Spruch
W208 2293367-1/15E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Dr. Ewald SCHWARZINGER über die Beschwerde von Prof. Mag. XXXX , vertreten durch Rechtsanwalt Dr. Martin RIEDL, gegen den Ausspruch des Verlustes der aus der Innehabung der schulfesten Stelle fließenden Rechte im Disziplinarerkenntnis der Bundesdisziplinarbehörde vom 17.04.2024, GZ 2023-0.578.619-35, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung, zu Recht erkannt:
A) Die Beschwerde wird gemäß § 28 Abs 2 VwGVG iVm § 221 Abs 3 BDG als unbegründet abgewiesen und der Spruchpunkt betreffend den Ausspruch des Verlustes der aus der Innehabung der schulfesten Stelle fließenden Rechte bestätigt.
B) Die Revision ist gemäß Art 133 Abs 4 B-VG nicht zulässig.
Text
Entscheidungsgründe:
I. Verfahrensgang:
1. Der Beschwerdeführer (BF) steht in einem öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnis als Lehrer an der XXXX (im Folgenden kurz: HTL).
2. Nach einer Disziplinaranzeige der Bildungsdirektion NIEDERÖSTERREICH (Dienstbehörde) vom 30.05.2023 wurde er von der Bundesdisziplinarbehörde (BDB) mit dem im Spruch angeführten Disziplinarkenntnis vom 17.04.2024 wie folgt schuldig gesprochen:
„[Er hat]
1. am 11. April 2023 gegen 09:50 Uhr seine Kollegin, Frau Prof. in Mag.a XXXX , in einem Geräteraum für Sportmaterialien an der HTL […] für ca. zwei bis vier Minuten eingesperrt;
2. zu einem nicht mehr exakt feststellbaren Zeitpunkt im März 2022 donnerstags im Zuge des Schwimmunterrichts im Bundessportzentrum XXXX zur ebenfalls anwesenden Lehrperson XXXX , BEd, Lehrerin an der NÖMS XXXX , welche sich mit ihren Schülern zwecks Erteilung von Schwimmunterricht ebendort zur selben Zeit aufhielt, sich verbal übergriffig verhalten, indem er zu dieser sehr oft erwähnte, „wie gut er nicht im Bett sei" und sogar Bewegungen am Boden vorzeigte;
3. am 5. Mai 2023 im Zuge einer Supplierstunde (Klasse XXXX )
a. über einer Schülerin, welche ein Kopftuch trug, gemeint: „Sie solle sich schämen, in ihrem eigenen Land protestieren sie dagegen, dass sie kein Kopftuch mehr tragen müssten und bei uns tragen sie sowas. Das gehöre sich nicht.“ ;
b. einen übergewichtigen Schüler dieser Klasse als Beispiel dafür genommen, dass übergewichtige Personen länger für einen 1-Kilomter-Lauf benötigen als Normalgewichtige;
c. jenen Schüler, der an eine Lehrperson im Hauptgebäude der HTL […] ein Blatt Papier überbrachte, nach seiner Rückkehr befragt, „ob es eh eine Fesche gewesen sei...dies müsse man ja als Mann wissen.“;
d. im Zuge der Instruktion für einen Lauf zu den Schülern gemeint „Lauft dem Arsch des Mädchens hinterher" (die Schülerin einer anderen Klasse hat soeben dieselbe Runde absolviert).
[Er hat] dadurch seine Dienstpflichten nach § 43 Abs 1 und 2 BDG 1979, §§ 8, 9 B-GIBG und § 17 Abs 1 SchUG schuldhaft verletzt und damit Dienstpflichtverletzungen gemäß § 91 Abs 1 BDG 1979 begangen.
Über [ihn] wird deswegen gemäß § 126 Abs 2 iVm § 92 Abs 1 Z 3 BDG 1979 die Disziplinarstrafe der Geldstrafe in der Höhe von zwei Monatsbezügen verhängt.
Gemäß § 221 Abs 3 BDG wird der Verlust der aus der Innehabung der schulfesten Stelle fließenden Rechte ausgesprochen.
[Er hat] gemäß § 117 Abs 2 BDG 1979 einen Kostenbeitrag in der Höhe von EUR 500,00 zu leisten.“
3. Mit Schriftsatz vom 29.05.2024 brachte der BF, vertreten von seinem Rechtsanwalt, nur gegen den Spruchpunkt des Verlustes der aus der Innehabung der schulfesten Stelle fließenden Rechte innerhalb offener Frist Beschwerde ein.
Im Übrigen wurde das Disziplinarerkenntnis rechtskräftig.
4. Mit Schreiben vom 06.06.2024 (eingelangt beim BVwG am 10.06.2024) wurden die Beschwerde und die Akten des Verwaltungsverfahrens – ohne von der Möglichkeit einer Beschwerdevorentscheidung Gebrauch zu machen – dem BVwG zur Entscheidung vorgelegt.
5. Am 23.09.2024 und 16.12.2024 führte das BVwG eine Verhandlung durch, bei der neben dem BF diverse Zeugen einvernommen wurden.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen:
1.1. Zur Person des BF
Der BF ist seit 1989 in verschiedenen Funktionen (Student, Erzieher, Lehrer) an der HTL. Seit 02.04.2002 hat er dort eine schulfeste Stelle. Er gilt bei seinen Vorgesetzten als außerordentlich engagiert und hat dort neben seiner Tätigkeit als Lehrer für Bewegung und Sport, Politische Bildung, Geschichte, Soziale und Personale Kompetenz (SOPK), Nebenaufgaben wie Schulmarketingtage, Tag der Schulen, Neu-Lehrer-Einführungen, Bildungsmessen übernommen. Ihm wurde auch der Titel „Oberstudienrat“ verliehen (I. VHS 4, 5; II. VHS 16).
Er hat auch immer wieder Lob für die Organisation von Sportwochen und von abgehenden Schülern erhalten (II. VHS 15, 18).
Der BF ist seit 01.09.2024 bis 01.09.2025 in einem Sabbatical.
1.2. Zum Sachverhalt
1.2.1. Zum Kontext
Die HTL, an der der BF seit rund 35 Jahren unterrichtet, existiert seit über 100 Jahren. Es gibt dort 12 Abteilungen mit 10 Abteilungsvorständen, verteilt auf 30 Gebäude. In den Abteilungen unterrichten rund 400 Lehrerinnen und Lehrer rund 3000 Schüler (I. VHS 5). Der BF gehört der Abteilung XXXX (I. VHS 6) an und ist sein unmittelbarer Vorgesetzter sein Abteilungsvorstand Dr. XXXX der den BF seit 1994 kennt und seit 2021 sein Vorgesetzter ist (II. VHS 14). Der Direktor der Schule ist seit 2019 XXXX , der davor seit 2011 Abteilungsvorstand war (I. VHS 5).
Neben dem BF unterrichten 17 Lehrkräfte (5 weibliche, 12 männliche) Sport und Bewegung (II. VHS 3, 11; OZ 11). Die Lehrkräfte sind einer Abteilung zugeordnet, werden aber auch abteilungsübergreifend eingesetzt (II. VHS 14). Sport und Bewegung wird pro Klasse einmal die Woche für eine Doppelstunde unterrichtet. Es gibt 6 Turnsäle in unterschiedlichen Gebäuden und die Sportanlage im Freien (I. VHS 8).
Wie jede Lehrkraft muss auch der BF Supplierstunden halten, um den Ausfall von Kolleginnen und Kollegen zu kompensieren. Dabei liegt die Priorität darauf, dass sogenannte Fachsupplierungen erfolgen sollen. Das bedeutet, dass wenn eine Lehrkraft ausfällt, grundsätzlich auch eine Lehrkraft aus dem gleichen Fachgebiet supplieren soll.
Bei einem Ausfall wird zunächst für die Supplierung eine im Schulkomplex befindliche Lehrkraft mit der passenden Lehrberechtigung kontaktiert, die geraden keinen Unterricht hat („ein Loch“ zwischen zwei Unterrichtsblöcken). Sollte keine zur Verfügung stehen wird eine Lehrkraft angerufen die frei hat. Sollte diese nicht einspringen können, wird versucht – wenn es die Größe der Klassen zulässt – Klassen zusammenzulegen und Unterrichtseinheiten abzutauschen. Nur wenn das auch nicht möglich sein sollte, erfolgt eine sogenannte fachfremde Supplierung (eine anderes Unterrichtsfach wird unterrichtet). Die Koordination übernimmt ein dafür eingeteilter Koordinator, das ist im konkreten Fall Mag. XXXX (II. VHS 10).
1.2.2. Zu den dienstlichen Interessen iZm den Schuldsprüchen
Der in I.2. im Verfahrensgang angeführte Spruch des Disziplinarerkenntnisses steht fest und ist mit Ausnahme des strittigen Ausspruches des Verlustes der aus der Innehabung der schulfesten Stelle fließenden Rechte rechtskräftig. In dem Verfahren wurde einerseits das reumütiges Geständnis des BF und seine disziplinäre Unbescholtenheit als mildernd gewertet, andererseits bei den spezialpräventiven Gründen angeführt, dass eine Verantwortungsübernahme teilweise fehle.
Die belangte Behörde führt zu den dienstlichen Interessen im Bescheid das Folgende an (Seite 8, Hervorhebung durch das BVwG):
„Der Verlust ist auszusprechen, sofern dies aus dienstlichen Interessen geboten erscheint. Ob die Dienstbehörde tatsächlich dienstrechtliche Maßnahmen setzt oder setzen möchte, ist dabei nicht erheblich. Aus Sicht des Senates sind dienstliche Interessen an diesem Ausspruch gegeben, zumal sich die Vorfälle zu Punkt 1. und 3. an der Stammdienststelle zugetragen haben und es auch in der Vergangenheit bereits eine Ermahnung wegen eines derartigen Verhaltens gegenüber Schüler:innen gegeben hat. Aufgrund des Vorfalles zu Punkt 1. hat die dienstliche Zusammenarbeit nach der glaubwürdigen Aussage der Zeugin Frau Prof. in Mag. a XXXX nachhaltig gelitten, was ein dienstliches Interesse an einer Versetzung begründet. Dass es sich bei den Vorfällen mit Schüler:innen bis dato jeweils um Supplierungen gehandelt habe, spielt keine erhebliche Rolle, zumal auch ein dienstliches Interesse daran besteht, dass Lehrer ohne Einschränkung zu solchen Supplierungen herangezogen werden können, weshalb derartige Einschränkungen ebenfalls ein Interesse an einer Versetzung begründen. Der Verlust der aus der Innehabung der schulfesten Stelle fließenden Rechte war daher auszusprechen.“
Zu Punkt 1 des Schuldspruches wird festgestellt, dass die Kollegin, die der BF im Geräteraum kurzfristig eingesperrt hat, zwar nur wenige Berührungspunkte zum BF hat, ein Zusammentreffen mit ihr im dienstlichen Kontext, kann aber nicht ausgeschlossen werden. So sind Absprachen betreffend Turnsälen notwendig und sind beide Angehörige des Teams der Sportlehrer:innen. Sie hat ein „ungutes Gefühl“ ihm gegenüber, wenngleich sie versucht ihm professionell gegenüber zu treten (II. VHS 4). Der BF hat sich ihr gegenüber schriftlich entschuldigt (II. VHS 7).
Die Stimmung im Team Sportlehrer:innen gegenüber dem BF ist belastet und gibt es Konflikte aufgrund des Verhaltens und Äußerungen des BF (II. VHS 12 und 15). Der Sportkoordinator, der auch die Lehrer für Supplierungen suchen und einteilen muss, hält es für machbar, den BF für eine bestimmte Klasse nicht einzuteilen, sollten es viele Klassen sein, hält er das für schwierig. Er hat angeführt, dass sich die Beschwerden gegen den BF vom Lehrkörper in den Jahren gehäuft hätten, es seien ihm immer wieder Vorfälle zugetragen worden, es liege ein teilweise angespanntes und schwieriges Verhältnis zum BF vor (II. VHS 11). Jedenfalls geht Flexibilität bei der Einteilung verloren.
Die Schülerinnen bzw Schüler, die von den dem BF im Mai 2023 getätigten Aussagen, während der Supplierung des BF betroffen waren, stammten aus einer ersten Klasse ( XXXX ). Diese Klasse wird erst im Jahr 2028 ihre Matura machen. Die Klasse hat über ihren Sportlehrer und die Klassenvorständin gebeten, nicht mehr vom BF suppliert zu werden. Die Klassenvorständin hat im Gespräch über die Vorfälle auch wahrgenommen, dass diese in Sorge sind, vom BF im Schulhof auf diese Sportstunde und die Beschwerde angesprochen zu werden (OZ 7, 6b, 6c, 6d).
Der BF hat seit der Disziplinaranzeige vom 30.05.2023 im Rahmen seiner normale Lehrverpflichtung weiter unterrichtet und auch Supplierstunden abgehalten (VHS I, 5).
Der Sportkoordinator erhielt keine Weisung den BF nicht mehr für Supplierungen in bestimmten Klassen einzuteilen, hat aber von einem Abteilungsvorstand einmal die Bitte bekommen den BF nicht mehr für eine bestimmte Klasse für Supplierungen einzuteilen (II. VHS 12). Das stand aber nicht im Zusammenhang mit den im Spruch des Disziplinarerkenntnis angeführten Fällen, sondern mit jenen aus dem Jahr 2022, die Gegenstand einer Ermahnung des BF durch die Bildungsdirektion am 18.05.2022 waren.
Die Ermahnung vom 18.05.2022 (ON 2 letzte Seite) betrifft bedenkliche Äußerungen im Mai 2022 in einer Supplierstunde, nämlich: „Wenn man in die Klasse schaut, erkennt man wer von Ihnen mit der Schule weitermacht und wer aufhört und am Wochenende mit seinem Bruder auf der Tankstelle Auto polieren wird.“; „Die meisten von denen hören eh in der 1. Klasse auf, weil sie eh nichts außer Fußballspielen können, deshalb werden die beim Fußballturnier sicher mitmachen.“; „Du bist es eh gewohnt verhaftet zu werden.“ Bei der letztgenannten Aussage hat er einem Schüler in der „Polizeigriff“ genommen und ihm die Hand auf den Rücken gedreht.
Weiters eine Äußerung im September 2020 zu einer Schülerin: „In meinem Unterricht bist du meine Sklavin.“
Der BF hatte sich bereits vor der Ermahnung in einer Stellungnahme vom 16.05.2022 (OZ 7, 2a, 2b) dafür entschuldigt, jemanden ungewollt gekränkt, verärgert oder gar irritiert zu haben und dies mit der vielleicht zu lockeren und damit missverstandenen Atmosphäre im Sportunterricht erklärt. Er gab auch an, seine Schüler immer zu „Siezen“ und bot eine persönliche Aussprache an. Die Ermahnung wurde von ihm zur Kenntnis genommen. Er hat keine Selbstanzeige erstattet, um die Nichtfeststellung oder Widerlegung des dort behaupteten Sachverhaltes in einem förmlichen Verfahren zu erreichen und hat diese auch nicht bestritten.
Ab dieser Ermahnung war der BF hinsichtlich seiner Wortwahl sensibilisiert.
Auch nach der Anzeige vom 30.05.2023 und noch vor dem Schuldspruch im April 2024 wurden weitere Beschwerden von Schülerinnen und Schülern über ihn aktenkundig (OZ 7, 1). In einem Protokoll des X-Point vom 27.02.2024, wurden weitere Beschwerden betreffend angeblicher Äußerungen des BF von Schüler:innen dokumentiert (1, 5a-c):
Er würde Burschen und Mädchen immer wieder nicht nachvollziehbar und unangenehm an Arm, Schulter, Gesicht berühren, sich darüber aufregen, dass man heutzutage Frauen nicht mehr berühren dürfe, weil das gleich sexuelle Belästigung sei, er habe zu einer Schülerin mit etwas tieferem Ausschnitt gesagt, sie solle sich nicht so anziehen, weil „Mann“ müsse da hinschauen. Es gebe angeblich viele Beschwerden über ihn, auch Beschwerdebriefe zB von Schülern und Schülerinnen der Abteilung XXXX , andere Lehrer würden Mädchen vor ihm warnen und zu den Burschen sagen, sie sollte auf sie aufpassen. Er verlange von den Burschen, dass sie ihre Pullis ausziehen und sage gleichzeitig, von den Mädchen dürfe er das nicht verlangen, obwohl er das gut fände, einem Schüler habe er auf den nackten Bauch gegriffen und ihn wegen seiner Figur beleidigt, einem Schüler mit vielen Fünfern habe er gesagt, dass sich seine Eltern schämen würden, so ein Kind auf die Welt gebracht zu haben, bei einem Sportgerät, wo man die Beine auseinanderdrücken muss, habe er gemeint, dass er raus gehen müsse, wenn die Mädchen diese Übung machen, weil das dürfe er ja nicht sehen.
Am 25.04.2024, nach dem Schuldspruch vom 17.04.2024 der BDB, langte ein Beschwerdebrief des Klassensprechers und dessen Stellvertreterin einer weiteren ersten Klasse XXXX ein (OZ 7, 5b, 5c), indem zunächst angeführt wurde, die Klasse würde sich in Gegenwart des BF unwohl fühlen. Danach wurden folgende Beispiele angeführt:
Er würde sexistische Aussagen verpackt in Humor tätigen (als Beispiel kam die Aussagen: „Dein Ausschnitt lenkt mich ab.“ „Auf der rechten Hand habe ich meine Ehefrau und auf der linken meine Freundin.“). Er würde Schüler hänseln (weil einem Schüler von der Mutter die vergessene Jausenbox nachgebracht wurde, kleinere Schüler), wenn Mädchen wegen Unterleibsschmerzen den Unterricht verlassen würden, würde er sagen, dass sei von zu viel Schokolade. Er würde chronisch Kranke „runtermachen“. Er würde Schüler berühren, einer habe behauptet, er sei geschlagen worden, ein anderer, er sei gestreichelt worden. Am 23.04.2024 hätte ein Großteil der Schüler aus Protest den Unterricht verlassen, weil er das Ausziehen von Pullovern und Westen verlangt habe. Der BF habe gesagt, „Alle die nicht ihre Wolle ausziehen wollen, sollen sich schleichen.“)
Dr. XXXX , der bis 23.10.2024 Obmann des Elternvereins war, berichtete in der Verhandlung vor dem BVwG (II. VHS 8), dass es immer wieder Mitteilungen hinsichtlich seines Verhaltens gegeben habe und sei er am 24.04.2024, wegen des oa Verlassen des Unterrichts durch beinahe alle Schülerinnen und Schüler einer ersten Klasse schriftlich kontaktiert worden. Er habe auch von dem Vorfall mit dem Einsperren gehört und dass der BF sich im Eislaufunterricht mehr für die Mädchen im angrenzenden Schwimmbad interessieren würde sowie den Turnunterricht mit den Burschen verlassen würde, um in den Turnsaal mit den Mädchen zu gehen. Er habe den Direktor kontaktiert und um Stellungnahme ersucht (II. VHS 9). Der Direktor habe ihm versichert, sich verstärkt dem Thema anzunehmen. Innerhalb der Elternschaft, sei das ein Thema gewesen (II. VHS 10).
Zusammengefasst ist festzustellen, dass es trotz der mehrfachen Versicherung des BF, dass es aufgrund seiner Einsicht künftig zu keinen derartigen Vorfällen mehr kommen werde, danach wieder Beschwerden eingelangt sind, die sich nicht nur auf die bereits bekannten Vorfälle bezogen und es insbesondere auch nach der Ermahnung vom Mai 2022 zu den Äußerungen und Handlungen kam, wegen denen der BF bestraft wurde.
2. Beweiswürdigung:
Die oa Feststellungen ergeben sich im Wesentlichen aus dem vorliegenden Verwaltungsakt sowie den Aussagen der Zeugin und der Zeugen in den beiden Verhandlungen vor dem BVwG und den mit OZ 7 vorgelegten Schriftstücken des Direktors. Die Bezeichnung I. bzw II. VHS verweist auf die jeweiligen Verhandlungsschriften (VHS), die I. VHS vom 23.09.2024 und die II. VHS vom 16.12.2024, danach findet sich jeweils die Seitenzahl. Die Abkürzung OZ auf die Ordnungszahl vorgelegter Schriftstücke und der Beilagen (Blg).
Die vom BF in der ersten Verhandlung beantragten Zeugen zur Frage der Integration bei Schülern und Lehrern bzw zu fehlenden Anständen (I. VHS 2), wurden mit Ausnahme des Zeugen Mag. XXXX in der zweiten Verhandlung vor dem BVwG einvernommen. Ebenso wurde ein vom BF stellig gemachter Zeuge (ein ehemaliger Schüler von ihm) befragt. Dessen Einvernahme und von sechs anderen wurde mit Beweisantrag vom 12.12.2024 (OZ 12) zur Frage, dass die in OZ 7 gemachten Vorwürfe nicht stimmen würden, beantragt.
Im Ergebnis hat die Zeugin XXXX glaubhaft angeführt, dass es zwar nicht sehr viele Berühungspunkte mit dem BF gebe, diese aber dennoch zB bei Absprachen zu Turnsälen erforderlich seien und man sich durch das gemeinsame Fach Bewegung und Sport sowie bei Konferenzen treffe. Sie versuche ihm professionell zu begegnen (II. VHS 4). Sie sehe keine Möglichkeit mit ihm künftig zusammenzuarbeiten und sei auch die Stimmung im Lehrkörper auf Grund mancher seiner Aussagen in der Vergangenheit unangenehm gewesen, er bekomme gar nicht mit, welche Wirkung seine Aussagen hätten und würde sie sich einen respektvollen Umgang erwarten (II. VHS 5). Es sei grundsätzlich die Art und Weise, wie er mit Kolleginnen oder Schülerinnen spreche und sei manchmal die Tonlage und die Art nicht korrekt (II. VHS 6).
Der vom BF beantragte Zeuge, der Sportkoordinator XXXX hat die Vorgangsweise bei Supplierungen dargestellt und angeführt, dass es zwar kein Problem wäre, wenn eine Lehrkraft in einer Klasse nicht supplieren dürfe, wenn es viele Klassen würden, dann würde das schwierig bei 18 Sportlehrkräften. Er hat auch dargestellt, dass es innerhalb dieser teilweise ein angespanntes Verhältnis zum BF gebe und sich die Beschwerden sich gehäuft hätten (II. VHS 11). Die Zusammenarbeit sei bis dato nicht friktionsfrei verlaufen (II. VHS 12).
Selbst der Abteilungsvorstand XXXX , der ebenfalls vom BF beantragt wurde, der das große Engagement des BF hervorstrich und auch von Lob seitens Schülern und Eltern gegen über den BF sprach, räumte ein, dass es im Vorjahr bei einer Klasse wo der BF Klassenvorstand gewesen sei, Beschwerden gegeben habe, weil sich Schüler verbal attackiert gefühlt hätten, es sei dabei um das Ausziehen von Pullovern gegangen. Sonst waren ihm – außerhalb der Vorfälle im Disziplinarerkenntnis – keine Beschwerden von Schülern oder Lehrkräften bekannt, wenngleich der Schulalltag nie ganz konfliktfrei sei (II. VHS 15, 16). Er habe auch wahrgenommen, dass der BF selbst durch neuerliche Anschuldigungen mitgenommen gewesen wäre und habe er ihm geraten therapeutische Hilfe in Anspruch zu nehmen. Er sehe bei einer Rückkehr des BF aus Sicht der Kompetenz und Fähigkeiten keine Probleme, aus Sicht des Lehrkörpers müsse man einiges bereinigen, was aber möglich sein sollte (II. VHS 16). Vom Klima im Kreise der Sportlehrer habe er nur wahrgenommen, dass es schwierig gewesen sei (II. VHS 17).
Der Direktor der HTL sprach von den Schülerbeschwerden im Februar 2024 bei X-Point (I. VHS 7, diese legte er sodann auch mit seinem Schreiben vom 25.09.2024 – OZ 7 Blg 1 vor), ebenso wie von den Erhebungen zu den Hintergründen der Ermahnung vom 18.05.2022 (wo er die von den Schülern unterschriebenen Aussagen und die Stellungnahme des BF dazu vorlegte – OZ 7 2a, 2b, 3a, 3b, 4a). Bemerkenswert daran ist, dass der BF in seiner Stellungnahme damals wörtlich ausführte (2a): „Es tut mir bereits jetzt leid, jemanden ungewollt gekränkt, verärgert oder gar irritiert zu haben! […] Ich selbst war ob der beeindruckend beschriebenen Ereignisse ebenfalls – weil ebenfalls ungläubig staunend – entsetzt. Ich will keine ‚Wortglaubereien‘ betreiben, sondern schlichtweg mein Bedauern zum Ausdruck bringen. In meiner Erinnerung handelte es sich durchaus um eine gelungene Einheit (Supplierstunde – Klassenspiel gegen eine andere Klasse). Der persönliche Kontakt war relativ kurz, in meiner Erinnerung in lockerer (vielleicht zu lockerer, missverständlichen) Atmosphäre und Sprache (wobei ich alle meine Schüler immer Sieze), komme es im Sport doch häufig zu Motivation, Ansprache, Nähe, Spaß und ‚Verbrüderungen‘. Wenn hier etwas missinterpretiert wurde oder den Beschwerdeführern nicht gepasst hatte oder zu locker war – obwohl ich selbst den Eindruck eines positiven Stundenverlaufes hatte, tut es mir LEID! Jemandem zu Nahe zu treten wurde von mir weder bemerkt noch meine Intention.“
Das deckt sich mit den oa Beobachtungen der Zeugin XXXX , dass es dem BF gar nicht auffällt, wie seine Äußerungen ankommen.
Der Direktor sprach auch darüber vom Elternverein im Frühjahr 2014 kontaktiert worden zu sein (I. VHS 8). Der als Zeuge einvernommene damalige Obmann des Elternvereins XXXX bestätigte die Aufregung der Eltern über bestimmte Verhaltensweisen/Äußerungen des BF in seiner Aussage (vgl vorne II.1. und II. VHS 8).
Der Direktor gab weiters an, er habe nicht gehört, dass Schülerinnen und Kolleginnen nicht gewollt hätten, dass der BF bei ihnen suppliert, teile die Supplierungen aber auch nicht selber ein. Könne man jemanden nicht mehr einteilen, würde Flexibilität verloren gehen und unterrichte der BF nicht nur Sport, sondern auch Geschichte (I. VHS 9). Er könne auch nicht garantieren, dass es keinerlei Berührungen zwischen XXXX und betroffenen Schülern gebe. Er würde zwar nicht die Versetzung des BF beantragen, aber würde er ihn unterstützen, wenn er diese von sich aus beantragen würde (I. VHS 10).
Der vom BF stellig gemacht Zeuge XXXX (ein ehemaliger Schüler des BF, dem es ein Anliegen war für ihn auszusagen) hat diesen in der zweiten und dritten Klasse zwei bzw drei Wochenstunde und bei Skikursen erlebt und hat sinngemäß ausgesagt, dass sich in seiner Klasse niemand über ihn beschwert habe. Es habe im Unterricht immer eine sehr humorvolle Stimmung gegeben. Auf die Frage, ob es Aussagen von ihm gegeben habe, die die Schülerinnen oder Schüler vielleicht falsch auffassen hätte können, fiel ihm nur das Beispiel mit dem Ausziehen des Pelzes ein (II. VHS, 19).
Vor dem Hintergrund der oa Beweisergebnisse ist es nicht mehr erforderlich, die nicht einvernommenen beantragten Zeugen bzw Zeuginnen (die Schulärztin, einen Lehrer und eine Lehrerin sowie drei weitere Schüler) zu befragen, es kommt nicht entscheidend darauf an, ob die Vorwürfe in den Beschwerdebriefen der Schüler bzw des Elternvereins stimmen. Dass die Schulärztin, einzelne Lehrer und Schüler keine negative Stimmung gegen den BF wahrgenommen haben, hat keine Auswirkung auf die zu lösende Rechtsfrage, ob auf Grund des Schuldspruches der BDB, eine Prognose einer Gefährdung dienstlichen Interessen gegeben ist, wenn keine Möglichkeit besteht, ihn von Amts wegen zu versetzen. Der Beweisantrag wird abgewiesen.
3. Rechtliche Beurteilung:
Zu A)
§ 221 Abs 3 BDG lautet:
„Im Falle eines Schuldspruches hat das Erkenntnis den Verlust der aus der Innehabung der schulfesten Stelle fließenden Rechte auszusprechen, sofern dies aus dienstlichen Interessen geboten erscheint.“
Die schulfesten Stellen wurden mit BGBl 1 2007/53 abgeschafft, die Regelungen sind aber weiterhin auf jene Personen anwendbar, die vor dem 01.09.2008 eine solche Stelle erhalten haben. Es geht darum bei einschlägigen Disziplinarverstößen, den starken Versetzungsschutz aufheben zu können und den betroffenen Lehrer aus der Schule, in der sich die Dienstpflichtverletzungen ereignet haben, entfernen zu können. Es bedeutet nicht, dass der Beschuldigte auch tatsächlich abversetzt wird.
Der VwGH hat in seinem Erkenntnis vom 22.10.1986, 86/09/0081 sinngemäß ausgesprochen, dass der Verlust der aus der Innehabung der schulfesten Stelle fließenden Rechte, der notwendigen Sicherung der Funktions- und Leistungsfähigkeit der Schulverwaltung dienen muss, insbesondere dazu, dass der Dienstgeber den Lehrer so einsetzen kann, wie es den Anforderungen der Schule und der Eignung des Lehrers entspricht. Die Behörde hat anzuführen, welche Erwägungen dienstlichen Interesses gegeben sind, die die Versetzung des disziplinär verurteilten Lehrers geboten erscheinen lassen. Dabei genügt, nach einem weiteren Erkenntnis des VwGH vom 07.09.2004, 2004/12/0042, die Prognose, dass sein Verbleiben geeignet ist, die dienstlichen Interessen zu gefährden und der Lehrer diese Gefährdung zumindest mitverursacht hat (VwGH 24.04.2002, 2001/12/0169).
Die belangte Behörde stützt ihre Prognose sinngemäß auf die Tatsache, dass sich die Vorfälle zu den Spruchpunkten 1 und 3 an der Schule ereignet haben und die Ermahnung vor der nunmehrigen Verurteilung keine Verhaltensänderung bewirkt hat. Der BF könne nicht mehr uneingeschränkt für Supplierungen verwendet werden. Die Zusammenarbeit mit der Lehrerkollegin die er eingesperrt hat, habe gelitten. All das begründe ein Interesse an der Versetzung.
Der BF hat in seiner 35-jährigen Dienstzeit einen sehr engagierten Dienst geleistet und wird von ehemaligen Schülern und deren Eltern auch gelobt. Auf Grund der gestiegenen Sensibilität in der Öffentlichkeit (Stichwort: „Me too“) kam es jedoch ab 2022 zu Beschwerden hinsichtlich seiner Äußerungen und seines als distanzlos empfundenen Verhaltens gegenüber den Schülerinnen und Schülern. Wenn der Rechtsvertreter sinngemäß anführt, es habe sich nur um wenige Einzelfälle gehandelt und seien diese vom BF entsprechend reflektiert und verarbeitet worden, sodass künftig keine derartigen Pflichtverletzungen zu befürchten und er ein Wohlverhalten zeigen wird, kann er damit die Vertretbarkeit der Prognose der belangten Behörde, dass dienstliche Interessen die Aufhebung dessen Versetzungsschutzes erforderlich machen, nicht erschüttern.
Der BF hat auch vor dem Hintergrund der Ermahnung im Mai 2022, der gegen ihn erstatteten Disziplinaranzeige im Mai 2023 und der gegen ihn verhängten empfindlichen Geldstrafe im April 2024 sowie seiner Beteuerung, dass derartige Äußerungen nicht mehr vorkommen werden, seine Art von Humor bzw den Umgangston mit den Schülerinnen und Schülern nicht in dem Ausmaß geändert, dass davon ausgegangen werden kann, dass er vergleichbare Aussagen und Handlungen gegenüber Schülerinnen und Schüler oder auch jungen (weiblichen) Lehrkräften künftig tatsächlich unterlassen wird. Hätte er das getan, wäre es nicht zu weiteren Beschwerden gekommen. Dass es sich dabei inhaltlich nur um „Hörensagen“ handelt, die Vorwürfe (noch) nicht im Rahmen von formalen Verfahren untersucht wurden, kann nicht darüber hinwegtäuschen, dass es die Beschwerden tatsächlich gab und die Schulverwaltung mit deren Bearbeitung belastet war.
Er kann bei seiner Rückkehr – wenngleich der Direktor bis dato keine diesbezügliche Weisung gegeben hat, weil der BF sich noch bis zum 01.09.2025 in einem Sabbatical befindet – zumindest in zwei Klassen nicht mehr als Supplierlehrer eingesetzt werden, weil es Beschwerden, Vorbehalte und Ängste ihn betreffend von Schülerinnen und Schülern gibt. Es hat der Elternverein, einen Teil des Lehrkörpers (insbesondere die Sportlehrer:innen und da besonders jene Lehrerin die er eingesperrt hat) und ein Teil der Schüler eine hohe Sensibilität bezüglich seines Verhaltens und seiner Äußerungen und steht er unter deren genauer Beobachtung. Das belastet nicht nur das Arbeitsklima, sondern den BF selbst, der sich oft der Wirkung seiner Äußerung nicht bewusst und dann verwundert ist, wenn es (wieder) Beschwerden gegen ihn gibt. Das dienstliche Interesse ihn noch vor der Rückkehr aus dem Sabbatical bzw bei einem neuerlichen Anlassfall – ohne weiteres – an eine andere Schule versetzen zu können und damit die möglichst ungestörte Funktions- und Leistungsfähigkeit der Schulverwaltung in der HTL sicherzustellen, ist daher objektiv nachvollziehbar und nicht überschießend.
Es ist daher spruchgemäß zu entscheiden.
Zu B) Unzulässigkeit der Revision:
Die Revision ist gemäß Art 133 Abs 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor. Auf die dargestellte Judikatur darf verwiesen werden.