IM NAMEN DER REPUBLIK
Das Bundesfinanzgericht hat durch den Richter***Ri*** in der Beschwerdesache ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, über die Beschwerde vom 7. Mai 2020 gegen den Bescheid des Finanzamtes Österreich vom 6. Mai 2020 betreffend Einkommensteuer (Arbeitnehmerveranlagung) 2019 Steuernummer ***BF1StNr1*** zu Recht erkannt:
I. Der Beschwerde wird gemäß § 279 BAO teilweise Folge gegeben.
Die Bemessungsgrundlagen und die Höhe der festgesetzten Abgabe ist dem angeschlossenen Berechnungsblatt zu entnehmen und bilden einen Bestandteil des Spruches dieses Erkenntnisses.
II. Gegen dieses Erkenntnis ist eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.
Entscheidungsgründe
I. Verfahrensgang
Strittig in diesen Verfahren ist, ob der Bf. der Alleinerzieherabsetzbetrag und der gesamte Familienbonus Plus für das gesamte Jahr zusteht.
{ "type": "ol", "children": [ { "type": "li", "children": [ "Am 06.05.2020 erging der Einkommensteuerbescheid 2019, worin das Finanzamt den Alleinerzieherabsetzbetrag nicht berücksichtigte, weil die Bf. im Veranlagungsjahr mehr als 6 Monate in einer Gemeinschaft mit einem Ehepartner oder einem Partner gelebt habe. Der Familienbonus Plus wurde für beide Kinder in zwei von zwölf Monaten des Jahres 2019 nur zur Hälfte berücksichtigt, weil die andere Hälfte des Familienbonus Plus vom Unterhaltszahler beantragt wurde. " ] }, { "type": "li", "children": [ "Dagegen wurde am 07.05.2020 die Beschwerde eingebracht. Die Bf. rügte die Streichung des Alleinerzieherabsetzbetrages, da sie in keiner Gemeinschaft mit einem Ehepartner lebe, keine eingetragene Partnerschaft bestehe und ebenso keine gemeinsamen Kinder mit dem Mann habe, bei dem sie wohne." ] }, { "type": "li", "children": [ "In der Beschwerdevorentscheidung vom 26.05.2020 hielt das Finanzamt an seiner Rechtsansicht fest und wies die Beschwerde als unbegründet ab." ] }, { "type": "li", "children": [ "Am 15.06.2020 brachte die Bf. den Vorlageantrag ein, in welchen diese den Alleinerzieherabsetzbetrag begehrte, da ihrer Meinung nach keine Partnerschaft vorläge. Abschließend wies die Bf. das Finanzamt darauf hin, dass ihr Ex-Mann keinen Unterhalt bezahle. " ] }, { "type": "li", "children": [ "Am 07.04.2021 versendete das Finanzamt einen Vorhalt an die Bf., worin diese um Vorlage eines schriftlichen Mietvertrages bzw. um Darstellung dessen Inhaltes gebeten wurde. Weiters wurde um den Zahlungsnachweis der Miete und der Betriebskosten (zB Strom, Wasser,…) gebeten, sowie die Darstellung der Größe der Wohnung und die Regelung über die Aufteilung der Räume, sowie der Miet- und laufenden Kosten. " ] }, { "type": "li", "children": [ "In den mehrteilig übermittelten Vorhaltsbeantwortungen wurde die Raumaufteilung im gemeinsam bewohnten Haus beschrieben, sowie die Aufteilung der Kosten und die Miete. Weiters wurde nachgewiesen, dass der Ex-Mann der Bf. zur Unterhaltszahlung verpflichtet ist, diesen im Jahr 2019 jedoch nicht geleistet hat. Der geforderte Nachweis der Bezahlung der Betriebskosten ist nicht erfolgt. " ] } ], "attributes": { "class": "ListeAufzhlung", "style": "list-style-type: disc;" } }
II. Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:
1. Sachverhalt
Die Bf. lebte im Beschwerdejahr 2019 mit Herrn ***1*** im selben Haus unter der Adresse ****Adresse****. Dabei standen der Bf. mit ihren beiden Kindern die Räume im Untergeschoß von ca. 60m² zur Verfügung, Herrn ***1*** und seinen beiden Kindern die Räume im Obergeschoß von ca. 63 m². Das Erdgeschoß mit ca. 65m² wurde gemeinsam genutzt (Küche und Wohnzimmer).
Herr ***1*** stellte das Haus zur Verfügung, dafür war die Bf. für das Reinigen des Hauses, das Kochen und Waschen der Wäsche für alle 6 im Haus lebenden Personen zuständig. Laufende Kosten wie Lebensmittel und die Betriebskosten wurden von der Bf. und Herrn ***1*** je zur Hälfte bezahlt.
Bezüglich des Unterhaltes wurde festgestellt, dass der Ex-Mann der Bf. im Jahr 2019 der Bf. keinen Unterhalt bezahlte, obwohl er dazu verpflichtet gewesen wäre.
2. Beweiswürdigung
Der festgestellte Sachverhalt geht aus den Vorhaltsbeantwortungen der Bf. hervor. Pläne vom gesamten Haus und Fotos über die Zimmeraufteilungen wurden beigelegt. Laut Zentralmelderegister sind sowohl die Bf. als auch Herr ***1*** an der gemeinsamen Adresse in A das gesamte Jahr 2019 als Hauptwohnsitz gemeldet. Bezüglich der gemeinsamen Bestreitung der Ausgaben des gemeinsamen Haushaltes wurde geantwortet: "Die mündliche Vereinbarung zw. *Herrn ***und Frau ***" lautet wie folgt: Ich, Frau ****, bin zuständig für das Reinigen, Kochen und Waschen, deshalb entfällt ein Mietbeitrag. Des weiteren werden die Lebensmittel jeweils zur Hälfte aufgeteilt, da beide Parteien aus 3 Personen bestehen. Dasselbe gilt für die laufenden Kosten, wie Strom, Kanal, Heizung, Wasser, Rundfunkgebühr und die Haushaltsversicherung. Diese werden je nach Eintreffen in bar abbezahlt.". Das BFG erachtet die Aussagen der Bf. als glaubhaft, der Sachverhalt gilt somit als festgestellt.
Dass der Ex-Mann der Bf. seinen Unterhaltsverpflichtungen im Jahr 2019 nicht nachgekommen ist, geht aus den Kontoauszügen der Bezirkshauptmannschaft A für jedes unterhaltsberechtigte Kind der Bf. (OZ 10 und OZ 11) hervor und ist für das Gericht hiermit erwiesen.
3. Rechtliche Beurteilung
3.1. Zu Spruchpunkt I.
Gemäß § 33 Abs. 4 Zif. 2 EStG 1988 steht Alleinerziehern ein Alleinerzieherabsetzbetrag zu. Alleinerzieher ist gem Abs. 4 Zif. 2 ein Steuerpflichtiger, der mit mindesten einen Kind mehr als sechs Monate im Kalenderjahr nicht in einer Gemeinschaft mit einem (Ehe)Partner lebt.
Gemäß § 106 Abs. 3 EStG 1988 ist (Ehe)Partner eine Person, mit der der Steuerpflichtige verheiratet ist oder mit der er mit mindestens einem Kind (Abs. 1) in einer Lebensgemeinschaft lebt.
Laut Ritz Kommentar BAO § 25 Rz 7 wird unter Lebensgemeinschaft eine auf längere Dauer ausgerichtete, ihrem Wesen nach der Beziehung miteinander verheirateter Personen gleichkommende Wohn-, Wirtschafts,- und Geschlechtsgemeinschaft verstanden. Es müssen dabei nicht alle drei Merkmale gegeben sein. Es kann - abhängig von den Umständen des Einzelfalles - durchaus das eine oder andere Element weniger ausgeprägt sein, oder sogar zur Gänze fehlen. So auch der VwGH 30.06.1994, 92/15/0212. Im Jakom EStG Kommentar schreibt Kanduth-Kristen ergänzend unter § 106 Rz 4, dass das Benutzen getrennter Schlafzimmer unbeachtlich sei, weil dies bei aufrechter Ehe nicht unüblich ist.
Das Kriterium der auf längeren Dauer ausgerichteten Lebensgemeinschaft ist bereits erfüllt, wenn die Partner ein längeres Zusammenleben beabsichtigen. Die Bf. und Herr ***1*** leben bereits das gesamte Jahr 2019 unstrittig im selben Haus in A, womit dieses Kriterium erfüllt ist.
Eine Wohngemeinschaft liegt unstrittig vor. Es wird im Erdgeschoß das Wohnzimmer, die Küche und das WC gemeinsam benutzt, alle 6 Personen wohnen im selben Haus.
Die Wirtschaftsgemeinschaft ist gegeben, da die Lebenskosten wie Lebensmittel, Betriebskosten gemeinsam bestritten werden. Weiters werden die Aufgaben für ein gemeinsames Wohnen geteilt. Herr ***1*** trägt die Substanzkosten des Hauses, weil er der Bf. keinen Mietbeitrag vorschreibt. Dafür "reinigt, wäscht und kocht" die Bf., laut eigenen Angaben, für alle im Haushalt lebenden Personen (auch für seine Kinder).
Somit ist nicht nur eine bloße Wirtschaftsgemeinschaft gegeben, sondern liegt auch ein gemeinschaftliches Erledigen der Aufgaben für das alltägliche Leben vor.
Neben der Erledigung des Wohnens und des Haushalts werden die Lebensmittel ebenso gemeinschaftlich besorgt. Es besorgt eben nicht jeder seine Lebensmittel selbst, sondern es erfolgt ein Einkauf für das gesamte Haus und werden die Kosten dann halbiert.
Laut Kanduth-Kristen im Jakom Kommentar EStG § 106 Rz4 kann eine Lebensgemeinschaft auch bei Patchwork-Familien vorliegen, wenn zur Wohngemeinschaft auch eine Wirtschaftsgemeinschaft hinzutritt, was in diesem Fall gegeben ist.
Dass in diesen Fall keine Geschlechtsgemeinschaft festgestellt werden kann, ändert nichts an der Beurteilung, dass auf Grund der erfüllten Tatbestände und der Art des gemeinsamen Bestreitens wesentlicher Lebensaufgaben eine Lebensgemeinschaft festgestellt wird, womit einkommensteuerrechtlich Herr ***1*** Partner der Bf. ist.
Als Indiz für das Vorliegen einer Lebensgemeinschaft ist auch die polizeiliche Meldung an einen und demselben Wohnort zu werten (VwGH 16.02.03, 2000/15/0101), was in diesem Fall gegeben ist.
Im gegenständlichen Fall ist durch das gemeinsame Wohnen im selben Haus die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit der Bf. erhöht worden, wodurch diese gegenüber alleinstehenden Personen entsprechend geringer belastet ist.
Die Bf. führte in der Vorhaltsbeantwortung aus:
Zum Entsetzen entnehme ich aus meinem persönlichen Grunddaten, dass Herr ***1*** als mein Ehemann bzw. Partner geführt wird! Würde ich automatisch homosexuell sein bei weibl. Vermieter?
Dazu sei angemerkt, dass eine einkommensteuerrechtlich festgestellte Lebensgemeinschaft nichts über die geschlechtliche Neigung aussagt, da das Kriterium der Geschlechtsgemeinschaft nicht vorliegen muss. Eine Vermietung, bei der die Bf. das Mietentgelt in Form einer Dienstleistung (hier durch Erledigung des gemeinsamen Haushalts) bezahlt, wurde nicht festgestellt. Eine Vermietung hätte die Meldungen der Einkünfte (Vermietung und Verpachtung) an das Finanzamt durch Herrn ***1*** zur Folge. Es wurde hier bloß eine Teilung der wesentlichen Lebenskosten bzw. - Aufgaben in einer Lebensgemeinschaft festgestellt. Da somit festgestellt wurde, dass die Bf. im Jahr 2019 mit einem Partner einkommensteuerrechtlich mehr als 6 Monate lang in einer Gemeinschaft gelebt hatte, steht der Bf. gemäß § 33 Abs. 4 Zif. 2 EStG 1988 der Alleinerzieherabsetzbetrag nicht zu.
Da der Ex-Mann der Bf. im Jahr 2019 seinen Unterhaltsverpflichtungen nicht nachgekommen ist, steht der Familienbonus Plus für beide Kinder der Bf. für das gesamte Jahr ungeteilt zu.
Der Absetzbetrag des Familienbonus Plus erhöht sich daher für das Jahr 2019 von wie bisher insgesamt EUR 2.750,- auf EUR 3.000,-.
Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.
3.2. Zu Spruchpunkt II. (Revision)
Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird. Auf Grund des o.a. Erkenntnisses des VwGH liegt nach Ansicht des BFG im gegenständlichen Fall keine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung vor. Der Bf. steht daher die Revision an den VwGH nicht zu.
Graz, am 19. März 2025