JudikaturBFG

RV/7103368/2020 – BFG Entscheidung

Entscheidung
Wirtschaftsrecht
27. Februar 2025

BESCHLUSS

Das Bundesfinanzgericht hat durch den Richter***Ri*** in der Beschwerdesache BF, ***Bf1-Adr***, vertreten durch KPMG Alpen-Treuhand GmbH Wirtschaftsprüfungs- und Steuerberatungsgesellschaft, Porzellangasse 51, 1090 Wien, über die Beschwerde vom 9. Mai 2017 gegen die Bescheide des Finanzamtes Wien 1/23 - nunmehr Finanzamt für Großbetriebe - vom 9. März 2017 betreffend Umsatzsteuer 2011 und Umsatzsteuer 2012, Steuernummer ***BF1StNr1***, beschlossen:

I. Die Beschwerde wird gemäß § 261 Abs 1 lit a BAO als gegenstandslos erklärt.Das Beschwerdeverfahren wird eingestellt.

II. Eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof ist nicht zulässig.

Begründung

Die A1, später A1a (A1 kurz), Löschung der Firma im Firmenbuch am 8. Dezember 2020, zeigte mit Schreiben vom 20. Dezember 2011 die Aufnahme ihrer unternehmerischen Tätigkeit im Sinne des Umsatzsteuergesetzes ab dem Voranmeldungszeitraum Dezember 2011 sowie ihre finanzielle, wirtschaftliche und organisatorische Eingliederung in das Unternehmen der BF alt, nunmehr BF (BF kurz, Beschwerdeführerin) an. Die A1 kurz werde Rechte an versicherungsspezifischen Softwareentwicklungen von der B1 erwerben und ausländischen Versicherungen im Rahmen einer Lizenzierung zur Nutzung überlassen. Die A1 kurz übernehme dadurch eine Finanzierungsfunktion und werde betriebswirtschaftlich in den Prozess der IT-Entwicklung eingebunden. Es liege demnach hinsichtlich beider Gesellschaften ein umsatzsteuerliches Organschaftsverhältnis vor.

Die Veranlagungen der Beschwerdeführerin hinsichtlich der Umsatzsteuer für 2011 und 2012 erfolgten zunächst mit Bescheiden vom 6. Mai 2013 bzw. vom 19. Mai 2014 erklärungsgemäß. Eine in 2017 beendete Außenprüfung stellte unter anderem fest, dass kein umsatzsteuerliches Organschaftsverhältnis zwischen der BF kurz und der A1 kurz vorliege. Begründet wurde dies im Wesentlichen damit, dass die von der A1 kurz an ausländische Konzerngesellschaften erbrachten Leistungen (Nutzungsüberlassung von Softwareprodukten) leistungs- und verrechnungsmäßig nicht zentral über den Organträger BF kurz abgewickelt, sondern direkt an die ausländischen Konzerngesellschaften verrechnet werden. Die A1 kurz sei daher wirtschaftlich nicht in die BF kurz eingegliedert. Das Finanzamt Wien 1/23 folgte dieser Ansicht und erließ nach Wiederaufnahme der Verfahren gemäß § 303 Abs 1 BAO neue Umsatzsteuerbescheide 2011 und 2012 vom 9. März 2017 und erhöhte hinsichtlich dieser Feststellung die steuerpflichtigen Umsätze (Normalsteuersatz von 20%) um 11.766.703,91 € (2011) bzw. 44.902.296,88 € (2012). Eine Vorsteuerkorrektur erfolgte nicht. Die weiteren Feststellungen und Bescheidänderungen der Außenprüfung bleiben hier ausgeklammert.

In der Beschwerde vom 9. Mai 2017 teilte die Beschwerdeführerin mit, dass der anfänglich geplante Erwerb der Rechte und Lizenzierung der Software seitens A1 kurz an die ausländischen Versicherungen nicht umgesetzt wurde. A1 kurz sei dennoch im Rahmen der ihr übertragenen Steuerung des internationalen Geschäfts in die Koordination und Anpassung der IT Strukturen der ausländischen Versicherungen eingebunden, steuere unter Verwendung der von BF kurz zur Verfügung gestellten personellen und materiellen Ressourcen nach den Vorgaben des "Group Executive Board" der BF kurz für die BF kurz das internationale Geschäft des Konzerns und werde dabei aus betriebswirtschaftlicher und organisatorischer Sicht als Betriebsabteilung im Geschäftsbetrieb der BF kurz tätig. Die Beschwerdeführerin beantragte die Umsatzsteuer 2011 mit 4,716.155,67 € sowie 2012 mit 11,372.176,10 € festzusetzen, woraus zu schließen ist, dass sich die Beschwerde nicht auf die sonstigen Bescheidänderungen, sondern bloß auf die Nichtanerkennung des Organschaftsverhältnisses bezieht.

Laut Spruch werden durch die im folgenden ergangenen Beschwerdevorentscheidungen vom 27. Mai 2020 die bekämpften Bescheide abgeändert. Eine Änderung der Bemessungsgrundlagen bzw. der festgesetzten Umsatzsteuer erfolgte jedoch tatsächlich nicht.

Mit Vorlageantrag vom 27. Juli 2020 hielt die Beschwerdeführerin ihren Antrag und dessen Begründung aufrecht und begehrte die Entscheidung durch den Senat des Verwaltungsgerichts und die Durchführung einer mündlichen Verhandlung.

Am 3. Dezember 2024 hat vor dem Bundesfinanzgericht ein Erörterungstermin stattgefunden. Die Vertreterin bzw. der Vertreter der belangten Behörde erklärten, dass sie hinsichtlich der Durchführung eines Verfahrens nach § 300 BAO Rücksprache mit dem Teamleiter bzw. dem Fachbereich halten werden.

1. Sachverhalt

Die beschwerdeführende Partei hat mit Schreiben vom 11. Dezember 2024 (eingebracht mittels Telefax) einer Aufhebung der angefochtenen Bescheide nach § 300 Abs 1 lit a BAO zugestimmt.

Der Abgabenbehörde wurde mit Beschluss des Bundesfinanzgerichts vom 11. Dezember 2024 eine Frist bis zum 28. Februar 2025 zur Aufhebung der bekämpften Bescheide gesetzt.

Die gegenständlichen Umsatzsteuerbescheide 2011 und 2012 wurden vom Finanzamt für Großbetriebe mit Bescheiden gemäß § 300 Abs 1 BAO vom 25. Februar 2025 aufgehoben und durch Bescheide vom 25. Februar 2025 ersetzt (§ 300 Abs 3 BAO).

Dem Beschwerdebegehren wurde dadurch vollinhaltlich Rechnung getragen.

Gemäß § 300 Abs 5 BAO wurde das Bundesfinanzgericht am 25. Februar 2025 durch die zuständige Behörde über die Aufhebung des angeführten Bescheides informiert.

2. Beweiswürdigung

Der Sachverhalt ergibt sich aus dem Verwaltungsakt und dem Akt des Bundesfinanzgerichts und ist unstrittig.

Dass dem Beschwerdebegehren durch die neuen Sachbescheide vom 25. Februar 2025 vollinhaltlich Rechnung getragen wurde, ergibt sich aus dem Beschwerdeantrag, dem Inhalt der Umsatzsteuerbescheide vom 25. Februar 2025 und einer E-Mail vom 27. Februar 2025 des steuerlichen Vertreters der Beschwerdeführerin.

3. Rechtliche Beurteilung (Spruchpunkt I.)

§ 261 Abs 1 BAO lautet:

"Die Bescheidbeschwerde ist mit Beschwerdevorentscheidung (§ 262) oder mit Beschluss (§ 278) als gegenstandslos zu erklären, wenn dem Beschwerdebegehren Rechnung getragen wird

a) in einem an die Stelle des angefochtenen Bescheides tretenden Bescheid oder

b) in einem den angefochtenen Bescheid abändernden oder aufhebenden Bescheid."

§ 300 BAO lautet:

"(1) Ab Vorlage der Beschwerde (§ 265) bzw. ab Einbringung einer Vorlageerinnerung (§ 264 Abs. 6) bzw. in den Fällen des § 262 Abs. 2 bis 4 (Unterbleiben einer Beschwerdevorentscheidung) ab Einbringung der Bescheidbeschwerde können Abgabenbehörden beim Verwaltungsgericht mit Bescheidbeschwerde angefochtene Bescheide und allfällige Beschwerdevorentscheidungen bei sonstiger Nichtigkeit weder abändern noch aufheben. Die Verpflichtung zur Erlassung einer Beschwerdevorentscheidung (§ 262 Abs. 1) wird dadurch nicht berührt. Sie können solche Bescheide, wenn sich ihr Spruch als nicht richtig erweist, nur dann aufheben,

a) wenn der Beschwerdeführer einer solchen Aufhebung gegenüber dem Verwaltungsgericht nach Vorlage der Beschwerde zugestimmt hat und

b) wenn das Verwaltungsgericht mit Beschluss die Zustimmungserklärung an die Abgabenbehörde unter Setzung einer angemessenen Frist zur Aufhebung weitergeleitet hat und

c) wenn die Frist (lit. b) noch nicht abgelaufen ist.

(2) Vor Ablauf der Frist des Abs. 1 lit. b kann das Verwaltungsgericht über die Beschwerde weder mit Erkenntnis noch mit Beschluss absprechen, es sei denn, die Abgabenbehörde teilt mit, dass sie keine Aufhebung vornehmen wird.

(3) Mit dem aufhebenden Bescheid ist der den aufgehobenen Bescheid ersetzende Bescheid zu verbinden. Dies gilt nur, wenn dieselbe Abgabenbehörde zur Erlassung beider Bescheide zuständig ist.

(5) Durch die Bekanntgabe der Aufhebung (Abs. 1) lebt die Entscheidungspflicht des § 291 wieder auf. Die Abgabenbehörde hat das Verwaltungsgericht unverzüglich von der Aufhebung zu verständigen."

Die belangte Behörde war aufgrund der Zustimmungserklärung und des Beschlusses des Bundesfinanzgerichts vom 11. Dezember 2024 berechtigt, die bekämpften Bescheide bis zum 28. Februar 2025 aufzuheben und durch neue Sachbeschiede zu ersetzen.

Die aufhebenden und ersetzenden Bescheide wurden am 25. Februar 2025 der Beschwerdeführerin bekanntgegeben und damit innerhalb der gesetzten Frist erlassen.

Gemäß § 261 Abs 1 lit a BAO ist die Bescheidbeschwerde bei Zuständigkeit des Verwaltungsgerichts mit Beschluss als gegenstandslos zu erklären, wenn dem Beschwerdebegehren in einem an die Stelle des angefochtenen Bescheides tretenden Bescheid Rechnung getragen wird.

Dem Beschwerdebegehren wurde mit den Umsatzsteuerbescheiden 2011 und 2012 vom 25. Februar 2025 vollinhaltlich Rechnung getragen.

Es ist daher spruchgemäß zu entscheiden.

Gemäß § 272 Abs 4 BAO obliegt bei Zuständigkeit des Senates die Erlassung von Beschlüssen nach § 300 Abs 1 lit b BAO bzw. von Gegenstandsloserklärungen nach § 261 BAO dem Berichterstatter.

Gemäß § 274 Abs 3 iVm Abs 5 BAO kann ungeachtet eines Antrages von einer mündlichen Verhandlung abgesehen werden, wenn die Beschwerde als gegenstandslos zu erklären ist. Aus Gründen einer ökonomischen Verfahrensführung, der Unstrittigkeit des Sachverhalts sowie in Anbetracht der dem Beschwerdebegehren entsprechenden neu erlassenen Bescheide war von der Abhaltung einer mündlichen Verhandlung Abstand zu nehmen. Zudem hat in der Beschwerdesache ein Erörterungstermin stattgefunden.

4. Unzulässigkeit einer ordentlichen Revision (Spruchpunkt II.)

Gegen einen Beschluss des Bundesfinanzgerichtes ist gemäß Art 133 Abs 4 und 9 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere, weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Da sich die Rechtsfolge der Gegenstandsloserklärung unmittelbar aus § 261 Abs 1 lit a BAO ergibt, liegt im konkreten Fall keine Rechtsfrage vor, der gemäß Art 133 Abs 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukommt. Die ordentliche Revision ist daher nicht zuzulassen.

Wien, am 27. Februar 2025