IM NAMEN DER REPUBLIK
Das Bundesfinanzgericht erkennt durch die Richterin Mag. Lisa Fries in der Beschwerdesache ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, über die Beschwerde vom 10. August 2020 gegen den Bescheid des Finanzamtes Gänserndorf Mistelbach (nunmehr Finanzamt Österreich) vom 10. Juli 2020 betreffend Einkommensteuer (Arbeitnehmerveranlagung) 2019 zu Recht:
I. Der Beschwerde wird gemäß § 279 BAO Folge gegeben.
Der angefochtene Bescheid wird abgeändert.
Die Bemessungsgrundlagen und die Höhe der festgesetzten Abgabe sind dem als Beilage angeschlossenen Berechnungsblatt zu entnehmen und bilden einen Bestandteil des Spruches dieses Erkenntnisses.
II. Gegen dieses Erkenntnis ist eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.
Entscheidungsgründe
I. Verfahrensgang
In der Erklärung zur Arbeitnehmerveranlagung für das Jahr 2019 beantragte der Beschwerdeführer unter anderem den Alleinverdienerabsetzbetrag und den ganzen Familienbonus Plus für seine zwei Kinder. Hinsichtlich seiner Tochter gab er an, selber die Familienbeihilfe zu beziehen. Hinsichtlich des Sohnes gab er an, seine Ehefrau beziehe die Familienbeihilfe. Als Wohnsitzstaat der Kinder führte er die Tschechische Republik an. Weiters gab er an, im Jahr 2019 keinen Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt in Österreich gehabt zu haben und bei einem Arbeitsgeber in Österreich beschäftigt gewesen zu sein. Er stellte einen Antrag auf unbeschränkte Steuerpflicht gemäß § 1 Abs. 4 EStG 1988. Sein Ansässigkeitsstaat im Jahr 2019 sei die Tschechische Republik gewesen. Er habe im Jahr 2019 keine Einkünfte im Ansässigkeitsstaat bezogen. Seine Ehefrau habe 2019 keine Einkünfte bezogen.
Mit dem angefochtenen Einkommensteuerbescheid 2019 (Arbeitnehmerveranlagung) vom 10. Juli 2020 wurde gegenüber dem Beschwerdeführer eine Gutschrift in der Höhe von € 1.753,00 festgesetzt. Bei den Absetzbeträgen wurden der Familienbonus Plus in der Höhe von € 928,56 und der Alleinverdienerabsetzbetrag in der Höhe von € 305,79 abgezogen. Der Familienbonus Plus für den Sohn habe nicht berücksichtigte werden können, weil im Jahr 2019 keine Familienbeihilfe bezogen worden sei.
Dagegen erhob der Beschwerdeführer am 10. August 2020 Beschwerde und wendete sich gegen die Indexierung der Familienbeihilfe und des Alleinverdienerabsetzbetrages. Außerdem sei es zwar richtig, dass die Familienbeihilfe nicht von ihm bezogen werde. Die Leistung beziehe allerdings seine Gattin. Er beantrage daher den Familienbonus Plus ab der Geburt seines Sohnes (09/2019).
Mit Beschwerdevorentscheidung vom 14. September 2020 wurde der angefochtene Bescheid abgeändert. Die Einkommensteuer für das Jahr 2019 wurde mit - € 2.062,00 festgesetzt. Der Familienbonus Plus wurde in einer Höhe von € 1.238,08 und der Alleinverdienerabsetzbetrag in einer Höhe von € 305,79 berücksichtigt.
Der Beschwerdeführer stellte am 15. September 2020 einen Vorlageantrag.
Die belangte Behörde legte die Beschwerde dem Bundesfinanzgericht am 9. Oktober 2020 zur Entscheidung vor und beantragte deren Abweisung.
Die Zuständigkeit der Gerichtsabteilung GA1007 gründet auf der Verfügung des Geschäftsverteilungsausschusses vom 29. Jänner 2024. Die Umverteilung ist am 1. Februar 2024 in Kraft getreten.
II. Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:
1. Sachverhalt
Der in der Tschechischen Republik ansässige Beschwerdeführer bezog im streitgegenständlichen Jahr 2019 Einkünfte aus nichtselbstständiger Arbeit in Österreich. Er hatte weder einen Wohnsitz noch einen gewöhnlichen Aufenthalt in Österreich.
Der Beschwerdeführer hatte im Streitjahr 2019 zwei in der Tschechischen Republik wohnhafte Kinder. Die Kinder des Beschwerdeführers (Sohn geboren im September 2019 und Tochter geboren im Jahr 2015) hatten Streitjahr 2019 das 18. Lebensjahr noch nicht vollendet. Der Beschwerdeführer bezog im Jahr 2019 die Familienbeihilfe für die Tochter. Die Familienbeihilfe für den Sohn wurde im Jahr 2019 von der Ehefrau des Beschwerdeführers bezogen.
Seine Ehefrau hatte im Jahr 2019 keine Einkünfte und nahm keinen Alleinverdienerabsetzbetrag in Anspruch.
In der Erklärung zur Arbeitnehmerveranlagung 2019 beantragte der Beschwerdeführer für die Kinder jeweils den ganzen Familienbonus Plus.
2. Beweiswürdigung
Der festgestellte Sachverhalt ergibt sich aus den vorliegenden Verfahrensakten. Insbesondere den Angaben des Beschwerdeführers in der Erklärung zur Arbeitnehmerveranlagung 2019, denen auch die belangte Behörde (abgesehen hinsichtlich des Bezugs der Familienbeihilfe für den Sohn des Beschwerdeführers) im angefochtenen Bescheid gefolgt ist. Dass, entgegen der noch im angefochtenen Bescheid vertretenen Rechtsansicht, auch für den im Jahr 2019 geborenen Sohn im Streitjahr Familienbeihilfe bezogen wurde, wurde schlussendlich auch in der Beschwerdevorentscheidung anerkannt. In dieser gestand die belangte Behörde den Familienbonus Plus auch für den Sohn für 4 Monate (September bis Dezember) im Jahr 2019 - allerdings unter Anwendung der Indexierung - zu.
3. Rechtliche Beurteilung
3.1. Zu Spruchpunkt I.
Im Beschwerdefall ist nurmehr die Indexierung des Familienbonus Plus und des Alleinverdienerabsetzbetrages strittig. Dass auch für den Sohn Familienbehilfe bezogen wurde, wurde von der belangten Behörde bereits der Beschwerdevorentscheidung zugrunde gelegt.
§ 33 Abs. 3a EStG 1988 in der vor BGBl. I Nr. 35/2022 geltenden Fassung lautete (soweit hier maßgeblich):
"(3a) Für ein Kind, für das Familienbeihilfe nach dem Familienlastenausgleichsgesetz 1967 gewährt wird und das sich ständig in einem Mitgliedstaat der EU oder Hoheitsgebiet einer anderen Vertragspartei des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum oder der Schweiz aufhält, steht auf Antrag ein Familienbonus Plus nach Maßgabe der folgenden Bestimmungen zu:
1. Der Familienbonus Plus beträgt
a) bis zum Ablauf des Monats, in dem das Kind das 18. Lebensjahr vollendet, für jeden Kalendermonat 125 Euro,
b) nach Ablauf des Monats, in dem das Kind das 18. Lebensjahr vollendet, für jeden Kalendermonat 41,68 Euro.
2. Abweichend von Z 1 ist für Kinder, die sich ständig in einem anderen Mitgliedstaat der EU oder Hoheitsgebiet einer anderen Vertragspartei des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum oder der Schweiz aufhalten, die Höhe des Familienbonus Plus sowie der Absetzbeträge gemäß Abs. 4 auf Basis der vom Statistischen Amt der Europäischen Union veröffentlichten vergleichenden Preisniveaus für jeden einzelnen Mitgliedstaat der EU, jede Vertragspartei des Europäischen Wirtschaftsraumes und die Schweiz im Verhältnis zu Österreich zu bestimmen:
a) Die Höhe des Familienbonus Plus und der Absetzbeträge gemäß Abs. 4 ist ab 1. Jänner 2019 auf Basis der zum Stichtag 1. Juni 2018 zuletzt veröffentlichten Werte anzupassen. Die Höhe ist in der Folge jedes zweite Jahr auf Basis der zum Stichtag 1. Juni des Vorjahres zuletzt veröffentlichten Werte anzupassen.
b) Der Bundesminister für Finanzen hat die Berechnungsgrundlagen und die Beträge mit Verordnung bis spätestens 30. September nach dem Stichtag gemäß lit. a kundzumachen…"
Gemäß § 33 Abs. 4 Z 1 EStG 1988 steht darüber hinaus Alleinverdienenden ein Alleinverdienerabsetzbetrag zu, wenn sich das Kind ständig in einem Mitgliedstaat der EU oder Hoheitsgebiet einer anderen Vertragspartei des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum oder der Schweiz aufhält. Dieser beträgt jährlich bei einem Kind (§ 106 Abs. 1) 494 Euro und bei zwei Kindern (§ 106 Abs. 1) 669 Euro. Dieser Betrag erhöht sich für das dritte und jedes weitere Kind (§ 106 Abs. 1) um jeweils 220 Euro jährlich.
§ 33 Abs. 4 Z 4 EStG 1988 ordnete an, abweichend von Z 1 bis 3 bestimmt sich die Höhe der Absetzbeträge für Kinder, die sich ständig in einem anderen Mitgliedstaat der EU oder Hoheitsgebiet einer anderen Vertragspartei des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum oder der Schweiz aufhalten, nach Abs. 3a Z 2. Steht ein Absetzbetrag für mehrere Kinder zu und halten diese sich in unterschiedlichen Ländern auf, sind zuerst ältere vor jüngeren anspruchsvermittelnden Kindern zu berücksichtigen.
Nach § 3 Abs. 2 der mittlerweile aufgehobenen Familienbonus Plus-Absetzbeträge-EU-Anpassungsverordnung, BGBl. II Nr. 257/2018 wurde der Familienbonus Plus für unter 18-jährige Kinder, die sich ständig in der Tschechischen Republik aufhielten, mit monatlich € 77,38 bestimmt. Der Alleinverdienerabsetzbetrag wurde gemäß dieser Bestimmung bei einem Kind mit € 305,79 festgelegt.
Der Europäische Gerichtshof hat in seiner Entscheidung vom 16. Juni 2022, C-328/2020, Kommission/Österreich, den Anpassungsmechanismus bei der Bemessung von Familienleistungen bzw. familienbezogenen Steuerbegünstigungen nach der unterschiedlichen Kaufkraft in den einzelnen Mitgliedsstaaten (= Indexierung) als unionsrechtswidrig qualifiziert.
Mit BGBl. I Nr. 135/2022 wurde § 33 EStG 1988 geändert und -unter anderem- der Entfall der Z 2 des Abs. 3a und der Entfall der Z 4 des Abs. 4 angeordnet, woraus sich ergibt, dass die darin angeordnete Indexierung nicht mehr anzuwenden ist. Diese Änderung ist gemäß § 124b Z 410 lit. a EStG 1988 für Kinder, die sich ständig in Tschechien aufhalten, bei Veranlagung der Einkommensteuer erstmalig für das Kalenderjahr 2019 anzuwenden.
Bei der Ermittlung der Einkommensteuer ist der Familienbonus Plus im Beschwerdefall daher mit einem Betrag von € 2.000,00 (für die Tochter des Beschwerdeführers mit 12 x € 125,-- = 1.500,-- und 4 x € 125-- = € 500,--, gesamt somit € 2.000, --) zu berücksichtigen. Dieser Betrag übersteigt auch nicht jene Steuer, die auf das gemäß § 33 Abs. 1 EStG 1988 zu versteuernde Einkommen (Steuer laut Tarif vor Abzug der Absetzbeträge) in der Höhe von € 3.525,29 entfällt, weshalb er in voller Höhe zu berücksichtigen war.
Aufgrund des Entfalls des § 33 Abs. 3a Z. 2 EStG 1988 und des § 33 Abs. 4 Z 4 EStG 1988 war im Beschwerdefall auch der Alleinverdienerabsetzbetrag ohne Indexierung zu berücksichtigen. Da der Sohn erst im September 2019 geboren wurde, steht der Kinderabsetzbetrag in der Höhe von € 494, -- (§ 33 Abs. 4 Z 1 iVm § 106 Abs. 1 EStG 1988) zu.
3.2. Zu Spruchpunkt II. (Revision)
Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
Das gegenständliche Erkenntnis stützt sich auf die in Folge der Entscheidung des Europäischen Gerichtshofes 16. Juni 2022, C-328/2020, Kommission/Österreich, erfolgten Aufhebung des § 33 Abs. 3a Z 2 EStG 1988 und § 33 Abs. 4 Z 4 EStG 1988. Eine Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung liegt nicht vor.
Wien, am 11. April 2025