JudikaturBFG

RV/7100015/2021 – BFG Entscheidung

Entscheidung
31. Juli 2025

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch die Richterin***Ri*** in der Beschwerdesache ***Bf1***, ***Bf-Adr***, zuletzt vertreten durch Dr. Dorothea Wodak, Schweizertalstraße 39, Tür 21, 1130 Wien, über die Beschwerde vom 17. August 2018 gegen den Bescheid des Finanzamtes Österreich vom 18. Juli 2018 betreffend Einkommensteuer 2017, Steuernummer ***St-Nr***, zu Recht erkannt:

I. Der Beschwerde wird gemäß § 279 BAO Folge gegeben.

Die Bemessungsgrundlagen und die Höhe der festgesetzten Abgabe sind dem als Beilage angeschlossenen Berechnungsblatt zu entnehmen und bilden einen Bestandteil des Spruches dieses Erkenntnisses.

II. Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

I. Verfahrensgang

Mit Bescheid vom 18. Juli 2018 setzte das Finanzamt die Einkommensteuer für 2017 fest, ohne den vom Bf. geltend gemachten Überschuss der Werbungskosten über die Einnahmen aus nichtselbständiger Arbeit zu berücksichtigen.

Die dagegen erhobene Beschwerde wurde im Wesentlichen mit der Begründung abgewiesen, dass negative Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit steuerrechtlich nicht anerkannt werden können.

Dagegen richtete sich der fristgerecht eingebrachte Vorlageantrag.

In der Folge legte die belangte Behörde den Beschwerdeakt dem Bundesfinanzgericht zur Entscheidung vor und beantragte die Abweisung der Beschwerde.

II. Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:

1. Sachverhalt

Der Beschwerdeführer (in weiterer Folge: Bf.) - mit Hauptwohnsitz in Österreich - war im beschwerdegegenständlichen Jahr 2017 Student der ***Studienrichtung B*** an der ***UNI X***. In der Zeit von 1. Jänner bis 31. Juli 2017 war er gleichzeitig Dienstnehmer der ***AG***. Zu seinem Aufgabenbereich zählten unter anderem die Vorbereitung der MBA-Kurse und Executive-Seminare sowie die Kontrolle von Abschlussarbeiten und Publikationen. Aus dieser Tätigkeit erzielte er Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit in Höhe von umgerechnet EUR 1.870,73.

Zudem erzielte er im beschwerdegegenständlichen Jahr Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung von in Österreich gelegenen Liegenschaften in Höhe von EUR 11.270,99.

Im Zusammenhang mit dem Studium der ***Studienrichtung B*** sind im Jahr 2017 Studiengebühren in Höhe von umgerechnet EUR 5.644,93 angefallen.

Weder in den Jahren vor dem beschwerdegegenständlichen Jahr 2017 noch in den unmittelbar daran anschließenden Jahren 2018 bis 2022 lagen negative Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit vor.

Der im Einkommensteuerbescheid 2017 (Erstbescheid) als sonstige Einkünfte ausgewiesene Betrag von EUR 3.852,00 ist mit EUR 0,- anzusetzen. Es handelt sich dabei um einen Betrag aus einer Honorarrechnung, die der Bf. an seinen Vater gestellt hat. Diese Honorarnote wurde beim Vater des Bf. steuerlich nicht anerkannt (vgl. dazu BFG 30.12.2019, RV/7102445/2019).

2. Beweiswürdigung

Der festgestellte Sachverhalt ergibt sich eindeutig aus dem Akteninhalt und ist unbestritten.

3. Rechtliche Beurteilung

3.1. Zu Spruchpunkt I. (Stattgabe)

Gemäß § 1 Abs. 2 EStG 1988 sind jene natürlichen Personen unbeschränkt steuerpflichtig, die im Inland einen Wohnsitz oder ihren gewöhnlichen Aufenthalt haben. Die unbeschränkte Steuerpflicht erstreckt sich auf sämtliche in- und ausländischen Einkünfte.

Der Einkommensteuer ist nach § 2 Abs. 1 EStG 1988 das Einkommen zugrunde zu legen, das der Steuerpflichtige innerhalb eines Kalenderjahres bezogen hat. Einkommen ist gemäß § 2 Abs. 2 EStG 1988 der Gesamtbetrag der Einkünfte aus den im Abs. 3 aufgezählten Einkunftsarten, darunter auch Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit gemäß § 25 EStG 1988.

Doppelbesteuerungsabkommen entfalten bloß eine Schrankenwirkung insofern, als sie eine sich aus dem innerstaatlichen Steuerrecht ergebende Steuerpflicht begrenzen. Ob Steuerpflicht besteht, ist also zunächst stets nach innerstaatlichem Steuerrecht zu beurteilen. Ergibt sich aus dem innerstaatlichen Recht eine Steuerpflicht, ist in einem zweiten Schritt zu beurteilen, ob das Besteuerungsrecht durch ein Doppelbesteuerungsabkommen eingeschränkt wird.

Nach Art. 1 des Abkommens zwischen der Republik Österreich und der Schweizerischen Eidgenossenschaft zur Vermeidung der Doppelbesteuerung auf dem Gebiete der Steuern vom Einkommen und vom Vermögen, in der für den beschwerdegegenständlichen Zeitraum geltenden Fassung (in weiterer Folge: DBA Österreich-Schweiz), gilt dieses Abkommen für Personen, die in einem Vertragsstaat oder in beiden Vertragsstaaten ansässig sind.

Nach Art. 4 Abs. 1 DBA Österreich-Schweiz gilt eine Person als in einem Vertragsstaat ansässig, wenn sie nach dem in diesem Staat geltenden Recht dort unbeschränkt steuerpflichtig ist. Ist eine natürliche Person nach den innerstaatlichen Vorschriften beider Vertragsstaaten als unbeschränkt steuerpflichtig anzusehen, so ist gemäß Art. 4 Abs. 2 lit. a DBA Österreich-Schweiz zunächst darauf abzustellen, in welchem Vertragsstaat sie über eine ständige Wohnstätte verfügt. Bestehen in beiden Staaten ständige Wohnstätten, ist jener Vertragsstaat als Ansässigkeitsstaat maßgeblich, zu dem die engeren persönlichen und wirtschaftlichen Beziehungen bestehen (sogenannter Mittelpunkt der Lebensinteressen).

Im gegenständlichen Fall ist der Bf. in Österreich gemäß § 1 Abs. 2 EStG 1988 unbeschränkt steuerpflichtig und im Sinne des DBA Österreich-Schweiz in Österreich ansässig. Auch bei Vorliegen einer ständigen Wohnstätte in der Schweiz befindet sich der Mittelpunkt seiner Lebensinteressen aufgrund der eindeutig engeren persönlichen und wirtschaftlichen Beziehungen - insbesondere des Familienwohnsitzes und der Vermietung von Immobilien - jedenfalls in Österreich.

Gemäß Art. 15 Abs. 1 DBA Österreich-Schweiz dürfen - vorbehaltlich der Artikel 16, 18 und 19 - Gehälter, Löhne und ähnliche Vergütungen, die eine in einem Vertragsstaat ansässige Person für eine unselbständige Arbeit bezieht, nur in diesem Staat besteuert werden, es sei denn, dass die Arbeit im anderen Vertragsstaat ausgeübt wird. Wird die Arbeit dort ausgeübt, so dürfen die dafür bezogenen Vergütungen im anderen Staat besteuert werden. Da der Bf. in Österreich ansässig ist, die Tätigkeit jedoch in der Schweiz ausübt, steht das Besteuerungsrecht für diese Einkünfte der Schweiz zu.

Nach Art. 23 Abs. 2 DBA Österreich-Schweiz ist auf diese Einkünfte die Anrechnungsmethode anzuwenden. Sie sind daher im Ansässigkeitsstaat Österreich unter Anrechnung einer allfällig in der Schweiz erhobenen Steuer steuerlich zu berücksichtigen.

Bei der Berücksichtigung ausländischer Einkünfte sind gemäß § 2 Abs. 8 Z 1 EStG 1988 für deren Ermittlung die Bestimmungen des österreichischen Einkommensteuergesetzes maßgeblich.

Gemäß § 16 Abs. 1 Z 10 EStG 1988 sind Werbungskosten Aufwendungen für Aus- und Fortbildungsmaßnahmen im Zusammenhang mit der vom Steuerpflichtigen ausgeübten oder einer damit verwandten beruflichen Tätigkeit und Aufwendungen für umfassende Umschulungsmaßnahmen, die auf eine tatsächliche Ausübung eines anderen Berufes abzielen.

Steht eine Bildungsmaßnahme in Zusammenhang mit der bereits ausgeübten Tätigkeit, ist eine Unterscheidung zwischen Fort- oder Ausbildung nicht erforderlich, da in beiden Fällen die Abzugsfähigkeit gegeben ist.

Von einem Zusammenhang mit der ausgeübten oder verwandten Tätigkeit ist dann auszugehen, wenn die durch die Bildungsmaßnahme erworbenen Kenntnisse in einem wesentlichen Umfang im Rahmen der ausgeübten (verwandten) Tätigkeit verwertet werden können. Es sind auch solche Bildungsmaßnahmen abzugsfähig, die nicht spezifisch für eine bestimmte betriebliche oder berufliche Tätigkeit sind, sondern zugleich für verschiedene berufliche Bereiche dienlich sind, die aber jedenfalls im ausgeübten Beruf von Nutzen sind und somit einen objektiven Zusammenhang mit dem ausgeübten Beruf aufweisen (vgl. Doralt in Doralt/Kirchmayr/Mayr/Zorn, EStG25 § 16 Rz 203/3 mit Verweis auf VwGH 22.9.2005, 2003/14/0090).

Angesichts des Umstands, dass zu den Aufgaben des Bf. als studentischer Mitarbeiter der ***AG*** unter anderem die Vorbereitung von Kursen und Executive-Seminaren sowie die Kontrolle von Abschlussarbeiten und Publikationen gehörten, handelt es sich bei den als Werbungskosten geltend gemachten Studiengebühren in Höhe von EUR 5.644,93 um Aus- bzw. Fortbildungskosten im Sinne des § 16 Abs. 1 Z 10 EStG 1988.

Die Frage, ob die darüber hinaus geltend gemachten Aufwendungen als Werbungskosten anzuerkennen sind, kann dahingestellt bleiben, da sich aufgrund des vertikalen Verlustausgleichs mit den übrigen Einkünften in Höhe von EUR 11.270,99 ohnehin eine Einkommensteuer von EUR 0,- ergibt und sich eine weitergehende Anerkennung somit nicht auf das steuerliche Ergebnis auswirken würde.

Im beschwerdegegenständlichen Fall wird vom Finanzamt auch nicht in Abrede gestellt, dass es sich bei den geltend gemachten Aufwendungen um Werbungskosten iSd § 16 Abs. 1 EStG 1988 handelt.

Das Finanzamt lässt jedoch den Abzug dieser geltend gemachten Werbungskosten lediglich in Höhe der diesbezüglichen Aktivbezüge zu.

Dafür, dass Werbungskosten grundsätzlich nur in Höhe der Aktivbezüge zu berücksichtigen wären, bietet weder das Gesetz eine Grundlage, noch wird in der herrschenden Rechtsprechung ein diesbezüglicher Rechtsstandpunkt vertreten (vgl. BFG 14.12.2015, RV/3100177/2014).

Auch die höchstgerichtliche Judikatur vertritt die Auffassung, dass Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit im Einzelfall auch negativ sein können (vgl. VwGH 23.10.1990, 89/14/0302, VwGH 15.9.2011, 2008/15/0321).

Im erstgenannten Beschwerdeverfahren machte ein Abgabepflichtiger Werbungskosten geltend, die aus einem Prozess vor dem Arbeitsgericht resultierten, in dem der Beschwerdeführer seine Weiterbeschäftigung als Dienstnehmer einer GmbH durchsetzen wollte. Der Beschwerdeführer erzielte keine Aktivbezüge, sondern einerseits positive Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit in Form von Pensionsbezügen und andererseits negative Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit (ausschließlich Prozesskosten). Unbestritten waren dabei die Höhe dieses Verlustes und dessen grundsätzliche steuerliche Anerkennung.

Im letztgenannten Erkenntnis vertritt der Verwaltungsgerichtshof die Rechtsauffassung, dass die steuerliche Berücksichtigung von Umschulungskosten nicht auf jene Fälle beschränkt ist, in denen der Steuerpflichtige seine bisherige Tätigkeit aufgibt oder wesentlich einschränkt. Abzugsfähig sind vielmehr auch solche Aufwendungen, die - auch unter Berücksichtigung zunächst angefallener Ausbildungskosten - der Sicherung des künftigen Lebensunterhalts des Steuerpflichtigen dienen und daher künftiges Steuersubstrat darstellen.

Daraus ergibt sich, dass Werbungskosten im Zusammenhang mit Umschulungsmaßnahmen unter bestimmten Umständen sogar dann zu berücksichtigen sind, wenn noch keine damit in Zusammenhang stehenden Einkünfte erzielt werden. Damit sind auch Aufwendungen abzugsfähig, die der Sicherung des künftigen Lebensunterhalts des Steuerpflichtigen dienen und daher künftiges Steuersubstrat darstellen (sogenannte vorweggenommene Werbungskosten).

Wenn jedoch vorweggenommene Werbungskosten zu berücksichtigen sind, so sind nach Auffassung des Bundesfinanzgerichts auch solche Werbungskosten zu berücksichtigen, die die Einkünfte übersteigen, wenn - wie im beschwerdegegenständlichen Fall - bereits Einkünfte erzielt werden. Dies gilt selbst dann, wenn dadurch ausnahmsweise negative Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit entstehen.

Der Bf. erzielte lediglich im beschwerdegegenständlichen Jahr negative Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit, da die geltend gemachten Werbungskosten die Einnahmen überstiegen. Beim Bf. wurden weder in den Jahren vor dem beschwerdegegenständlichen Jahr 2017 noch in den unmittelbar daran anschließenden Jahren 2018 bis 2022 negative Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit festgestellt.

Grundsätzlich sind Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit naturgemäß positiv. Im vorliegenden Beschwerdefall liegt jedoch ein Ausnahmefall vor, in dem im Streitjahr einmalig ein Werbungskostenüberschuss zu negativen Einkünften geführt hat. Da sich aus dem Gesetz kein Verlustverwertungsverbot ergibt, können diese negativen Einkünfte in einem vertikalen Verlustausgleich mit den positiven Einkünften aus Vermietung und Verpachtung verrechnet werden.

3.2. Zu Spruchpunkt II. (Revision)

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Mit dem vorliegenden Erkenntnis folgt das Bundesfinanzgericht der oben zitierten höchstgerichtlichen Rechtsprechung sowie dem klaren Wortlaut der im Beschwerdefall maßgeblichen gesetzlichen Bestimmungen. Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision liegen daher nicht vor.

Wien, am 31. Juli 2025

Beilage: Berechnungsblatt Einkommensteuer 2017