JudikaturBFG

RV/5100064/2024 – BFG Entscheidung

Entscheidung
14. Oktober 2025

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht erkennt durch die Richterin Mag. Monika Fingernagel in der Beschwerdesache ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, über die Beschwerde vom 22. September 2022 gegen den Bescheid des Finanzamtes Österreich vom 8. September 2022 betreffend Einkommensteuer (Arbeitnehmerveranlagung) 2021, Steuernummer ***BF1StNr1***, zu Recht:

I. Der Beschwerde wird gemäß § 279 BAO teilweise Folge gegeben. Der Bescheid wird im Sinne der Beschwerdevorentscheidung vom 12. September 2023 abgeändert.

II. Gegen dieses Erkenntnis ist eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art 133 Abs 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

I. Verfahrensgang

Die Beschwerdeführerin (Bf) ist als Lehrerin tätig und bezog daraus nichtselbständige Einkünfte.

Mit Einkommensteuerbescheid vom 8.9.2022 wurden Werbungskosten aufgrund fehlender Nachweise nicht anerkannt sowie der Unterhaltsabzugsbetrag nur für 11 Monate berücksichtigt.

Dagegen brachte die Bf mit Schriftsatz vom 22.9.2022 Beschwerde ein und führte zur Begründung aus, dass der Unterhalt das ganze Jahr über geleistet worden sei. Zahlungsnachweise würden vorliegen. Außerdem legte die Bf im Zuge dessen Unterlagen bezüglich der Werbungskosten vor.

Mit Beschwerdevorentscheidung vom 12.9.2023 wurde der Beschwerde teilweise stattgegeben und die Kosten für Kreidestifte zur Gänze als Werbungskosten berücksichtigt. Von den übrigen Aufwendungen im Zusammenhang mit einem Tablet sei ein Privatanteil idHv 40% in Abzug zu bringen. Dies entspreche den allgemeinen Lebensumständen, da solche Gegenstände auch privat genutzt werden könnten. Die Aufwendungen für Rosmarinsaft, Vitaminpräparate und FFP2 Masken seien ebenfalls nicht nach § 34 EStG 1988 absetzbar (keine ärztliche Verordnung) und die Kosten für die Psychotherapie idHv € 1.080, - um den Zuschuss idHv € 416,86 zu kürzen. Die Kosten für die Begleitperson bei Ausübung des Kontaktrechts hinsichtlich des Sohnes der Bf würden ab 21.4.2021 nicht anerkannt, da diese aufgrund eines freiwilligen Vergleiches vereinbart und daher nicht zwangsläufig erwachsen seien. Der Unterhaltsabsetzbetrag werde für das ganze Jahr 2021 anerkannt.

Dagegen richtet sich der Vorlageantrag von 30.9.2023, mit dem die Bf nur mehr die Aberkennung der Besuchsbegleitung als außergewöhnliche Belastung bekämpfte. Begründend führte sie aus, dass die Besuchsbegleitung nicht freiwillig gewesen sei. Ausschließlich die Häufigkeit und Modalitäten der Kontakte seien in dem gerichtlichen Vergleich festgelegt worden. Der Vergleich entspreche einem gerichtlichen Beschluss, der auf Grund des Sachverständigengutachtens genauso ausgesehen hätte.

Daraufhin legte das Finanzamt mit Vorlagebericht vom 29.1.2024 die Beschwerde dem Bundesfinanzgericht zur Entscheidung vor.

Mit Beschluss vom 2.9.2025 wurde die Bf vom BFG dazu aufgefordert Gerichtsurteile bzw. Beschlüsse vorzulegen, aus denen hervorgeht weshalb das Sorgerecht dem Kindesvater übertragen und das Kontaktrecht eingeschränkt wurde.

In Beantwortung dieses Vorbehaltes legte die Bf einen Auszug aus der Obsorgeentscheidung des Bezirksgerichtes sowie Auszüge aus Gutachten der Sachverständigen ***1*** aus den Jahren 2021 und 2022 vor. Die Bf führt darüber hinaus aus, dass sich ihre angebliche Bindungsintoleranz, die der Grund für die Obsorgeentscheidung des Gerichts gewesen sei, nicht bestätigt habe und der Kontaktabbruch das schlechteste gewesen sei, was man einem Kind antun hätte können. Aufgrund der vom Vater und der KJH durchgesetzten persönlichen Kontaktsperre für ein Jahr und der durch die Sachverständige ***1*** gegenteilig empfohlenen persönlichen Kontakte, sei der Kontakt schrittweise unter Begleitung wieder aufgebaut worden. Der Sohn wohne mittlerweile wieder bei der Bf. Die begleitenden Kontakte hätten außerdem nur in den Jahren 2021 und 2022 stattgefunden.

II. Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:

1. Sachverhalt

Das Bundesfinanzgericht stellt auf Basis des oben geschilderten Verwaltungsgeschehens und der aktenkundigen Unterlagen folgenden entscheidungswesentlichen Sachverhalt fest:

Die Bf hatte im Jahr 2021 Einkünfte aus nicht selbst ständiger Arbeit aufgrund ihrer Tätigkeit als Lehrerin.

Im Zuge der Arbeitnehmerveranlagung 2021 machte sie Aufwendungen im Zusammenhang mit einem Tablet und dazugehöriger Ausstattung idHv insgesamt € 796,85 als Werbungskosten sowie Krankheitskosten und die Kosten für eine Besuchsbegleitung als außergewöhnliche Belastung geltend.

Die Bf ist geschieden und hat einen minderjährigen Sohn, der im beschwerdegegenständlichen Zeitraum nicht mit ihr im gemeinsamen Haushalt lebte. Nach der Ehescheidung wurde der Bf am ***2*** die Obsorge entzogen und an den Kindesvater allein übertragen. Das Kontaktrecht der Bf zu ihrem Sohn wurde stark eingeschränkt.

Die Übertragung der Obsorge an den Kindesvater und die Einschränkung des Kontaktrechts wurde vom Gericht wie folgt begründet (aktenkundig ist lediglich ein Auszug aus der Entscheidung):

[...]

Mit Beschluss vom 24.2.2021 wurde vom Bezirksgericht angeordnet, dass die Bf in Begleitung einer Fachkraft des Familienbundzentrums zwei Mal wöchentlich mit dem Minderjährigen telefonisch bzw. per Videoanruf Kontakt aufnehmen kann.

Im Zuge des Vorlageantrages legte die Bf ein im Verfahren über die Obsorge erstelltes Sachverständigengutachten vom 17.3.2021 (***1***) vor. In dem Gutachten empfiehlt die Sachverständige begleitete persönliche Kontakte zur Mutter drei Mal pro Monat für zwei Stunden. Konkret wird ausgeführt: "…Es wird als sinnvoll erachtet die Kontakte aus den oben genannten Gründen begleitend stattfinden zu lassen (zumindest fünf Monate) und eine Dokumentation einzuholen, um über das weitere Prozedere entscheiden zu können (Ziel sollen unbegleitete Kontakt sei, dies hat oben genannte Voraussetzungen)…Vorerst ist ein begleitender Rahmen aus sachverständigen Sicht ein ideales Setting um über unbegleitete Kontakte entscheiden zu können…".

Mit gerichtlichem Vergleich vom 22.3.2021 wurde sodann das festgelegt, dass die Kontakte auf drei Mal im Monat für zwei Stunden im Sinne von begleiteten persönlichen Kontakten stattfinden.

Die Kosten für die Besuchsbegleitung betrugen im Jahr 2021 insgesamt € 4.153,50 und waren von der Bf zu bezahlen.

In einem weiteren vorgelegten Auszug eines Schriftstückes aus dem Jahr 2022 empfiehlt die Sachverständige das Kontaktrecht schrittweise auf 14-tägige unbegleitete Kontakte mit Übernachtung auszuweiten. Eine Befragung des Kindes wäre jedoch nach ca. sechs Monaten sinnvoll, "um allfällige Loyalitätskonflikte durch Induzierung durch ein (Groß-) Elternteil erkennen zu können".

Die Bf hat außerdem für ihren Sohn monatlich einen Unterhalt idHv € 413,- zu leisten, welcher im Jahr 2021 zur Gänze bezahlt wurde.

2. Beweiswürdigung

Die obigen Sachverhaltsfeststellungen sind aktenkundig. Dagegen sprechende Umstände sind nicht ersichtlich.

Vorweg ist festzuhalten, dass die Bf trotz mehrmaliger Aufforderung (durch das Finanzamt und durch das BFG) nicht die vollständigen Beschlüsse oder Urteile im Zusammenhang mit dem Obsorgeverfahren vorgelegt hat.

Aus den vorgelegten Auszügen geht hervor, dass die spezielle Erziehungsfähigkeit der Bf massiv eingeschränkt ist bzw war (siehe Sachverhalt) und ihr aus diesem Grund die Obsorge entzogen und das Kontaktrecht eingeschränkt wurde. Dies wird durch die Angaben der Sachverständigen bestätigt. Es ist daher davon auszugehen, dass die Bf das eingeschränkte Kontaktrecht und somit die Besuchsbegleitung selbst verursacht hat.

Die Bf führt zwar in der Vorhaltsbeantwortung vom 1.10.2025 an, dass sich die angebliche "Bindungsintoleranz" nicht bestätigt habe und der Kontaktabbruch das schlechteste gewesen sei, was man einem Kind antun hätte können. Eine Fehlbeurteilung des Gerichts im Obsorgeverfahren geht jedoch aus den vorgelegten Unterlagen nicht hervor. Vielmehr führt auch die Sachverständige in dem Schriftsatz aus dem Jahr 2022 aus, dass das Kontaktrecht nur schrittweise erhöht werden soll. Außerdem ist nach den Ausführungen eine Befragung des Kindes nach sechs Monaten sinnvoll, um sicherzustellen, dass keine "Loyalitätskonflikte" vorliegen. Dies bestätigt, dass keine ursprüngliche Fehleinschätzung durch das Gericht vorgelegen ist. Wie bereits angeführt, konnte die Bf dazu auch keine Unterlagen vorlegen.Aus den vorliegenden Unterlagen geht überdies auch nicht hervor, dass die Sachverständige einen kürzeren Zeitraum als vom Gericht schließlich angeordnet für die Treffen unter Begleitung vorgeschlagen hätte (laut SV "mindestens" 5 Monate), oder dass die Kontakteinschränkung aus ihrer Sicht ein Fehler gewesen sei. Es ist daher davon auszugehen, dass die Besuchsbegleitung im Einklang mit den Empfehlungen der Sachverständigen vom Gericht angeordnet wurde.

3. Rechtliche Beurteilung

3.1. Zu Spruchpunkt I. (Abweisung)

Strittig ist im vorliegenden Beschwerdefall nur mehr ob die Kosten für die Besuchsbegleitung als außergewöhnlichen Belastung absetzbar sind.

Gemäß § 34 Abs 1 EStG 1988 sind bei der Ermittlung des Einkommens (§ 2 Abs 2) eines unbeschränkt Steuerpflichtigen nach Abzug der Sonderausgaben (§ 18) außergewöhnliche Belastungen abzuziehen. Die Belastung muss dabei außergewöhnlich sein (Abs 2), zwangsläufig erwachsen (Abs 3) und die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit wesentlich beeinträchtigen (Abs 4), wobei sie nicht bereits Betriebsausgaben, Werbungskosten oder Sonderausgaben sein darf.

Eine Belastung ist außergewöhnlich, soweit sie höher ist als jene, die der Mehrzahl der Steuerpflichtigen gleicher Einkommens- und Vermögensverhältnisse erwächst.

Zwangsläufigkeit liegt vor, wenn sich der Abgabepflichtige der Belastung aus tatsächlichen, rechtlichen oder sittlichen Gründen nicht entziehen kann.

Von einer wesentlichen Beeinträchtigung der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit ist auszugehen, wenn die Kosten einen nach den Bestimmungen des § 34 Abs 4 bzw Abs 5 EStG 1988 berechneten, von der Einkommenshöhe des Abgabepflichtigen abhängigen Selbstbehalt übersteigen (§ 34 Abs 2 bis 5 EStG 1988).

Die Zwangsläufigkeit ist stets nach den Umständen des Einzelfalls (VwGH 30.1.14, 2010/15/0191), und nicht in wirtschaftlicher oder gar in typisierender Betrachtungsweise zu beurteilen; der Steuerpflichtige darf sich dem Aufwand aus tatsächlichen, rechtlichen oder sittlichen Gründen nicht entziehen können (VwGH 3.3.1992, 88/14/0011). Keine außergewöhnliche Belastung sind daher Aufwendungen, die (1) freiwillig geleistet werden oder (2) auf Tatsachen zurückzuführen sind, die vom Steuerpflichtigen vorsätzlich oder grob fahrlässig herbeigeführt wurden (VwGH 25.1.2000, 97/14/0071; BFG 16.12.2015, RV/610539/2015 Verkehrsunfall; BFG 27.2.2015, RV/5101204/2014 zur Verwahrlosung eines Hauses bis zu dessen zwangsweiser Räumung; vgl auch Jakom/Peyerl EStG18, § 34 Rz 41).

Aus den vorgelegten Unterlagen geht hervor, dass die Bf die Einschränkung des Kontaktrechtes und somit die Besuchsbegleitung zumindest grob fahrlässig herbeigeführt hat. Der Entzug der Obsorge und den damit zusammenhängenden Konsequenzen durch das Gericht ist auf das persönliche (Fehl)-verhalten der Bf zurückzuführen (siehe Sachverhalt und Beweiswürdigung). Die Bf hat keinen Nachweis erbracht, dass es sich bei der Entscheidung des Gerichts um eine fehlerhafte Beurteilung gehandelt hat oder diese aufgehoben wurde.

Für die (steuerrechtliche) Beurteilung der außergewöhnlichen Belastung im Jahr 2021 ist nicht ausschlaggebend, ob der Sohn mittlerweile wieder bei der Bf lebt. Entscheidend ist allein ob damals die Kosten für die Besuchsbegleitung durch die Bf selbst verursacht wurden. Die Kosten sind daher nicht als außergewöhnliche Belastung im Sinne des § 34 EStG 1988 abzusetzen.

Aufwendungen für Rosmarinsaft, Vitaminpräparate und FFP2 Masken stellen, wie das Finanzamt bereits ausführte, keine Kosten im Zusammenhang mit einer Heilbehandlung dar, da keine ärztliche Verordnung vorliegt.

Die Kosten für die Psychotherapie idHv € 1.080, - sind um den Kostenersatz der Krankenkassa idHv € 416,86 zu kürzen.

Werbungskosten:

Gemäß § 16 Abs 1 EStG 1988 sind Werbungskosten Aufwendungen zur Erwerbung, Sicherung und Erhaltung der Einnahmen. Sie sind bei der Einkunftsart abzuziehen, bei der sie erwachsen sind.

Allerdings darf bei Aufwendungen, die ihrer Art nach eine private Veranlassung nahelegen, die Veranlassung durch die Einkünfteerzielung nur dann angenommen werden, wenn sie sich als für die betriebliche oder berufliche Tätigkeit notwendig erweisen (Jakom/Ebner EStG18, § 16 Rz 2).

Demgegenüber dürfen nach § 20 Abs 1 Z 2 lit a EStG 1988 bei den einzelnen Einkünften Aufwendungen und Ausgaben für die Lebensführung nicht abgezogen werden, selbst wenn sie die wirtschaftliche oder gesellschaftliche Stellung des Steuerpflichtigen mit sich bringt und sie zur Förderung des Berufes oder der Tätigkeit des Steuerpflichtigen erfolgen.

Aufgrund der Erfahrungen des täglichen Lebens ist bei in Privatwohnungen verwendeten Computern davon auszugehen, dass diese sowohl beruflich als auch privat verwendet werden. Dies muss umso mehr für Aufwendungen für ein Tablet und das dazugehörige Zubehör gelten. Der Ansatz eines Privatanteils von 40% bildet dabei sicherlich die Untergrenze, zumal die Bf weder konkretes Vorbringen zur tatsächlichen Nutzung erstattet noch diesbezügliche Nachweise erbracht hat. Die Höhe des Privatanteils wurde von ihr auch nicht bestritten.

Der Beschwerde war daher im Sinne der Beschwerdevorentscheidung teilweise stattzugeben.

3.2. Zu Spruchpunkt II. (Revision)

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Im gegenständlichen Beschwerdefall handelt es sich um keine Rechtsfragen von grundsätzlicher Bedeutung, da das Bundesfinanzgericht in rechtlicher Hinsicht der in der Entscheidung dargestellten Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes folgt. Da darüber hinaus lediglich Sachverhaltsfragen zu lösen waren, ist die ordentliche Revision unzulässig.

Linz, am 14. Oktober 2025