JudikaturBFG

RV/5100843/2024 – BFG Entscheidung

Entscheidung
Steuerrecht
30. Juli 2025

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch den Richter***Ri*** in der Beschwerdesache ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, vertreten durch KPMG Alpen-Treuhand GmbH Wirtschaftsprüfungs- und Steuerberatungsgesellschaft, Porzellangasse 51, 1090 Wien, über die Beschwerde vom 4. Oktober 2024 gegen den Bescheid des Finanzamtes für Großbetriebe vom 24. September 2024 betreffend Umsatzsteuer 2019 Steuernummer ***BF1StNr1*** zu Recht erkannt:

I. Der Beschwerde wird gemäß § 279 BAO Folge gegeben.

Der angefochtene Umsatzsteuerbescheid 2019 und die USt-Festsetzung 12/2019 werden abgeändert. Die Bemessungsgrundlage und die Höhe des Umsatzsteuerbescheides 2019 ist dem als Beilage angeschlossenen Berechnungsblatt (Anlage A) zu entnehmen und bildet einen Bestandteil des Spruches dieses Erkenntnisses. Für die durch den Umsatzsteuerbescheid 2019 aus dem Rechtsbestand ausgeschiedene USt-Festsetzung 12/2019 wird keine gesonderte Bemessungsgrundlage mehr ermittelt.

II. Gegen dieses Erkenntnis ist eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

I. Verfahrensgang

Das ***1*** Motorenwerk in ***Ort*** ist das Kompetenzzentrum für die Entwicklung von Dieselaggregaten innerhalb der ***1*** Group. Neben der Entwicklung neuer Dieselmotoren-Generationen und deren Produktion werden in ***Ort*** auch Benzinmotoren gefertigt. Die Entwicklung der Benzinmotoren erfolgt in München. Neben der Motorenentwicklung und -fertigung werden in ***Ort*** auch Motoren-Komponenten wie Kurbelgehäuse, Kurbelwellen, Zylinderköpfe und Pleuel gefertigt. Darüber hinaus werden im Motorenwerk in ***Ort*** auch die Hälfte aller Motoren für Hybridfahrzeuge gebaut und komplexe E-Mobility-Komponenten konstruiert sowie Kühlkreisläufe für die kommenden batterieelektrischen Fahrzeuge entwickelt.

Im Rahmen der Außenprüfung (kurz: AP) für den Prüfungszeitraum 2015 bis 2018 und den Nachschauzeitraum 12/2019 wurde der Vorsteuerabzug in Zusammenhang mit der Miete und dem Betrieb der Versuchsfahrzeuge nicht anerkannt, da nach Ansicht der AP das Wesensmerkmal eines nicht vorsteuerabzugsberechtigten PKW's iSd § 12 Abs 2 Z 2 lit b UStG 1994 gegeben war (vgl. Tz 3 der Niederschrift über die Schlussbesprechung vom 09.08.2023).

Am 3.7.2013 wurde im Zuge einer Anhaltung durch die Finanzpolizei der Lenker eines Fahrzeuges (Leiharbeiter der Firma ***1*** AG) hinsichtlich der Umstände bei der Durchführung einer Erprobungsfahrt befragt und dessen Aussagen niederschriftlich festgehalten.

Am 11.10.2023 langten Anträge auf Rechtsmittelfristverlängerung bis 24.11.2023 betreffend die Umsatzsteuerbescheide 2015-2018, den Bescheid über die Festsetzung von Umsatzsteuer 12/2019 und die Wiederaufnahmebescheide 2015-2018 ein.

Am 22.11.2023 erhob die Bf via FinanzOnline gegen die Umsatzsteuerbescheide 2015-2018 und den Bescheid über die Festsetzung von Umsatzsteuer 12/2019 das Rechtsmittel der Beschwerde und stellte gleichzeitig den Antrag auf Unterbleiben einer Beschwerdevorentscheidung. Die Bf begründete die Zulässigkeit des Vorsteuerabzugs für Versuchsfahrzeuge mit der Ableitung aus der verwendeten Terminologie des § 2 bzw § 3 KFG, aus der Gesetzestechnik und dem Telos der Norm sowie wegen der aus der Judikatur ableitbaren Maßgeblichkeit der wirtschaftlichen Betrachtungsweise und der Verkehrsauffassung.

Zur Vorhaltsbeantwortung vom 3.3.2025 durch die Beschwerdeführerin (Bf) wurde von der belangten Behörde am 25.4.2025 eine Stellungnahme abgegeben.

In der mündlichen Verhandlung am 30.6.2025 wurde das bisherige Vorbringen durch die Verfahrensparteien nochmals bekräftigt bzw. in einzelnen Punkten präzisiert.

II. Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:

1. Sachverhalt

Dem Erkenntnis wird nachstehender - aus dem Akteninhalt und dem Parteivorbringen ableitbarer - Sachverhalt zu Grunde gelegt:

Strittig ist im vorliegenden Fall die Frage, ob es sich bei den gegenständlichen Versuchsfahrzeugen um PKW´s handelt und folglich der Vorsteuerausschluss gem. § 12 Abs 2 Z 2 lit b UStG 1994 greift.

Die Erprobungs- und Versuchstätigkeit umfasst unter Verwendung der Versuchsfahrzeuge sämtliche Komponenten der Motoren, Abgasanlage und des Kühlsystems, welche im Entwicklungszentrum in ***Ort*** entwickelt werden. Die genannten Tätigkeiten werden an Prüfständen durchgeführt. Die Versuchstätigkeit betrifft alle Baugruppen, vom Konzeptvorläufer über die Vor-Serie bis hin zur Weiterentwicklung der Serienmotoren. Neben den Motorprüfständen gibt es auch Rollenprüfstände für komplette Fahrzeuge. Zusätzlich werden die Testreihen mit Versuchsfahrzeugen (***1***-intern als "Versuchsträger" bezeichnet) im Verkehr auf öffentlichen Straßen abgesichert.

Getestet werden sowohl selbst entwickelte und hergestellte Komponenten, als auch Zukaufteile hinsichtlich ihrer Interaktion mit den restlichen Versuchsträgerkomponenten. Es werden keine Testdienstleistungen für fremde Dritte erbracht. Der Zweck der Fahrzeuge ist die Gewinnung von Daten im Hinblick auf die zu erprobenden Komponenten.

Unstrittig ist, dass Fahrzeuge aus der Serienfertigung (bei aktuellen Modellen) oder Prototypen (bei zukünftigen Modellen) entsprechend adaptiert werden, um Testreihen durchführen zu können bzw. dem Projektziel dienliche Aufzeichnungen und Analysen zu erhalten. Die Personenbeförderung ist mit Versuchsfahrzeugen zwar grundsätzlich möglich, bei Versuchsfahrten aber de facto unterbunden, weil durch das Anbringen der Messgeräte verfügbare Plätze blockiert werden. Die Fahrzeuge dürfen von den Entwicklungstechnikern einmal wöchentlich auch privat verwendet werden, dabei sind aber die Testaufzeichnungen - wenn möglich - fortzuführen. Eine darüberhinausgehende Privatnutzung ist nicht zulässig. Bei den Testfahrten werden im Rahmen einer Sonderzulassung deutsche Kennzeichen (München) verwendet.

Die Versuchsfahrzeuge für die Erprobung der neu entwickelten Motoren werden dem Unternehmen vom Stammhaus, der ***1*** AG in München, gegen Entgelt überlassen. Die Fahrzeuge werden entweder auf eigener Achse oder per LKW von München nach ***Ort*** überführt. Am Ende des Einsatzes werden die Versuchsträger in den ursprünglichen Zustand rückversetzt und wieder nach München überführt, wo sie nach weiterer Verwendung innerhalb der ***1*** AG letztendlich verschrottet werden. Lt. den im Rahmen der mündlichen Verhandlung von der Bf erteilten Auskünften werden die Versuchsfahrzeuge unverändert (so wie sie aus München überstellt werden) wiederum nach München zurückgebracht. Erst wenn sämtliche Versuchszwecke abgeschlossen sind, werden diese Fahrzeuge verschrottet. Ein Inverkehrbringen über den Fahrzeugmarkt ist mangels Zulassungsfähigkeit für den öffentlichen Verkehr außerhalb der Erprobungsfahrten nicht möglich (vgl Beantwortung des Fragenkatalogs vom 25.11.2021).

Nach der Vorhaltsbeantwortung sind folgende Punkte unstrittig:

{
  "type": "ol",
  "children": [
    {
      "type": "li",
      "children": [
        "Die Fahrzeuge dürfen nur zu Erprobungszwecken auf öffentlichen Straßen und lediglich im Rahmen einer EU-Sondergenehmigung betrieben werden und müssen verkehrssicher sein."
      ]
    },
    {
      "type": "li",
      "children": [
        "Über alle Fahrten sind Aufzeichnungen zu führen, die über Fahrzeug (Fahrgestell-Nr.), Fahrer, Testzweck, gefahrene Strecke, Datum und Uhrzeit Auskunft geben. "
      ]
    },
    {
      "type": "li",
      "children": [
        "Die finalen Entwicklungsergebnisse sind für das Typzulassungsverfahren erforderlich, die über eine eigene Abteilung innerhalb der ***1***-AG an die zuständigen Behörden gemeldet werden."
      ]
    }
  ],
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    "style": "list-style-type: disc;"
  }
}

Nach den Aussagen in der mündlichen Verhandlung steht fest, dass die beschwerdegegenständlichen Versuchsfahrzeuge während einer Testreihe häufig umgebaut bzw. laufend Teile ein- bzw. wieder ausgebaut werden. Das "Innenleben" eines Versuchsfahrzeuges unterscheidet sich demnach hinsichtlich der Komponenten maßgeblich von einem Serienfahrzeug.

2. Beweiswürdigung

Der oben festgestellte Sachverhalt ergibt sich aus dem Beschwerdevorbringen, den Ermittlungsergebnissen der Außenprüfung, dem elektronisch vorgelegten Akt sowie dem Vorbringen in der mündlichen Verhandlung. Zu klären ist im vorliegenden Fall allein die Rechtsfrage, ob die Voraussetzungen des § 12 Abs 2 Z 2 lit b UStG 1994 erfüllt sind.

Von der Bf wird betont, dass Versuchsfahrzeuge wegen der im Rahmen einer Testreihe eingebauten Komponenten bzw. den vorgenommenen Umbauten mit Serienfahrzeugen überhaupt nicht mehr vergleichbar sind. Demgegenüber hält die Abgabenbehörde daran fest, dass auch bei Versuchsfahrzeugen die Wesensmerkmale eines PKW weiterhin vorliegen.

Bezüglich weiterer Erwägungen zur Beweiswürdigung wird auf die Ausführungen unter Punkt 3.1.2. dieses Erkenntnisses, die verständnishalber im Kontext mit der rechtlichen Beurteilung behandelt wird, verwiesen.

3. Rechtliche Beurteilung

3.1. Zu Spruchpunkt I. (Stattgabe)

3.1.1. Rechtsgrundlagen/Allgemeines:

§ 12 UStG 1994 idF BGBl. I Nr. 10/2022 lautet:

[…]

(2)

1. a) Lieferungen und sonstige Leistungen sowie die Einfuhr von Gegenständen gelten als für das Unternehmen ausgeführt, wenn sie für Zwecke des Unternehmens erfolgen und wenn sie zu mindestens 10% unternehmerischen Zwecken dienen.

b) Der Unternehmer kann Lieferungen oder sonstige Leistungen sowie Einfuhren nur insoweit als für das Unternehmen ausgeführt behandeln, als sie tatsächlich unternehmerischen Zwecken dienen, sofern sie mindestens 10% unternehmerischen Zwecken dienen. Diese Zuordnung hat der Unternehmer bis zum Ablauf des Veranlagungszeitraumes dem Finanzamt schriftlich mitzuteilen.

2. Nicht als für das Unternehmen ausgeführt gelten Lieferungen, sonstige Leistungen oder Einfuhren,

a) deren Entgelte überwiegend keine abzugsfähigen Ausgaben (Aufwendungen) im Sinne des § 20 Abs. 1 Z 1 bis 5 des Einkommensteuergesetzes 1988 oder der §§ 8 Abs. 2 und 12 Abs. 1 Z 1 bis 5 des Körperschaftsteuergesetzes 1988 sind,

b) die im Zusammenhang mit der Anschaffung (Herstellung), Miete oder dem Betrieb von Personenkraftwagen, Kombinationskraftwagen oder Krafträdern stehen, ausgenommen Fahrschulkraftfahrzeuge, Vorführkraftfahrzeuge und Kraftfahrzeuge, die ausschließlich zur gewerblichen Weiterveräußerung bestimmt sind, sowie Kraftfahrzeuge, die zu mindestens 80% dem Zweck der gewerblichen Personenbeförderung oder der gewerblichen Vermietung dienen.

Der Bundesminister für Finanzen kann durch Verordnung die Begriffe Personenkraftwagen und Kombinationskraftwagen näher bestimmen. Die Verordnung kann mit Wirkung ab 15. Februar 1996 erlassen werden.

[…]

§ 253 BAO lautet:

Tritt ein Bescheid an die Stelle eines mit Bescheidbeschwerde angefochtenen Bescheides, so gilt die Bescheidbeschwerde auch als gegen den späteren Bescheid gerichtet. Dies gilt auch dann, wenn der frühere Bescheid einen kürzeren Zeitraum als der ihn ersetzende Bescheid umfasst.

Nach ständiger - auf die Verkehrsauffassung abstellende - Rechtsprechung zum Umsatzsteuerrecht (vgl. etwa das VwGH-Erkenntnis vom 24.1.2007, 2003/13/0072) ist für die Abgrenzung der Fahrzeugarten die wirtschaftliche Zweckbestimmung und nicht der Verwendungszweck im Einzelfall entscheidend, maßgeblich ist der Zweck, dem das Fahrzeug nach seiner typischen Beschaffenheit und Bauart von vornherein und allgemein zu dienen bestimmt ist. Entscheidend ist u.a. das typische Erscheinungsbild eines Fahrzeuges an Hand seiner charakteristischen, das Fahrzeug von einem anderen Fahrzeug unterscheidenden Eigenschaften (vgl. VwGH, 2012/15/0216). Dabei verliere ein Fahrzeug mit dem typischen Erscheinungsbild eines Pkw oder eines Kombinationskraftwagen seine charakteristische Eigenschaft auch nicht durch bestimmte Umbauten (VwGH 19.2.1992, 92/14/0009; 16.12.1991, 91/15/0045 und dort zitierte Vorjudikatur). Die kraftfahrrechtliche Einordnung der Fahrzeuge ist im Hinblick auf die dem Steuerrecht eigentümliche wirtschaftliche Betrachtungsweise nicht bindend.

Vom VwGH werden Rennfahrzeuge nicht als PKW qualifiziert, da diese trotz des äußeren Erscheinungsbildes eines PKW, nicht zur Verwendung auf Straßen geeignet sind und nach ihrer wirtschaftlichen Zweckbestimmung eben nicht der Personen-oder Güterbeförderung dienen. Auch besteht bei Rennautos keine Möglichkeit diese straßentauglich und zulassungsfähig zu machen. Die charakteristischen Eigenschaften des Rennautos unterscheiden es daher von den üblichen Pkws ganz wesentlich. (vgl. VwGH 28.10.2009, 2007/15/0222).

Der VwGH geht weiters davon aus, dass die konkrete Bezeichnung der vom Vorsteuerausschluss ausgenommenen Fahrzeuge (Fahrschulkraftfahrzeuge, Vorführkraft fahrzeuge) bzw. die engen Voraussetzungen an eine im Zusammenhang mit diesen Kraftfahrzeugen vorgenommene Betätigung ("ausschließlich", "zu mindestens 80 %") in § 12 Abs. 2 Z. 2 lit. b UStG 1994 zeigen, dass das Gesetz die Ausnahme vom Ausschluss vom Vorsteuerabzug nur in sehr eingeschränktem Rahmen zulassen wollte. Ein Raum für eine analoge Anwendung auf z. B. "Testfahrzeuge" bleibe daher nicht. (VwGH 21.9.2006, 2004/15/0072). Zum Einwand, das Fahrzeug sei als Betriebsmittel zu beurteilen, wird darauf hingewiesen, dass es auf den Verwendungszweck des Kraftfahrzeuges im Einzelfall nicht ankommt.

So wurde auch ein Testwagen für die Entwicklung von Dieselfiltern - zur Ausscheidung der Russpartikel aus den Abgasen - selbst durch die Einbauten der Messaggregate nicht als fahrender Prüfstand anerkannt, weil durch diese Umbauten das Fahrzeug mit dem typischen Erscheinungsbild eines Pkw seine charakteristische Eigenschaft dadurch nicht verloren hat (vgl. UFS 27.3.2007, RV/0630-W/04).

3.1.2. Erwägungen:

Strittig ist im vorliegenden Fall, ob es sich bei den gegenständlichen Versuchsfahrzeugen um PKW handelt und folglich der Vorsteuerausschluss gem. § 12 Abs 2 Z 2 lit b UStG 1994 greift.

Aufgrund der Vorhaltsbeantwortung durch die Bf sind folgende Punkte als erwiesen anzusehen:

{
  "type": "ol",
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    {
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        {
          "type": "em",
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            "Die Fahrzeuge dürfen nur zu Erprobungszwecken auf öffentlichen Straßen betrieben werden und müssen verkehrssicher sein."
          ]
        }
      ]
    },
    {
      "type": "li",
      "children": [
        {
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            "Über alle Fahrten sind Aufzeichnungen zu führen, die über Fahrzeug (Fahrgestell-Nr.), Fahrer, Testzweck, gefahrene Strecke, Datum und Uhrzeit Auskunft geben. "
          ]
        }
      ]
    },
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      "type": "li",
      "children": [
        {
          "type": "em",
          "children": [
            "Die finalen Entwicklungsergebnisse sind für das Typzulassungsverfahren erforderlich, die über eine eigene Abteilung innerhalb der "
          ]
        },
        "***1***",
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          "type": "em",
          "children": [
            "-AG an die zuständigen Behörden gemeldet werden."
          ]
        }
      ]
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    "style": "list-style-type: disc;"
  }
}

Nach den im Rahmen der mündlichen Verhandlung gewonnenen Erkenntnissen seht fest, dass die beschwerdegegenständlichen Versuchsfahrzeuge während einer Testreihe häufig umgebaut bzw. laufend Teile ein- bzw. wieder ausgebaut werden. Es ist daher nachvollziehbar, dass sich das "Innenleben" eines Versuchsfahrzeuges hinsichtlich der Komponenten maßgeblich von dem eines Serienfahrzeuges unterscheidet.

Nach der Judikatur bedeutet die konkrete Bezeichnung der vom Vorsteuerausschluss ausgenommenen Fahrzeuge (Fahrschulkraftfahrzeuge, Vorführkraft fahrzeuge) bzw. die engen Voraussetzungen an eine im Zusammenhang mit diesen Kraftfahrzeugen vorgenommene Betätigung ("ausschließlich", "zu mindestens 80 %") in § 12 Abs. 2 Z. 2 lit. b UStG 1994, dass das Gesetz die Ausnahme vom Ausschluss vom Vorsteuerabzug nur in sehr eingeschränktem Rahmen zulassen wollte. Eine analoge Anwendung auf "Testfahrzeuge" scheidet daher aus, weil es auf den Verwendungszweck des Kraftfahrzeuges im Einzelfall nicht ankommt (VwGH 21.9.2006, 2004/15/0072).

Lt. Aussage der Bf werden die Versuchsträger bei Testbeginn bereits mit entsprechenden Sensoren, Kabelbäumen und Steuergeräten ausgerüstet. In der mündlichen Verhandlung wurde von der Abgabenbehörde auf die niederschriftliche Aussage eines Fahrzeuglenkers hingewiesen (vgl. Niederschrift der Finanzpolizei vom 3.7.2013), wonach mobile Messeinheiten erst im Nachhinein angebracht wurden. Für den erkennenden Richter ist die Aussage der Bf schlüssig, wonach die Versuchsträger vorbereitet werden und entsprechende Sensoren, Kabelbäume und Steuergeräte angebracht sein müssen.

Es ist nachvollziehbar, dass Versuchsfahrzeuge bereits bei Testbeginn mit sämtlichen Messeinheiten ausgestattet sind, damit von Beginn an ausreichend Messdaten erhoben werden können.

Bei den Versuchsfahrzeugen handelt es sich lt. Beschwerdevorbringen um speziell adaptierte Fahrzeuge, die aufgrund einer EU-Sondergenehmigung - mit deutschen Kennzeichen - temporär für Testreihen verwendet werden. Der Testzyklus beginnt zunächst am Prüfstand und wird in weiterer Folge auf der Teststrecke sowie zuletzt auf öffentlichen Straßen finalisiert.

Die gegenständlichen Versuchsfahrzeuge unterscheiden sich von Testfahrzeugen (vgl. VwGH 21.09.2006, 2004/15/0072) lt. Beschwerdevorbringen insoweit, als es sich bei letzteren um handelsübliche Kfz handelt. Dies trifft auf die Versuchsträger lt. Bf aber nicht zu. Vom Vertreter der Abgabenbehörde wurde in der mündlichen Verhandlung zugestanden, dass es sich in dem vom VwGH entschiedenen Fall beim Testfahrzeug um ein Motorrad handelte. Weiters wurde von der Abgabenbehörde in der mündlichen Verhandlung eingewendet, dass ein Rally-Fahrzeug eine Sondergenehmigung benötigt und für den Einstieg in ein solches Fahrzeug eine spezielle Einweisung erforderlich ist. Vom Bf wird diesbezüglich darauf verwiesen, dass ein Rally-Fahrzeug jederzeit in ein seriennahes Fahrzeug rückgebaut werden kann und somit nach der Judikatur als PKW einzustufen ist.

Vom VwGH werden Rennfahrzeuge nicht als PKW qualifiziert, da diese trotz des äußeren Erscheinungsbildes eines PKW, nicht zur Verwendung auf Straßen geeignet sind und nach ihrer wirtschaftlichen Zweckbestimmung eben nicht der Personen- oder Güterbeförderung dienen (VwGH 28.10.2009, 2007/15/0222). Diese Judikatur ist auch im vorliegenden Fall anwendbar, da bei den Versuchsträgern weder eine Zulassungsfähigkeit bzw. Umbaumöglichkeit gegeben sind und somit wesentliche Merkmale eines PKW fehlen.

Als weiteres Kriterium für das Vorliegen eines PKW wurde seitens der Abgabenbehörde das Bestehen einer Haftpflichtversicherung vorgebracht. Da die Versuchsfahrzeuge auch auf der Straße getestet werden, ist der Abschluss einer solchen Versicherung in diesem Zusammenhang nicht ungewöhnlich. Für den erkennenden Richter kann daraus aber kein Kriterium für das Vorliegen eines PKW abgeleitet werden, zumal durch eine Haftpflichtversicherung üblicherweise die durch den Betrieb eines Fahrzeuges resultierenden Schäden an fremdem Vermögen abgedeckt werden sollen.

Nach den Aussagen in der mündlichen Verhandlung ist davon auszugehen, dass Versuchsfahrzeuge nach ihrer wirtschaftlichen Zweckbestimmung nicht der Personen- oder Güterbeförderung dienen und auch keine - mit wirtschaftlich vertretbarem Aufwand - Umbaumöglichkeit in zulassungsfähige Fahrzeuge besteht. Diese Versuchsträger unterscheiden sich, wie auch Rennfahrzeuge (vgl. dazu VwGH 28.10.2009, 2007/15/0222), von den zum Verkauf bestimmten PKW`s ganz wesentlich. Für den erkennenden Richter ist demnach erwiesen, dass handelsübliche Testfahrzeuge nicht mit den gegenständlichen Versuchsträgern vergleichbar sind. Daran kann auch der Umstand nichts ändern, dass sich lt. Aussage der Bf die auf der Straße durchgeführten Testfahrten der Versuchsträger nicht von jenen mit normalen Testfahrzeugen unterscheiden.

In der mündlichen Verhandlung wurde auf ein UFS-Erkenntnis vom 27.3.2007 verweisen, wonach die Eigenschaft eines PKW nicht durch diverse Umbauten verloren geht. Das Erkenntnis betrifft einen Testwagen für die Entwicklung von Dieselfiltern, der selbst durch die Einbauten der Messaggregate nicht als fahrender Prüfstand - der aus Kostengründen anstelle eines stationären Dieselprüfstandes verwendet wurde - Anerkennung fand, weil durch diese Umbauten das Fahrzeug mit dem typischen Erscheinungsbild eines Pkw seine charakteristische Eigenschaft dadurch nicht verloren hat. Dieser Sachverhalt ist für den erkennenden Richter schon deshalb mit den beschwerdegegenständlichen Versuchsträgern nicht vergleichbar, weil hier der Pkw selbst als fahrender Prüfstand fungierte, wobei diese Umrüstung auch wieder zurückgebaut werden konnte. Im vorliegenden Fall kommen demgegenüber stationäre Prüfstände zum Einsatz. Zudem werden bei den Versuchsträgern während einer Testreihe nachweislich laufend Teile ein- bzw. wieder ausgebaut, die - anders als im zitierten UFS-Erkenntnis - nicht nur das Abgassystem, sondern sämtliche Fahrzeugkomponenten betreffen und ein Rückbau daher nur mit einem wirtschaftlich nicht vertretbaren Aufwand erfolgen könnte.

Weiters sind die Versuchsträger straßentauglich, aber nicht zulassungsfähig. Zudem werden sie nach Abschluss der Testreihe zwar rückgebaut, kommen aber nicht in den Verkauf. Sie gelangen dabei lt. Bf unverändert (so wie sie aus München überstellt werden) wiederum in die Zentrale nach München, wo sie dann nach Abschluss sämtlicher Tests endgültig verschrottet werden.

Ob ein Fahrzeug unter § 12 Abs 2 Z. 2 lit. b UStG 1994 zu subsumieren ist, ist nicht im Hinblick auf den Verwendungszweck im Einzelfall, sondern auf den Zweck, dem das Kraftfahrzeug nach seiner typischen Beschaffenheit und Bauart von vornherein und im Allgemeinen zu dienen bestimmt ist, zu beurteilen (vgl. VwGH Ra 2016/15/0060 und VwGH 2007/15/0222). Es kommt also auf den optischen Eindruck und die darauf beruhende Verkehrsauffassung an (vgl. Ecker/Epply/Rößler/Schwab, Kommentar zur Mehrwertsteuer - UStG 1994, 79. Lfg 2024 zu § 12 - Gesetzestext und Kommentierung Rz 308). Entscheidend ist, zu welchem Zweck das Fahrzeug hergestellt wurde und welcher Verwendung demnach das Fahrzeug gemäß seiner werkseitigen Konstruktion zu dienen bestimmt ist (Ruppe/Achatz Umsatzsteuergesetz Kommentar6, § 12 Tz 186).

Versuchsfahrzeuge dienen ausschließlich Entwicklungszwecken, demnach der Gewinnung von Daten, die im weiteren Entwicklungsprozess Verwendung finden. Lt. Beschwerdevorbringen umfasst die Erprobungs- und Versuchstätigkeit unter Verwendung der Versuchsträger sämtliche Komponenten der Motoren, Abgasanlage und des Kühlsystems, die am Betriebsstandort in ***Ort*** entwickelt werden. Getestet werden sowohl selbst entwickelte und hergestellte Komponenten, als auch Zukaufteile hinsichtlich ihrer Interaktion mit den restlichen Versuchsträgerkomponenten.

In der Stellungnahme zur Vorhaltsbeantwortung der Bf wird von der belangten Behörde ausgeführt, dass die von der Bf erläuterte spezifische Verwendung der Fahrzeuge im Unternehmen (auf Rollenprüfständen, Teststrecken bzw. auf öffentlichen Straßen für Erprobungszwecke inkl. Einsatz von Mess-Sensorik zum Gewinnen objektiver Daten für die Emissions-, Motorgeräte- und Bauteilabsicherung und subjektiver Wahrnehmungen von Geräuschen, Vibrationen und Haptik) nichts daran ändern, dass es bei der wirtschaftlichen Zweckbestimmung des Fahrzeuges nicht auf den Verwendungszweck im Einzelfall, sondern auf den Zweck ankommt, dem das Fahrzeug nach seiner typischen Beschaffenheit und Bauart von vornherein und allgemein zu dienen bestimmt ist.

Dem ist zu entgegnen, dass Versuchsfahrzeuge nicht nur bei Bedarf im Einzelfall für die o.a. Zwecke im Unternehmen eingesetzt werden, sondern ausschließlich für die erforderlichen Tests Verwendung finden. Die von der Judikatur für Rennfahrzeuge entwickelten Grundsätze (vgl. VwGH 28.10.2009, 2007/15/0222) sind nach Ansicht des erkennenden Richters auch im vorliegenden Fall anwendbar, da sich die charakteristischen Eigenschaften eines Versuchsfahrzeuges von jenen der üblichen Pkw ganz wesentlich unterscheiden.

Weiters ist eine reguläre Verwendungsmöglichkeit im Straßenverkehr im Hinblick auf die sehr eingeschränkte Nutzungsmöglichkeit durch die aus der EU-Sondergenehmigung resultierenden Auflagen (z.B.: Verwendung durch geschulte Mitarbeiter) sowie die fehlende Zulassungsfähigkeit für den erkennenden Richter nicht ersichtlich.

Nach übereinstimmenden Aussagen in der mündlichen Verhandlung ist bei den Versuchsträgern keine Zulassungsfähigkeit gegeben bzw. wäre eine Umbaumöglichkeit nur mit einem wirtschaftlich nicht vertretbaren Aufwand zu bewerkstelligen. Es liegen weiters die von der Abgabenbehörde angesprochenen wesentlichen Merkmale eines PKW nach Ansicht des erkennenden Richters nicht vor, weil ein Versuchsträger nach seiner wirtschaftlichen Zweckbestimmung von vornherein (vergleichbar einem Rennfahrzeug) nicht für einen regulären Einsatz im Straßenverkehr bestimmt ist.

Festsetzung der Umsatzsteuer 12/2019:

Die gegenständliche Beschwerde vom 22.11.2023 richtet sich auch gegen die bescheidmäßige Festsetzung der Umsatzsteuer für 12/2019. In weiterer Folge wurde am 4.10.2024 auch gegen den (USt)-Veranlagungsbescheid 2019 Beschwerde erhoben.

Tritt ein Bescheid an die Stelle eines mit Bescheidbeschwerde angefochtenen Bescheides, so gilt gem. § 253 BAO die Bescheidbeschwerde auch als gegen den späteren Bescheid gerichtet. Dies gilt auch dann, wenn der frühere Bescheid einen kürzeren Zeitraum als der ihn ersetzende Bescheid umfasst. Wird gegen die Veranlagungsbescheide eine (weitere) Beschwerde eingereicht, so handelt es sich dabei um einen ergänzenden Schriftsatz zum ursprünglichen Rechtsmittel (vgl. Ritz/Koran, BAO8, § 253 Tz 9).

Im vorliegenden Fall ist nunmehr der gesondert bekämpfte Umsatzsteuerbescheid 2019 auf Basis der gegen den Festsetzungsbescheid 12/2019 gerichteten Beschwerde Gegenstand des Beschwerdeverfahrens. Eine Zurückweisung dieser Beschwerde wegen Unzulässigkeit (vgl. zu Fällen der Unzulässigkeit z.B. Ritz/Koran, aaO, § 260 Tz 5 ff), kam somit nicht in Betracht (vgl. VwGH, Ra 2022/13/0085). Auch eine Gegenstandsloserklärung nach § 261 Abs. 1 BAO ist nicht möglich, weil dem Beschwerdebegehren durch den Veranlagungsbescheid nicht Rechnung getragen wurde.

Demzufolge war daher über die (gleichlautende) Beschwerde gegen die Festsetzung der Umsatzsteuer für 12/2019 im Beschwerdeverfahren betr. Umsatzsteuer 2019 abzusprechen.

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

3.2. Zu Spruchpunkt II. (Revision)

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Im gegenständlichen Fall sind die zu klärenden Rechtsfragen durch die zitierte ständige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes entschieden, sodass eine Revision nicht zulässig ist.

Linz, am 30. Juli 2025