JudikaturBFG

RV/7100838/2024 – BFG Entscheidung

Entscheidung
09. Juli 2025

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch den Richter ***R*** in der Beschwerdesache ***Bf***, ***Bf-Adr***, vertreten durch BDO Assurance GmbH Wirtschaftsprüfungs- und Steuerberatungsgesellschaft, Am Belvedere 4, 1100 Wien, über die Beschwerde vom 13. April 2022 gegen den Bescheid des Finanzamtes für Großbetriebe vom 9. März 2022 betreffend Säumniszuschläge, Steuernummer ***BFStNr***, zu Recht erkannt:

I. Die Beschwerde wird gemäß § 279 BAO als unbegründet abgewiesen.

II. Gegen dieses Erkenntnis ist eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

I. Verfahrensgang

Mit Eingabe vom 10.1.2022 informierte die Beschwerdeführerin die belangte Behörde, dass sie in den Jahren 2016-2021 Lieferungen von Zellstoff fälschlicherweise als umsatzsteuerfrei behandelt habe. Ihre Vorlieferanten, die niederländische ***A*** B.V. und die finnische ***B*** Oy, die beide unter einer niederländischen UID aufgetreten sind und den Zellstoff ihrerseits von Lieferanten aus Drittstaaten erworben haben, hätten an die Beschwerdeführerin mit Hinweis auf die Steuerbefreiung des Art. 156 Abs. 1 lit. c der MWSt-SystemRL ohne Umsatzsteuer fakturiert. Die Beschwerdeführerin habe den Zellstoff an die ***X*** AG weiterverkauft und ebenfalls ohne USt mit dem Hinweis "Nicht steuerbarer Auslandsumsatz" fakturiert. Die Ware habe sich zunächst in einem Zollfreilager in den Niederlanden befunden, sei von dort durch einen von ***A*** B.V. bzw. ***B*** Oy beauftragten Frachtführer direkt an die ***X*** AG geliefert worden und während des Transportvorganges zollrechtlich in einem Transitverfahren (T1) verblieben. Richtigerweise liege jedoch ein Reihengeschäft vor. Bei den Lieferungen der Vorlieferanten an die Beschwerdeführerin habe es sich um steuerbefreite innergemeinschaftliche Lieferungen gehandelt. Die Beschwerdeführerin habe korrespondierend dazu einen innergemeinschaftlichen Erwerb in Österreich getätigt, welcher umsatzsteuerpflichtig sei, wobei die Beschwerdeführerin auch zum Vorsteuerabzug in gleicher Höhe berechtigt sei. Die Weiterlieferung durch die Beschwerdeführerin an die ***X*** AG sei als ruhende Lieferung im Reihengeschäft in Österreich steuerbar und steuerpflichtig. Die Beschwerdeführerin schulde daher aus diesen Lieferungen 20 % österreichische Umsatzsteuer. Diese Umsatzsteuer sei bislang nicht entrichtet worden, da die Beschwerdeführerin irrtümlich von einer nicht steuerbaren Leistung ausgegangen sei. Sie werde nun innerhalb eines Monats nachträglich entrichtet.

Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid vom 9.3.2022 setzte die belangte Behörde Säumniszuschläge zu den Umsatzsteuern 2016-2019 sowie 05/2021-08/2021 im Gesamtbetrag von € 125.807,96 fest, da die Beschwerdeführerin diese Abgabenschuldigkeiten nicht spätestens bei Fälligkeit entrichtet habe.

Dagegen richtet sich die gegenständliche Beschwerde vom 13.4.2022. Bei den gegenständlichen Lieferungen habe es sich um ein komplexes Einfuhrreihengeschäft gehandelt, dessen umsatzsteuer- und zollrechtlich korrekte Abwicklung für Unternehmer mit großen Herausforderungen verbunden ist. Die ausländischen Vorlieferanten der Beschwerdeführerin hätten in den Rechnungen fälschlicherweise auf eine nach Art. 156 Abs. 1 MWSt-SystemRL steuerbefreite Lieferung hingewiesen, obwohl richtigerweise eine ig. Lieferung an die Beschwerdeführerin vorgelegen habe. Die Beschwerdeführerin habe auf die unrichtigen Angaben ihrer Lieferanten vertraut. Dies mache das Verhalten der Beschwerdeführerin erklärbar und entschuldbar, sodass lediglich von leichter Fahrlässigkeit ausgegangen werden könne und Säumniszuschläge gem. § 217 Abs. 7 BAO nicht festzusetzen bzw. herabzusetzen seien. Zudem sei dem österreichischen Fiskus durch die verspätete Abfuhr der USt kein Schaden entstanden, da die ***X*** AG als Leistungsempfänger hinsichtlich dieser USt ohnedies zum vollen Vorsteuerabzug berechtigt sei und dieser Vorsteuerabzug im vorliegenden Fall erst nach Ausstellung einer berichtigten Rechnung (incl. österreichischer USt) und damit zeitgleich mit der nachträglichen Abfuhr der USt durch die Beschwerdeführerin vorgenommen worden sei.

Mit Beschwerdevorentscheidung vom 9.10.2023 wies die belangte Behörde die Beschwerde als unbegründet ab. Sie ging davon aus, dass die Beschwerdeführerin entgegen den Beschwerdeausführungen grobes Verschulden an der verspäteten Entrichtung der USt zu verantworten habe, da sie selbst im internationalen Warenhandel, sowohl im Binnenmarkt als auch mit Geschäftspartnern in Drittländern, tätig sei. Es könne daher vorausgesetzt werden, dass ihr die einschlägigen umsatzsteuer- und zollrechtlichen Bestimmungen geläufig sind, sie bei einem Einkauf von einem Lieferanten aus dem übrigen Gemeinschaftsgebiet einen falschen Hinweis auf Art. 156 MWSt-SystemRL erkennt und in der Folge ihre Umsätze richtig erklärt. Zudem seien Unternehmer im internationalen Warenverkehr aufgrund der Rechtsprechung und Legistik entsprechend sensibilisiert und hätte der Umstand, dass beide Lieferanten jeweils unter ihrer niederländischen UID aufgetreten sind, die Beschwerdeführerin zu einer Überprüfung der Geschäftsfälle veranlassen müssen.

Mit Eingabe vom 10.11.2023 stellte die Beschwerdeführerin Vorlageantrag gem. § 264 BAO. Die umsatzsteuerliche Behandlung von Lieferungen unverzollter und unversteuerter Ware stelle auch für mit den umsatzsteuerlichen Vorschriften vertraute Personen eine besondere Herausforderung dar. Auch der österreichische Gesetzgeber behandle derartige Lieferungen nicht einheitlich, indem er teils Steuerbefreiungen (§ 1 Abs. 2 VO BGBl II 2003/584) und teils eine Steuerpflicht vorsehe. Art. 156 MWSt-SystemRL eröffne den Mitgliedstaaten zudem ein Wahlrecht, indem ihnen die Einführung von Steuerbefreiungen freigestellt werde. Auch bei Kenntnis der österreichischen Rechtslage könne daher in anderen EU-Mitgliedstaaten eine andere Regelung greifen. Wenn ein EU-ausländischer Lieferant in seiner Rechnung auf Art. 156 MWSt-SystemRL verweist, müsse es daher auch für einen steuerlich versierten Buchhalter plausibel erscheinen, dass diese Lieferung aus Sicht des anderen Mitgliedstaates als ruhende, aber steuerbefreite Lieferung vor der Einfuhr qualifiziert wird. Es sei daher nicht nachvollziehbar, dass die belangte Behörde die Verwendung der niederländischen UID durch die Lieferanten als Umstand anführt, der die Beschwerdeführerin zu näheren Nachforschungen veranlassen hätte müssen. Die Rechnungsausstellung richte sich umsatzsteuerlich nach den Vorschriften jenes Mitgliedstaates, in dem sich der Leistungsort befindet. Bei Ware, die sich in den Niederlanden befindet, sei die Rechnung daher nach niederländischem Recht auszustellen. Unterstelle man vergleichbare Rechnungsmerkmale wie in § 11 UStG, seien die Vorlieferanten verpflichtet gewesen, unter ihrer niederländischen UID aufzutreten und zu fakturieren. Die Verwendung der niederländischen UID durch die Vorlieferanten sei daher zutreffend gewesen und hätte nicht die Verwendung dieser UID, sondern vielmehr die Verwendung einer anderen UID bei der Beschwerdeführerin Zweifel hervorrufen müssen. Die Verwendung der niederländischen UID und der Verweis auf eine im EU-Ausland vielfach anwendbare Steuerbefreiung haben die von den Vorlieferanten ausgestellten Rechnungen für die Beschwerdeführerin plausibel erscheinen lassen. Die tatsächliche Unrichtigkeit dieser Rechnungen nicht zu erkennen, könne unter diesen Bedingungen auch einem ansonsten sorgfältigen Sachbearbeiter passieren und sei dies daher maximal als leichte Fahrlässigkeit zu qualifizieren. Bei der Nichtfestsetzung bzw. Herabsetzung der Säumniszuschläge sei auch zu berücksichtigen, dass die Beschwerdeführerin die steuerlich unrichtige Behandlung der Geschäftsfälle aus eigenem Antrieb korrigiert habe und dass der administrative Mehraufwand für die Finanzverwaltung durch die nachträgliche Abfuhr nicht in einem linearen Verhältnis zum nachträglich entrichteten Betrag steige, sodass sich - wie hier - bei hohen Abgabennachforderungen unverhältnismäßig hohe Säumniszuschläge ergeben.

In der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesfinanzgericht gaben die Vertreter der Beschwerdeführerin an, dass die umsatzsteuerliche Klassifizierung von neuen Geschäftsvorfällen im Unternehmen der Beschwerdeführerin üblicherweise durch die Buchhaltung erfolge. Lediglich in komplizierten Fällen erfolge eine Einbindung des Vorstandes, was hier aber nicht der Fall gewesen sei. Die belangte Behörde brachte hierzu vor, dass im Unternehmen der Beschwerdeführerin angesichts der komplizierten Reihengeschäfte ein entsprechendes Kontrollsystem vorgesehen hätte werden müssen. Erschwerend wiege aus Sicht der belangten Behörde der lange Zeitraum, über den der Fehler nicht aufgefallen ist.

II. Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:

1. Sachverhalt

Die Beschwerdeführerin nahm vor 2016 Geschäftsbeziehungen mit der niederländischen ***A*** B.V. und der finnischen ***B*** Oy auf, von denen sie Zellstoff erwarb, den sie an die mit ihr verbundene, in Österreich ansässige ***X*** AG weiterveräußerte. ***A*** B.V. und ***B*** Oy traten jeweils unter einer niederländischen UID auf. Der Zellstoff, den sie von Lieferanten aus Drittstaaten bezogen, wurde zunächst in einem Zollfreilager in den Niederlanden gelagert und von dort durch einen von ***A*** B.V. bzw. ***B*** Oy beauftragten Frachtführer direkt an die ***X*** AG nach Österreich geliefert. Während dieses Transportvorganges befand sich die Ware zollrechtlich im T1-Verfahren, einem Transitverfahren, bei dem Nicht-Unionswaren innerhalb des Zollgebietes der EU transportiert werden können, ohne dass sie Zollabgaben unterliegen (unwidersprochenes Vorbringen der Beschwerdeführerin im Schreiben vom 10.1.2022 und in der Beschwerde vom 13.4.2022; dass die Beschwerdeführerin bereits vor 2016 gleichartige Geschäfte mit ***A*** B.V. und ***B*** Oy getätigt hat und die Nachmeldung der diesbezüglichen Zeiträume lediglich wegen zwischenzeitig eingetretener Verjährung unterblieb, haben die Vertreter der Beschwerdeführerin in der mündlichen Verhandlung angegeben). ***A*** B.V. und ***B*** Oy fakturierten an die Beschwerdeführerin unter Hinweis auf Art. 156 Abs. 1 lit. c MWSt-SystemRL ohne Umsatzsteuer (unwidersprochenes Vorbringen der Beschwerdeführerin im Schreiben vom 10.1.202 und, in der Beschwerde vom 13.4.2022 sowie in der mündlichen Verhandlung beispielhaft vorgelegte Rechnungen vom 26.4.2018 und 7.6.2021).

Die umsatzsteuerliche Beurteilung von neuen Geschäftsvorfällen erfolgt im Unternehmen der Beschwerdeführerin durch die Buchhaltung. Der Vorstand wird hierbei nur in komplizierten Fällen eingebunden. Dies ist im vorliegenden Fall bei Aufnahme der Geschäftsbeziehungen mit ***A*** B.V. und ***B*** Oy nicht geschehen (Angaben der Vertreter der Beschwerdeführerin in der mündlichen Verhandlung). Aufgrund des Hinweises auf Art. 156 Abs. 1 lit. c MWSt-SystemRL ging die Buchhaltung der Beschwerdeführerin davon aus, dass die (Weiter-) Lieferung der Ware an die ***X*** AG nicht steuerbar ist. Die Beschwerdeführerin fakturierte daher an die ***X*** AG ohne Umsatzsteuer mit dem Hinweis "nicht steuerbarer Auslandsumsatz". Die ***X*** AG nahm sodann die Einfuhrverzollung vor, erklärte die Einfuhr-Umsatzsteuer und nahm aus diesen Einfuhren einen korrespondierenden Vorsteuerabzug vor (unwidersprochenes Vorbringen der Beschwerdeführerin im Schreiben vom 10.1.2022 und in der Beschwerde vom 13.4.2022).

Anlässlich einer Belegprüfung durch den Wirtschaftsprüfer nach dem 15.10.2021 ist bei der Beschwerdeführerin aufgefallen, dass diese Vorgangsweise unrichtig ist und dass es sich vielmehr beim Erwerb der Ware durch die Beschwerdeführerin um einen (steuerpflichtigen) ig. Erwerb und bei der Weiterveräußerung an die ***X*** AG um eine in Österreich steuerbare und steuerpflichtige ruhende Lieferung im Reihengeschäft in Österreich handelt. Die Beschwerdeführerin legte daher korrigierte Rechnungen (mit österreichischer Umsatzsteuer) an die ***X*** AG. Die daraus resultierende Umsatzsteuerschuld wurde von der Beschwerdeführerin nacherklärt und entrichtet; die ***X*** AG nahm für die von der Beschwerdeführerin verrechnete Umsatzsteuer den Vorsteuerabzug in Anspruch (unwidersprochenes Vorbringen der Beschwerdeführerin im Schreiben vom 10.1.2022 und in der Beschwerde vom 13.4.2022; dass der Fehler anlässlich einer Belegprüfung durch den Wirtschaftsprüfer entdeckt wurde, haben die Vertreter der Beschwerdeführerin in der mündlichen Verhandlung abgegeben; dass dies nach dem 15.10.2021 geschehen sein muss, ergibt sich daraus, dass an diesem Tag die Umsatzsteuer aus dem letzten unrichtig abgewickelten Voranmeldungszeitraum 08/2021 fällig wurde und die Beschwerdeführerin - wie sie auf S. 8 des Schreibens vom 10.1.2022 ausführt - die Abwicklung unverzüglich nach Erkennen des Fehlers geändert hat; der Fehler konnte demnach nicht vor dem 15.10.2021 entdeckt worden sein, da diesfalls auch die Umsatzsteuer 08/2021 bereits richtig abgewickelt worden wäre).

2. Beweiswürdigung

Die Feststellungen gründen sich auf die in Klammer jeweils angeführten Beweisergebnisse und Überlegungen. Der Sachverhalt entspricht i.W. dem Vorbringen der Beschwerdeführerin, dem die belangte Behörde nicht entgegengetreten ist und von dem sie offenkundig auch bei Erlassung des gegenständlichen Bescheides ausgegangen ist. Der Sachverhalt ist damit unstrittig. Strittig ist die Rechtsfrage, ob die Beschwerdeführerin grobes Verschulden an der verspäteten Entrichtung der Umsatzsteuer zu verantworten hat.

3. Rechtliche Beurteilung

3.1. Zu Spruchpunkt I. (Abweisung)

Gem. § 217 Abs. 1 und 2 ist, wenn eine Abgabe nicht spätestens am Fälligkeitstag entrichtet wird, ein Säumniszuschlag i.H.v. 2 % des nicht zeitgerecht entrichteten Abgabenbetrages zu entrichten. Die gegenständlichen Umsatzsteuerforderungen wurden zwischen 15.2.2017 (USt 2016) und 15.10.2021 (USt 08/2021) fällig und erst nach der Offenlegung vom 10.1.2022, sohin unzweifelhaft verspätet entrichtet. Die gegenständlichen Säumniszuschläge wurden damit verwirkt.

Gem. § 217 Abs. 7 BAO ist der Säumniszuschlag auf Antrag (der auch in einer Beschwerde gegen den Säumniszuschlagsbescheid gestellt werden kann: VwGH 20.1.2016, Ro 2014/17/0036) des Abgabepflichtigen insoweit herabzusetzen bzw. nicht festzusetzen, als ihn an der Säumnis kein grobes Verschulden trifft, insbesondere insoweit bei Selbstberechnungabgaben kein grobes Verschulden an der Unrichtigkeit der Selbstberechnung vorliegt. Dies ist etwa dann der Fall, wenn der - objektiv unrichtigen - Selbstberechnung eine vertretbare Rechtsansicht zugrunde liegt (VwGH 4.6.2016, Ro 2016/16/007). Werden Abgaben aufgrund eines Fehlers von Arbeitnehmern des Steuerpflichtigen nicht fristgerecht entrichtet, ist deren (grobes) Verschulden dem Steuerpflichtigen nicht zuzurechnen und daher grundsätzlich nicht schädlich. Hat der Steuerpflichtige jedoch seine Arbeitnehmer (grob) schuldhaft nicht bzw. unzureichend kontrolliert, kann darin ein Verschulden liegen, welches der Herabsetzung oder Aufhebung eines Säumniszuschlages entgegensteht (VwGH 31.5.2011, 2007/15/0169; 26.1.2017, Ra 2014/15/0007).

Im vorliegenden Fall haben die Lieferanten der Beschwerdeführerin ohne USt fakturiert und dies mit einem Verweis auf Art. 156 Abs. 1 lit. c MWSt-SystemRL begründet. Nach dieser Bestimmung können die Mitgliedsstaaten der Europäischen Union die Lieferung von Gegenständen, die einer Zolllageregelung unterliegen sollen, von der Umsatzsteuer befreien. Österreich hat von dieser Möglichkeit keinen Gebrauch gemacht. Ein österreichischer Unternehmer, der Waren von einem EU-ausländischen Lieferanten bezieht und an einen österreichischen Abnehmer weiter veräußert, tätig daher auch dann einen steuerpflichtigen ig. Erwerb und eine anschließende steuerpflichtige Lieferung im Inland, wenn die Ware - wie hier - aus einem Drittstaat stammt, zunächst in einem Transitverfahren verbleibt und erst durch den (letzten) Abnehmer verzollt wird. Auch eine Steuerfreiheit nach § 1 Abs. 2 der VO BGBl. II Nr. 584/2003 kommt nicht in Frage, da hierfür erforderlich wäre, dass die Beschwerdeführerin als erster Abnehmer in der Reihe im Inland keinen Sitz und keine Betriebsstätte hat und auch nicht zur Umsatzsteuer erfasst ist. Es war daher denkunmöglich, dass die Lieferungen der Beschwerdeführerin an die ***X*** AG steuerfrei sind; die gegenteilige Rechtsauffassung der Beschwerdeführerin war jedenfalls unzutreffend und damit nicht vertretbar.

Dass die Beschwerdeführerin die umsatzsteuerliche Klassifizierung des - wie sie selbst ins Treffen führt - komplexen und fehleranfälligen Reihengeschäftes der Buchhaltung überlassen hat, ohne den Vorstand einzubinden oder der Buchhaltung auf sonstige Weise fachkundige Hilfe zur Verfügung zu stellen und auch in der Folge nicht kontrolliert hat, ob die Buchhaltung das Geschäft richtig klassifiziert hat, sodass der Fehler erst nach mehr als sechs Jahren - eher zufällig - anlässlich einer Rechnungsprüfung entdeckt wurde, kann nicht mehr als bloß leichtes Verschulden betrachtet werden. Die Beschwerdeführerin konnte sich auch nicht auf den in den Rechnungen enthaltenen Hinweis auf eine Steuerfreiheit nach Art. 156 Abs. 1 lit. c MWSt-SystemRL (der aus niederländischer Sicht durchaus zutreffend sein mag) verlassen, sondern war verpflichtet, die umsatzsteuerliche Einordnung des Geschäftes nach österreichischem Recht selbst zu prüfen (vgl. BFG 20.10.2021, RV/7101071/2019). Wenn Mitarbeitern steuerlich komplexe Tätigkeiten übertragen werden, wäre es daher erforderlich, entweder schon bei der erstmaligen Beurteilung der steuerlichen Fragen Experten beizuziehen oder zumindest zeitnah die steuerliche Einschätzung der Mitarbeiter auf ihre Richtigkeit zu überprüfen. Diesfalls wäre der Fehler wohl noch vor dem Jahr 2016 aufgefallen und wäre es dann zu einer verspäteten Entrichtung der gegenständlichen Umsatzsteuerforderungen nicht gekommen.

Der gegenständliche Fall ist mit den von der Beschwerdeführerin zitierten Entscheidungen insofern nicht vergleichbar, als die verspätete Abgabeentrichtung in diesen Entscheidungen auf nachträglich geänderten Verhältnissen (BFG 13.3.2025, RV/5100088/2025: ein Gebäude wurde in der Absicht, es zu vermieten, errichtet und wurden während der Bauphase Umsatzsteuervoranmeldungen mit entsprechenden Vorsteuerguthaben eingereicht; in der Folge wurde aufgrund geänderter Lebensumstände entschieden, das Gebäude nicht zu vermieten) oder auf einer vertretbaren Rechtsansicht (BFG 30.6.2016, RV/7105622/2015; 22.7.2015, RV/2100518/2013; UFS 11.7.2007, RV/0664-L/05: ungeklärte Rechtsfrage, die in der Folge anders entschieden wurde, als von den Abgabepflichtigen zunächst angenommen) beruhte. All diesen Fällen ist gemeinsam, dass die Auffassung der jeweiligen Abgabepflichtigen, eine Abgabe nicht entrichten zu müssen, im Fälligkeitszeitpunkt nicht jedenfalls unrichtig war und die objektive Unrichtigkeit sich erst nachträglich herausgestellt hat. Diese Abgabepflichtigen hätten die Unrichtigkeit ihrer Auffassung im Fälligkeitszeitpunkt daher auch nicht durch Beiziehung von Steuerexperten oder Kontrolle ihrer Mitarbeiter zweifelsfrei feststellen können, weshalb ein grobes Verschulden an der Nichtentrichtung zu verneinen war. Demgegenüber war die von der Buchhaltung der Beschwerdeführerin vertretene Auffassung, die Lieferungen an die ***X*** AG seien umsatzsteuerfrei, jedenfalls unzutreffend, und hätte dies durch eine (fachkundige) Kontrolle auch festgestellt werden können.

Zusammenfassend ist daher festzuhalten, dass die Beschwerdeführerin grobes Verschulden an der nicht fristgerechten Entrichtung der gegenständlichen Umsatzsteuerverbindlichkeiten zu verantworten hat, weshalb eine Herabsetzung der Säumniszuschläge nach § 217 Abs. 7 BAO nicht in Frage kommt. Anzumerken ist, dass das maßgebliche Kriterium für eine Herabsetzung/Nichtfestsetzung nach dieser Bestimmung ausschließlich der Grad des Verschuldens ist. Die von der Beschwerdeführerin zusätzlich ins Treffen geführten Umstände (allgemeines steuerliches Wohlverhalten; aktive Korrektur durch die Beschwerdeführerin; Arbeitsaufwand der Finanzverwaltung steigt - anders als der Säumniszuschlag - nicht linear mit der Stammabgabe; kein Finanzierungsvorteil für die Beschwerdeführerin, da die Nachverrechnung der USt an die ***X*** AG erst nach Entrichtung der USt an das Finanzamt erfolgte; kein Finanzierungsnachteil für den Fiskus, da die ***X*** AG den Vorsteuerabzug erst nach Abfuhr der USt durch die Beschwerdeführerin geltend gemacht hat; Sanktionierung bereits durch EUSt-Verzinsung) konnten daher nicht berücksichtigt werden( vgl. BFG 4.8.2017, RV/2100844/2017). Auch ist bei der Anwendung des § 217 Abs. 7 BAO kein Ermessen anzuwenden (Säumniszuschläge sind herabzusetzen, soweit kein grobes Verschulden vorliegt; umgekehrt ist eine Herabsetzung ausgeschlossen, wenn grobes Verschulden vorliegt), in dessen Rahmen diese Umstände berücksichtigt werden könnten. Die Beschwerde war daher als unbegründet abzuweisen.

3.2. Zu Spruchpunkt II. (Revision)

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Die Frage, ob Verschulden vorliegt und welchen Grad es gegebenenfalls erreicht, geht in ihrer Bedeutung regelmäßig nicht über den Einzelfall hinaus (VwGH 6.4.2016, Ro 2016/16/0007). Rechtsfragen von grundsätzlicher Bedeutung war daher nicht zu lösen und war die Revision demnach nicht zuzulassen.

Wien, am 9. Juli 2025