IM NAMEN DER REPUBLIK
Das Bundesfinanzgericht hat durch die Richterin***Ri***
in der Beschwerdesache des ***Bf1***, ***Bf1-Adr***,
betreffend den Bescheid des ***FA*** vom 17. Jänner 2023
hinsichtlich Rückforderung von Familienbeihilfe und Kinderabsetzbetrag für die Zeiträume September 2019 bis Februar 2020 und April 2021 bis Juni 2022,
Steuernummer ***BF1StNr1***,
zu Recht erkannt:
I. Die Beschwerde wird gemäß § 279 BAO als unbegründet abgewiesen.
II. Gegen dieses Erkenntnis ist eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.
Entscheidungsgründe
I. Verfahrensgang
Der angefochtene Rückforderungsbescheid enthielt die Begründung, die für den Familienbeihilfenbezug erforderlichen "20 Semesterwochenstunden seien im Rückforderungszeitraum nicht erreicht" worden. Aufgrund der Corona-Krise sei der Familie trotzdem für den Zeitraum 09/2020 (gemeint ist wohl: 03/2020) -03/2021 die Familienbeihilfe gewährt worden.
Dagegen wandte sich der Beschwerdeführer mit einem als Beschwerde zu wertenden Schreiben vom Februar 2023, in welchem er ausführte: Er wolle richtigstellen, dass er die Abendschule für Berufstätige schon seit drei Jahren besuche. Die Reifeprüfung könne er erst ablegen, wenn die offenen Semester abgeschlossen seien, dies werde voraussichtlich ein weiteres Jahr in Anspruch nehmen. Er ersuche daher, von der Rückforderung Abstand zu nehmen. Er legte Zeugnisse und einen Stundenplan bei.
Nach einem weiteren Schriftwechsel und einem Ergänzungsersuchen erging eine abweisende Beschwerdevorentscheidung, in welcher seitens der Abgabenbehörde ausgeführt wurde:
Unter den Voraussetzungen des § 6 Abs. 5 FLAG 1967 könnten Kinder für sich selbst Familienbeihilfe beziehen. Ein Familienbeihilfenanspruch bestehe nur dann, wenn die Ausbildung ernsthaft und zielstrebig betrieben werde. Davon könne ausgegangen werden, wenn die Vorbereitung auf die Ablegung von Prüfungen die volle Zeit des Kindes in Anspruch nehme und das Kind zu den Prüfungsterminen innerhalb eines angemessenen Zeitraumes antrete. Eine Berufsausbildung im Sinne des FLAG 1967 liege in zeitlicher Hinsicht vor, wenn ein wöchentlicher Zeitaufwand von etwa 30 Stunden für Kurse und Vorbereitung auf Prüfungen aufgewendet werde (die Abgabenbehörde wies hiezu auf Judikate des BFG hin).
Sei Ziel der Ausbildung die Ablegung der Matura, werde als Vergleichsmaßstab der für den Besuch einer AHS oder BHS erforderliche Zeitaufwand herangezogen, d. h., ebenfalls mindestens 30 Wochenstunden.
Laut den vorliegenden Zeugnissen der AHS für Berufstätige seien im Wintersemester 2019/20 lediglich 6 Wochenstunden beurteilt und 7 Wochenstunden nicht beurteilt worden, im Sommersemester 2021 seien 15 Wochenstunden beurteilt, eine Wochenstunde "angerechnet" (gemeint ist wohl: "abgemeldet") und 6 Wochenstunden nicht beurteilt worden, im Wintersemester 2021 seien 15 Wochenstunden beurteilt und 4 Wochenstunden nicht beurteilt worden, im Sommersemester 2022 seien 7 Wochenstunden beurteilt und 11 Wochenstunden nicht beurteilt worden.
Im Hinblick auf die zum Teil vorliegende Nichtbeurteilung in den strittigen Semestern, könne kein Zweifel daran bestehen, dass eine Berufsausbildung im Sinne des § 2 Abs. 1 FLAG 1967 nicht vorgelegen sei. Die Anwesenheit im Unterricht bzw. der Antritt zu Prüfungen sei offensichtlich nicht im erforderlichen Umfang gegeben gewesen.
Es langte ein Schreiben vom 04.03.2023 ein, welches als Antrag auf Vorlage der Beschwerde an das Bundesfinanzgericht gewertet wurde. In diesem Schreiben führte der Beschwerdeführer aus:
Das Abendgymnasium werde voraussichtlich im Sommersemester 2024 abgeschlossen sein. Er habe einen Plan zum Studienverlauf vorgelegt. Der Abschluss werde mit der Vollendung seines 25. Lebensjahres einhergehen.
Zwischenzeitlich war auch ein Abweisungsbescheid vom 06.06.2023 erlassen worden, mit dem der Antrag des Beschwerdeführers auf Gewährung der Familienbeihilfe ab Juni 2023 abgewiesen wurde.
Es ergingen ein Mängelbehebungsbescheid und ein Ersuchen um Auskunft. In einem Schreiben vom 27.10.2023 teilte der Beschwerdeführer mit, die Rückforderung sei zu Unrecht erfolgt. Aus seinem Studienverlauf könne ersehen werden, dass er größtenteils mit dem Lernmaterial fertig sei. Er habe den Unterricht und die Prüfungen wahrgenommen. Es fehlten ihm nur noch einige Nebenfächer für die Reifeprüfung. Er ersuche von der Rückforderung Abstand zu nehmen.
Der Beschwerdeführer reichte eine Unterschrift nach und stellte via FinanzOnline vom 29.01.2025 klar, sein Beschwerdeschreiben vom 04.07.2023 richte sich gegen den Rückforderungsbescheid (Anm.: BVE). Er habe 3,5 Schuljahre erfolgreich abgeschlossen und habe sich nun für das Sommersemester 2025 angemeldet, bis zu dessen Ende er die Matura abgelegt haben wolle.
Er legte eine Übersicht "Studienverlauf" bei.
II. Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:
1. Sachverhalt
{ "type": "ol", "children": [ { "type": "li", "children": [ "Nicht streitgegenständlich sind die Zeiträume 03/2020-03/2021 (d.h. SS 2020 und WS 2020/21), für welche eine Rückforderung nicht erfolgte, da es aufgrund der Corona-Situation besondere Regelungen gab." ] }, { "type": "li", "children": [ "Der Beschwerdeführer ist am ***1*** geboren." ] }, { "type": "li", "children": [ "Er ist ***2*** Staatsbürger mit gültigem Aufenthaltstitel, d. h., asylberechtigt seit 11.02.2015." ] }, { "type": "li", "children": [ "Er besuchte ab dem Wintersemester 2019/20 in der Schulform AHS das achtsemestrige Bundesgymnasium, Bundesrealgymnasium und Wirtschaftskundliche Bundesrealgymnasium für Berufstätige in der ***3*** Straße in ***4***." ] }, { "type": "li", "children": [ "Die Rückforderung erfolgte für das Wintersemester 2019/20, das Sommersemester 2021, das Wintersemester 2021/22 und das Sommersemester 2022." ] }, { "type": "li", "children": [ "Das Wintersemester 2019/20 umfasste laut vorliegendem Zeugnis des Beschwerdeführers 13 Wochenstunden. Unterrichtsfächer für sechs Wochenstunden sind beurteilt, für sieben Wochenstunden nicht beurteilt." ] }, { "type": "li", "children": [ "Das Sommersemester 2021 umfasste laut vorliegendem Zeugnis 22 Wochenstunden, davon sind Unterrichtsfächer für sechs Wochenstunden nicht beurteilt, für 15 Wochenstunden beurteilt, für eine Wochenstunde erfolgte eine Abmeldung." ] }, { "type": "li", "children": [ "Das Wintersemester 2021/22 umfasste entsprechend dem Zeugnis 19 Wochenstunden, davon sind Unterrichtsfächer für vier Wochenstunden nicht beurteilt, für 15 Wochenstunden beurteilt." ] }, { "type": "li", "children": [ "Das Sommersemester 2022 umfasste 18 Wochenstunden, davon sind Unterrichtsfächer für elf Wochenstunden nicht beurteilt, für sieben Wochenstunden beurteilt." ] }, { "type": "li", "children": [ "Die vom Beschwerdeführer eingereichte, nicht datierte Übersicht \"Studienverlauf\" ist mit seinem Namen überschrieben. Es sind einige Unterrichtsfächer grün markiert (Deutsch, Englisch, Französisch, Mathematik). Bei den anderen Unterrichtsfächern finden sich rote und gelbe Markierungen. Die Übersicht enthält keine Erklärungen zu den aufscheinenden Kürzeln. " ] }, { "type": "li", "children": [ "Am ***5*** vollendete der Beschwerdeführer sein 24. Lebensjahr." ] } ], "attributes": { "class": "ListeAufzhlung", "style": "list-style-type: disc;" } }
2. Beweiswürdigung
Die Feststellungen zum Sachverhalt gründen sich auf unstrittigen Akteninhalt mit insgesamt sechs Semesterzeugnissen.
3. Rechtliche Beurteilung
3.1. Zu Spruchpunkt I. (Abweisung)
Gemäß § 2 Abs. 1 lit. b FLAG 1967 besteht für volljährige Kinder, die das 24. Lebensjahr noch nicht vollendet haben, Anspruch auf Familienbeihilfe, wenn sie für einen Beruf ausgebildet oder in einer Fachschule fortgebildet werden und ihnen durch den Schulbesuch die Ausübung eines Berufes nicht möglich ist.
Gemäß § 10 Abs. 2 FLAG 1967 wird die Familienbeihilfe vom Beginn des Monats gewährt, in dem die Voraussetzungen für den Anspruch erfüllt werden. Der Anspruch auf Familienbeihilfe erlischt mit Ablauf des Monats, in dem eine Anspruchsvoraussetzung wegfällt oder ein Ausschließungsgrund hinzukommt.
Gemäß § 6 Abs. 5 FLAG 1967 haben Kinder, deren Eltern ihnen nicht überwiegend Unterhalt leisten und deren Unterhalt nicht zur Gänze aus Mitteln der Kinder- und Jugendhilfe oder nicht zur Gänze aus öffentlichen Mitteln zur Sicherung des Lebensunterhaltes und des Wohnbedarfes getragen wird, unter denselben Voraussetzungen Anspruch auf Familienbeihilfe, unter denen eine Vollwaise Anspruch auf Familienbeihilfe hat (Abs. 1-3).
Gemäß § 26 Abs. 1 FLAG 1967 hat, wer Familienbeihilfe zu Unrecht bezogen hat, die entsprechenden Beträge zurückzuzahlen.
Nicht strittig ist gegenständlich, dass die Voraussetzungen für einen Eigenanspruch gemäß § 6 Abs. 5 FLAG 1967 vorliegen.
Strittig ist: Erfolgte die Rückforderung von Familienbeihilfe und Kinderabsetzbetrag für die im Spruch genannten Zeiträume zu Recht?
Unter den im Gesetz nicht definierten Begriff der Berufsausbildung fallen nach der ständigen Rechtsprechung des VwGH jedenfalls alle Arten schulischer oder kursmäßiger Ausbildungen, in deren Rahmen noch nicht berufstätigen Personen ohne Bezugnahme auf die spezifischen Tätigkeiten an einem konkreten Arbeitsplatz das für das künftige Berufsleben erforderliche Wissen vermittelt wird. Zur Qualifikation als Berufsausbildung im Sinne des § 2 Abs. 1 lit. b FLAG 1967 kommt es im Übrigen nicht nur auf das "ernstliche und zielstrebige Bemühen um den Studienerfolg" (VwGH 14.12.2015, Ro 2015/16/0005) an, sondern die Berufsausbildung muss auch in quantitativer Hinsicht die volle Zeit des Kindes in Anspruch nehmen (Lenneis in Lenneis/Wanke, FLAG2, § 2 Rz 35, VwGH 23.02.2011, 2009/13/0127).
Nach Lehre und Rechtsprechung liegt eine Berufsausbildung im Sinne des FLAG nur dann vor, wenn ein wöchentlicher Zeitaufwand für Kurse und Vorbereitung von mindestens 30 Stunden anfällt. Erreicht der zeitliche Aufwand dieses Wochenpensum nicht, kann etwa bei einer 25 Wochenstunden umfassenden Schulausbildung die Hälfte der Unterrichtsgegenstände infolge Abwesenheit vom Unterricht nicht beurteilt werden, ist davon auszugehen, dass die Berufsausbildung nicht die überwiegende Zeit des Schülers in Anspruch genommen hat (Lenneis aaO, § 2 Rz 40).
Die Entscheidung über die Gewährung von monatlich wiederkehrenden Leistungen ist zeitraumbezogen. D. h., dass im Familienbeihilfen-Verfahren der Anspruch auf Familienleistungen (Familienbeihilfe, Kinderabsetzbetrag) monatsbezogen zu prüfen ist. Die Prüfung, ob für einen bestimmten Zeitraum Familienbeihilfe zu Unrecht in Anspruch genommen wurde, ist anhand der rechtlichen und tatsächlichen Gegebenheiten im Anspruchszeitraum vorzunehmen. Der gesetzlich festgelegte Anspruchszeitraum für die Familienbeihilfe ist, wie sich dies aus den Regelungen des § 10 Abs. 2 und 4 FLAG 1967 entnehmen lässt, der Monat (Lenneis aaO § 26 Rz 28 ff.).
Soweit daher der Beschwerdeführer in seiner Beschwerde und seinem Vorlageantrag pauschal vorgebracht hat, er habe bereits verschiedene Fächer abgeschlossen, er werde noch ein weiteres Jahr benötigen und werde voraussichtlich im Sommersemester 2024 bzw. im Sommersemester 2025 maturieren, ist ihm entgegenzuhalten, dass in zeitraumbezogener Betrachtung die im Spruch spezifizierten Semester (siehe auch oben, Sachverhalt), die entweder die Monate September bis Februar (Wintersemester) bzw. Februar bis Juli (Sommersemester) der jeweiligen Jahre samt den dazugehörigen Ferien umfassen, der Überprüfung unterliegen.
Es vermag seine Position auch nicht zu stützen, dass er einen Studienverlaufsplan vorgelegt hat, zumal aus diesem nicht ersehen werden kann, auf welchen Stichtag er sich bezieht. Relevant für die Rückforderungszeiträume sind aber die im Akt aufliegenden Semesterzeugnisse, aus denen hervorgeht, dass die jeweils vom Beschwerdeführer besuchten Module des Gymnasiums für Berufstätige, gemessen an dem nach herrschender Lehre erforderlichen wöchentlichen Zeitaufwand von mindestens 30 Stunden, in quantitativer Hinsicht nicht seine überwiegende Zeit in Anspruch genommen haben (siehe oben, Sachverhalt). Dafür spricht auch, dass laut vorliegenden Zeugnissen Unterrichtsgegenstände regelmäßig nicht beurteilt wurden, was auf eine Abwesenheit vom Unterricht schließen lässt (vgl. Lenneis aaO, § 2 Rz 40; BFG 10.08.2016, RV/7103718/2016).
Nach dem Lehrplan des Gymnasiums für Berufstätige ist eine Ablegung der Matura binnen acht Semestern vorgesehen, das wäre im Fall des Beschwerdeführers, der den Schulbesuch im Wintersemester 2019/20 aufgenommen hat, im Sommersemester 2023 gewesen. Die seinerseits angesprochene Absolvierung der Matura im Sommersemester 2024 bzw. 2025 würde demgegenüber bereits zehn bzw. zwölf Semester umfassen.
Im Verein mit den vorliegenden Zeugnissen, die regelmäßig nicht beurteilte sowie negativ beurteilte Unterrichtsfächer ausweisen, kann daher in qualitativer Hinsicht nicht von einem ernstlichen und zielstrebigen Bemühen um den Studienerfolg gesprochen werden.
Da im Weiteren gemäß § 2 Abs. 1 lit. b FLAG 1967 ein Anspruch auf Familienbeihilfe für volljährige Kinder lediglich bis zur Vollendung des 24. Lebensjahres besteht, kommt ein solcher für den Beschwerdeführer, der im März 2022 sein 24. Lebensjahr vollendet hat, ab April 2022 nicht mehr in Betracht.
Für die in Streit stehenden Rückforderungszeiträume liegt daher in qualitativer und quantitativer Hinsicht keine anzuerkennende Berufsausbildung vor und ist ab April 2022 die Altersgrenze von 24 Jahren überschritten.
Die Rückzahlungspflicht gemäß § 26 Abs. 1 FLAG 1967 ist eine rein objektive, d. h., es kommt nur auf die objektive Rechtswidrigkeit des Bezuges der Familienbeihilfe an, also auf die fehlenden Anspruchsvoraussetzungen für den Leistungsbezug. Allfällige subjektive Momente, wie die Gutgläubigkeit des Empfangs der Familienbeihilfe oder ihre Verwendung, sind nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes für die Verpflichtung zur Rückerstattung unrechtmäßiger Beihilfenbezüge unerheblich. Entscheidend ist lediglich, dass der Empfänger die Beträge zu Unrecht erhalten hat (Wanke aaO, § 26 Rz 3 sowie 12 ff.).
Gemäß § 33 Abs. 3 Z. 1 EStG 1988 gilt die Rückzahlungspflicht diesfalls auch für den Kinderabsetzbetrag.
Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.
3.2. Zu Spruchpunkt II. (Revision)
Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
Ob eine zum Bezug der Familienbeihilfe berechtigende Berufsausbildung vorliegt, lässt sich aus der höchstgerichtlichen Rechtsprechung ableiten. Die Voraussetzungen für eine Rückforderung sind in klarer Weise im Gesetz geregelt.
Feldkirch, am 10. September 2025