet Yabous, die Anfang Dezember geplündert worden war.

Als Reaktion auf den wachsenden Bedarf unterstützte das UNHCR vom 27. November bis Ende 2024 über Gemeindezentren im ganzen Land mehr als 80.000 Menschen mit kritischen Schutzdiensten.

Türkei

Ab dem 1. Januar sind die Grenzübergänge Çobanbey / Al Rai und Zeytindalı / Jinderes für die Bearbeitung von Go-and-See-Besuchen geöffnet. Nach Angaben des Vorsitzes des Migrationsmanagements können Go-and-See-Besuche maximal dreimal vom Haushaltsvorstand durchgeführt werden. Wenn der Haushaltsvorstand nicht ausscheiden kann, kann stattdessen ein anderes erwachsenes Familienmitglied gehen. Diejenigen, die ihr autorisiertes Ausfahrtsrecht nutzen, müssen von demselben Tor aus, das sie verlassen haben, wieder in die Türkei einreisen. Vom 1. bis 8. Januar haben 1.766 Menschen diesen vorübergehenden Besuch genutzt, um nach Syrien zu reisen.

Am 9. Januar besuchte Innenminister Ali Yerlikaya den Grenzübergang Cilvegözü / Bab al Hawa, wo er bekannt gab, dass seit dem 8. Dezember 52.622 Menschen freiwillig aus der Türkei nach Syrien zurückgekehrt sind. Der Minister stellte fest, dass das Verfahren der freiwilligen Rückkehr im Einklang mit nationalem und internationalem Recht durchgeführt wird, wobei das UNHCR Zeuge des Prozesses ist.

Libanon

Drei offizielle Grenzübergänge zwischen dem Libanon und Syrien sind nach wie vor geöffnet, wobei der offizielle Grenzübergang Masnaa in Bekaa der einzige Grenzübergang ist, der für den Fahrzeugverkehr geöffnet ist. Die Bewegungen werden täglich mit einer niedrigen, aber stetigen Rate fortgesetzt, wobei an den offiziellen Grenzübergängen, meist durch Masnaa, täglich etwa 1.000 bis 1.500 Grenzübertritte stattfinden. Unregelmäßige und oft pendelnde Bewegungen finden weiterhin über inoffizielle Grenzübergangsstellen statt; Während die Zahlen schwieriger zu quantifizieren sind, handelt es sich bei diesen Überfahrten eher um kürzere Besuche von und nach Syrien.

Zum 7. Januar meldete das Katastrophenrisikomanagement der Regierung rund 87 000 Ankünfte aus Syrien im Gouvernement Baalbek, darunter 20 000 Libanesen. Unter den Ankömmlingen leben etwa 35.000 Menschen, meist Syrer, in 187 informellen Sammelunterkünften und weitere 52.000 in der Gemeinde. Diese Zahlen sind seit dem Sturz der vorherigen Regierung in Syrien ziemlich statisch geblieben. Das UNHCR unternahm am 3. Januar eine Mission nach Al Qasr und Hermel, traf sich mit dem Bürgermeister und besuchte zusammen mit UNICEF und OCHA drei gemeinsame Stätten. Heizung/Brennstoff, Hygieneeinrichtungen und Lebensmittel werden dringend benötigt, wobei sektorübergreifende Unterstützung im Gange ist.

Am 6. Januar erklärte die syrische Botschaft in Beirut, dass die Ausstellung gültiger Rückführungsdokumente (Laissez-Passer) für Syrer derzeit bis zur Umsetzung neuer Richtlinien kostenlos sei.

Jordanien

Während die Gesamtzahl der Syrer, die von Jordanien nach Syrien überquert wurden, deutlich höher ist, kehrten im Dezember 2024 mindestens 5.100 syrische Flüchtlinge, die beim UNHCR registriert waren, nach Syrien zurück, die meisten von ihnen nach dem Sturz des Assad-Regimes. Damit steigt die Gesamtzahl der registrierten Flüchtlinge, die 2024 aus Jordanien zurückkehren, auf rund 17.200, was einen deutlichen Anstieg gegenüber den vorangegangenen Monaten im Jahr 2024 sowie gegenüber den Vorjahren darstellt. Die Zahl der Rückführungen von Flüchtlingen im Dezember 2024 übertraf die Gesamtzahl der Rückführungen im gesamten Jahr 2023, die rund 4.400 betrug. UNHCR ist sich bewusst, dass der tägliche Durchschnitt der registrierten Flüchtlinge, die im Januar 2025 zurückkehren, gestiegen ist. Viele Flüchtlinge, die aus Jordanien nach Syrien zurückkehren, stammen aus Dara, obwohl ein zunehmender Anteil aus anderen Gebieten Syriens, insbesondere aus Homs, stammt. Flüchtlinge kehrten vor allem aus städtischen und ländlichen Gebieten Jordaniens zurück.

Im Dezember waren 64 % der Rückkehrer Männer/Jungen und 36 % Frauen und Mädchen. Davon waren 36% komplette Familieneinheiten, was bedeutet, dass alle Familienmitglieder wieder zusammen reisten. Kinder (sowohl Jungen als auch Mädchen) machen im Laufe des Monats rund 27 % der gesamten Rückkehrer aus, und ältere Menschen etwa 5 % der Rückkehrer.

Eine beachtliche Anzahl von Bussen vom Queen Alia International Airport in Amman befördert Passagiere zur syrischen Grenze. Die Passagiere kamen überwiegend aus Europa, einige aus dem Golf. Die meisten Passagiere sind Syrer, die hoffen, ihre Familie und Freunde in Syrien vorübergehend zu besuchen.

Die Helpline des UNHCR erhielt weiterhin Anrufe von syrischen Flüchtlingen mit Fragen zur Rückkehr und suchte häufig nach Klarheit über Ausreiseformalitäten, um sich auf ihre Rückkehr nach Syrien vorzubereiten. Darüber hinaus führt UNHCR regelmäßig Fokusgruppendiskussionen mit Flüchtlingsgemeinschaften durch. In den letzten Tagen wurden Bedenken hinsichtlich der privaten Transportkosten geäußert. Darüber hinaus erhielt UNHCR Berichte, dass Flüchtlinge Gebühren von Transportunternehmen an der Grenze erhoben wurden, die Berichten zufolge Servicegebühren sowohl für den Transport als auch für die Fertigstellung des Gepäckmanifests verlangten. Flüchtlinge in Jordanien sind jedoch mit gültigen Dokumenten von Zollgebühren befreit.

Finanzielle Herausforderungen sind nach wie vor ein zentrales Anliegen für die Rückkehrentscheidungen der Flüchtlinge, wobei die Kosten für den Transport nach Syrien erheblich sind. Im Flüchtlingslager Zata’ari stellten Ladenbesitzer in der informellen Marktstraße fest, dass die Bewohner ihren Konsum von Non-Food-Artikeln erheblich reduziert haben, vermutlich um Geld zu sparen.

Irak

Schätzungsweise 2.000 Syrer sind seit dem 8. Dezember dauerhaft aus dem Irak zurückgekehrt, darunter 159 Syrer, die beim UNHCR registriert sind. Diese Rückführungen erfolgten sowohl über den Grenzübergang Peschkabour zwischen Syrien und der Region Kurdistan im Irak (KR-I) als auch über den Grenzübergang Al-Qaim im Bundesirak.

In der vergangenen Woche hat das UNHCR einen leichten Rückgang der Zahl der registrierten syrischen Flüchtlinge festgestellt, die über Peschkabour zurückkehren. Die Gesamtzahl der Flüchtlinge ist nach wie vor gering: Im Durchschnitt kehren täglich sieben syrische Flüchtlinge zurück. Die meisten syrischen Flüchtlinge, die in der letzten Woche zurückgekehrt sind, sind nach Al-Hassakeh zurückgekehrt, gefolgt von Aleppo, wobei die Rückkehrer die verbesserte Sicherheitslage und die hohen Lebenshaltungskosten in KR-I als Hauptgründe für ihre Rückkehr anführen.

Die Bewegung der Syrer, die über die Peshkhabour-Grenzein den Irak einreisten, setzte sich täglich mit etwa 500 Päpsten fort. Diese Zahl stieg gegenüber den Vorwochen vor allem aufgrund von Personen, die reisen, um das neue Jahr mit der Familie im Ausland zu feiern. Basierend auf Stichprobeninterviews, die durchgeführt wurden, sind die meisten Syrer, die über diesen Grenzübergang in den Irak einreisen, kurdischer Herkunft und weisen darauf hin, dass sie entweder vorübergehend zum KR-I für Familienbesuche kommen oder KR-I als Transitpunkt für Reisen an einen anderen Ort nutzen und planen, danach nach Syrien zurückzukehren. Sie kommen hauptsächlich aus Al-Hassakeh, Ar-Raqqa und Aleppo. Der Grenzübergang Al-Qaim im Bundesirak bleibt für die Einreise in den Irak geschlossen.

Ägypten

Zwischen dem 8. Dezember 2024 und dem 4. Januar 2025 haben syrische Flüchtlinge in Ägypten 1.810 Anträge auf Abschluss von Fällen eingereicht, an denen 3.374 Personen beteiligt waren, was einem Durchschnitt von 99 Anträgen pro Tag entspricht, verglichen mit dem Durchschnitt vom November 2024 von 7.

Die ägyptische Regierung hat ab dem 17. Dezember 2024 strengere Einreisebestimmungen für alle syrischen Staatsangehörigen eingeführt. Die neuen Anforderungen sehen vor, dass Syrer mit Wohnsitz in europäischen, amerikanischen, kanadischen und Golfstaaten Visa und Sicherheitsgenehmigungen von ägyptischen Botschaften im Ausland erhalten, bevor sie nach Ägypten reisen. Diese Änderung hebt frühere Ausnahmen auf, die es Syrern mit Wohnsitz in den oben genannten Ländern ermöglichten, ohne Sicherheitsermächtigung einzureisen. Das UNHCR analysiert derzeit die möglichen Auswirkungen dieser Änderung auf den Schutz.

Am 2. Januar erklärte die syrische Botschaft in Kairo über ihre Facebook-Seite, dass neue Maßnahmen zur Erleichterung der Rückkehr syrischer Staatsangehöriger eingeführt worden seien, darunter eine kostenlose Dokumentenzertifizierung und eine einmalige sechsmonatige Reisepassverlängerung. In der Erklärung wird darauf hingewiesen, dass die Gebührenbefreiungen nur für den Dokumentenzertifizierungsprozess gelten und andere Dienstleistungen ausschließen.

UNHCR POSITION ÜBER DIE RÜCKKEHR IN DIE SYRISCHE ARABISCHE REPUBLIK, Dezember 2024

Freiwillige Rückkehr

Syrien befindet sich an einem Scheideweg – zwischen Frieden und Krieg, Stabilität und Gesetzlosigkeit, Wiederaufbau oder weiterem Ruin. Es gibt jetzt eine bemerkenswerte Gelegenheit für Syrien, sich in Richtung Frieden zu bewegen, und für sein Volk, nach Hause zurückzukehren. Seit vielen Jahren besteht das UNHCR auf der Notwendigkeit, die Anstrengungen zu verdoppeln, um günstige Bedingungen für Flüchtlinge und Vertriebene zu schaffen, damit sie nach Hause zurückkehren können, und die derzeitige Situation eröffnet in dieser Hinsicht neue Möglichkeiten, die von allen genutzt werden müssen. Dazu gehört auch die Beseitigung und/oder das Thematisieren neuer sicherheitspolitischer, rechtlicher und administrativer Hindernisse seitens der syrischen De-facto-Behörden; umfangreiche humanitäre Hilfe und Soforthilfe, die von den Geberstaaten für Rückkehrer, Gemeinschaften, die sie zurückerhalten, und Gebiete mit tatsächlicher und potenzieller Rückkehr im Allgemeinen bereitzustellen ist; und die Ermächtigung des UNHCR und seiner Partner, die Rückführungen an Grenzübergängen und an Orten, an denen sich die Menschen für die Rückkehr entscheiden, zu überwachen.

Jeder hat das Recht, in sein Herkunftsland zurückzukehren. UNHCR ist bereit, syrische Flüchtlinge zu unterstützen, die sich nach umfassender Information über die Lage an ihren Herkunftsorten oder in einem alternativen Gebiet ihrer Wahl freiwillig für eine Rückkehr entscheiden. Angesichts der zahlreichen Herausforderungen, mit denen die syrische Bevölkerung konfrontiert ist, darunter eine groß angelegte humanitäre Krise, ein anhaltend hohes Maß an Binnenvertreibung und die weit verbreitete Zerstörung und Beschädigung von Häusern und kritischer Infrastruktur, fördert das UNHCR jedoch vorerst keine groß angelegte freiwillige Rückführung nach Syrien.

Moratorium für Zwangsrückführungen

Zum gegenwärtigen Zeitpunkt ist Syrien weiterhin von Angriffen und Gewalt in Teilen des Landes betroffen; großflächige interne Verdrängung; Kontamination vieler Teile des Landes mit explosiven Kriegsresten; eine verwüstete Wirtschaft und eine große humanitäre Krise, in der vor den jüngsten Entwicklungen bereits über 16 Millionen Menschen humanitäre Hilfe benötigen. Darüber hinaus hat Syrien, wie bereits erwähnt, massive Zerstörungen und Schäden an Häusern, kritischen Infrastrukturen und landwirtschaftlichen Flächen erlitten. Eigentumsrechte wurden stark beeinträchtigt, wobei in den letzten zehn Jahren weit verbreitete Verstöße gegen Wohn-, Grundstücks- und Eigentumsrechte verzeichnet wurden, was zu komplexen Eigentumsstreitigkeiten führte, deren Beilegung Zeit in Anspruch nehmen wird. Vor diesem Hintergrund fordert das UNHCR die Staaten vorerst weiterhin auf, syrische Staatsangehörige und ehemalige gewöhnliche Bewohner Syriens, einschließlich Palästinenser, die zuvor in Syrien wohnhaft waren, nicht gewaltsam in einen Teil Syriens zurückzuführen.

Aussetzung der Ausstellung negativer Entscheidungen für syrische Antragsteller auf internationalen Schutz

Das UNHCR fordert weiterhin alle Staaten auf, Zivilisten, die aus Syrien fliehen, Zugang zu ihren Hoheitsgebieten zu gewähren, das Recht auf Asyl zu gewährleisten und jederzeit die Achtung des Grundsatzes der Nichtzurückweisung zu gewährleisten.

Während die Risiken im Zusammenhang mit der Verfolgung durch die ehemalige Regierung aufgehört haben, können andere Risiken bestehen bleiben oder sich verstärken. Angesichts der rasch veränderten Dynamik und der sich wandelnden Lage in Syrien ist das UNHCR derzeit nicht in der Lage, den Asylentscheidern detaillierte Leitlinien für den internationalen Schutzbedarf der Syrer zur Verfügung zu stellen. Das UNHCR wird die Lage weiterhin genau beobachten, um detailliertere Leitlinien bereitzustellen, sobald die Umstände dies zulassen. Angesichts der derzeitigen Ungewissheit über die Lage in Syrien fordert das UNHCR die Asylstaaten auf, die Ausstellung negativer Entscheidungen über Anträge auf internationalen Schutz durch syrische Staatsangehörige oder Staatenlose, die ihren früheren gewöhnlichen Aufenthalt in Syrien hatten, auszusetzen. Die Aussetzung des Erlasses negativer Entscheidungen sollte so lange in Kraft bleiben, bis sich die Lage in Syrien stabilisiert hat und zuverlässige Informationen über die Sicherheits- und Menschenrechtslage vorliegen, um eine umfassende Bewertung der Notwendigkeit vorzunehmen, einzelnen Antragstellern den Flüchtlingsstatus zuzuerkennen.

Das UNHCR ist der Auffassung, dass die Voraussetzungen für die Beendigung der Flüchtlingseigenschaft für Personen, denen internationaler Schutz zuerkannt wurde und die aus Syrien stammen, derzeit nicht erfüllt sind.

2. Beweiswürdigung:

Die Sachverhaltsfeststellungen stützen sich auf den Verwaltungsverfahrensakt des BFA, den Gerichtsakt des Bundesverwaltungsgerichtes und das Ergebnis der durchgeführten mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht. Die konkreten Beweismittel sind bei den Sachverhaltsfeststellungen bzw in der Beweiswürdigung jeweils in Klammer angeführt.

2.1 Zur Person des Beschwerdeführers (oben 1.1)

Die Angaben des Beschwerdeführers zu seiner Staatsangehörigkeit und Herkunft, die er im Zuge des Verfahrens vor dem BFA und in der mündlichen Verhandlung gemacht hat, waren auf Grund seiner Orts- und Sprachkenntnisse nicht zu bezweifeln. Mangels Vorlage von Identitätsdokumenten im Original konnte die Identität jedoch nicht abschließend festgestellt werden.

Der festgestellte gegenwärtige Aufenthaltsstatus ergibt sich aus den rechtskräftigen Spruchpunkten II und III des gegenständlich angefochtenen Bescheides in Zusammenschau mit den dazu korrespondierenden Eintragungen im Zentralen Fremdenregister (IZR).

2.2 Zum Herkunftsort des Beschwerdeführers (oben 1.2)

Die Feststellungen zum Heimatort des Beschwerdeführers im Gouvernement Idlib und seiner Fluchtbewegung bis zu seiner Ausreise aus Syrien beruhen auf den dazu widerspruchsfreien und schlüssigen Angaben des Beschwerdeführers vor dem BFA sowie in der mündlichen Verhandlung. (NS 25.05.2023 S 3; VS 23.01.2024 S 4, 7)

2.3 Zur Begründung des Antrages auf internationalen Schutz (oben 1.3)

2.3.1 Die Ausführungen des Beschwerdeführers zu seinen Fluchtgründen beruhen auf seinen protokollierten Aussagen im Zuge der Befragungen durch den öffentlichen Sicherheitsdienst, der Einvernahme vor dem BFA sowie seiner Beschwerde und dem Ergebnis der mündlichen Verhandlung.

2.3.2 Die Feststellungen, wonach der Beschwerdeführer mit seinem Vorbringen nicht glaubhaft gemacht hat und es sich auch sonst nicht ergibt, dass er im Falle einer Rückkehr – zum gegenwärtigen Zeitpunkt – in Syrien – mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit – individuell konkret einer aktuellen und unmittelbaren Bedrohung aus ethnischen, religiösen oder politischen Gründen oder aufgrund der Nationalität oder Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe ausgesetzt sein wird, oder ihm aus einem dieser Motive Schutz durch die gegenwärtigen Machthaber in Syrien verweigert werden würde, beruhen auf folgenden Erwägungen:

Glaubhaftes Vorbringen

Glaubhaft ist die vom Beschwerdeführer als Ausreisegrund vorgebrachte Furcht vor dem syrischen Regime, der drohenden Einberufung zum syrischen Militärdienst sowie der mangelnden Sicherheit und Zukunft, da der Beschwerdeführer dies während des gesamten Verfahrens vor dem BFA, in der Beschwerde und auch in der mündlichen Verhandlung im Wesentlichen übereinstimmend, widerspruchsfrei und schlüssig darlegen konnte. (NS EV 25.05.2023 S 4 ff; VS 23.01.2024 S 5 ff)

Unglaubhaftes Vorbringen

Nicht glaubhaft ist hingegen das vom Beschwerdeführer in der mündlichen Verhandlung am 23.01.2024 erstattete Vorbringen, wonach er von der Al-Nusra-Front bzw der HTS und seinem Cousin XXXX persönlich konkret bedroht und verfolgt worden sei, er von seinem Cousin in ein Ausbildungscamp der Al-Nusra-Front gebracht worden sei, aus dem er geflohen sei, er deshalb Zuhause zusammengeschlagen worden sei, und ihm bei einer Rückkehr neuerlich eine solche Bedrohung und Verfolgung durch jene drohe und er bereits in der Türkei von seinem Cousin neuerlich bedroht worden sei, sowie, dass er auch einmal im Jahr 2020 wegen eines Facebook-Postings für 48 Stunden in Haft gewesen sei und im Jahr 2017 an einer Demonstration teilgenommen habe. (siehe VS 23.01.2024 S 5, 6)

Dies ist deshalb unglaubhaft, da er zum einen eine derartige, bereits in seiner Heimat erlittene Bedrohung und Verfolgung sowie Demonstrationsteilnahme weder im Verfahren vor dem BFA noch in der Beschwerde vorgebracht hat und dies zum anderen seinen Angaben im bisherigen Verfahren diametral widerspricht.

So hat der Beschwerdeführer in der Einvernahme vor dem BFA am 25.05.2023 auf konkrete Fragen des BFA geantwortet, dass es keinen Vorfall gegeben habe, wegen dem er ausgereist sei, er nur gesehen habe, dass die Zeit passe und reif sei. Er hat auch die Frage explizit verneint, ob jemand aus diesen Gruppierungen (Al-Nusra Front bzw HTS (Al „Haya“) jemals an ihn persönlich herangetreten sei. Er gab des Weiteren zur Antwort, dass er nie an Demonstrationen teilgenommen und sich nie in irgendeiner Form regimekritisch, etwa in Sozialen Medien, geäußert habe. Er verneinte auch explizit die Frage, ob er selbst jemals einer aktuellen und/oder individuellen Bedrohung oder Verfolgung ausgesetzt gewesen sei oder er im Speziellen bedroht oder verfolgt worden sei. (NS EV 25.05.2023 S 5)

Auch in seiner Beschwerde, bei welcher der Beschwerdeführer bereits rechtsfreundlich von einer im Asylrecht spezialisierten und mit der gesetzlich vorgesehenen Rechtsberatung und Rechtsvertretung vor dem BFA und dem Bundesverwaltungsgericht betrauten Organisation vertreten wurde, wurde keine persönlich und bereits konkret erlittene Verfolgung oder Bedrohung vorgebracht. (Beschwerde 04.08.2023)

Die Rechtfertigung des Beschwerdeführers in der Verhandlung dafür, dass er diese nunmehr vorgebrachten Verfolgungshandlungen nicht bereits zu einem früheren Zeitpunkt im Verfahren vorgebracht hat, überzeugt nicht. So gab er an, dass er beim BFA sehr nervös gewesen sei, weil er noch nie vor einem Richter gestanden sei und ihm seine „Jungs“ vor der Einvernahme gesagt hätten, dass er das nicht erzählen solle, er sich nicht ausgekannt und Angst gehabt habe. Der Mann, der ihn zur Einvernahme gebracht habe, sei schon 30 Jahre hier und der Beschwerdeführer habe gedacht, dass jener sich sicher besser auskenne. Jener habe dem Beschwerdeführer gesagt, dass es besser wäre, wenn er nichts über die Revolution oder die Gruppierungen erzählen würde. (VS 23.01.2024 S 7)

Es kein Grund erkennbar und nicht nachvollziehbar, weswegen der Beschwerdeführer eine bereits von ihm erlittene Verfolgung durch seinen Cousin bei einer Einvernahme vor dem BFA bewusst verschweigen hätte sollen, wenn es solche Vorfälle tatsächlich gegeben hätte, und er stattdessen sogar konkrete Fragen des BFA nach konkret erlittenen Verfolgungshandlungen und Vorfällen explizit verneint. Zumindest wäre zu erwarten gewesen, dass er spätestens in der Beschwerde nach Beratung mit seiner Rechtsvertretung eine bereits konkret erlittene Verfolgung oder Bedrohung ausführt. Schließlich hat er in der mündlichen Verhandlung nicht dargelegt, was ihn dazu bewogen hätte, jenes Vorbringen dann doch noch zu erstatten.

Aufgrund des hier dargestellten widersprüchlichen und unschlüssigen Aussageverhaltens des Beschwerdeführers erweisen sich die in der mündlichen Verhandlung erstmals vorgebrachten Vorfälle und die behauptete erlittene und erneut drohende Verfolgung und Bedrohung durch seinen Cousin, die Al-Nusra-Front oder die HTS als nicht glaubhaft.

Keine weiteren oder neuen Verfolgungsgründe

Der Beschwerdeführer hat in der mündlichen Verhandlung selbst angegeben, dass er sich abgesehen von seinem Cousin XXXX und dem syrischen Regime vor keinen Institutionen, Gruppierungen oder Personen konkret fürchte. (VS 23.01.2024 S 6) Zuvor wurde bereits dargelegt, dass und aus welchen Gründen die erstmals in der Verhandlung vorgebrachte Verfolgung durch seinen Cousin SAER und der Al-Nusra-Front oder HTS nicht glaubhaft ist.

Aufgrund der festgestellten aktuellen Lage in Syrien seit 08.12.2024 besteht für den Beschwerdeführer nach dem Sturz des syrischen Assad-Regimes mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit keine Gefahr mehr, von diesem verfolgt oder zum Militärdienst der syrischen Armee eingezogen oder wegen Wehrdienstentziehung oder seiner Asylantragstellung im Ausland bestraft zu werden.

Über die Lageentwicklung und Lageänderung in Syrien wird seit Anfang Dezember 2024 weltweit in den „klassischen“ Massenmedien (Rundfunk, Fernsehen, Print) sowie Sozialen Medien laufend mit aktuell erhöhter Aufmerksamkeit berichtet, weshalb es sich dabei um offenkundige Tatsachen handelt und vorausgesetzt werden kann, dass sie auch dem Beschwerdeführer bekannt sind. (siehe VwGH 05.09.1997, 96/02/0306, wonach eine Behörde nicht gehalten ist, offenkundige Tatsachen, von denen feststeht, dass sie der Partei bekannt sind, vorzuhalten.) Der rechtsfreundlich vertretene Beschwerdeführer hat bis zum gegenwärtigen Zeitpunkt nicht bekannt gegeben, dass sich seine Ausreisegründe oder Rückkehrbefürchtungen aufgrund der nun aktuellen Lage in Syrien geändert hätten.

2.4 Zur aktuellen Lage in Syrien (oben 1.4)

Die Feststellungen zur aktuellen Lage beruhen auf den jüngsten BAMF Briefing Notes seit 09.12.2024, der Kurzinformation der Staatendokumentation vom 10.12.2024 zu Syrien, Sicherheitslage, Politische Lage Dezember 2024: Opposition übernimmt Kontrolle, al-Assad flieht, dem Bericht des ISW – Institute for the Study of War, Iran Update, December 16, 2024, dem jüngsten UNHCR - Regional Flash Update #9 Syria situation crisis vom 10.01.2025 und der UNHCR Position über die Rückkehr in die Syrische Arabische Republik vom Dezember 2024.

3. Rechtliche Beurteilung:

Zu A)

Zum Status eines Asylberechtigten (§ 3 AsylG 2005)

3.1 Voraussetzung für die Zuerkennung des Status des Asylberechtigten ist die Glaubhaftmachung, dass dem Asylwerber im Herkunftsstaat Verfolgung im Sinn des Art. 1 Abschnitt A Z 2 Genfer Flüchtlingskonvention, demnach aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung, droht (VwGH 02.09.2015, Ra 2015/19/0143).

Zentraler Aspekt der in Art 1 Abschnitt A Z 2 GFK definierten Verfolgung im Herkunftsstaat ist die wohlbegründete Furcht davor. Eine Furcht kann nur dann wohlbegründet sein, wenn sie im Licht der speziellen Situation des Asylwerbers unter Berücksichtigung der Verhältnisse im Verfolgerstaat objektiv nachvollziehbar ist. Es kommt nicht darauf an, ob sich eine bestimmte Person in einer konkreten Situation tatsächlich fürchtet, sondern ob sich eine mit Vernunft begabte Person in dieser Situation aus Konventionsgründen fürchten würde (VwGH 05.09.2016, Ra 2016/19/0074).

3.2 Die Gefahr der Verfolgung im Sinn des § 3 Abs 1 AsylG 2005 iVm Art 1 Abschnitt A Z 2 der GFK kann nicht nur ausschließlich aus individuell gegenüber dem Einzelnen gesetzten Verfolgungshandlungen abgeleitet werden. Sie kann auch darin begründet sein, dass regelmäßig Maßnahmen zielgerichtet gegen Dritte gesetzt werden, und zwar wegen einer Eigenschaft, die der Betreffende mit diesen Personen teilt, sodass die begründete Annahme besteht, (auch) er könnte unabhängig von individuellen Momenten solchen Maßnahmen ausgesetzt sein. Droht den Angehörigen bestimmter Personengruppen eine über die allgemeinen Gefahren eines Bürgerkriegs hinausgehende "Gruppenverfolgung", hat bei einer solchen, gegen eine ganze Personengruppe gerichteten Verfolgung jedes einzelne Mitglied schon wegen seiner Zugehörigkeit zu dieser Gruppe Grund, auch individuell gegen seine Person gerichtete Verfolgung zu befürchten; diesfalls genügt für die geforderte Individualisierung einer Verfolgungsgefahr die Glaubhaftmachung der Zugehörigkeit zu dieser Gruppe (VwGH 28.03.2019, Ra 2018/14/0428).

Zum gegenständlichen Fall

3.3 Der Beschwerdeführer hat während des gesamten Verfahrens ausschließlich eine Furcht vor Verfolgung durch das syrische Regime glaubhaft vorgebracht. Nicht glaubhaft ist laut festgestelltem Sachverhalt die erstmals in der Verhandlung behauptete Verfolgung durch einen Cousin, durch die Al-Nusra-Front oder die HTS. Eine Furcht vor Verfolgung oder Bedrohungen durch andere Institutionen, Gruppierungen oder Personen wurde vom Beschwerdeführer ausdrücklich verneint.

Aufgrund der festgestellten aktuellen Lage in Syrien besteht für den Beschwerdeführer nach dem Sturz des syrischen Assad-Regimes mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit keine Gefahr mehr, von diesem verfolgt oder zum Militärdienst der syrischen Armee eingezogen oder wegen Wehrdienstentziehung bestraft zu werden. Ausgehend von den aktuellen Länderfeststellungen wurden bereits Hunderte Soldaten entlassen und der HTS Anführer Ahmed al Sharaa (aka Abu Mohammad al Jolani) verkündete am 15. Dezember zudem, dass er eine Wehrdienstpflicht in Syrien abschaffen werde. Dem Beschwerdeführer droht damit zum gegenwärtigen Zeitpunkt auch keine Wehrpflicht in einer Armee der aktuellen Machthaber.

Der Beschwerdeführer hat somit mit seinem Vorbringen nicht glaubhaft gemacht und es ergibt sich auch sonst nicht, dass er im Fall seiner Rückkehr nach Syrien – zum gegenwärtigen Zeitpunkt – tatsächlich – mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit – dort individuell konkret einer unmittelbaren Bedrohung oder Verfolgung aus ethnischen, religiösen oder politischen Gründen oder aufgrund der Nationalität oder Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe ausgesetzt sein wird, oder ihm aus einem dieser Motive Schutz durch die gegenwärtigen Machthaber in Syrien verweigert werden würde.

3.4 Im gegenständlichen Fall liegen somit keine substantiellen stichhaltigen Gründe für das Vorliegen einer mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit drohenden individuellen Gefahr der Verfolgung nach § 3 Abs 1 AsylG iVm Art 1 Abschnitt A Z 2 der GFK vor.

Es sind somit die Voraussetzungen für die Zuerkennung des Status eines Asylberechtigten zum gegenwärtigen Entscheidungszeitpunkt nicht gegeben.

UNHCR fordert in seiner Position über die Rückkehr in die Syrische Arabische Republik vom Dezember 2024 dazu auf, keine negativen Entscheidungenüber Anträge auf internationalen Schutz zu treffen, differenziert dabei jedoch nicht zwischen Personen, denen bereits internationaler Schutz in Form des subsidiären Schutzes zukommt, und Personen, denen noch keine Form des Schutzes zukommt. Im vorliegenden Fall kommt dem Beschwerdeführer jedoch bereits rechtskräftig der Status eines subsidiär Schutzberechtigten zu und an diesem Status ändert sich auch nichts durch die hier zu treffende Entscheidung. Sollte der Beschwerdeführer in naher oder entfernterer Zukunft eine Verfolgung iSd GFK befürchten, so hat der Beschwerdeführer weiterhin das Recht, dann einen neuen Antrag auf internationalen Schutz in Hinblick auf die Zuerkennung des Status eines Asylberechtigten zu stellen.

3.5 Die Beschwerde gegen Spruchpunkt I des angefochtenen Bescheides des BFA wird daher als unbegründet abgewiesen.

Zu B)

Revision

3.6 Die ordentliche Revision ist nicht zulässig, da die für den vorliegenden Fall relevante Rechtslage durch die zitierte Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes geklärt ist.

3.7 Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.