JudikaturBFG

RV/4100022/2024 – BFG Entscheidung

Entscheidung
Öffentliches Recht
03. April 2025

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch den Richter ***R*** in der Beschwerdesache ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, vertreten durch Mag. Hartwig Allmaier, Bäckergasse 15, 9020 Klagenfurt, über die Beschwerde vom 4. Mai 2023 gegen den Bescheid des Finanzamtes Österreich vom 7. März 2023 betreffend die Haftung gemäß § 26 Abs.3 Familienlastenausgleichsgesetz 1967 (FLAG) zu Recht erkannt:

I. Die Beschwerde wird gemäß § 279 BAO als unbegründet abgewiesen.

II. Gegen dieses Erkenntnis ist eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

I. Verfahrensgang

Mit Bescheid des Finanzamtes Österreich vom 15. Dezember 2021 wurde ***1*** gemäß § 26 Abs.1 FLAG iVm § 33 Abs.3 Einkommensteuergesetz 1988 (EStG) aufgefordert, die für ihren Sohn ***2***, geb. am ***3***, bezogene Familienbeihilfe für den Zeitraum Juli 2017 bis März 2021 und den Kinderabsetzbetrag für den Zeitraum Juli 2017 bis März 2021 in Höhe von € 10.282,90 (FB: € 7.654,90; KG € 2.628,00) zurückzuzahlen. Eine dagegen erhobene Beschwerde vom 10. Jänner 2021 wurde mit Beschwerdevorentscheidung des Finanzamtes Österreich vom 19. Jänner 2022 als unbegründet abgewiesen.

Mit Bescheid vom 7. März 2023 wurde der Beschwerdeführer (Bf) zur Haftung für durch die im gemeinsamen Haushalt lebende Kindesmutter im Zeitraum September 2018 bis März 2021 bezogene und rückgeforderte Familienbeihilfe samt Kinderabsetzbeträgen im Gesamtbetrag von € 7.288,50 herangezogen. Beigelegt war dem Haftungsbescheid der an die Kindesmutter ergangene Rückforderungsbescheid. Begründend wurde im Wesentlichen ausgeführt, der von ***1***, mit der der Bf von 18. August 2018 bis 15. Oktober 2021 verheiratet war, eingeforderte Betrag sei bei ihr uneinbringlich.

In der Eingabe vom 4. Mai 2023 wurde durch einen steuerlichen Vertreter fristgerecht Beschwerde gegen den Haftungsbescheid erhoben. Begründend wurde im Wesentlichen ausgeführt, dass ***2*** während dieser Zeit nicht mehr im gemeinsamen Haushalt gelebt habe und zu seiner Mutter und seinem Stiefvater keinerlei Kontakt bestanden hätte. Die Familienbeihilfe sei auf ein Bankkonto des Sohnes weitergeleitet worden. Von der Auflösung seines Lehrverhältnisses und dem Erlöschen des Anspruches auf Familienbeihilfe sei weder die Kindesmutter noch der Bf informiert worden. Es sei daher unbillig, den Bf zur Haftung für die Familienbeihilfe heranzuziehen.

Mit Beschwerdevorentscheidung des Finanzamtes Österreich vom 18. Juli 2023 wurde die Beschwerde als unbegründet abgewiesen. Begründend wurde im Wesentlichen ausgeführt, dass bereits dadurch, dass der Stiefsohn nicht mehr im gemeinsamen Haushalt mit der Kindesmutter gelebt habe, kein Anspruch auf Familienbeihilfe bestand. Die Verwendung des Geldes - Ausbezahlung auf ein Bankkonto des Kindes - sei nicht von Relevanz. Der Bf sei von August 2018 bis Oktober 2021 mit ***1*** verheiratet gewesen, Frau ***1*** sei von 19. Februar 2018 bis 8. Juni 2021 an der Wohnadresse des Bf gemeldet gewesen. Im Rahmen des Ermessens hätte das öffentliche Interesse an einer Rückforderung der Familienbeihilfe überwogen.

Mit Eingabe vom 16. Februar 2024 beantragte der Bf die Entscheidung über die Beschwerde durch das Bundesfinanzgericht (Vorlageantrag).

Mit Schreiben des Finanzamtes Österreich vom 14. September 2023 wurde der Bf ersucht, Nachweise darüber zu erbringen, dass er im Zeitraum September 2018 bis März 2021 nicht im gemeinsamen Haushalt mit seiner geschiedenen Gattin gelebt habe. Der Vorhalt blieb unbeantwortet.

II. Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:

1. Sachverhalt

Die geschiedene Ehegattin des Bf, ***1***, hat im Zeitraum September 2018 bis März 2021 die Familienbeihilfe und den Kinderabsetzbetrag für ihren Sohn ***2***, geb. am ***3***, in Höhe von € 7.288,50 (Familienbeihilfe: € 5.478,10; Kinderabsetzbetrag: € 1.810,50) ausbezahlt bekommen.

Mit Bescheid des Finanzamtes Österreich vom 15. Dezember 2021 wurde ***1*** gemäß § 26 Abs.1 FLAG iVm § 33 Abs.3 EStG aufgefordert, die für ihren Sohn ***2*** bezogene Familienbeihilfe und den Kinderabsetzbetrag ua für den oben genannten Zeitraum Juli 2017 bis März 2021 zurückzuzahlen. Die Beträge sind bei der Primärschuldnerin uneinbringlich.

Der Bf lebte im Streitzeitraum mit der Beihilfenbezieherin in einem gemeinsamen Haushalt. ***2***, lebte bei seinem leiblichen Vater bzw. in einer eigenen Wohnung. Ein Kontakt zwischen dem Sohn und der Kindesmutter bestand nicht, ihre letzte Information war, dass ihr Sohn eine Lehre begonnen hatte. Auch der Bf hatte zu seinem Stiefsohn keinen Kontakt. Dem Bf war der Bezug der Familienbeihilfe durch seine Ehegattin nicht bekannt. Die Kindesmutter hat laufend einen Geldbetrag in Höhe der Familienbeihilfe auf ein Konto ihres Sohnes überwiesen.

Mit Bescheid vom 7. März 2023 wurde der Bf zur Haftung für durch die im gemeinsamen Haushalt lebende Kindesmutter im Zeitraum September 2018 bis März 2021 bezogene und rückgeforderte Familienbeihilfe samt Kinderabsetzbeträgen im Gesamtbetrag von € 7.288,50 herangezogen. Beigelegt war dem Haftungsbescheid der an die Kindesmutter ergangene Rückforderungsbescheid.

2. Beweiswürdigung

Gemäß § 167 Abs.1 BAO bedürfen Tatsachen, die bei der Abgabenbehörde offenkundig sind, und solche, für deren Vorhandensein das Gesetz eine Vermutung aufstellt, keines Beweises.

Gemäß § 167 Abs.2 BAO hat die Abgabenbehörde unter sorgfältiger Berücksichtigung der Ergebnisse des Abgabenverfahrens nach freier Überzeugung zu beurteilen, ob eine Tatsache als erwiesen anzunehmen ist oder nicht.

Nach ständiger Rechtsprechung genügt es, von mehreren Möglichkeiten jene als erwiesen anzunehmen, die gegenüber allen anderen Möglichkeiten eine überragende Wahrscheinlichkeit oder gar die Gewissheit für sich hat und alle anderen Möglichkeiten absolut oder mit Wahrscheinlichkeit ausschließt oder zumindest weniger wahrscheinlich erscheinen lässt (zB VwGH 23.9.2010, 2010/15/0078; 28.10.2010, 2006/15/0301; 26.5.2011, 2011/16/0011; 20.7.2011, 2009/17/0132).

Das Bundesfinanzgericht gründet den festgestellten Sachverhalt auf den Inhalt der vom Finanzamt Österreich vorgelegten Verwaltungsakten.

In Ermangelung der Vorlage der vom Finanzamt Österreich mit Vorhalt vom 14. September 2023 angeforderten Nachweise ist davon auszugehen, dass der Bf und seine nunmehr geschiedene Gattin im Rückforderungszeitraum in einem gemeinsamen Haushalt gelebt haben, zumal beide an derselben Adresse aufrecht gemeldet waren. Im Übrigen ist der Sachverhalt unbestritten.

3. Rechtliche Beurteilung

3.1. Zu Spruchpunkt I. (Abweisung)

Gemäß § 26 Abs.1 FLAG hat, wer Familienbeihilfe zu Unrecht bezogen hat, die entsprechenden Beträge zurückzuzahlen.

Gemäß Abs.3 leg. cit. haftet für die Rückzahlung eines zu Unrecht bezogenen Betrages an Familienbeihilfe auch derjenige Elternteil des Kindes, der mit dem Rückzahlungspflichtigen in der Zeit, in der die Familienbeihilfe für das Kind zu Unrecht bezogen worden ist, im gemeinsamen Haushalt gelebt hat.

Gemäß § 2 Abs.3 lit.c FLAG sind Kinder einer Person im Sinne dieses Abschnittes auch deren Stiefkinder.

§ 33 Abs.3 EStG bestimmt, dass wenn Kinderabsetzbeträge zu Unrecht bezogen wurden, § 26 des Familienlastenausgleichsgesetzes 1967 anzuwenden ist.

Die in Abgabenvorschriften geregelten persönlichen Haftungen werden durch Erlassung von Haftungsbescheiden geltend gemacht (§ 224 Abs.1 BAO). In diesen ist der Haftungspflichtige unter Hinweis auf die gesetzliche Vorschrift, die seine Haftungspflicht begründet, aufzufordern, die Abgabenschuld, für die er haftet, binnen einer Frist von einem Monat zu entrichten.

Unter Stiefkinder versteht man die aus einer früheren Ehe stammenden Kinder des Ehegatten dieser Person und die unehelichen Kinder dieses Ehegatten (VfGH 18.3.1996, G 15/65; Lenneis/Wanke FLAG § 2 Rz.20).

Der Bf lebte im Rückforderungszeitraum mit der Beihilfen- und Kinderabsetzbetragsbezieherin, seiner Ehegattin und Kindesmutter, in einem gemeinsamen Haushalt, ***2*** stammt aus einer früheren Ehe seiner damaligen Ehegattin. Die Voraussetzungen des § 26 Abs.3 FLAG für die Erlassung des Haftungsbescheides sind daher erfüllt.

Die Haftungsinanspruchnahme liegt im Ermessen (§ 20 BAO) der Abgabenbehörde. Dieses Ermessen umfasst auch das Ausmaß der Heranziehung zur Haftung (ZB VwGH 25.3.2010, 2009/16/0104). Gemäß § 20 BAO ist die Ermessensentscheidung innerhalb der vom Gesetzgeber gezogenen Grenzen nach Billigkeit und Zweckmäßigkeit unter Berücksichtigung aller in Betracht kommender Umstände zu treffen. Dem Gesetzesbegriff Billigkeit ist dabei die Bedeutung des berechtigten Interesses des Bf beizumessen, nicht zur Haftung für Abgaben herangezogen zu werden, deren Uneinbringlichkeit bei der Primärschuldnerin feststeht. Dem Gesetzesbegriff Zweckmäßigkeit kommt die Bedeutung öffentliches Interesse an der Einhebung der Abgaben zu.

Der Bf bringt in der Beschwerdeschrift vor, es wäre unbillig ihn zur Haftung heranzuziehen, da er nicht während der gesamten Zeit im gemeinsamen Haushalt mit ***1*** gelebt habe. Dem Bf sei von seiner damaligen Ehegattin weder der Bezug der Familienbeihilfe zur Kenntnis gebracht worden, noch sei für ihn ein unrechtmäßiger Bezug erkennbar gewesen. Seine nunmehrigen persönlichen Verhältnisse und seine derzeitige wirtschaftliche Situation wurden vom Bf nicht ins Treffen geführt.

Nach dem festgestellten Sachverhalt haben der Bf und damalige Ehegattin im Rückforderungszeitraum im gemeinsamen Haushalt gelebt. Dies bedeutet, dass die ausbezahlten Gelder auch in diesem Haushalt gemeinsam verwendet wurden. Konkret hat im gegenständlichen Fall die geschiedene Ehegattin des Bf einen Geldbetrag in Höhe der erhaltenen Familienbeihilfe ihrem Sohn als Unterhaltsleistung zukommen lassen. Im Falle eines unrechtmäßigen Bezuges ist es daher auch sachlich gerechtfertigt, dass der andere Partner ebenfalls zur Rückzahlung herangezogen werden kann und gegebenenfalls wird.

Würden hier Billigkeitsüberlegungen ein über das berechtigte öffentliche Interesse an einer Rückzahlung hinausgehendes Gewicht beigemessen, würde letztlich der unberechtigte Bezug durch einen einkommenslosen Elternteil auch im Falle eines hohen Einkommens des anderen Elternteiles zu einer Abschreibung der Forderung führen müssen. Im vorliegenden Fall (Vermögenslosigkeit der Primärschuldnerin) ist somit dem Interesse der Allgemeinheit an der Abgabeneinbringung (Zweckmäßigkeitsüberlegung) der Vorzug zu geben gegenüber dem Interesse des Haftungspflichtigen (Billigkeitserwägung), nicht zur Haftung herangezogen zu werden (vgl dazu auch VwGH 16.10.2014, Ra 2014/16/0026). Eine Entrichtung - allenfalls in Raten- ist dem Bf zudem durchaus zumutbar.

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

3.2. Zu Spruchpunkt II. (Revision)

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Die Rückforderung der Familienbeihilfe entspricht der bestehenden Gesetzeslage. Die Ermessensentscheidung stellt keine Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung dar, eine Revision ist daher nicht zulässig.

Klagenfurt am Wörthersee, am 3. April 2025