JudikaturBVwG

W218 2294550-1 – Bundesverwaltungsgericht Entscheidung

Entscheidung
19. Dezember 2024

Spruch

W218 2294550-1/6E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. Benedikta TAURER als Vorsitzende und die Richterin Mag. Marion STEINER-KOPSCHAR sowie die fachkundige Laienrichterin Mag. Bettina PINTER als Beisitzerinnen über die Beschwerde der XXXX , geboren am XXXX , bevollmächtigt vertreten durch den Kriegsopfer- und Behindertenverband für Wien, NÖ und Bgld., gegen den Bescheid des Bundesamtes für Soziales und Behindertenwesen, Landesstelle Wien, vom 15.05.2024, betreffend die Abweisung des Antrages auf Ausstellung eines Behindertenpasses, zu Recht erkannt:

A)

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

Entscheidungsgründe:

I. Verfahrensgang:

1. Mit Bescheid vom 15.05.2024 stellte das Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen (Kurzbezeichnung: Sozialministeriumservice; in der Folge belangte Behörde genannt) fest, dass mit einem Grad der Behinderung von 30 vH die Voraussetzungen für die Ausstellung eines Behindertenpasses nicht gegeben seien.

2. Gegen diesen Bescheid wurde vom bevollmächtigten Vertreter fristgerecht Beschwerde erhoben. Unter Vorlage eines Beweismittels wurde im Wesentlichen vorgebracht, dass der bei der Beschwerdeführerin vorliegende Zustand mit Spätfolgen nach rechtsparietalen Hirninfarkt nicht berücksichtigt worden sei. Es liege zudem ein Morbus Meniere vor.

3. Die gegenständliche Beschwerde und die Bezug habenden Verwaltungsakten langten am 01.07.2024 beim Bundesverwaltungsgericht ein.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Der Gesamtgrad der Behinderung beträgt 30 vH.

Die Beschwerdeführerin leidet an folgenden Funktionseinschränkungen:

1. posttraumatische Belastungsstörung, Somatisierungsstörung, Anhaltende somatoforme Schmerzstörung, Dissoziative Störungen [Konversionsstörungen]- Dissoziative Krampfanfälle, Angst und depressive Störung gemischt, Pos.Nr.: 03.05.01, Grad der Behinderung 30%

2. Degenerative Veränderungen des Stütz- und Bewegungsapparates, Cervicalsyndrom, Lumbalgie, Kniegelenksarthrose beidseits, Pos.Nr.: 02.02.01, Grad der Behinderung 20%

3. Tinnitus, Pos.Nr.: 12.02.02, Grad der Behinderung 20%

4. Gleichgewichtsstörung, Pos.Nr.: 12.03.01, Grad der Behinderung 10%

5. Geringgradige Hörstörung beidseits, Pos.Nr.: 12.02.01, Grad der Behinderung 10%

Da die Beschwerdeführerin keinen Gesamtgrad der Behinderung von 50% (fünfzig v.H.) erreicht, sind die Voraussetzungen für die Ausstellung eines Behindertenpasses nicht erfüllt.

2. Beweiswürdigung:

Die eingeholten ärztlichen Sachverständigengutachten sind schlüssig und nachvollziehbar, sie weisen keine Widersprüche auf. Es wurde auf die Art der Leiden und deren Ausmaß ausführlich eingegangen. Die getroffenen Einschätzungen, basierend auf dem im Rahmen persönlicher Untersuchungen der Beschwerdeführerin erhobenen klinischen Befund, entsprechen den festgestellten Funktionseinschränkungen.

Im medizinischen Sachverständigengutachten einer Fachärztin für Neurologie und Psychiatrie, wird, basierend auf der persönlichen Untersuchung der Beschwerdeführerin, am 08.04.2024, im Wesentlichen Folgendes ausgeführt:

Die psychiatrische Sachverständige stufte das führende Leiden 1 „posttraumatische Belastungsstörung, Somatisierungsstörung, Anhaltende somatoforme Schmerzstörung, Dissoziative Störungen [Konversionsstörungen]- Dissoziative Krampfanfälle, Angst und depressive Störung gemischt“ schlüssig und nachvollziehbar nach den Kriterien der Einschätzungsverordnung unter der Positionsnummer 03.05.01 und einem Grad der Behinderung von 30 vH ein. Begründet wurde die Wahl mit zwei Stufen über dem unteren Rahmensatz mit der dauerhaften affektiven und somatischen Störung.

Der Status psychicus wurde in der persönlichen Untersuchung wie folgt erhoben: „Blickkontakt gelingt, antwortet der Dolmetscherin prompt, klagsam, soweit bei Fremdspachlichkeit beurteilbar orientiert, kein schwerwiegendes kognitiv- mnestisches Defizit, Gedankenductus: geordnet, kohärent; Konzentration und Antrieb in der Untersuchung unauffällig; Stimmungslage gedrückt, kaum in Pos. affizierbar; deutliche Hinweise für Somatisierung“.

Eine höhere Einstufung des Grades der Behinderung ist derzeit nicht vorzunehmen, im Vergleich zum Vorgutachten vom 04.08.2021 konnte jedoch aufgrund der Befundlage und dem klinischen Bild durch die Fachärztin eine Erhöhung des Grades der Behinderung um insgesamt eine Stufe vorgenommen werden.

Die belangte Behörde holte weiters ein medizinisches Sachverständigengutachten eines Facharztes für Unfallchirurgie, Arzt für Allgemeinmedizin, basierend auf der persönlichen Untersuchung der Beschwerdeführerin, am 06.02.2024, ein, in dem im Wesentlichen Folgendes ausgeführt wird:

Die bei der Beschwerdeführerin vorliegenden „Degenerative Veränderungen des Stütz- und Bewegungsapparates, Cervicalsyndrom, Lumbalgie, Kniegelenksarthrose beidseits“ (in der Gesamtbeurteilung unter laufender Nummer 2 angeführt) wurden unter der Positionsnummer 02.02.01 und einem Grad der Behinderung von 20 vH eingestuft. Bei der Beschwerdeführein liegen polytope Beschwerden, jedoch ohne relevante funktionelle Einschränkungen vor.

Im Zuge der persönlichen Untersuchung konnten keine höhergradigen Einschränkungen im Bereich der Wirbelsäule objektiviert werden, der Oberkörper war im Stehen nach vorn und rechts geneigt. Um Zuge der persönlichen Untersuchung konnte die Beschwerdeführerin sich im Sitzen praktisch uneingeschränkt nach vorne beugen. Die Hüftgelenke und Kniegelenke konnten über 90° gebeugt werden, die Streckung war jeweils uneingeschränkt möglich. Die Beschwerdeführerin konnte den Barfußgang nur stark verlangsamt ausführen, sie kam zudem mit einem Rollmobil zur persönlichen Untersuchung und ging etwas verlangsamt, aber hinkfrei und sicher, beim Barfußgang war ein abwechselndes Hinken zu beobachten.

Der medizinische Sachverständige führte im Gutachten hierzu aus, dass die Compliance der Beschwerdeführerin im Zuge der klinischen Untersuchung insgesamt mangelnd war, die von der Beschwerdeführerin in der Untersuchung geäußerten Schmerzen seien zudem nicht vollständig nachvollziehbar und waren auch bei leichten Berührungen vorhanden. Beim Rollmobil war auch noch teilweise die Originalfolie des Neugerätes vorhanden.

Eine höhere Einstufung des Grades der Behinderung ist derzeit nicht vorzunehmen, es liegen auch keine Befunde vor, welche eine höhere Einstufung bedingen würden.

Die belangte Behörde holte zudem ein medizinisches Sachverständigengutachten eines Facharztes für Hals-, Nasen- und Ohrenheilkunde, basierend auf der persönlichen Untersuchung der Beschwerdeführerin, am 09.01.2024, ein, in dem im Wesentlichen Folgendes ausgeführt wird:

Der fachärztliche Sachverständige stufte das in der Gesamtbeurteilung unter laufender Nummer 3 angeführte Leiden „Tinnitus“ schlüssig und nachvollziehbar mit einer Stufe über dem unteren Rahmensatz der Positionsnummer 12.02.02 und einem Grad der Behinderung von 20 vH ein, da diese Gesundheitsschädigung mit erheblichen psychovegetativen Begleiterscheinungen verknüpft ist.

Die „Gleichgewichtsstörung“ wurde (in der Gesamtbeurteilung als laufende Nummer 4) unter der Positionsnummer 12.03.01 mit einem Grad der Behinderung von 10 vH eingestuft. Die Wahl des unteren Rahmensatzes wurde damit begründet, dass auch bei subjektiven Beschwerden keine Nystagmen zu beobachten sind.

Dem Sachverständigengutachten ist zudem zu entnehmen, dass die Beschwerdeführerin im Zuge der persönlichen Untersuchung angab, an einem – akuten – Schwindel zu leiden, sie konnte trotzdem stabil und sicher ohne Irritationen im Untersuchungsstuhl sitzen, auch im Zuge der Lagerungsprüfung war kein Schwindel auslösbar.

Die bei der Beschwerdeführerin vorliegende „Geringgradige Hörstörung beidseits“ wurde – im Vergleich zum Vorgutachten erstmalig – in der Tabelle der Positionsnummer 12.02.01 unter der Zeile 2 in der Kolonne 2 mit dem unteren Rahmensatz und einem Grad der Behinderung von 10 vH eingestuft, da beidseitig lediglich eine Tieftonstörung vorliegt.

Schließlich holte die belangte Behörde eine Gesamtbeurteilung der bereits befassten Fachärztin für Neurologie und Psychiatrie vom 12.04.2024 ein, in dem der Gesamtgrad der Behinderung mit 30 vH eingestuft wurde. Dies wurde von der medizinischen Sachverständigen schlüssig und nachvollziehbar damit begründet, dass das führende Leiden 1 „posttraumatische Belastungsstörung, Somatisierungsstörung, Anhaltende somatoforme Schmerzstörung, Dissoziative Störungen [Konversionsstörungen]- Dissoziative Krampfanfälle, Angst und depressive Störung gemischt“ aufgrund teilweise überschneidender Auswirkungen durch Leiden 2 „posttraumatische Belastungsstörung, Somatisierungsstörung, Anhaltende somatoforme Schmerzstörung, Dissoziative Störungen [Konversionsstörungen]- Dissoziative Krampfanfälle, Angst und depressive Störung gemischt“ nicht weiter erhöht wird. Die Leiden 3 bis 5 erhöhen das führende Leiden auch nicht weiter, da keine wechselseitige relevante negative Leidensbeeinflussung vorliegt. Im Vergleich zum Vorgutachten konnte aufgrund der Verschlechterung der führenden Leiden 1 der Gesamtgrad der Behinderung um eine Stufe angehoben wurde.

In der Beschwerde wird vorgebracht, dass bei der Beschwerdeführerin ein Morbus Meniere und ein Zustand mit Spätfolgen nach rechtsparietalen Hirninfarktes vorliege, dies sei nicht ausreichend berücksichtigt worden. Dem fachärztlichen Gutachten vom 17.06.2024 ist hierzu zu entnehmen, dass der Schwindel und der Tinnitus als Spätfolgen eines rechtsparietalen Hirninfarktes zu werten seien. Hierzu ist auszuführen, dass der Tinnitus und die Gleichgewichtsstörungen nach den Kriterien der Einschätzungsordnung eingestuft wurden, wobei der Facharzt für Hals-, Nasen- und Ohrenheilkunde ausführte, dass der von der Beschwerdeführerin in der Untersuchung vorgebrachte Schwindel, wie oben bereits ausgeführt, nicht objektivierbar war. Dem vorgelegten Gutachten vom 17.06.2024 ist kein schlechterer Gesundheitszustand als gutachterlich festgestellt zu entnehmen.

Die Behörde (bzw. das Gericht) hat ein Gutachten auf seine Vollständigkeit und Schlüssigkeit zu überprüfen. Weitere Gutachten hat die Behörde nur dann einzuholen, wenn sich die vorliegenden Gutachten als nicht vollständig oder nicht schlüssig und damit als nicht ausreichend erweisen.

Die Beschwerdeführerin konnte keine Unschlüssigkeit oder Unvollständigkeit der Gutachten aufzeigen. Auch sind an der Person der Sachverständigen keine Bedenken aufgetreten.

Das Bundesverwaltungsgericht erachtet die eingeholten Sachverständigengutachten daher als schlüssig, vollständig und nachvollziehbar. In einer Zusammenschau der vorliegenden Befunde und der Gutachten, geht der erkennende Senat davon aus, dass die Sachverständigengutachten bzw. der darin festgelegte Grad der Behinderung von 30 v.H. der Entscheidung zugrunde zu legen sind.

Das Beschwerdevorbringen war nicht geeignet die gutachterliche Beurteilung, wonach ein Grad der Behinderung in Höhe von 30 vH vorliegt, zu entkräften.

Die vorgelegten Unterlagen enthalten keine neuen fachärztlichen Aspekte bzw. wurden diese bereits bei der Beurteilung berücksichtigt.

Die eingeholten Sachverständigengutachten stehen mit den Erfahrungen des Lebens, der ärztlichen Wissenschaft und den Denkgesetzen nicht in Widerspruch. Auch war dem Vorbringen sowie den eingeholten und vorgelegten Beweismitteln kein Anhaltspunkt zu entnehmen, die Tauglichkeit der befassten Sachverständigen oder deren Beurteilung beziehungsweise Feststellungen in Zweifel zu ziehen.

Die Sachverständigengutachten werden daher in freier Beweiswürdigung der Entscheidung zu Grunde gelegt.

Mit Eingabe vom 13.08.2024 legte die vertretene Beschwerdeführerin einen neuen ärztlichen Befundbericht vor. Dazu wird angemerkt, dass dieser Befundbericht dem Neuerungsverbot unterliegt.

Falls sich der Leidenszustand der Beschwerdeführerin maßgebend verschlechtert hat bzw. sich die Funktionseinschränkungen künftig verschlechtern, ist es zulässig, abermals einen Antrag auf Ausstellung eines Behindertenpasses zu stellen und kommt eine neuerliche Feststellung des Grades der Behinderung in Betracht. (vgl. dazu etwa VwGH vom 20.11.2012, Zl. 2011/11/0118 zu § 14 BEinstG). In diesem Zusammenhang ist zu beachten, dass gemäß§ 41 Abs. 2 BBG, falls der nochmalige Antrag innerhalb eines Jahres seit der letzten rechtskräftigen Entscheidung gestellt wird, eine offenkundige Änderung des Leidenszustandes glaubhaft geltend zu machen ist, ansonsten der Antrag ohne Durchführung eines Ermittlungsverfahrens zurückzuweisen ist.

3. Rechtliche Beurteilung:

Gemäß § 45 Abs. 3 BBG hat in Verfahren auf Ausstellung eines Behindertenpasses, auf Vornahme von Zusatzeintragungen oder auf Einschätzung des Grades der Behinderung die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts durch den Senat zu erfolgen. Gegenständlich liegt somit Senatszuständigkeit vor.

Zu A)

1. Zur Entscheidung in der Sache:

Unter Behinderung im Sinne dieses Bundesgesetzes ist die Auswirkung einer nicht nur vorübergehenden körperlichen, geistigen oder psychischen Funktionsbeeinträchtigung oder Beeinträchtigung der Sinnesfunktionen zu verstehen, die geeignet ist, die Teilhabe am Leben in der Gesellschaft zu erschweren. Als nicht nur vorübergehend gilt ein Zeitraum von mehr als voraussichtlich sechs Monaten. (§ 1 Abs. 2 BBG)

Behinderten Menschen mit Wohnsitz oder gewöhnlichem Aufenthalt im Inland und einem Grad der Behinderung oder einer Minderung der Erwerbsfähigkeit von mindestens 50% ist auf Antrag vom Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen (§ 45) ein Behindertenpaß auszustellen, wenn

1. ihr Grad der Behinderung (ihre Minderung der Erwerbsfähigkeit) nach bundesgesetzlichen Vorschriften durch Bescheid oder Urteil festgestellt ist oder

2. sie nach bundesgesetzlichen Vorschriften wegen Invalidität, Berufsunfähigkeit, Dienstunfähigkeit oder dauernder Erwerbsunfähigkeit Geldleistungen beziehen oder

3. sie nach bundesgesetzlichen Vorschriften ein Pflegegeld, eine Pflegezulage, eine Blindenzulage oder eine gleichartige Leistung erhalten oder

4. für sie erhöhte Familienbeihilfe bezogen wird oder sie selbst erhöhte Familienbeihilfe beziehen oder

5. sie dem Personenkreis der begünstigten Behinderten im Sinne des Behinderten-einstellungsgesetzes, BGBl. Nr. 22/1970, angehören.

(§ 40 Abs. 1 BBG)

Das Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen hat den Grad der Behinderung nach der Einschätzungsverordnung (BGBl. II Nr. 261/2010) unter Mitwirkung von ärztlichen Sachverständigen einzuschätzen, wenn

1. nach bundesgesetzlichen Vorschriften Leistungen wegen einer Behinderung erbracht werden und die hiefür maßgebenden Vorschriften keine Einschätzung vorsehen oder

2. zwei oder mehr Einschätzungen nach bundesgesetzlichen Vorschriften vorliegen und keine Gesamteinschätzung vorgenommen wurde oder

3. ein Fall des § 40 Abs. 2 vorliegt.

(§ 41 Abs. 1 BBG)

Auszug aus der Verordnung des Bundesministers für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz betreffend nähere Bestimmungen über die Feststellung des Grades der Behinderung (Einschätzungsverordnung) idgF:

„Grad der Behinderung

§ 2. (1) Die Auswirkungen der Funktionsbeeinträchtigungen sind als Grad der Behinderung zu beurteilen. Der Grad der Behinderung wird nach Art und Schwere der Funktionsbeeinträchtigung in festen Sätzen oder Rahmensätzen in der Anlage dieser Verordnung festgelegt. Die Anlage bildet einen Bestandteil dieser Verordnung.

(2) Bei Auswirkungen von Funktionsbeeinträchtigungen, die nicht in der Anlage angeführt sind, ist der Grad der Behinderung in Analogie zu vergleichbaren Funktionsbeeinträchtigungen festzulegen.

(3) Der Grad der Behinderung ist nach durch zehn teilbaren Hundertsätzen festzustellen. Ein um fünf geringerer Grad der Behinderung wird von ihnen mit umfasst. Das Ergebnis der Einschätzung innerhalb eines Rahmensatzes ist zu begründen.

Gesamtgrad der Behinderung

§ 3. (1) Eine Einschätzung des Gesamtgrades der Behinderung ist dann vorzunehmen, wenn mehrere Funktionsbeeinträchtigungen vorliegen. Bei der Ermittlung des Gesamtgrades der Behinderung sind die einzelnen Werte der Funktionsbeeinträchtigungen nicht zu addieren. Maßgebend sind die Auswirkungen der einzelnen Funktionsbeeinträchtigungen in ihrer Gesamtheit unter Berücksichtigung ihrer wechselseitigen Beziehungen zueinander.

(2) Bei der Ermittlung des Gesamtgrades der Behinderung ist zunächst von jener Funktionsbeeinträchtigung auszugehen, für die der höchste Wert festgestellt wurde. In der Folge ist zu prüfen, ob und inwieweit dieser durch die weiteren Funktionsbeeinträchtigungen erhöht wird. Gesundheitsschädigungen mit einem Ausmaß von weniger als 20 vH sind außer Betracht zu lassen, sofern eine solche Gesundheitsschädigung im Zusammenwirken mit einer anderen Gesundheitsschädigung keine wesentliche Funktionsbeeinträchtigung verursacht.

Bei Überschneidungen von Funktionsbeeinträchtigungen ist grundsätzlich vom höheren Grad der Behinderung auszugehen.

(3) Eine wechselseitige Beeinflussung der Funktionsbeeinträchtigungen, die geeignet ist, eine Erhöhung des Grades der Behinderung zu bewirken, liegt vor, wenn - sich eine Funktionsbeeinträchtigung auf eine andere besonders nachteilig auswirkt, - zwei oder mehrere Funktionsbeeinträchtigungen vorliegen, die gemeinsam zu einer wesentlichen Funktionsbeeinträchtigung führen.

(4) Eine wesentliche Funktionsbeeinträchtigung ist dann gegeben, wenn das Gesamtbild der Behinderung eine andere Beurteilung gerechtfertigt erscheinen lässt, als die einzelnen Funktionsbeeinträchtigungen alleine.

Grundlage der Einschätzung

§ 4. (1) Die Grundlage für die Einschätzung des Grades der Behinderung bildet die Beurteilung der Funktionsbeeinträchtigungen im körperlichen, geistigen, psychischen Bereich oder in der Sinneswahrnehmung in Form eines ärztlichen Sachverständigengutachtens. Erforderlichenfalls sind Experten aus anderen Fachbereichen - beispielsweise Psychologen - zur ganzheitlichen Beurteilung heran zu ziehen.

(2) Das Gutachten hat neben den persönlichen Daten die Anamnese, den Untersuchungsbefund, die Diagnosen, die Einschätzung des Grades der Behinderung, eine Begründung für die Einschätzung des Grades der Behinderung innerhalb eines Rahmensatzes sowie die Erstellung des Gesamtgrades der Behinderung und dessen Begründung zu enthalten.“

Da ein Grad der Behinderung von 30 (dreißig) vH festgestellt wurde und somit die Voraussetzungen für die Ausstellung eines Behindertenpasses nicht erfüllt sind, war spruchgemäß zu entscheiden.

2. Zum Entfall einer mündlichen Verhandlung:

Gemäß § 24 Abs. 1 Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz - VwGVG, BGBl. I Nr. 33/2013 idgF hat das Verwaltungsgericht auf Antrag oder, wenn es dies für erforderlich hält, von Amts wegen eine öffentliche mündliche Verhandlung durchzuführen. In diesem Sinne ist eine Verhandlung als erforderlich anzusehen, wenn es nach Art. 6 EMRK bzw. Art. 47 Abs. 2 GRC geboten ist, wobei gemäß Rechtsprechung des VfGH der Umfang der Garantien und des Schutzes der Bestimmungen ident sind.

Der Rechtsprechung des EGMR kann entnommen werden, dass er das Sozialrecht auf Grund seiner technischen Natur und der oftmaligen Notwendigkeit, Sachverständige beizuziehen, als gerade dazu geneigt ansieht, nicht in allen Fällen eine mündliche Verhandlung durchzuführen (vgl. Eriksson v. Sweden, EGMR 12.4.2012; Schuler-Zgraggen v. Switzerland, EGMR 24.6.1993).

Im Erkenntnis vom 18.01.2005, GZ. 2002/05/1519, nimmt auch der Verwaltungsgerichtshof auf die diesbezügliche Rechtsprechung des EGMR (Hinweis Hofbauer v. Österreich, EGMR 2.9.2004) Bezug, wonach ein mündliches Verfahren verzichtbar erscheint, wenn ein Sachverhalt in erster Linie durch seine technische Natur gekennzeichnet ist. Darüber hinaus erkennt er bei Vorliegen eines ausreichend geklärten Sachverhalts das Bedürfnis der nationalen Behörden nach zweckmäßiger und wirtschaftlicher Vorgangsweise an, welches das Absehen von einer mündlichen Verhandlung gestatte (vgl. VwGH vom 4.3.2008, 2005/05/0304).

Der im gegenständlichen Fall entscheidungsrelevante Sachverhalt wurde auf gutachterlicher Basis ermittelt. Zudem wurde von der beschwerdeführenden Partei in der Beschwerde kein Vorbringen erstattet, welches eine weitere Erörterung notwendig erschienen ließ.

Im Hinblick auf obige Überlegungen sah der erkennende Senat daher unter Beachtung der Wahrung der Verfahrensökonomie und -effizienz von einer mündlichen Verhandlung ab, zumal auch eine weitere Klärung der Rechtssache hierdurch nicht erwartbar war.

Zu B) Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 des Verwaltungsgerichtshofgesetzes 1985 (VwGG) hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor. Vielmehr hängt die Entscheidung von Tatsachenfragen ab. Maßgebend sind die Art des Leidens und das festgestellte Ausmaß der Funktionsbeeinträchtigungen.