JudikaturBVwG

W128 2303934-1 – Bundesverwaltungsgericht Entscheidung

Entscheidung
19. Dezember 2024

Spruch

W128 2303934-1/3E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch den Richter Mag. Michael FUCHS-ROBETIN über die Beschwerde des Erstbeschwerdeführers XXXX , Erziehungsberechtigter des minderjährigen Zweitbeschwerdeführers XXXX , gegen den Bescheid der Bildungsdirektion für Wien vom 03.12.2024, Zl. 9132.003/0682-Präs3b/2024, betreffend das Ansuchen auf Erteilung der Zustimmung zum Fernbleiben vom Unterricht im Zeitraum von 07.01.2025 bis 31.01.2025 zu Recht:

A)

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art.133 Abs.4 B-VG nicht zulässig.

Text

Entscheidungsgründe:

1. Mit Schreiben vom 25.09.2024, elektronisch eingelangt bei der Bildungsdirektion für Wien (in weiterer Folge: belangte Behörde) am 13.11.2024, beantragte die erziehungsberechtigte Mutter des Zweitbeschwerdeführers (in weiterer Folge: Kind) die Erteilung der Erlaubnis zum Fernbleiben vom Unterricht im Zeitraum vom 07.01.2025 bis 31.01.2025 aus begründetem Anlass. Begründend führte sie eine berufliche Reise ins Ausland an. Der Erstbeschwerdeführer und Vater des Kindes sei zudem in diesem Zeitraum in Elternkarenz, sowie der Zeitraum die ideale Reisezeit für Zentralamerika. Dem Antrag beigefügt war eine Auftragsbestätigung für Contenterstellung für Jänner/Februar 2025 des Unternehmens XXXX

2. Mit dem gegenständlich angefochtenen Bescheid vom 03.12.2024, zugestellt am 05.12.2024, wies die belangte Behörde den Antrag gemäß § 9 Abs 6 Schulpflichtgesetz 1985 (SchPflG) ab und begründete dies zusammengefasst damit, dass die geplante Reise einen Urlaub und nicht einen begründeten Anlass iSd § 9 Abs 6 SchPflG darstelle. Für gemeinsame Urlaubsfahrten der Eltern mit ihrem schulpflichtigen Kind stünde ausreichend Zeit in den Ferien zur Verfügung; daran vermöge auch der berufliche Auftrag der Erziehungsberechtigten nichts zu ändern, da sich aus dem gegenständlichen Antrag ergäbe, dass vielmehr die Reise in einem für die Familie passenden Zeitraum im Vordergrund stünde, in welche die Bearbeitung des Auftrags eingebettet werden solle.

3. In seiner rechtzeitig dagegen erhobenen Beschwerde vom 03.12.2024 führte der Erstbeschwerdeführer aus, dass es sich bei der geplanten Reise nicht um einen Urlaub handle, sondern um eine berufliche Reise im Rahmen der Tätigkeit der Eltern als Reisejournalisten. Er fügte weiters eine „Entsendungsbestätigung“ bei, wonach er als Geschäftsführer eines näher genannten Marketing-Unternehmens sich selbst und seine Ehefrau auf diese Reise entsenden würde. Zudem gab er an, das Kind sei „ein exzellenter Schüler“ und auch die Klassenlehrerin habe versichert, mit dem Fernbleiben einverstanden zu sein.

4. Mit Begleitschreiben vom 06.12.2024 – eingelangt am 09.12.2024 – legte die belangte Behörde die Beschwerde samt Verwaltungsakt dem Bundesverwaltungsgericht zur Entscheidung vor, ohne von der Möglichkeit einer Beschwerdevorentscheidung Gebrauch zu machen.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen

Der schulpflichtige Zweitbeschwerdeführer XXXX , geb. XXXX , besucht im Schuljahr WS 2024/2025 die Klasse XXXX der Volksschule XXXX

Am 25.09.2024 beantragte die erziehungsberechtigte Mutter des Kindes für den Zeitraum vom 07.01.2025 bis zum 31.01.2025 die Erteilung der Erlaubnis zum Fernbleiben des Kindes vom Unterricht, um eine Familienreise anzutreten, im Rahmen derer die Erziehungsberechtigte beruflich tätig sei.

2. Beweiswürdigung

Der Sachverhalt ergibt sich aus der eindeutigen Aktenlage. Der verfahrensmaßgebliche Sachverhalt entspricht dem oben angeführten Verfahrensgang. Der entscheidungsrelevante Sachverhalt konnte auf Grund der vorliegenden Aktenlage zweifelsfrei und vollständig festgestellt werden. Insbesondere ergibt sich der Zweck des beantragten Fernbleibens aus dem Antrag vom 25.09.2024 sowie aus der Beschwerde.

3. Rechtliche Beurteilung

3.1. Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichtes ist durch das VwGVG, BGBl. I Nr. 33/2013, geregelt (§ 1 leg.cit.). Gemäß § 59 Abs. 2 VwGVG bleiben entgegenstehende Bestimmungen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht wurden, in Kraft.

Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung – BAO, BGBl. Nr. 194/1961, des Agrarverfahrensgesetzes – AgrVG, BGBl. Nr. 173/1950, und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 – DVG, BGBl. Nr. 29/1984, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.

3.2. Zu A)

3.2.1. Gemäß Art. 14 Abs. 7a B-VG beträgt die Schulpflicht zumindest neun Jahre und es besteht auch Berufsschulpflicht.

Gemäß § 1 Abs 1 SchPflG besteht allgemeine Schulpflicht für alle Kinder, die sich in Österreich dauernd aufhalten.

Gemäß § 2 Abs 1 SchPflG beginnt die allgemeine Schulpflicht mit dem auf die Vollendung des sechsten Lebensjahres folgenden 1. September.

Gemäß § 3 SchPflG dauert die allgemeine Schulpflicht neun Jahre.

Gemäß § 9 Abs 1 SchPflG haben die, in eine im § 5 leg.cit. genannte Schule, aufgenommenen Schüler den Unterricht währen der vorgeschriebenen Schulzeit regelmäßig und pünktlich zu besuchen.

Gemäß Abs 2 leg.cit. ist ein Fernbleiben von der Schule während der Schulzeit nur im Falle gerechtfertigter Verhinderung des Schülers zulässig.

Als Rechtfertigungsgründe für die Verhinderung gelten gemäß § 9 Abs 3 SchPflG insbesondere:

1. Erkrankung des Schülers,

2. mit der Gefahr der Übertragung verbundene Erkrankungen von Hausangehörigen des Schülers,

3. Erkrankung der Eltern oder anderer Angehöriger, wenn sie der Hilfe des Schülers bedürfen,

4. außergewöhnliche Ereignisse im Leben des Schülers, in der Familie oder im Hauswesen des Schülers,

5. Ungangbarkeit des Schulweges oder schlechte Witterung, wenn die Gesundheit des Schülers dadurch gefährdet ist.

Gemäß § 9 Abs 6 SchPflG kann die Erlaubnis zum Fernbleiben aus begründetem Anlass für einzelne Stunden bis zu einem Tag der Klassenlehrer (Klassenvorstand) und für mehrere Tage bis zu einer Woche der Schulleiter erteilen. Die Entscheidung des Klassenlehrers (Klassenvorstandes) bzw. des Schulleiters ist durch Widerspruch nicht anfechtbar. Für die Erlaubnis zu längerem Fernbleiben ist die zuständige Schulbehörde zuständig.

3.2.2. Aus der in § 9 Abs. 3 SchPflG enthaltenen demonstrativen Aufzählung der Rechtfertigungsgründe für ein Fernbleiben des Schülers ergibt sich, dass der Gesetzgeber ein Fernbleiben des Schülers nur aus Gründen als gerechtfertigt anerkennt, die sich aus der Rücksicht auf die Gesundheit des Schülers, seiner Mitschüler oder seiner Angehörigen oder aus im Bereich der Familie oder des Hauswesens des Schülers eingetretenen außergewöhnlichen Ereignissen ergeben (siehe VwGH vom 14.04.1978, 0726/77).

Wie bereits im hg. Erkenntnis vom 31.08.2015, Zl. W203 2108708-1/6E ausgeführt, hat es der Gesetzgeber unterlassen, näher auszuführen, was unter einem begründeten Anlass im Sinne des § 9 Abs. 6 SchPflG zu verstehen wäre. Als Anhaltspunkt kann aber die demonstrative Aufzählung der Gründe, die gemäß § 9 Abs. 3 SchPflG als Rechtfertigung für eine Verhinderung gemäß Abs. 2 leg. cit., am Unterricht teilzunehmen, sowie die Aufzählung von Gründen, die gemäß Abs. 4 leg. cit. jedenfalls eine Verhinderung nicht zu rechtfertigen vermögen, dienen. Dies deshalb, da der wesentliche Unterschied zwischen den beiden Bestimmungen über das Fernbleiben vom Unterricht lediglich darin besteht, dass es sich bei den in Abs. 3 genannten Gründen um solche handelt, die im Allgemeinen nicht vorhersehbar sind, während sich Abs. 6 auf vorhersehbare Umstände bezieht, die den Anlass zu einer vor dem Fernbleiben einzuholenden Erlaubnis bilden (vgl. Jonak/Kövesi, Das Österreichische Schulrecht, 14. Auflage, FN 20 zu § 9 SchPflG [S. 504]). Es müssen demnach für eine Genehmigung zum Fernbleiben vom Unterricht gemäß § 9 Abs. 6 SchPflG Gründe vorliegen, die in ihrer Art und Schwere mit den in Abs. 3 SchPflG aufgezählten Gründen vergleichbar sind.

Dass dabei ein strenger Maßstab anzulegen ist, zeigt sich etwa auch im Erkenntnis 98/10/0012 des Verwaltungsgerichtshofes vom 09.03.1998, wenn er darin zum Ausdruck bringt, dass – selbst im Falle einer krankheitsbedingten Beeinträchtigung eines Schülers – ein ärztlich empfohlener Aufenthalt im gemäßigten Meeresklima während der Unterrichtszeit nur dann das Fernbleiben vom Unterricht zu rechtfertigen vermag, wenn damit nicht bis zum Beginn der Ferien zugewartet werden kann. Umso mehr muss gelten, dass gemeinsame Urlaubsfahrten der Eltern mit ihrem schulpflichtigen Kind während der Unterrichtszeit keinen Rechtfertigungsgrund darstellen können, weil dafür ausreichend in den Ferien Zeit zur Verfügung steht. Gemeinsame Urlaubsfahrten während der Unterrichtszeit können somit keinesfalls einen begründeten Anlassfall für ein Fernbleiben vom Unterricht darstellen (siehe hg. E vom 30.05.2016, W128 2126881-1).

3.2.3. Für den gegenständlichen Fall bedeutet dies:

Gemäß § 24 Abs. 1 SchPflG sind die Eltern oder sonstigen Erziehungsberechtigten verpflichtet, für die Erfüllung der Schulpflicht, insbesondere für den regelmäßigen Schulbesuch, zu sorgen.

In Entsprechung des § 9 Abs 6 SchPflG ist die Erlaubnis zum Fernbleiben vom Unterricht nur dann zu erteilen, wenn hierfür ein begründeter Anlass besteht, welcher in seiner Art und Schwere mit den in § 9 Abs 3 SchPflG aufgezählten Gründen vergleichbar ist.

Die gegenständlich geplante Unternehmung ist mit einem in § 9 Abs 3 SchPflG aufgezählten Grund bzw. einem außergewöhnlichen Ereignis nicht zu vergleichen.

So ist der auslösende Grund weder unvorhersehbar bzw. unabwendbar. Der Zeitrahmen für die berufliche Tätigkeit wurde durch den Erstbeschwerdeführer selbst vorgegeben. Es ist nicht ersichtlich, bzw. wurde nicht vorgebracht, warum dazu nicht die Ferienzeit zur Verfügung steht. Ebenso ist nicht ersichtlich, warum der Zweitbeschwerdeführer unbedingt an der Reise teilnehmen muss. Dabei ist auch festzuhalten, dass diese Beschränkung der familiären Urlaubs- bzw. Reiseplanung auf die Ferialzeit durch die Schulpflicht mit Art. 14 Abs. 7a B-VG auf einer verfassungsrechtlichen Grundlage beruht.

Das Versagen des Fernbleibens im beantragten Zeitraum durch die belangte Behörde erfolgte somit zu Recht. Vollständigkeitshalber wird diesbezüglich auch explizit darauf hingewiesen, dass insbesondere schulische Leistungen für die Beurteilung, ob ein begründeter Anlass für ein Fernbleiben vom Unterricht besteht, unerheblich sind.

3.2.4. Entfall einer mündlichen Verhandlung:

Eine Verhandlung konnte gemäß § 24 Abs. 4 VwGVG entfallen, da die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten lässt. Der für diesen Fall maßgebliche Sachverhalt konnte als durch die Aktenlage hinreichend geklärt erachtet werden. In der Beschwerde wurden keine noch zu klärenden Tatsachenfragen in konkreter und substantiierter Weise aufgeworfen und war gegenständlich auch keine komplexe Rechtsfrage zu lösen (VwGH 31.07.2007, 2005/05/0080).

Das Schulrecht ist zudem weder von Art. 6 EMRK noch von Art. 47 GRC erfasst (vgl. VfGH 10.03.2015, E 1993/2014, sowie VwGH 23.05.2017, Ra 2015/10/0127).

Im Übrigen wurde die Durchführung einer mündlichen Verhandlung auch nicht beantragt.

3.3. Zu B) Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen und in diesem Erkenntnis mitunter angeführten Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

Es war daher auszusprechen, dass die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig ist.