IM NAMEN DER REPUBLIK
Das Bundesfinanzgericht hat durch den Richter ***R*** in der Beschwerdesache ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, über die Beschwerde vom 20. Mai 2024 gegen den Bescheid des Finanzamtes Österreich vom 25. April 2024 betreffend Familienbeihilfe zu Recht erkannt:
I. Die Beschwerde wird gemäß § 279 BAO als unbegründet abgewiesen.
II. Gegen dieses Erkenntnis ist eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.
Entscheidungsgründe
I. Verfahrensgang
Mit Bescheid des Finanzamtes Österreich vom 25. April 2024 wurde die Beschwerdeführerin (Bf) aufgefordert, die für ihre Tochter ***1*** bezogene Familienbeihilfe und den Kinderabsetzbetrag für den Zeitraum März 2023 bis Oktober 2023 in Höhe von insgesamt € 1.892,00 (FB: € 1.397,00; KG: € 494,40) gemäß § 26 Abs.1 Familienlastenausgleichsgesetz 1967 (FLAG) iVm § 33 Abs.3 Einkommensteuergesetz 1988 (EStG) zurückzuzahlen. Begründend wurde im Wesentlichen ausgeführt, ***1*** habe im Sommersemester 2023 lediglich einen Schulbesuch im Ausmaß von 15 Wochenstunden und im Wintersemester 2023/2024 im Ausmaß von 3 Wochenstunden nachweisen können. Bei einem Ausmaß von weniger als 20 Wochenstunden könne von keiner Ausbildung, die die volle Zeit der Tochter in Anspruch nimmt, ausgegangen werden.
Gegen diesen Bescheid hat die Bf mit Eingabe vom 20. Mai 2024 Beschwerde erhoben. Begründend führte sie im Wesentlichen aus, dass ihre Tochter im 8. Semester 21 Wochenstunden in der Schule absolviert habe, wobei drei Fächer negativ beurteilt wurden. Dies sei aber nicht aufgrund von mangelnder Anwesenheit in der Schule, sondern wegen Lernschwierigkeiten erfolgt.
Mit Beschwerdevorentscheidung des Finanzamtes Österreich vom 8. August 2024 wurde die Beschwerde als unbegründet abgewiesen. Begründend wurde im Wesentlichen ausgeführt, dass das Zeugnis vom 12. September 2023 für das Sommersemester 2023 lediglich 15 Wochenstunden an absolvierten Fächern aufweise, wobei zwei Fächer negativ beurteilt wurden. Nicht beurteilte Fächer würden hingegen nicht berücksichtigt. Das Zeugnis zum Wintersemester 2023/2024, datiert vom 8. Februar 2024 weise 3 Wochensunden absolvierter Fächer auf. Im Beschwerdezeitraum März 2023 bis Oktober 2023 unterschreite die Vorbereitungszeit das geforderte Mindestausmaß von 20 Wochenstunden. Die Voraussetzungen einer ernsthaften und zielstrebigen Berufsausbildung lägen daher nicht vor.
Mit Eingabe vom 30. August 2024 beantragte die Bf die Entscheidung über die Beschwerde durch das Bundesfinanzgericht (Vorlageantrag). Die Bf führte im Wesentlichen aus, dass ihre Tochter im Mai 2023 nicht zur Reifeprüfung zugelassen worden sei. Zu Beginn des Schuljahres 2023/2024 habe sie sich in 2 Fächern ausbessern können, für die übrigen 4 Fächer könne sie noch am Unterricht teilnehmen und die Noten ausbessern. Erst für dieses Schuljahr bestehe kein Anspruch auf Familienbeihilfe.
II. Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:
1. Sachverhalt
Die Tochter der Bf, ***1***, geb. ***2*** 2001, besuchte ab dem Wintersemester 2021/2022 die ***3***. Im Wintersemester 2022/2023 (7. Semester) besuchte die Tochter der Bf Unterrichtsgegenstände im Ausmaß von 24 Wochenstunden und im Sommersemester 2023 (8. Semester) Unterrichtsgegenstände im Ausmaß von 18 Wochenstunden, wobei sie in Mathematik und Volkswirtschaft negativ beurteilt wurde. Im Pflichtgegenstand Slowenisch (3 Wochenstunden) erfolgte keine Beurteilung.
Zum erfolgreichen Schulabschluss fehlen ***1*** die Pflichtgegenstände Mathematik (8. Semester, 3 Wochenstunden), Volkswirtschaft (8. Semester,1 Wochenstunde), Slowenisch (8. Semester, 3 Wochenstunden) und Recht (7. Semester, 1 Wochenstunde). Die Tochter der Bf wurde daher nicht zur Reifeprüfung zugelassen.
Der wöchentliche Zeitaufwand der Tochter der Bf für ihre Ausbildung im 8. Semester betrug inklusive Lernaufwand, Hausübungen und Vor- und Nachbereitung von Unterrichtsstunden sowie Prüfungsvorbereitungen zwischen 20 und 25 Wochenstunden.
2. Beweiswürdigung
Gemäß § 167 Abs.1 BAO bedürfen Tatsachen, die bei der Abgabenbehörde offenkundig sind, und solche, für deren Vorhandensein das Gesetz eine Vermutung aufstellt, keines Beweises.
Gemäß § 167 Abs.2 BAO hat die Abgabenbehörde unter sorgfältiger Berücksichtigung der Ergebnisse des Abgabenverfahrens nach freier Überzeugung zu beurteilen, ob eine Tatsache als erwiesen anzunehmen ist oder nicht.
Nach ständiger Rechtsprechung genügt es, von mehreren Möglichkeiten jene als erwiesen anzunehmen, die gegenüber allen anderen Möglichkeiten eine überragende Wahrscheinlichkeit oder gar die Gewissheit für sich hat und alle anderen Möglichkeiten absolut oder mit Wahrscheinlichkeit ausschließt oder zumindest weniger wahrscheinlich erscheinen lässt (zB VwGH 23.9.2010, 2010/15/0078; 28.10.2010, 2006/15/0301; 26.5.2011, 2011/16/0011; 20.7.2011, 2009/17/0132).
Das Bundesfinanzgericht gründet den festgestellten Sachverhalt auf den Inhalt der vom Finanzamt Österreich vorgelegten Verwaltungsakten. Dieser ist aufgrund der vorgelegten Semesterzeugnisse der ***3*** für das 7. Semester vom 9. Februar 2023 und für das 8. Semester vom 12. September 2023 erwiesen.
In Anlehnung an die Rechtsprechung des BFG kann davon ausgegangen werden, dass beim Besuch eines Abendgymnasiums (in Vollzeit) nach allgemeiner Lebenserfahrung bei einem wöchentlichen Unterricht von durchschnittlich 20 bis 25 Wochenstunden rund 10 Wochenstunden für Lernaufwand, Hausübungen und Vor- und Nachbereitung von Unterrichtsstunden sowie Prüfungsvorbereitungen anfallen (BFG 06.07.2016, RV/5101257/2015) und damit 40 bis 50% der in Präsenz absolvierten Wochenstunden angesetzt werden kann (vgl BFG 11.12.2023, RV/4100068/2023, 29.08.2019, RV/5101611/2016, 12.09.2019, RV/5101043/2018, BFG 25.01.2018, RV/5100957/2012). Ein darüber hinaus gehender Zeitaufwand wurde weder behauptet noch nachgewiesen.
Die Tochter der Bf absolvierte im 8. Semester laut dem Schulzeugnis vom 12. September 2023 positiv beurteilte Fächern im Ausmaß von 11 Wochenstunden, negativ beurteilte Fächer im Ausmaß von 4 Wochenstunden und ein nicht beurteiltes Fach im Ausmaß von 3 Wochenstunden. Der wöchentliche Zeitaufwand der Tochter der Bf für ihre Ausbildung im 8. Semester betrug daher inklusive Lernaufwand, Hausübungen und Vor- und Nachbereitung von Unterrichtsstunden sowie Prüfungsvorbereitungen zwischen 20 und 25 Wochenstunden.
3. Rechtliche Beurteilung
3.1. Zu Spruchpunkt I. (Abweisung)
Gemäß § 2 Abs.1 lit.b Familienlastenausgleichsgesetz 1967 (FLAG) haben Personen Anspruch auf Familienbeihilfe, die im Bundesgebiet einen Wohnsitz oder ihren gewöhnlichen Aufenthalt haben, für volljährige Kinder, die das 24. Lebensjahr noch nicht vollendet haben und die für einen Beruf ausgebildet oder in einem erlernten Beruf in einer Fachschule fortgebildet werden, wenn ihnen durch den Schulbesuch die Ausübung ihres Berufes nicht möglich ist.
Nach der Rechtsprechung des VwGH fallen unter den Begriff "Berufsausbildung" alle Arten schulischer oder kursmäßiger Ausbildung, in deren Rahmen noch nicht berufstätige Personen ohne Bezugnahme auf die spezifischen Tätigkeiten in einem konkreten Arbeitsplatz für das künftige Berufsleben erforderliches Wissen vermittelt wird (VwGH 18.11.2008, 2007/15/0050; 27.8.2008, 2006/15/0080 u.a.).
Für die Qualifikation als "Berufsausbildung" kommt es nicht darauf an, ob die schulische oder kursmäßige Ausbildung berufsbegleitend organisiert ist, allerdings kommt der zeitlichen Gestaltung und Verteilung einer Ausbildung, einschließlich der erforderlichen Vorbereitungs- und Lernzeit, Indizwirkung für die zeitliche Inanspruchnahme zu (VwGH 27.9.2012, 2010/16/0013). Das Ablegen von Prüfungen ist essentieller Bestandteil der Berufsausbildung. "Berufsausbildung" liegt daher nur dann vor, wenn die Absicht zur erfolgreichen Ablegung der vorgegebenen Prüfungen gegeben ist. Dagegen kommt es nicht darauf an, ob die erfolgreiche Ablegung der Prüfung tatsächlich gelingt (VwGH 24.10.2024, Ra 2024/16/0025; 7.9.2012, 2010/16/0013).
Zur Qualifikation als Berufsausbildung iSd § 2 Abs.1 lit.b FLAG kommt es nicht nur auf das "ernstliche und zielstrebige Bemühen um den Studienfortgang" an, sondern die Berufsausbildung muss auch in quantitativer Hinsicht die volle Zeit des Kindes in Anspruch nehmen (VwGH 23.2.2011, 2009/13/0127).
In zeitlicher Hinsicht liegt eine Berufsausbildung nur vor, wenn ein wöchentlicher Zeitaufwand von etwa 30 Stunden für Kurse und Vorbereitungszeit anfällt (Lenneis in Lenneis/Wanke, FLAG § 2 Rz.40). Das Bundesfinanzgericht nimmt bei Schulen für Berufstätige einen erforderlichen wöchentlichen Zeitaufwand von 20 bis 25 Stunden zuzüglich Hausaufgaben (BFG 6.7.2016, RV/5101257/2015), insgesamt von mindestens 30 Wochenstunden an, um von einer Berufsausbildung iSd FLAG zu sprechen (BFG 19.10.2017, RV/7102012/2016, 25.4.2023, RV/7200574/2022 uvm).
Ein Umfang von 12 Wochenstunden Unterricht (vgl. BFG 23.2.2018, RV/7100637/2015) bzw. 16 bis 18 Wochenstunden (vgl. BFG 12.11.2018, RV/7103779/2018) oder 19 Stunden Unterricht (vgl. BFG 7.3.2024, RV/7101169/2023) ist nicht ausreichend.
Mit dem Besuch der ***3*** mit 18 Wochenstunden Unterricht, wobei der Pflichtgegenstand Slowenisch im Ausmaß von 3 Wochenstunden nicht beurteilt wurde und einem Gesamtzeitaufwand (inklusive Lernaufwand, Hausübungen und Vor- und Nachbereitung von Unterrichtsstunden sowie Prüfungsvorbereitungen) von höchstens 25 Wochenstunden, wurde die überwiegende Zeit der Tochter der Bf im Beschwerdezeitraum nicht in Anspruch genommen, eine Berufsausbildung im Sinne des § 2 Abs.1 lit.b FLAG liegt daher nicht vor.
Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.
3.2. Zu Spruchpunkt II. (Revision)
Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
Da das Bundesfinanzgericht der dargestellten ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes folgt, ist eine Revision nicht zulässig.
Klagenfurt am Wörthersee, am 4. Juni 2025