Spruch
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Habersack über die Beschwerde des XXXX , geb. XXXX , StA. Türkei, vertreten durch den Verein Legal Focus, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 10.10.2023, Zl. XXXX , zu Recht erkannt:
A) Die Beschwerde wird mit der Maßgabe als unbegründet abgewiesen, dass der Spruch folgendermaßen zu lauten hat:
„Der Antrag auf Ausstellung eines Fremdenpasses vom 01.12.2022 wird gemäß§ 88 Abs. 2a FPG abgewiesen.
B) Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
Entscheidungsgründe:
I. Verfahrensgang:
1. Der Beschwerdeführer, ein Staatsangehöriger der Türkei, reiste am 31.07.2007 illegal in Österreich ein und stellte am selben Tage einen Antrag auf internationalen Schutz.
Mit Erkenntnis des Asylgerichtshofes vom 23.11.2011, Zl. XXXX , wurde die Beschwerde gegen den Bescheid des Bundesasylamtes vom 25.06.2008, Zl. 07 06.951-BAS, gemäß § 3 AsylG als unbegründet abgewiesen. Gemäß § 8 Abs. 1 Z 1 AsylG wurde dem Beschwerdeführer der Status eines subsidiär Schutzberechtigen zuerkannt und gemäß § 8 Abs. 4 AsylG eine befristete Aufenthaltsberechtigung bis zum 23.11.2012 erteilt.
Zuletzt wurde die befristete Aufenthaltsberechtigung mit Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl (BFA) vom 20.10.2023 gemäß § 8 AsylG verlängert.
2. Am 01.12.2022 stellte der Beschwerdeführer beim BFA einen Antrag auf Ausstellung eines Fremdenpasses für subsidiär Schutzberechtigte gemäß § 88 Abs. 2a FPG.
Begründet wurde dieser Antrag wörtlich wie folgt: „§ 52 AsylG – in der Türkei verfolgt, Pass notwendig zur Arbeitssuche und Erlangung für Arbeit im Ausland.“
Mit Schreiben des BFA vom 22.05.2023 wurde der Beschwerdeführer davon in Kenntnis gesetzt, dass beabsichtigt sei, den Antrag auf Ausstellung eines Fremdenpasses vom 01.12.2022 abzuweisen. Gleichzeitig wurde dem Beschwerdeführer aufgetragen innerhalb einer Frist von zwei Wochen, beim Generalkonsulat der Republik Türkei vorzusprechen und einen türkischen Reisepass zu beantragen oder eine Bestätigung vorzulegen, dass ihm kein Reisepass ausgestellt wird oder eine schriftliche Stellungnahme dazu abzugeben.
Mit Schreiben vom 02.07.2023 gab der Beschwerdeführer bekannt, dass er nicht zum türkischen Konsulat gehen werde. Er verstehe nicht, warum er diesmal so viele Probleme mit dem Fremdenpass habe, zumal er schon dreimal einen Fremdenpass für jeweils drei Jahre erhalten habe.
3. Mit dem angefochtenen Bescheid des BFA vom 10.10.2023 wurde der Antrag auf Ausstellung eines Fremdenpasses vom 01.12.2022 gemäß § 88 Abs. 1 Z 2 FPG abgewiesen.
4. Gegen diesen dem Beschwerdeführer am 20.10.2023 zugestellten Bescheid richtet sich die Beschwerde vom 08.11.2023.
Begründend wurde im Wesentlichen ausgeführt, dass der Beschwerdeführer aus der Türkei stamme und dass ihm zuletzt mit Bescheid des BFA vom 16.10.2022 die befristete Aufenthaltsberechtigung für subsidiär Schutzberechtigte für weitere zwei Jahre verlängert worden sei. Der Beschwerdeführer sei in der Türkei gefährdet. Ein Reisedokument des Heimatlandes könne er daher nicht erlangen und wäre ihm dies auch nicht zumutbar. Aus Art. 2, 4. ZPEMRK ergäbe sich das Recht auf Ausreisefreiheit des Beschwerdeführers. Es bestehe ein Interesse der Republik Österreich, dem Beschwerdeführer gegenüber dieser Verpflichtung zur Sicherstellung dieses Rechtes nachzukommen. Dies sei mit der Entscheidung des VfGH vom 16.06.2023, Zl. E 3489/2022, klargestellt worden. Aus diesem Grund würden die Ausführungen des BFA im angefochtenen Bescheid ins Leere gehen. Ein Verzicht auf Ausübung des Rechtes auf Ausreisefreiheit könne dem Beschwerdeführer nicht zugemutet werden.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Sachverhalt:
Der Beschwerdeführer Staatsangehöriger der Türkei.
Dem Beschwerdeführer wurde mit Erkenntnis des Asylgerichtshofes vom 23.11.2011, Zl. E2 400.586-1/2008-15E, gemäß § 8 Abs. 1 AsylG der Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Türkei zuerkannt und gemäß § 8 Abs. 4 AsylG eine befristete Aufenthaltsberechtigung erteilt. Diese befristete Aufenthaltsberechtigung wurde zuletzt mit Bescheid des BFA vom 20.10.2023 um zwei Jahre verlängert.
Die türkischen Konsulate in Österreich stellen Reisedokumente für in Österreich aufhältige türkische Staatsangehörige aus.
Es kann nicht festgestellt werden, dass der Beschwerdeführer nicht in der Lage ist, sich ein gültiges Reisedokument seines Heimatstaates zu beschaffen.
2. Beweiswürdigung:
Zur Feststellung des für die Entscheidung maßgebenden Sachverhaltes wurde im Rahmen des Ermittlungsverfahrens Beweis erhoben durch:
– Einsicht in den Akt des BFA;
– Einsicht in die hg. Akte betreffend den Beschwerdeführer.
2.1. Zum Verfahrensgang:
Der oben unter Punkt I. angeführte Verfahrensgang ergibt sich aus dem Akteninhalt.
2.2. Die Feststellungen betreffend die Staatsangehörigkeit des Beschwerdeführers sowie betreffend die befristete Aufenthaltsberechtigung stützen sich auf den Akteninhalt.
Dass türkische Konsulate in Österreich Reisepässe für türkische Staatsangehörige, die in Österreich aufhältig sind, ausstellen, ist notorisch.
Aus Sicht des Bundesverwaltungsgerichtes ist es dem Beschwerdeführer in Anbetracht seines Status als subsidiär Schutzberechtigter zumutbar, sich persönlich an ein türkisches Konsulat in Österreich zu wenden, um dort die Ausstellung eines türkischen Reisepasses zu beantragen oder die Versagung der Ausstellung eines beantragten türkischen Reisedokumentes durch türkische Konsulate nachzuweisen.
Das erkennende Gericht geht deswegen davon aus, dass es dem Beschwerdeführer konkret möglich gewesen wäre, ein Reisedokument seines Herkunftsstaates zu erlangen. Wie sich jedoch aus dem Akteninhalt ergibt, hat der Beschwerdeführer derartige Bemühungen erst gar nicht unternommen.
Es ist kein objektiv nachvollziehbarer Grund ersichtlich, weshalb der Beschwerdeführer nicht in der Lage sein sollte, sich ein gültiges Reisedokument seines Heimatlandes zu beschaffen. Es liegen auch keine Hinweise vor, dass türkische Konsulate in Österreich dem Beschwerdeführer bei Vorliegen der Voraussetzungen die Ausstellung eines Reisepasses verweigern würden. Der Beschwerdeführer hat nach der Aktenlage bis dato keine Anstrengungen zur Erlangung eines türkischen Reisepasses unternommen.
3. Rechtliche Beurteilung:
3.1. Gemäß § 9 Abs. 2 des Fremdenpolizeigesetzes 2005 (FPG) und § 7 Abs. 1 Z 1 des BFA Verfahrensgesetzes (BFA-VG) entscheidet das Bundesverwaltungsgericht über Beschwerden gegen Entscheidungen des BFA.
3.2. Zu Spruchteil A):
3.2.1. Ausstellung von Fremdenpässen
„§ 88. (1) FPG Fremdenpässe können, sofern dies im Hinblick auf die Person des Betroffenen im Interesse der Republik gelegen ist, auf Antrag ausgestellt werden für
1. Staatenlose oder Personen ungeklärter Staatsangehörigkeit, die kein gültiges Reisedokument besitzen;
2. ausländische Staatsangehörige, die über ein unbefristetes Aufenthaltsrecht im Bundesgebiet verfügen und nicht in der Lage sind, sich ein gültiges Reisedokument ihres Heimatstaates zu beschaffen;
3. ausländische Staatsangehörige, die nicht in der Lage sind, sich ein gültiges Reisedokument ihres Heimatstaates zu beschaffen und bei denen im Übrigen die Voraussetzungen für die Erteilung eines Aufenthaltstitels „Daueraufenthalt – EU“ (§ 45 NAG) gegeben sind;
4. ausländische Staatsangehörige, die nicht in der Lage sind, sich das für die Auswanderung aus dem Bundesgebiet erforderliche Reisedokument ihres Heimatstaates zu beschaffen oder
5. ausländische Staatsangehörige, die seit mindestens vier Jahren ununterbrochen ihren Hauptwohnsitz im Bundesgebiet haben, sofern der zuständige Bundesminister oder die Landesregierung bestätigt, dass die Ausstellung des Fremdenpasses wegen der vom Fremden erbrachten oder zu erwartenden Leistungen im Interesse des Bundes oder des Landes liegt.
(2) Fremdenpässe können auf Antrag weiters ausgestellt werden für Staatenlose, die sich rechtmäßig im Bundesgebiet aufhalten, oder Personen ungeklärter Staatsangehörigkeit, die kein gültiges Reisedokument besitzen und sich rechtmäßig im Bundesgebiet aufhalten.
(2a) Fremdenpässe sind Fremden, denen in Österreich der Status des subsidiär Schutzberechtigten zukommt und die nicht in der Lage sind, sich ein gültiges Reisedokument ihres Heimatstaates zu beschaffen, auf Antrag auszustellen, es sei denn, dass zwingende Gründe der nationalen Sicherheit oder öffentlichen Ordnung dem entgegenstehen.
[…]“
3.2.2. Aus den Erläuterungen zur Regierungsvorlage (2144 BlgNR XXIV. GP) geht zu Abs. 2 und Abs. 2a des § 88 FPG Folgendes hervor:
„Die Statusrichtlinie sieht die Angleichung der Rechte von Asylberechtigten und subsidiär Schutzberechtigten, unter anderem in Bezug auf den Anspruch auf Ausstellung von Reisedokumenten durch den schutzgewährenden Mitgliedstaat, vor. Art. 25 Abs. 2 Statusrichtlinie sieht diesbezüglich vor, dass subsidiär Schutzberechtigten, die keine Reisedokumente ihres Herkunftsstaates erhalten können, durch den schutzgewährenden Mitgliedstaat Reisedokumente auszustellen sind, es sei denn, dass zwingende Gründe der nationalen Sicherheit oder öffentlichen Ordnung dem entgegenstehen. Diese Richtlinienbestimmung wird durch § 88 Abs. 2a umgesetzt, indem subsidiär Schutzberechtigten nunmehr ein Rechtsanspruch auf Ausstellung eines Fremdenpasses eingeräumt wird, der nur aus Gründen der nationalen Sicherheit oder öffentlichen Ordnung beschränkt werden kann. Humanitäre Gründe für die Anwesenheit in einem anderen Staat sind nicht mehr erforderlich.“
Bei dem im § 88 Abs. 2a FPG genannten Gesichtspunkt, „wenn der Antragsteller nicht in der Lage ist, sich ein gültiges Reisedokument seines Heimatstaates zu beschaffen“, handelt es sich angesichts der klaren Anordnung des § 88 Abs. 2a FPG um ein zwingendes Tatbestandsmerkmal – und somit eben um eine Erfolgsvoraussetzung – für die Ausstellung von Fremdenpässen an subsidiär Schutzberechtigte (vgl. VwGH 16.12.2015, Ra 2015/21/0124).
Subsidiär Schutzberechtigte sind dann nicht in der Lage, sich ein Reisedokument ihres Heimatstaates (Herkunftsstaates) zu beschaffen, wenn dessen Vertretungsbehörde die Ausstellung verweigert (Szymanski in Schrefler-König/Szymanski, Fremdenpolizei- und Asylrecht, Anmerkung 2 zu § 88 FPG 2005 [Stand 1.1.2015, rdb.at]). Dem Fremden muss es konkret (tatsächlich) möglich sein, ein Reisedokument seines Herkunftsstaates zu erlangen. Dies ist jedenfalls dann nicht möglich, wenn dem Antragsteller die Ausstellung eines Reisedokumentes seitens der Vertretungsbehörde tatsächlich verweigert wird (Filzwieser/Frank/Kloibmüller/Raschhofer, Asyl- und Fremdenrecht [2016] K 9 zu § 88 FPG 2005).
Die bloß abstrakte Möglichkeit im Falle der Vorlage geeigneter Dokumente grundsätzlich willens zu sein, dem Beschwerdeführer ein Reisedokument auszustellen, reicht für die Abweisung des Antrages auf Ausstellung eines Fremdenpasses nicht aus, vielmehr muss für den Antragsteller die konkrete Möglichkeit bestehen, sich Reisedokumente seines Heimatstaates zu beschaffen (vgl. Filzwieser/Frank/Kloibmüller/Raschhofer, Asyl- und Fremdenrecht [2016] § 88 FPG E7).
Das in § 88 Abs. 2a FPG normierte Erfordernis, dass der Fremde nicht in der Lage ist, sich ein Reisedokument seines Herkunftsstaates zu beschaffen, ist vor dem Hintergrund zu sehen, dass die Ausstellung eines Fremdenpasses einen massiven Eingriff in die Hoheitsrechtes des Herkunftsstaates bedeutet, weshalb dem Gesetz die Prämisse zugrunde liegt, dass Fremde sich zuerst an ihre Heimatvertretung hinsichtlich der Ausstellung eines Reisedokumentes wenden müssen (Filzwieser/Frank/Kloibmüller/Raschhofer, Asyl- und Fremdenrecht [2016] K 8 zu § 88 FPG 2005).
3.2.3. Da dem Beschwerdeführer subsidiärer Schutz zuerkannt wurde, war § 88 Abs. 2a FPG im gegenständlichen Fall heranzuziehen.
Wie bereits beweiswürdigend ausgeführt wurde, kann im gegenständlichen Fall nicht davon ausgegangen werden, dass der Beschwerdeführer nicht in der Lage ist, sich ein gültiges Reisedokument seines Heimatstaates zu beschaffen. Der Beschwerdeführer hat dato keine Anstrengungen zur Erlangung eines türkischen Reisepasses unternommen. Eine tatsächliche Verweigerung türkischer Konsulate in Österreich türkischen Staatsangehörigen ein beantragtes Reisedokument nicht auszustellen, kann nicht angenommen werden.
Wie sich aus dem Akteninhalt ergibt, hat der Beschwerdeführer zu keiner Zeit Bemühungen unternommen, persönlich bei den türkischen Vertretungsbehörden oder Konsulaten vorstellig zu werden bzw. dort die Ausstellung eines Reisepasses zu beantragen. Folglich sind auch die Voraussetzungen zur Ausstellung eines Fremdenpasses im Sinne des§ 88 Abs. 2a FPG nicht gegeben.
3.2.4. Obwohl dem Beschwerdeführer der Status eines subsidiär Schutzberechtigten zukommt, hat das BFA im angefochtenen Bescheid die Abweisung des Antrages auf Ausstellung eines Fremdenpasses fälschlicherweise auf § 88 Abs. 1 Z 2 FPG gestützt, weshalb mit einer Maßgabeentscheidung vorzugehen war.
3.2.5. Das BFA hat zu Recht den Antrag auf Ausstellung eines Fremdenpasses abgewiesen, sodass die Beschwerde spruchgemäß abzuweisen war.
3.3. Entfall der mündlichen Verhandlung:
Gemäß § 21 Abs. 7 BFA-VG konnte eine mündliche Verhandlung vor dem BVwG unterbleiben, weil der Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde geklärt erschien. Das BVwG hat die Angaben des Beschwerdeführers aus dem Verfahren vor dem BFA und die Angaben aus dem Beschwerdeschreiben der rechtlichen Beurteilung zu Grunde gelegt. Einer Erörterung der Rechtslage im Zuge einer Verhandlung bedurfte es nicht.
Zu Spruchteil B):
Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.
Die Revision gegen die gegenständliche Entscheidung ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor. Konkrete Rechtsfragen grundsätzlicher Bedeutung sind weder in der gegenständlichen Beschwerde vorgebracht worden noch im Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht hervorgekommen.